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Messe-Realität 2021

Noch vor Ablauf des Jahres 2020 verkündeten nahezu alle Anbieter von Golf-Messen, dass die Events für 2021 entweder verschoben, abgesagt oder rein virtuell durchgeführt werden. Das galt nicht nur für die geplanten Publikumsmessen, sondern auch für Fachmessen. So wurde der ursprünglich für Wales geplante IGTM 2020, die wohl wichtigste Einkaufsmesse für Golftouristik, rein virtuell durchgeführt. Und auch der PGA Merchandising Show, sonst traditionell in der zweiten Januarhälfte Auftakt des neuen Golfjahres und Präsentationsort vieler Innovationen, blieb 2021 nur die Option, auf eine virtuelle Veranstaltung auszuweichen. Eines vorweg: Die virtuelle PGA-Show war ausgezeichnet organisiert (s. separaten Beitrag in diesem Magazin), zudem profitierte das Event von den zahlreichen, teils sehr hochwertigen Vorträgen der pa­rallel stattfindenden NGCOA Golf Business Conference und zahlreicher Vorträge im Rahmen der PGA Education Conference. Und auch die virtuelle, klassische Messe war sehr gut organisiert, man konnte sich eins zu eins online treffen, Produkt-Präsentationen lauschen und Kontakte pflegen.

 

Doch bei allen hochwertigen Vorträgen und der sehr guten virtuellen Organisation: Eine virtuelle PGA-Show ist eine andere Veranstaltung als die traditionelle PGA-Show. Wie selten zuvor wurde deutlich, dass gerade der Golfsport viele weitere Facetten hat. Es geht eben nicht nur um das nüchterne Vermitteln von Fakten und Erfahrungen sowie die Bekanntgabe neuer Produkte. Gerade bei der Hardware, also Schlägern, Schuhen und Bekleidung, zeigen sich die Grenzen virtueller Events: Es fehlt vor allem die Haptik, das persönliche Gefühl. Man kann nichts anfassen und so beispielsweise den Tragekomfort neuen Materials im Bekleidungssektor einschätzen. Und auch der Eindruck neu vorgestellter Schlägermodelle, die man nicht einmal selbst schwingen oder gar für einen Schlag nutzen kann, bleibt unvollständig. So konzentrieren sich die Botschaften der Hersteller eben eher auf Fakten, das Sachliche. Doch auch Golf lebt, wie jedes Produkt, von Emotionen – und diese können virtuell nur begrenzt transportiert werden. Nicht umsonst spricht man bei Produkten gerne vom „Look and Feel“, und wenn „Feel“ fehlt, bleibt schnell auch viel auf der Strecke.

 

Apropos Emotionen: Diese fehlen natürlich auch beim persönlichen Kontakt. Das Stöbern entlang der Messegänge auf der Suche nach innovativen, noch nicht so bekannten Produkten ist virtuell deutlich schwieriger als live vor Ort – ein Nachteil vor allem für Aussteller, die noch keine bekannte Marke haben. Und auch das spontane Zusammentreffen mit Kollegen an einem Messestand und dem folgenden gemeinsamen Gespräch mit Ausstellern (bei dem dann durchaus unterschiedliche Perspektiven der einzelnen Messebesucher in das gleiche Gespräch einfließen) findet virtuell kaum statt – man trifft sich nur, wenn man es vorher geplant hat, getreu dem Motto „ich bin flexibel, muss es aber einplanen“. Und zu guter Letzt: Es fehlt das klassische Networking. Miller’s Ale House – sonst eine Art Hauptquartier der Golfszene nach Schließung der Messehallen in Orlando und Schauplatz vieler neu geschlossener Kontakte und gar Freundschaften – lässt sich eben virtuell nicht replizieren. Auch das spontane Zusammentreffen mit Ausstellern sowie Fachbesuchern aus dem In- und Ausland abseits der Messehallen entfällt bei virtuellen Veranstaltungen.

 

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Team von Reed Exhibitions, die Aussteller und die Kongressorganisatoren samt Rednern haben einen sehr guten Job gemacht. Aber dennoch: Golf lebt nicht nur von der reinen, sachlichen Fachinformation, sondern auch vom Spaßfaktor und Emotionen. Das erklärt auch die Beliebtheit von Events wie dem Ryder Cup. Solange die weltweite Covid-19-Situation Reisen und physikalische Treffen nicht zulässt, sind virtuelle Veranstaltungen besser als die Absage dieser Veranstaltungen. Aber ganz offen: Ich sehne mich nach den Zeiten, in denen Messen im wahrsten Sinne des Wortes wieder Treffpunkt der Golfszene werden: regional, national und international. Hoffen wir, dass spätestens 2022 wieder eine Rückkehr zu live vor Ort stattfindenden Events möglich sein wird.

 

Autor: Michael Althoff | golfmanager 1/2021

Bild: © fizkes/shutterstock.com, Screenshot: Webseite der PGA-Show
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