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LIV GOLF Andalucía – Golf, but louder

Neue Konzepte im Profi-Turniersport gegen sinkendes Zuschauerinteresse

Kaum ein Thema hat die Wahrnehmung des Golf-Profisports in den vergangenen zwei Jahren so stark beeinflusst wie die neue Turnierserie von LIV GOLF. Ungeachtet der Diskussionen um Innovationen wie Kanonenstart, Reduktion auf drei Wettkampftage und ergänzende Teamwertungen gilt für Golfevents wie für andere Sportveranstaltungen auch: Am Ende muss der Köder dem Fisch (also dem Zuschauer) schmecken, nicht dem Angler. Natürlich spiegelt sich ein Zuschauerinteresse sowohl vor Ort, als auch in den Medien wieder, doch gerade das Erlebnis vor Ort ist besonders wichtig, damit ein Sportevent auch in TV oder Streaming-Angeboten positiv wahrgenommen wird. Damit die viel zitierte „Stimmung“ bei einem Sport­event aufkommt, braucht es zum einen eine bestimmte Menge an Zuschauern, zum anderen aber auch die entsprechende Atmosphäre. Das zeigt sich nicht zuletzt bei Deutschlands Sportart Nummer 1, dem Fußball: Wer erinnert sich noch gerne an die Geisterspiele während Covid-19, bei denen weder Fangesänge noch Anfeuerungsrufe zu hören waren? Einige Profivereine hatten gar Papp-Zuschauer aufgestellt, um wenigstens ein bisschen Atmosphäre für die Spieler zu schaffen. So auch beim Golf: Kommen keine Zuschauer, die ihre Spieler anfeuern und für gute wie nicht so gut Schläge entsprechend Begeisterung oder Enttäuschung artikulieren, ähnelt die Atmosphäre eher einem Dressur-Reitturnier. Unabhängig von der gerade in den US-Medien kontrovers diskutierten Eigentümerschaft von LIV GOLF stellt sich daher die Frage, wie Zuschauer auf die veränderten Rahmenbedingungen eines solchen Events reagieren – denn letztlich sind auch Profi-Turniere Teil aller Kundenbindungs- und -gewinnungsmaßnahmen im Golfsport. Schon auf den ersten Blick wird deutlich: LIV GOLF ist eindeutig global ausgerichtet. Ganze zwei Turniere finden in Europa statt, davon gar nur eines in Kontinentaleuropa (das zweite in Großbritannien). Der golfmanager hat daher das einzige Turnier auf kontinental-europäischem Boden im renommierten spanischen Real Club Valderrama besucht und vor Ort analysiert, wie sich das dort ausgetragene LIV GOLF Andalucía (30.06.-02.07.23) insbesondere beim Kundenerlebnis, aber auch aus Sicht des Austragungsorts und der Spieler von anderen Turnieren unterscheidet.

Tickets und Hospitality-Bereiche

Für nahezu alle Turniere auf der DP World Tour und der PGA Tour gilt: Je mehr Zuschauer erwarten werden, umso mehr Tribünen werden bereitgestellt. Ganz anders das Konzept bei LIV GOLF: Über die gesamte Anlage von Valderrama gab es keine einzige, öffentlich zugängliche Tribüne. Das mag überraschen, da es dem Ansatz eines „puren“ Events deutlich näherkommt als die traditionellen Touren. Wer mochte, konnte sich eigene Sitzgelegenheiten mitbringen (man kennt dies nicht zuletzt vom Masters) oder sich einfach auf den Boden setzen – dabei kam den Besuchern in Valderrama zu Gute, dass der Platz viele Grüns bietet, die ein Stadion-ähnliches Gefühl vermitteln. Am berühmten 17. Grün hatte Turniersponsor Estrella Damm zudem zahlreiche Sitzsäcke kostenlos bereitgestellt. Alternativ kann man auch bei LIV-Events mit seinem Lieblingsspieler mitlaufen – was in Valderrama erstaunlich viele Besucher machten. Welchen Stellenwert und nicht zuletzt auch welche Anerkennung dabei gerade Golfern aus den USA und Australien zuteil wird, konnte man daran erkennen, dass beispielsweise am ersten Turniertag mehr Zuschauer bei Dustin Johnson und Co. mitliefen als bei „local hero“ Sergio Garcia. Mit Eintrittspreisen pro Turniertag von gut 50 Euro waren bereits die günstigsten Tickets teurer als bei Turnieren der DP World Tour, Amerikaner sind dieses Preisniveau eher gewohnt. Während sich bei den meisten traditionellen Turnieren – von den Majors einmal abgesehen – der Hospitality-Bereich meist um das 18. Grün befindet, sind bei LIV GOLF gleich mehrere Hospitality-Bereiche über die gesamte Anlage verteilt – und stets dicht am Geschehen. Dabei profitieren die Veranstalter vom Kanonenstart, denn von Beginn an wird direkt an allen Hospitality-Bereichen gespielt – anders als beim Ryder Cup oder Solheim Cup im Matchplay-Format ist dem Zuschauer damit garantiert, dass er alle (!) teilnehmenden Spieler zu Gesicht bekommt. In Andalusien gab es, wie bei nahezu allen LIV-Events, ein mehrteiliges Hospitality-Angebot: Der Birdie Shack ist die Einstiegsvariante, schlägt aber dennoch direkt mit gut 180 Euro pro Tag zu Buche. Dafür gab es einen überdachten Platz direkt am 17. Grün und drei Freigetränke. Für rund 250 Euro konnte man sich in den Gallery Club einbuchen, der mehrere Bahnen im Blick hatte, unter anderem das 11. Grün. Vom Birdie Shack unterscheidet sich dieses Angebot durch unbegrenzte Drinks. An der Spitze des Hospitality-Angebots steht der Club54, dessen Name sich an das Turnierformat über 54 Bahnen anlehnt (daher stammt auch der Name LIV, was in römischen Zahlen für 54 steht). Hier werden pro Tag über 500 Euro aufgerufen, dafür hat man jedoch einen Top-Platz direkt am 18. Grün mit Blick auf die Siegerehrung und ein eventuelles Stechen. Zudem ist hier auch das Catering inkludiert. Für Firmen gibt es die Möglichkeit, ganze Logen zu buchen, an manchen Standorten kann man auch einen Premium-All Access Pass erwerben, der Zugang zu sämtlichen Hospitality-Bereichen bietet. Damit liegt das Preisniveau deutlich über dem, was man von Turnieren in Europa gewohnt ist, wie Valderrama-CEO Javier Reveriego gegenüber dem golfmanager bestätigt (siehe separates Interview) – ein Blick auf die Ticketpreise des diesjährigen Ryder Cups in Italien offenbart jedoch, dass solche Preise international inzwischen durchaus üblich sind. Dennoch: Nicht zuletzt das lange im Vorfeld bekannte Teilnehmerfeld und die in der weltweiten Golfszene bekannten Stars wie Cameron Smith, Brooks Koepka, Bryson DeChambeau, Dustin Johnson, Phil Mickelson und Sergio Garcia sorgten dafür, dass in Valderrama so viele Zuschauer wie zuletzt beim Ryder Cup 1997 das Turnier besuchten. Auch damals war Valderrama übrigens der erste Austragungsort des Formats in Kontinentaleuropa – und auch ein Ryder Cup besteht aus nur drei Wettkampftagen. Trotz des um eine Runde gegenüber der DP World Tour verkürzten Turniers freute sich CEO Reviriego jedoch über deutlich mehr Zuschauerinteresse als beim renommierten Estrella Damm Andalucía Masters. Der kurzfristige Einstieg der Region Andalusien als Titelsponsor zeigt, dass man in der Region langfristig auf das Event setzt.

 

Kanonenstart sorgt für kurze Dauer und Parallelbeginn

Anders als klassische Turniere setzt LIV GOLF auf einen Kanonenstart. Henrik Stenson sieht darin einen besonderen Vorteil für die Zuschauer. „Hier kennt man immer das Zeitfenster am Nachmittag und muss nur die Bahn berücksichtigen, an welcher der Lieblingsspieler startet. Das ist viel einfacher zu planen“, so der Schwede im Interview mit dem golfmanager in Valderrama. Üblicherweise gehen die Spieler am frühen Nachmittag auf die Runde – den Vormittag können die Zuschauer anderweitig nutzen, ohne etwas zu verpassen. In Valderrama ging es beispielsweise um 13:15 Uhr auf die Runde, und gegen 17:45 Uhr war der letzte Putt im Loch, eine gegenüber vielen anderen Turnieren und angesichts des Schwierigkeitsgrads in Valderrama sehr schnelle Spielzeit. Wer wollte, konnte an den beiden ersten Tagen danach einem Konzert lauschen, ohne Konzert konnte man bereits gegen 18 Uhr wieder die Anlage verlassen. Dass die Spieler jeweils mit Autos zu ihren Startbahnen gebracht und am Ende der Runde auch wieder abgeholt werden, sorgt natürlich für einen zusätzlichen Showeffekt. Apropos Effekt: Auch der Kanonenstart wird im US-Stil zelebriert. Auf die Scoring-Monitore wird ein von zwei Moderatoren begleiteter Countdown übertragen, pünktlich zum Start zündet man hinter dem ersten Abschlag einen weithin sichtbaren Kanonenschlag samt Farbpulver in den Farben von LIV Golf.

 

Gemeinsames Warm-up auf der Driving-Range

Der gemeinsame Start sorgt auch für ein verändertes Warm-up der Spieler. Auf der Range ist für jedes Team und seine Spieler ein eigener Bereich reserviert, der durch gut sichtbare Aufsteller auch von den Zuschauern leicht erkannt werden kann. Zudem spielen sich nahezu alle Spieler gleichzeitig warm – Zuschauer haben dadurch die Möglichkeit, allen Stars gemeinsam auf der Range zuzusehen. Das sorgt für eine ganz neue Wahrnehmung der Vorbereitungsphase durch die Zuschauer, die sich – anders als bei traditionellen Turnieren – vor Rundenbeginn in Scharen um die Range einfanden.

 

Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist ...

… sang Herbert Grönemeyer schon 1983, das Motto von LIV GOLF lautet „Golf, but louder“. Auch bei LIV spielt Musik eine wichtige Rolle. Die gesamte Anlage wird mit Lautsprechern ausgestattet – eine gewaltige logistische Herausforderung, wie Valderrama-Manager Reviriego bestätigt. Vor allem vor Rundenbeginn wird die Musik genutzt, um auf den Kanonenstart hinzuarbeiten, einen musikalischen Countdown eingeschlossen. Doch dann wird die Lautstärke deutlich zurückgefahren und es wird Musik im Lounge-Stil gespielt, die für einen angenehmen „Soundteppich“ sorgt. Spieler wie Henrik Stenson befürworten dies, da so sonst gut hörbare Nebengeräusche von Zuschauern deutlich besser überdeckt werden. Nicht umsonst sieht man vor der Runde viele Golfprofis mit Kopfhörern, um sich so besser konzentrieren zu können.

Einzeln spielen, ­gemeinsam gewinnen

Bisher galt im Golf: Turniere auf den Profitouren werden als Einzel-Wettspiele ausgetragen. Einzige Ausnahme auf der PGA Tour: Die Zurich Classic, bei der die Spieler im Team antreten. Beim Grand Thornton Invitational treten ebenfalls Teams an, hier als Mix aus PGA- und LPGA-Tour. Teamwettbewerbe hingegen gab es nur bei Ryder Cup, Presidents Cup und Solheim Cup im Profisport. Anders bei LIV: Hier ist jeder Spieler auch einem Team zugeordnet, parallel zur Einzelwertung gibt es bei jedem Event eine Teamwertung.

 

Zwar ist das Team-Preisgeld nicht so hoch wie das Einzel-Preisgeld, aber mit 5 Mio. US-Dollar Team-Preisgeld liegt alleine diese Siegprämie deutlich über dem Gesamtpreisgeld der meisten DP World Tour-Events. Zudem erlaubt das Team eine zusätzliche Bindung der Zuschauer, wie Henrik Stenson im Interview erläutert. Wirtschaftlich bedeutend: Teams bieten mehr Möglichkeiten im Merchandising und können eigene Sponsorenverträge schließen. Dabei fiel auf, dass nicht alle Teammitglieder konsequent an allen Wettkampftagen Teamkleidung trugen. Gerade Team Majestix um Henrik Stenson setzt konsequent auf diese Identifikationsmöglichkeit – zahlreiche Zuschauer in Majestix-Kleidung zeigen, dass – wie auch in anderen Sportarten – auch im Golfsport Teams grundsätzlich funktionieren können. Spannend beim Sponsoring: Mit den Teams gibt es eine neue Ebene des Sponsorings zwischen dem Turnier und dem einzelnen Spieler.

 

Einige der Stars der LIV GOLF Andalucía 2023

Der Zuschauer im Fokus

Bei LIV GOLF steht der Zuschauer deutlich stärker im Fokus der Events. Das zeigt nicht nur das vielfältige Hospitality-Angebot, sondern auch das Angebot abseits des Platzes. An den beiden ersten Turniertagen runden Konzerte bekannter Künstler den Tag ab, zudem gibt es ein eigenes Fan-Village, wie man es sonst eher von Majors her kennt. Bei diesen steht ebenfalls das Erleben im Vordergrund, beispielsweise an Schminkstationen für Kinder oder bei Putt-/Minigolfwettbewerben für Zuschauer jeden Alters. Insgesamt wird deutlich, dass LIV GOLF mit seinem Konzept samt Musik und Hospitality vor allem junge Erwachsene anspricht. Golftraditionalisten werden sich mit der Organisation durchaus schwertun, wie Henrik Stenson im Interview bestätigt. Auch die kompakte Durchführung mit drei Wettkampftagen und Kanonenstart trägt dazu bei, dass der größte Wettbewerb der Zuschauer etwas vereinfacht wird: der Wettbewerb gegen die viel zu knappe Freizeit.

Relaxte Stimmung auf und neben dem Platz

Die genannten Rahmenbedingungen sorgen insgesamt für eine deutlich relaxtere Stimmung auf dem Turniergelände. Auch die Spieler machen einen im Vergleich zu traditionellen Turnieren entspannteren Eindruck, gaben sogar während der Wettspielrunden Autogramme und verteilten Geschenke an Kinder. Dass die Profis während der offiziellen Turnierrunden kurze Hosen tragen dürfen – was längst nicht alle Spieler machen – trägt zur entspannteren Atmosphäre bei, ohne dass darunter die Qualität des Golfspiels leidet. Natürlich ist das Konzept eher auf den Geschmack eines US-amerikanischen Publikums zugeschnitten – aber die USA sind der größte Golfmarkt der Welt. Kein Wunder, dass dort auch die meisten Turniere der LIV GOLF-Serie ausgetragen werden. Doch der Erfolg anderer US-Sportarten in Europa, beispielsweise der NFL, unterstreicht, dass gerade bei einem jüngeren Publikum diese stärker Event-orientierte Durchführung von Sportveranstaltungen zunehmend auch in Europa Anhänger findet.

Neues Angebot mit neuen Schwerpunkten

„Keiner von uns hat das Monopol auf die Weisheit“, lautet eines der bekanntesten Zitate von Queen Elizabeth II. Das gilt auch für Turnierformate und -konzepte im Golfsport. Von Charles Darwin stammt die Aussage „Nicht die stärkste Art überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am schnellsten auf Veränderungen reagiert.“ (Original: „It is not the strongest of the species that survive, nor the most intelligent, but the one most responsive to change.“). Natürlich hat die disruptive Herangehensweise von LIV GOLF das Golf-Establishment ebenso überrascht wie überrumpelt. Dass vor allem der bisherige Marktführer PGA Tour hier seine Position gefährdet sah und entsprechend reagierte, kann bei näherem Hinsehen kaum überraschen, wie auch CEO Reviriego bestätigt. Natürlich kann man über die Art und Weise mancher Auftritte von LIV GOLF-CEO Greg Norman streiten, aber auch hier scheinen die Gründe mehr in der Vergangenheit denn der aktuellen Situation zu liegen – getreu dem Grundsatz, dass man sich immer zweimal im Leben sehe. Ob es richtig und zielführend ist, LIV GOLF aufgrund seines Haupt-Financiers zu diskreditieren, ist zumindest fraglich. Sowohl Reviriego, als auch Stenson weisen zu Recht darauf hin, dass man damit den Sport letztlich überfordere. Sicherlich berechtigt auch die Forderung beider Protagonisten, die Entscheidung der Profisportler zu respektiveren. Doch angesichts eher sinkenden Zuschauerinteresses bei Golfturnieren und mit Blick auf die bevorstehende Post-Tiger Woods-Ära braucht der Profi-Turniersport neue Konzepte, um wieder attraktiv zu werden und neue Zuschauergruppen anzuziehen – „grow the game“ nur mit etablierten Golfern als Zuschauern funktioniert nicht. Ob man als Zuschauer das Konzept von LIV GOLF mag, bleibt jedem Einzelnen selbst überlassen. Unbestritten ist das Konzept innovativ, rückt Golf deutlich stärker in den Bereich Event und spricht mit seinen Komponenten stärker den Freizeitbereich und insbesondere junge Zuschauer an – hier steht das Erlebnis im Mittelpunkt. Zudem ist LIV GOLF genau das, was weder DP World Tour noch PGA Tour bisher geschafft haben: Eine globale Profitour, die auf allen Kontinenten zuhause ist. Mit der nun geschlossenen Vereinbarung dürfte der Weg endgültig frei sein für unterschiedliche Turnierkonzepte für unterschiedliche Zielgruppen. Profigolfer wie Zuschauer können selbst entscheiden, welches Format ihr Favorit ist – gerade der Erfolg von LIV GOLF Andalucía zeigt, dass die wichtigste Gruppe der Beteiligten – die Zuschauer – das neue Format mit großer Zustimmung aufnehmen. Denn am Ende des Tages setzt wirtschaftlicher Erfolg weiterhin voraus, dass man das Angebot möglichst perfekt auf die Zielgruppe ausrichtet.

 

Lesen Sie bei Interesse in Zusammenhang mit der neuen Turnierserie von LIV GOLF die beiden folgenden ausführlichen Interviews ...

 

 

Autor: Michael Althoff | golfmanager 4/2023

 

 

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