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Reversible Golfplätze als Design-Option

Geringerer Flächenverbrauch und Abwechslung

Viele Bereiche des täglichen Lebens haben sich über einen längeren Zeitraum zum „Standard“ entwickelt und gelten als gegeben. Dazu gehört, dass man in Kontinental-Europa oder den USA Autos per Linkssteuerung lenkt, während in Großbritannien, Australien und anderen Ländern mit britischer (Kolonial-)Vergangenheit Rechtssteuerung angesagt ist. Ältere Leser mögen sich noch daran erinnern, dass Autos in Frankreich bis 1993 gelbes Scheinwerferlicht hatten (in Deutschland war gelbes Licht bis 1963 zugelassen). Dass Golfanlagen heute meist 18 Bahnen umfassen, wurde erst durch Old Tom Morris zum Standard – damals allerdings noch im klassischen Out und In. Inzwischen basieren viele Anlagen – gleich, ob 9, 18 oder mehr Bahnen – auf einer Kombination von 9-Löcher-Runden. Wer heute auf eine Golfrunde geht, folgt bei der Spielrichtung der Vorgabe des Platzarchitekten, der mit dem Routing definiert, ob beispielsweise im oder gegen den Uhrzeigersinn gespielt wird. Doch selbst der berühmte Old Course in St. Andrews wurde nicht immer in der aktuellen Richtung – gegen den Uhrzeigersinn – gespielt. Auch dies geht auf eine Entscheidung von Old Tom Morris aus dem Jahre 1870 zurück – vorher wurde der Platz im Uhrzeigersinn gespielt. Anlässlich des St. Andrew‘s Days wird der Old Course heute noch ein Mal pro Jahr in seiner früheren Spielrichtung im Uhrzeigersinn gespielt – und damit zum reversiblen Golfplatz. Wer dies einmal erlebt hat, berichtet von einem ganz anderen Spielerlebnis – denn es wechselt nicht nur die Spielrichtung, auch das Course Management muss für die Bahnen von jedem Golfer neu überdacht werden. So betrachtet ist der Old Course ein 36-Löcher-Platz, aufgeteilt auf zwei 18-Löcher-Runden in unterschiedlicher Spielrichtung.

 

Mittlerweile haben reversible Golfplätze auch im modernen Golfplatzdesign Einzug gehalten. Denn noch immer setzen viele Golfer auf Abwechslung, mit unterschiedlichen Spielrichtungen verdoppelt sich daher die Anzahl der Bahnen ohne zusätzlichen Platzbedarf und entsprechenden Mehraufwand in der Platzpflege. Gerade angesichts steigender Kosten, auch im Golfplatzbau, bieten reversible Plätze eine interessante Option für Golfanlagen. Bedenkt man zudem, dass beispielsweise in Ballungsgebieten Baufläche immer schwieriger zu bekommen ist und zudem immer teurer wird, lohnt sich ein zusätzlicher Blick auf das Konzept des reversiblen Golfplatzes, also des in zwei Spielrichtungen nutzbaren Platzes. Dabei wird schnell deutlich, dass „Reversible Course“ bzw. „reversibler Platz“ nicht einfach bedeutet, die exakt identischen Bahnen in umgekehrter Richtung zu spielen. Vielmehr bedeutet es, die Grüns so zu gestalten, dass sie aus zwei Spielrichtungen genutzt werden können und auch Hindernisse wie Bunker oder Wasser stets in beiden Richtungen funktionieren sollen. Meist endet dies in einem unterschiedlichen Routing für die entgegengesetzte Spielrichtung, so dass ein Par 3 in der einen Spielrichtung durchaus zum Par 4 oder Par 5 in der umgekehrten Richtung werden kann. Betrachtet man die weltweite Golfszene, sind Reversible Courses weiterhin selten. Der neu gestaltete Bobby Jones Golf Course in Atlanta, USA, gehört zu diesem Typ Golfanlagen (siehe golfmanager 1/23 oder ► HIER). Der renommierte Architekt Tom Doak konzipierte für Forest Dunes in Michigan gar einen 18-Löcher Reversible Course: The Loop. In Kontinentaleuropa war The Links Valley im niederländischen Ermelo (nicht zu verwechseln mit Golf Valley in Bayern) der erste reversible Golfplatz, seit 2019 können Golfer in Deutschland nahe des Chiemsees den reversiblen Platz der Golfanlage Patting (näheres zur Golfanlage Patting lesen Sie ► HIER) nutzen – beides 9-Löcher-Anlagen. Der golfmanager hat beide Anlagen besucht – und mit dem Golfplatzdesigner Dr. Hendrik Hilgert von CDP Clayton, DeVries & Pont gesprochen (Interview siehe ► HIER), der den bayerischen reversiblen Platz gemeinsam mit seinem Kollegen Frank Pont entworfen hat. Letzterer wiederum ist der Designer des Reversible Courses in den Niederlanden.

 

The Links Valley

Mit „The Links Valley“ baute der niederländische Designer Frank Pont den ersten reversiblen Golfplatz in Europa. Die Spielrichtung wechselt täglich, als „North Course“ spielt sich die 9-Löcher-Anlage bei vier Abschlägen zwischen 2.276 und 2.957 Metern, in der Variante „South Course“ beträgt die Gesamtlänge zwischen 2.327 und 2.992 Metern. Für Events kann ausnahmsweise die Spielrichtung auch während des Tages gewechselt werden, um beispielsweise für Firmenturniere 18 verschiedene Bahnen anzubieten. „Unser Gelände bot für einen 18-Löcher-Platz schlicht nicht genügend Raum“, erläutert Rianette van der Ven, Eigentümerin der Anlage, den Grund für das innovative Design. Zudem bot der sandige Untergrund beste Voraussetzungen für ein flexibles Bahndesign. Die Entscheidung für einen 9-Löcher-Platz fiel der Unternehmerin leicht: „9 Bahnen gehört die Zukunft, unsere Golfer können ihre Runde in gut zwei Stunden absolvieren – und so nach der Runde noch ein Mittag- oder Abendessen bei uns genießen“, beschreibt van der Ven ihre Sicht. Daher bietet der Club auf seiner Website immer wieder Gastronomie-Events und besondere Speisen, die mit der Startzeit gebucht werden können. Dennoch könne man mit dem reversiblen Konzept sowohl Mitgliedern, als auch Gästen die Möglichkeit bieten, auf der gleichen Anlage zwei unterschiedliche Plätze zu genießen, ergänzt sie. Wer 18 Bahnen an einem Tag spielen möchte, kann selbstverständlich auch den jeweiligen Platz zweimal absolvieren. Die Zielgruppe der Anlage ist entsprechend breit gefächert. „Unser Platz ist eine Herausforderung für alle Golfer. Auf der gesamten Anlage und speziell rund um die Grüns ist gutes Course Management essenziell“, beschreibt die Managerin ihr Konzept. So können sowohl Einsteiger, als auch Golfer mit niedrigem Handicap – nicht zuletzt dank vier unterschiedlicher Abschläge pro Bahn – die Anlage genießen, ohne sich unterfordert zu fühlen. Dass die Anlage von Golfern gut angenommen wird, unterstreicht die Aufnahme von The Links Valley in die Liste der Top 50 9-Löcher-Plätze weltweit des renommierten Golf Magazins.

Golfanlage Patting

In Patting im bayerischen Chiemgau begrüßt Inhaberin Marie Bauhuber seit nahezu vier Jahren Golfer auf ihrem reversiblen Platz. Die Anlage besteht seit 1991: Zunächst wurde eine reine Übungsanlage gebaut, dann folgten die ersten Spielbahnen. 2005 erfolgte der Beitritt zum Deutschen Golf Verband und eine erneute Erweiterung des Geländes. 2017 begann der Bau des heutigen reversiblen Golfplatzes. „Ursprünglich hatten wir gar keinen Reversible Course im Sinn – aber unsere Architekten Hendrik Hilgert und Frank Pont haben uns schnell von den Vorzügen des Konzepts überzeugt, so dass wir die Planung nochmals angepasst haben“, erinnert sich Inhaberin Bauhuber. Überzeugt hat sie die dadurch mögliche Variabilität, da die vorhandene Fläche für ein solches Konzept geeignet war und die Baukosten nur unwesentlich über einem klassischen 9-Löcher-Platz lagen. Die Spielrichtung wechselt derzeit wöchentlich zwischen einer Runde im oder gegen den Uhrzeigersinn. Als Wendelstein-Runde spielt sich der 9-Löcher-Platz bei zwei Abschlägen zwischen 2.253 und 2.503 Metern, die Länge der Hochries-Runde liegt zwischen 2.160 und 2.443 Metern. Golfer, die am gleichen Tag 18 unterschiedliche Bahnen spielen möchten, können den reversiblen Platz mit dem ebenfalls auf 9 Bahnen konzipierten Kampenwand-Platz kombinieren und so die Runde um knapp 1.500 Meter verlängern. „Beide Runden unseres reversiblen Golfplatzes werden von den Golfern gleich gut angenommen, wir stellen hier keine Präferenzen fest“, resümiert sie im Gespräch mit dem golfmanager. Als Betreiberin freut sie sich vor allem über die Vielfalt und Abwechslung, die sie ihren Kunden durch die beiden unterschiedlichen Kurse bei deutlich geringerem Flächenverbrauch gegenüber einem klassischen 18-Löcher-Platz bieten kann. „Gerade Urlauber fragen jedoch oft nach einer 18-Löcher-Runde – hier ist unsere Kombinationsmöglichkeit mit dem nicht-reversiblen Platz besonders wichtig“, so Bauhubers Erfahrung. Die Zielgruppe der Anlage sieht die Managerin eindeutig beim Genussgolfer, sowohl unter den Mitgliedern, als auch bei Gästen. „Wir freuen uns immer wieder über die intensive Kommunikation unserer Golfer untereinander, hier bleibt niemand alleine“, beschreibt sie ihre Erfahrungen. Dabei stellt gerade die Kommunikation beim reversiblen Golfplatz eine besondere Herausforderung dar: „Golfer, die noch nicht bei uns waren, können mit dem Begriff des reversiblen Golfplatzes oft nichts anfangen – daher ist es uns wichtig, das Konzept auf unserer Website und im persönlichen Gespräch zu erläutern. Wir leisten hier in Bayern in gewisser Weise Pionierarbeit“, so Bauhuber. Rund 700 Mitglieder zählt der Club inzwischen. Die Mischung ist bunt: Familien, ältere Golfer, Damen, Herren, Jugendliche – in Patting trifft man nahezu alle Varianten der Freizeitgolfer. Trotz Pandemie hat die Anlage bereits viele Stammgäste aus Österreich und der Schweiz gewonnen. Bauhubers Fazit zum reversiblen Golfplatz fällt eindeutig positiv aus, gerade in der Kombination aus geringerem Flächenverbrauch und Abwechslung. In der Kommunikation möchte die junge Unternehmerin diese Punkte noch stärker herausstellen. Aktuell sei ein neues Logo in Vorbereitung, das einerseits den reversiblen Platz aufgreifen soll, andererseits einen Hinweis auf den Familienbetrieb als Betriebskonzept enthalten wird. Seit März dieses Jahres hat zudem autonomes Mähen mit Maschinen von Husqvarna Einzug gehalten – Fairways und Semirough werden seitdem vollautomatisch gepflegt.

 

 

Autor: Michael Althoff | golfmanager 2/2023

 

Lesen Sie bei Interesse das folgende Interview:

 

 

Den zur Golfanlage Patting ergänzenden ­Beitrag „Im Einklang zwischen Platzdesign und Greenkeeping“ von Head-Greenkeeper Sepp Schwaiger und Golfplatzdesigner Dr. Hen­drik Hilgert aus dem Greenkeepers Journal 3/19 finden Sie ► HIER. Auch im golfmanager 3/17 (► HIER) sowie 4/19 (► HIER) wurde bereits über die Anlage berichtet.

 

 

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