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Im oder gegen den Uhrzeigersinn auf dem ersten Reversible-Platz Deutschlands

Die Golfanlage Patting, die zwischen Rosenheim und dem Chiemsee gelegen ist, wurde in den 90er Jahren gegründet und bestand bis 2016 aus einem schönen, aber einfach gestalteten 9-Löcher-Platz. Im Auftrag der Eigentümerin Marie Bauhuber haben die Golfplatz-Designer Dr. Hendrik Hilgert und Frank Pont von Infinite Variety Golf die Golfanlage inzwischen erweitert und vollständig neu gebaut. Seit der Neueröffnung im Juli dieses Jahres umfasst die Golfanlage nun einen 9-Löcher-Reversible-Platz mit Par 35 und einen 9-Löcher-Executive Course mit Par 29, wobei beide Plätze nach höchsten internationalen Maßstäben entworfen und gebaut wurden.

 

Bereits St. Andrews setzte auf Reversible-Konzept

Der Reversible-Platz in Patting ist der erste seiner Art in Deutschland. In Kontinentaleuropa gibt es außer dem Platz in Patting nur einen weiteren Reversible-Platz, und zwar den Platz Links Valley in den Niederlanden, der ebenfalls von Infinite Variety entworfen und im Jahr 2018 eröffnet wurde. Das Reversible-Konzept ist sehr alt, aber es war in Vergessenheit geraten. Schon im 19. Jahrhundert wurden in Schottland einige Plätze, auch der Old Course in St Andrews, als Reversible-Plätze gespielt.

 

Das Konzept besteht darin, dass ein Platz an unterschiedlichen Tagen in unterschiedlicher Richtung bespielt wird. Beispielsweise wird der Old Course heute gegen die Uhrzeiger-Richtung gespielt, aber damals wurde regelmäßig auch im Uhrzeiger-Sinn gespielt. Das heutige 17. Grün war auf dem Old Course in dem Fall das 1. Grün, das heutige 16. Grün das 2. Grün usw. In Patting haben die Platz-Designer das Konzept auf einem 9-Löcher-Platz umgesetzt. Im täglichen Wechsel wird entweder die sogenannte Hochries-Runde, die gegen die Uhrzeiger-Richtung verläuft, oder die in Uhrzeiger-Richtung verlaufende Wendelstein-Runde gespielt. Es gibt auf dem Platz also 9 Grüns, aber insgesamt 18 Spielbahnen, denn zu jedem Grün gibt es zwei unterschiedliche Spielbahnen. Beispielsweise teilen sich die Bahn 1 der Wendelstein-Runde und die Bahn 8 der Hochries-Runde ein Grün, wobei sich die Anspielrichtung um 150 Grad unterscheidet.

 

Bereits 2017 berichtete der golfmanager über die damals geplante Anlage bei Rosenheim. Den Beitrag finden Sie HIER.

 

Die wichtigsten Vorteile

Der Vorteil eines 9-Löcher-Reversible-Platzes für die Golfanlage liegt auf der Hand: Der Platz bietet zwar nicht mehr Kapazität als ein herkömmlicher 9-Löcher-Platz, aber hinsichtlich der Vielfalt der Spielbahnen ist der 9-Löcher-Reversible-Platz mit einem 18-Löcher-Platz vergleichbar. Wenn der Spieler beispielsweise das Grün der Wendelstein-1 aus nördlicher Richtung als Par 4 und am nächsten Tag das gleiche Grün als Hochries-8 aus südwestlicher Richtung als Par 3 anspielt, erlebt der Spieler diese Bahnen völlig unterschiedlich.

 

Sowohl für den Betreiber als auch für das Greenkeeping-Team ist der Reversible-Platz interessant, denn trotz der zusätzlichen Vielfalt sind die Investitionen, der Flächenverbrauch und der Pflegeaufwand weitgehend identisch mit denen eines herkömmlichen Platzes. Für die Grüns und für die Fairways gibt es praktisch keine Unterschiede zwischen den Konzepten. Lediglich bezüglich der Tees entsteht zusätzlicher Aufwand, denn der Reversible-Platz hat die doppelte Anzahl an Abschlägen. Aber insgesamt fällt dieser Zusatzaufwand kaum ins Gewicht. Auch das Umstecken der Spielrichtung ist unproblematisch und kann von den Greenkeepern innerhalb von 15 Minuten durchgeführt werden.

 

In Patting sind beim Bauprozess noch einige weitere Aspekte berücksichtigt worden, die für die tägliche Arbeit der Greenkeeper relevant sind:

  1. Häufig werden beim Bau von Golfplätzen Greenkeeping-Belange nicht ausreichend berücksichtigt. Konflikte zwischen dem Wunsch des Platzdesigners nach Spielstrategie und Schönheit einerseits und dem Interesse des Greenkeeping-Teams an einem gut zu pflegenden Platz andererseits werden dann häufig zulasten des Greenkeepings gelöst. Beispielsweise werden immer wieder Grüns gebaut, die aufgrund ex­tremer Ondulierungen nicht pro­blemlos mähbar sind, oder es entstehen Sandbunker, die aufgrund schlechter Oberflächendränage bei Starkregen ausgespült werden. Beim Umbau in Patting war es von Anfang an für Marie Bauhuber ein zentrales Ziel, dass der Pflegeaufwand handhabbar bleibt. Deshalb fungierte der Head-Greenkeeper der Anlage, Sepp Schwaiger, als Bauleiter und die Golfplatzdesigner standen während des gesamten Bauprozesses im intensiven Dialog mit dem Head-Greenkeeper und dem Shaping-Team, um überall optimale Lösungen zu finden.
  2. Um den Pflegeaufwand zu begrenzen, haben Hilgert und Pont in Patting auf den beiden 9-Löcher-Plätzen zusammen nur insgesamt 12 Bunker mit einer Gesamtfläche von ca. 900 m2 gebaut. Dies ist im Vergleich zu anderen Anlagen ausgesprochen wenig, denn die meisten 18-Löcher-Plätze in Deutschland haben zwischen 50 und 70 Bunker mit einer Gesamtfläche zwischen 5.000 und 8.000 m2. Allerdings wurden die Bunker so gebaut, dass diese extrem sichtbar sind und die Ideallinie sehr gut verteidigen. Trotz der geringen Bunkerzahl ist der Platz daher sehr effektiv verteidigt und die Bunker leisten einen wichtigen Beitrag zur attraktiven Optik der Gesamtanlage.
  3. Das Set-up der Grünkomplexe in Patting ist das gleiche wie auf Linksplätzen sowie auf vielen der besten Inlandsplätze der Welt: Die Grünumfelder werden auf allen Seiten kurz gemäht und weisen sogenannte Run-offs hinter und neben den Grüns auf. Außerdem sind sowohl die Grüns, als auch die Grünumgebungen „fast and firm“. Dadurch sind die Grün-Komplexe und das kurze Spiel in Patting wesentlich interessanter und abwechslungsreicher als auf Plätzen, auf denen das Grün seitlich und hinten von Semi-Rough begrenzt wird, abgesehen von einem schmalen Collar. Für das Greenkeeping bedeuten die großen kurz gemähten Flächen, die an jedem Grün eine Fläche zwischen 500 und 1.000 m2 haben, zusätzlichen Pflegeaufwand. Diesem steht aber auch ein erheblicher Gewinn an Qualität und Spielfreude für die Spieler entgegen.

 

Die Mitglieder in Patting haben den Umbau der Anlage bisher mit Begeisterung aufgenommen. Zwei 9-Löcher-Plätze mit unterschiedlicher Länge und unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden bieten den Golfern nicht nur eine Verdopplung der Kapazität, sondern auch einen großen Zugewinn an Qualität und Vielfalt.

 

Autoren: Sepp Schwaiger, Head-Greenkeeper GA Patting, und Dr. Hendrik Hilgert, ­Geschäftsführer Infinite Variety Golf Deutschland GmbH

 

Weitere Informationen über Infinite Variety Golf finden Sie unter www.infinitevarietygolf.de.

 

Stand: Greenkeepers Journal 3/2019

Nahe Rosenheim in Bayern wurde jetzt der erste deutsche 9-Löcher-Reversible-Golfplatz eröffnet. Zusammen mit dem kürzeren „Kampenwand-Platz“ bietet die Anlage Patting-Hochriesblick Golfern insgesamt 27 Löcher.(Fotos: H. Hilgert)
Das Grün der 4. Bahn der Wendelstein-Runde ist gleichzeitig das Grün der 5. Bahn der Hochries-Runde.
Sepp Schwaiger, HGK der Golf­anlage Patting, fungierte als Bauleiter und stand im engen Austausch mit den Platzdesig­nern sowie dem Shaping-Team.
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