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Der 9-Löcher-Reversible-Golfplatz

Auf dem Verbandstag im April in Frankfurt berichtete der Deutsche Golf Verband (DGV) über die Ergebnisse seiner aktuellen Marktforschungsanalysen. Er betonte dabei, dass der Golfsport in Deutschland vor allem unter zwei Kernproblemen leidet:

  • Zum einen sind die Mitgliederzahlen im DGV bei den Personen unter 50 Jahren rückläufig. Dies ist nicht in erster Linie ein Resultat zu geringer Neumitgliedergewinnung, sondern insbesondere auch ein Problem im Mitgliederbestand: Es haben sich in den letzten Jahren viele Spieler aus dem Golfsport verabschiedet, so dass die Mitgliederzahlen im Gesamtmarkt trotz der Gewinnung neuer Golfer mehr oder weniger stagnieren.
  • Zum anderen gibt es in Deutschland eine große Gruppe Golfinteressierter, die dem Golfsport zwar grundsätzlich positiv gegenüberstehen, aber bisher nicht regelmäßig Golf spielen und/oder kein Mitglied in einem dem DGV angeschlossenen Golfclub (und somit nicht erfasst) sind.

 

Das wesentliche Ziel der deutschen Golfbranche muss also sein, die heutigen Golfer effektiver zu binden und das Potenzial der großen Gruppe der Golfinteressierten besser auszuschöpfen. Wenn man diese beiden Gruppen befragt, warum sie bisher nicht oder nicht mehr regelmäßig golfen oder warum sie den Golfsport ggf. aufgeben werden, ist einer der am häufigsten genannten Punkte der erforderliche Zeitaufwand. Viele Menschen sind heute nicht mehr interessiert, einen halben oder sogar einen ganzen Tag auf dem Golfplatz zu verbringen. Vielmehr wollen Golfer häufig nur zwei oder drei Stunden dem Golfspiel widmen. Golfer wünschen sich daher in der Regel einen kurzen Anfahrtsweg in Kombination mit einer Runde Golf, die nicht aus 18 Löchern, sondern lediglich aus neun Löchern, manchmal vielleicht auch nur aus sechs oder aus 12 Löchern besteht.

 

Reversible-Plätze haben Tradition

Grundsätzlich spricht dieser Trend natürlich für 9-Löcher-Plätze. Ein wesentlicher Kritikpunkt an 9-Löcher-Anlagen besteht allerdings häufig in der mangelnden Vielfalt. Und in der Tat besitzt ein 18-Löcher-Platz mehr Potenzial hinsichtlich Abwechslung und Vielfalt als ein 9-Löcher-Platz. Eine attraktive Lösung dieses Problems könnte in dem Konzept eines Reversible-Platzes bestehen. Ein Reversible-Platz ist ein Golfplatz, der in zwei verschiedenen Richtungen bespielt werden kann. Viele der schottischen Plätze wurden bereits im 19. Jahrhundert als Reversible-Plätze gespielt, allen voran der Old Course in St. Andrews. Während der Old Course heutzutage „gegen“ den Uhrzeigersinn gespielt wird, wurde der Platz früher regelmäßig auch „im“ Uhrzeigersinn gespielt. Damals bestand ein wesentlicher Vorteil der regelmäßigen Umkehrung der Spielrichtung in der besseren Verteilung der Divots und der sonstigen Belastungen des Platzes auf eine größere Fläche.

 

Aus heutiger Sicht besteht die Attraktivität eines Reversible-Platzes vor allem in der zusätzlichen Vielfalt: Ein 9-Löcher-Reversible-Platz bietet die doppelte Vielfalt im Vergleich zu einem traditionellen 9-Löcher-Platz, während der Flächenbedarf, die Investitionen und die Pflegekosten nahezu gleich sind.

 

Das Konzept des Reversible-Platzes ist zwar ein sehr altes, aber in Deutschland hat es bisher keinen Reversible-Platz gegeben. Nun entsteht der erste Platz dieser Art im Chiemgau. Die Inhaberin der Golfanlage Patting, Marie Bauhuber, erweitert derzeit ihre Anlage. Durch die Anpachtung zusätzlicher Flächen können anstelle des bisherigen 9-Löcher-Platzes 18 völlig neue Bahnen entstehen, die sich in einen 9-Löcher-Reversible-Platz mit Par 35 sowie einen traditionellen 9-Löcher-Platz mit Par 29 aufteilen.

 

Gleiche Grüns, ansonsten unterschiedliche Runden

Die Planung für den Umbau der Golfanlage Patting einschließlich des Reversible-Platzes stammt von Frank Pont und Dr. Hendrik Hilgert von Infinite Variety Golf. Pont ist einer der renommiertesten Golfplatz-Designer in Europa und ist für den Bau, Umbau oder die Renovierung einiger der besten Golfplätze in Holland, England, Frankreich, Spanien und Belgien verantwortlich. In Deutschland sind Pont und Hilgert seit 2014 tätig. Das Konzept des Reversible-Platzes kann man anhand der Platz­übersicht der Golfanlage Patting nachvollziehen: Wenn der Reversible-Platz als „Hochries-Runde“ gespielt wird, benutzen die Golfer die auf dem Plan rot markierten Abschläge und spielen entgegen der Uhrzeiger-Richtung. Auf der „Wendelstein-Runde“ werden die blau markierten Abschläge genutzt und die Spieler spielen in Uhrzeiger-Richtung. In beiden Fällen wird auf die gleichen neun Grüns gespielt, allerdings in abweichender Reihenfolge und über unterschiedliche Fairways. Beispielsweise spielt man auf der Hochries-Runde als 3. Bahn ein Par 5 auf ein Grün, das ganz im Süden der Anlage liegt. Das gleiche Grün bildet auf der Wendelstein-Runde das Grün der 2. Spielbahn, die ein Par 3 ist.

 

Die Planung der Golfanlage Patting entspricht der Design-Philosophie von Pont und Hilgert:

  • Natürlichkeit und ­ Schönheit: Der Reversible-Platz sowie der kürzere „Kampenwand-Platz“ fü­gen sich harmonisch in die Landschaft ein. Aufgrund des hügeligen Geländes sind nur geringe Erdbewegungen nötig, um in Patting Golfbahnen zu schaffen, die schön und interessant sind und an die sich der Golfer aufgrund der natürlichen Einbettung in die Landschaft bestens erinnern kann.
  • Strategie: Die Bahnen folgen dem strategischen Design-Prinzip. Das bedeutet, dass jede Bahn mehrere unterschiedliche Spiellinien bietet. Der Spieler kann sich entweder für eine riskante Spiellinie entscheiden, die bei guter Ausführung die Chance auf einen guten Score eröffnet, oder er wählt eine defensive Spiellinie, die weniger riskant ist, aber dafür einen oder zwei zusätzliche Schläge erfordert.
  • Vielfalt: Beide Runden verfügen über drei Par 3-Bahnen, vier Par 4-Bahnen und zwei Par 5-Bahnen, wobei die Länge der Spielbahnen ein breites Spektrum abdeckt. Auch die Grün-Komplexe sind hinsichtlich der Lage der Grüns im Gelände sowie hinsichtlich der Form sehr vielfältig.
  • Spielbarkeit und Anspruch: Die Bahnen sind so gestaltet, dass sie den Durchschnittsspieler nicht überfordern, sondern für ihn absolut spielbar sind und ihm Spaß machen. Gleichzeitig sind die Bahnen aber eine echte Herausforderung für den guten Spieler.

 

Auch im Ausland wird auf „reversible“ gesetzt

Gleichzeitig mit der Golfanlage Patting baut Infinite Variety Golf derzeit auch in Holland den ersten Reversible-Platz des Landes, und zwar in Ullerberg in der Nähe von Utrecht. Und auch in den USA ist das Reversible-Konzept derzeit in aller Munde, denn im Jahr 2016 wurde ein 18-Löcher-Reversible-Platz von den führenden Golfzeitschriften zum besten neuen Golfplatz des Jahres gewählt.

 

Marie Bauhuber berichtet, dass sie vom Konzept des Reversible Platzes, das Pont und Hilgert ihr im Jahr 2016 vorschlugen, sofort begeistert war und dass die Pläne für den Reversible-Platz auch bei den Mitgliedern auf große Zustimmung trafen, als sie im April 2017 in einer großen Informationsveranstaltung vorgestellt wurden. Es ist dem deutschen Golfsport zu wünschen, dass das Konzept des Reversible-Konzepts nicht nur in Patting, sondern auch auf anderen bestehenden oder neuen deutschen Golfanlagen zum Spaß am Golfsport und zur nachhaltigen Begeisterung der Golfer beitragen wird.

 

Autor:
Dr. Hendrik Hilgert, www.infinitevarie­tygolf.de | golfmanager 03/2017

Platzübersicht der abwechslungsreichen Golfanlage Patting-Hochriesblick mit dem 9-Löcher-Reversible-­Platz sowie dem traditionellen 9-Löcher-Platz
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