Das Aus für Pflanzenschutzmittel im Sportrasen?
Am 22. Juni hat die EU-Kommission den Entwurf für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) vorgelegt. Diese soll die Richtlinie 2009/128/EG, also die Grundlage für unser derzeitiges Pflanzenschutzgesetz, ersetzen und nach Verabschiedung unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten gelten. Die vorgeschlagene Verordnung verfolgt die Ziele aus der „Farm-2-Fork-Strategie“ im Rahmen des europäischen „Green Deals“ und ist letztendlich eine Reaktion der EU auf eine, bisher in den Mitgliedsländern, uneinheitliche und unzureichende Umsetzung der alten Richtlinie.
Ziel ist eine Reduktion des Gesamteinsatzes und des Risikos chemischer PSM um 50% bereits bis zum Jahr 2030! Enthalten ist derzeit auch ein, für alle EU-Mitgliedsstaaten geltendes Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln in den sogenannten sensiblen Gebieten (sensitive areas). Zu letzteren gehören, neben Haus- und Kleingärten, auch die von der Allgemeinheit genutzten Gebiete wie Parks, Spielplätze, Schulen und Sportanlagen, zumal, wenn diese von gefährdeten Personengruppen im Sinne von Artikel 3 Nummer 14 der VO EG 1107/2009 frequentiert werden.
Sportrasen, mit seinem natürlichen Spielbelag aus Gräsern, wird schon derzeit nach den Grundsätzen des Integrierten Pflanzenschutzes (IPS) gepflegt. Trotz aller vorbeugenden Maßnahmen, die mit einem hohen Pflegeeinsatz verbunden sind, kommt es, auch gefördert durch extreme Witterungsverhältnisse, zu Krankheitsinfektionen, Schädlingsbefall oder zu einem starken Besatz mit unerwünschten Arten.
Die Betreiber von Sportanlagen – Kommunen, Land, Vereine, private Unternehmer u.a. – haben gegenüber den Nutzern der Flächen nicht nur Spielqualität, sondern in erster Linie auch Verkehrssicherheit und Funktionssicherheit der Sportrasenflächen zu gewährleisten. Der Einsatz von chemischen PSM orientiert sich derzeit an dem notwendigen Maß, wird von sachkundigen Greenkeepern durchgeführt und erfolgt unter Beachtung aller Risikominderungs-Maßnahmen. Solange keine wirksamen und praktikablen Alternativen zur Verfügung stehen, benötigt der Sportrasen die Verfügbarkeit von PSM als letztes Mittel, nicht zuletzt, um einen wirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Sanierung oder Neuanlage werden in vielen Fällen nicht finanzierbar sein, die Existenz von Sportanlagen wäre bedroht.
Position des Sportrasens
Grundsätzlich sind die Bemühungen der EU, eine Reduktion des PSM-Einsatzes aus Gründen des Gesundheitsschutzes zu erreichen, zu befürworten. Abzulehnen ist jedoch ein völliger Verzicht auf den Einsatz von PSM im Sportrasen, als letzte Option im Sinne des „Integrierten Pflanzenschutzes“. In Bezug auf die genannten Sportanlagen fehlt es dem Entwurf an einer klaren Einordnung der Flächen. Nicht jede Sportanlage ist als sensible, von der Allgemeinheit genutzte Fläche zu sehen. Da „Pestizide“ genannt werden, fehlt es zudem an einer klaren Begriffsbestimmung, von dem Verbot wären demnach auch Biozide und biologische PSM betroffen.
Der Sportrasen ist sich seiner Verantwortung in Bezug auf den Einsatz von Pflanzenschutz-Maßnahmen bewusst. Es besteht eine Notwendigkeit, das Risiko beim Einsatz von PSM weiter zu verringern. Dieses Ziel sollte jedoch weiterhin über den Weg des Integrierten Pflanzenschutzes verfolgt werden. Durch den Fortschritt im Hinblick auf Züchtung, Digitalisierung, Prognose- und Ausbringtechnik werden in Zukunft Einsparungen möglich sein. Innovationen müssen gefördert werden, eine wissenschaftsorientierte und technologieoffene Herangehensweise bringt mehr Erfolg als Verbote. Sowohl für den Golf-, als auch für den Fußballrasen ist eine Überarbeitung und praxisnahe Erweiterung der Leitlinien vorgesehen.
Die Pflege der deutschen Golfanlagen liegt in den Händen von gut ausgebildeten Fachleuten (Fachagrarwirt Golfplatzpflege), die über die Sachkunde Pflanzenschutz verfügen. Fachzeitschriften und ein umfangreiches Informations- und Fortbildungsangebot gewährleisten den Transfer von Wissen rund um die Golfrasenpflege. Anders als in anderen Mitgliedsstaaten der EU wird in Deutschland das Kontrollwesen im Pflanzenschutz durch die zuständigen Stellen der Bundesländer konsequent umgesetzt, so werden seit 2020 im Sportrasen Schwerpunktkontrollen durchgeführt.
Auch die Landwirtschaft ist betroffen
Durch das grundsätzliche Verbot des Einsatzes von PSM in allen geschützten Gebieten wird der Anbau vieler Kulturen, insbesondere Sonderkulturen wie Wein, Hopfen, aber auch Obst und Gemüse wirtschaftlich nicht mehr darstellbar sein – es würde das Landschaftsbild verändern. Da Deutschland, bei der Meldung der Schutzgebiete nach Naturschutzrecht, auch Landschaftsschutzgebiete angegeben hat, sind hiervon etwa 3,5 Mio. Hektar Kulturland betroffen. Ausnahmen soll es nur für die Bekämpfung von gebietsfremden, invasiven Arten, wie z.B. Drüsiges Springkraut oder Riesenbärenklau und Quarantäneschädlingen, wie z.B. Kartoffelkrebs, geben. Von den geplanten Regelungen ist auch der Ökolandbau massiv betroffen.
Weiterer Zeitplan
Die EU hatte über die Website https://bit.ly/3TXqstD bis zum 19. September die Möglichkeit der Abgabe eines Positionspapiers zugelassen. Hier wurden, mit Bezug auf den Sportrasen u.a. folgende Positionspapiere, national und auf europäischer Ebene eingereicht: Deutscher Golf Verband (DGV), Sportrasen, European Golf Association (EGA), Federation of European Golf Greenkeepers Associations (FEGGA) und Union of European Football Associations (UEFA).
Ab Herbst 2022 erfolgt die Debatte über den Vorschlag im EU-Parlament und im Ministerrat. Hier sollen auch die Ergebnisse der Rückmeldungen einfließen. Danach wird in einem Trilog-Verfahren zwischen Vertretern von Kommission, Parlament und Rat, ein Kompromiss ausgehandelt. Deutschland wird im Ministerrat von Bundesminister Cem Özdemir vertreten. Erste Orientierungsgespräche zeigten, dass es zwar eine breite Zustimmung für die Reduktionsziele gibt, aber mehrheitlich Änderungen gefordert werden.
Der DGV-Arbeitskreis Integrierter Pflanzenschutz wird die Zeit nutzen und Gespräche mit den zuständigen Politikern und Behörden führen, um Ihnen die notwendigen Informationen zukommen zu lassen. Daneben gilt es, den Integrierten Pflanzenschutz zu stärken und die Golfer in Hinblick auf das Thema zu sensibilisieren.
Autorin: Beate Licht | golfmanager 5/2022