Paukenschlag im Profi-Turniersport der Herren
Nachdem die Verantwortlichen der Profitouren und die jeweiligen Spieler in den letzten Monaten primär über ihre Rechtsvertreter kommunizierten und etliche Gerichtsverfahren anhängig waren, wurde die Golfwelt am 06. Juni 2023 durch eine Presseerklärung von PGA Tour, DP World Tour und dem hinter LIV Golf stehenden Public Investment Fund (PIF) überrascht. Denn während in den letzten zwei Jahren vor allem das Gegeneinander die Diskussion prägte, erfolgt nun eine Kehrtwende um 180 Grad. Mehr noch: PGA Tour, DP World Tour und PIF haben eine Vereinbarung unterzeichnet, dass sie alle golfbezogenen Aktivitäten und Rechte in eine noch zu gründende, gemeinsame Unternehmung einbringen werden. Dies schließt explizit auch LIV Golf ein. Das neue, kommerziell ausgerichtete Unternehmen soll das weitere Wachstum des Golfsports fördern und den Sport für Fans attraktiver machen. Gleichzeitig werden sämtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen den beteiligten Parteien beendet.
Das ändert sich
PIF wird sich im Rahmen der Neuausrichtung auch finanziell in der gemeinsamen Gesellschaft engagieren, so dass die Profis auf dauerhaft höhere Preisgelder hoffen können. Interessant auch, dass die neue Gesellschaft damit ein anderes Businessmodell wählt als die PGA Tour, die als steuerbefreite, gemeinnützige 501(c)6 Organisation operiert. Die PGA Tour selbst wird diesen Status beibehalten. Spannend dürfte ein Blick in die Details des Deals aus gesellschaftsrechtlicher Sicht werden: Nach der gestern veröffentlichten Pressemitteilung wird PIF exklusiver Investor und wird das alleinige Recht haben, weiter in das neue Unternehmen zu investieren. Das schließt auch ein Vorkaufsrecht für weitere Anteile ein. Vorsitzender des noch zu gründenden Unternehmens soll der Gouverneur des PIF, Yasir Al-Rumayyan, werden, der zugleich Mitglied des PGA Tour Policy Boards wird. CEO soll der Pressemitteilung nach PGA Tour-Commissioner Jay Monahan werden. Über eine Vertretung von Seiten der DP World Tour im neuen Konstrukt ist bisher nichts bekannt. Teil der neuen Zusammenarbeit sollen aufeinander abgestimmte Turnierpläne sein. Dennoch werden PGA Tour, DP World Tour und LIV Golf weiterhin als eigenständige Produkte operieren.
Diese Kehrtwende kam nicht nur für Brancheninsider überraschend. NBC Chefanalyst Brandel Chamblee nannte den Zusammenschluss „einen der traurigsten Tage der Golfgeschichte“. Auch die „9/11 Families United“, ein Zusammenschluss der Familien von Opfern und Überlebenden des Terroranschlags auf das Word Trade Center, warfen der Tour Gier und Heuchelei vor. Auch die Profis der PGA Tour scheinen vom Deal überrascht worden zu sein. Ein eilig einberufenes Treffen führte, ersten Verlautbarungen zu Folge, zu heftiger Kritik – etliche Spieler sollen, so dass US-Magazin Golf Digest, den Rücktritt Monahans als Tour Commissioner gefordert haben. Dabei dürfte sicherlich auch eine Rolle gespielt haben, dass sich Spieler wie Rory McIlroy vehement gegen die neue LIV Tour positioniert haben und einige Spieler lukrative Wechselangebot zu LIV ausgeschlagen haben, um beispielsweise weiterhin im Ryder Cup antreten zu können.
Das ist noch offen
Noch sind viele Details der neuen Zusammenarbeit offen. Zumindest aber scheint mit dieser neuen Phase des geplanten Miteinanders eine Teilnahme von Spielern der LIV Tour am Ryder Cup wieder möglich – eine spannende Entwicklung angesichts der Tatsache, dass der designierte europäische Ryder Cup-Captain Henrik Stenson sein Amt aufgrund seines Wechsels zu LIV Golf aufgeben musste. Unklar auch, was mit den Spielern passiert, die in Folge eines Gerichtsurteils im Rechtsstreit mit der DP World Tour ihre Tourkarten zurückgegeben hatten. Auch in Hinblick auf die Vergabe von Weltranglistenpunkten bei LIV-Turnieren dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Offen ist aber beispielsweise, ob die Turniere von LIV Golf an ihrem bisherigen Format (Kanonenstart) festhalten werden und weiterhin nur 54 Bahnen spielen. Es bleiben also noch viele Hausaufgaben für das neue Unternehmen und seine künftigen Führungskräfte. Interessant dürfte aus europäischer Sicht werden, wie die DP World Tour ihre Interessen im neuen Verbund wahrnimmt, denn bisher haben LIV Golf und die strategische Partnerschaft mit der PGA Tour vor allem dazu geführt, dass viele große Namen aus Europa nur noch bei der The Open und einigen Rolex Series-Events in Europa abschlagen. Mit der neuen Vereinbarung ist durchaus zu befürchten, dass der Aderlass der DP World Tour in Richtung PGA Tour und LIV Golf weiter zunimmt. Auch wird es interessant sein, zu beobachten, wie Monahan die Wogen im eigenen Lager wieder glättet. In jedem Fall zeigt die neue Entwicklung, dass Geld im heutigen Profisport eine zunehmend wichtigere Rolle spielt – Geschichte und Tradition sind eher schmückendes Beiwerk. Wie sich die neue Gesellschaft positioniert, welche Änderungen dies mit sich bringt und auch, wer die neue Gesellschaft tatsächlich führen wird – all dies werden die kommenden Monate zeigen. Für den Profigolfsport wurde mit dem Plan die Gefahr eines Auseinanderbrechens fürs Erste abgefangen – sofern insbesondere die Top-Spieler der PGA-Tour ihrem Commissioner und seinem offensichtlich hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Deal folgen. Ob der Profi-Golfsport die Chance dieser neuen Verbindung zum Wohle des Sports, der Spieler und der Zuschauer nutzt, bleibt abzuwarten – wie auch die Frage nach der Zukunft und möglichen Einbindung von LET und LPGA. Mit der Verlautbarung vom 06. Juni sind daher keinesfalls alle Herausforderungen gelöst – dennoch bietet die neue Entwicklung dem Profi-Golfsport damit vor allem finanziell neue Möglichkeiten.
Fazit
Während im Konflikt zwischen den verschiedenen Profitouren ein Silberstreif am Horizont erscheint und man sich bald wohl wieder primär auf die sportliche Seite des Geschäfts konzentrieren kann, sind für zahlreiche Herausforderungen im Clubmanagement weiterhin keine schnellen Lösungen in Sicht. Themen wie Fachkräftemangel, Klimaveränderungen und veränderte Kundenbedürfnisse bei Mitgliedern und Gastspielern werden die Branche weiterhin vor große Herausforderungen stellen – nicht nur organisatorisch, sondern auch finanziell. Hoffen wir, dass die Golfbranche auch dafür zeitnah praktikable Lösungsansätze findet und die notwendigen finanziellen Ressourcen für die Umsetzung erschließt.
Autor: Michael Althoff (golfmanager 3/2023)