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Gesamtstrategie für große Herausforderungen

Interview mit Jeroen Stevens, Director NGF

Ergänzend zu ► vorigem Beitrag gewährt  Jeroen Stevens, Director Koninklijke Nederlandse Golf Federatie (NGF) im Gespräch mit dem golfmanager interessante Einblicke zur Arbeitsweise des Niederländischen Golfverbands und seinen umfangreichen Aktivitäten für Golfclubs und Golfer.

 

? Gibt es pro Golfclub eine Höchstzahl an NGF-Ausweisen, welche sie ausgeben können? Und wie hoch ist der NGF-Beitrag pro Golfer für die Clubs?

! Unsere Struktur unterscheidet sich ein wenig von der anderer Länder. Bei uns gibt es auch so genannte „Online Golf Clubs“ – ich nenne sie einfach „Golfclubs ohne Golfplatz“. Das begann vor etwa 20, 25 Jahren. Ich bin mir nicht sicher, ob das gut ist oder nicht – viele Leute bezeichnen es als schlecht, andererseits wissen wir nicht nur für den niederländischen Markt, dass bis zu 50% aller Golfer nicht einem Golfclub mit eigenem Platz angehören wollen. Man kann also entweder gar nichts mit ihnen machen oder ein Modell anwenden, das sie zu einem Teil der Golffamilie macht. Wir haben keine Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl der Mitgliedschaften und NGF-Pässe, die ein Golfclub ausstellen kann. Die Vielfalt auf dem niederländischen Golfmarkt ist riesig – von kleinen Driving-Ranges mit Par-3-Plätzen über Golfclubs ohne Golfplatz bis hin zu einigen der exklusivsten Golfclubs wie The Dutch und Bernardus. Golfclubs zahlen einen jährlichen Beitrag an die NGF, der derzeit 19 Euro pro Golfer und Jahr beträgt.

 

? Sie haben während Covid viele neue Golfer gewonnen, insbesondere in der Gruppe der jungen Erwachsenen. Was sind die Gründe dafür und welche Strategien planen Sie, um sie in der Golfgemeinschaft zu halten?

 

! Golf war eine der wenigen Aktivitäten während Covid-19, die man draußen mit wenigen Einschränkungen ausüben konnte. Andere Sportarten waren nicht wirklich geschlossen, aber Golf war entspannter. In anderen Sportarten konnten sie beispielsweise zwar trainieren, aber keine Wettkämpfe spielen. Golf war hingegen „normal“. Auch Museen, Konzerte und Restaurants waren geschlossen oder nur schwer zu genießen. So wurde das entspannte Golfspiel in dieser Zeit sehr attraktiv. Aber im Jahr 2022 hatten wir bereits nur noch die Hälfte der Beginner von 2021. Es ist buchstäblich um die Hälfte zurückgegangen! Um diese Neugolfer zu halten, können und werden wir natürlich nett und freundlich sein – aber meiner Meinung nach werden wir wieder da anknüpfen, wo wir herkommen: auf dem Stand von 2019.

 

? Sie haben eine eigene App, GOLF.NL, auf den Markt gebracht, die im Jahr 2021 bereits mehr als 309.000 Konten hatte, mehr als 75% aller Golfer nutzen sie. Wie haben Sie die App auf den Markt gebracht und warum ist sie so ein Erfolg?

 

! Wir haben die App vor etwa 5, 6 Jahren eingeführt. Ich überlegte immer: „Wie kann ich eine Verbindung zu den Golfern herstellen?“, und meiner Meinung nach kann man dies im Wesentlichen durch drei Dinge erreichen. 1. die Mitgliedskarte, insbesondere eine digitale Karte, 2. eine Plattform zur Buchung von Abschlagzeiten und 3. eine digitale Scorekarte. Wir haben uns vorerst für Letzteres entschieden. Dies ist etwas, das zu uns als Verband passt – wir sind für das Handicapping zuständig –, aber man kann nicht nur vorgabewirksame Runden registrieren, sondern auch reine Freizeit-Golfrunden. Die Scorekarte ist die Basis der App und natürlich haben wir auch den Mitgliedsausweis integriert. Wir geben die Ausweise sogar nicht mehr in Plastik aus, was ein weiterer guter Grund ist, unsere App herunterzuladen. Wir waren der Meinung, dass Scorekarten der beste Weg sind, um mit Golfern in Kontakt zu treten, und unser Erfolg gibt uns Recht.

 

? Sie haben auch eine App zur Reservierung von Abschlagzeiten auf den Markt gebracht, GOLFGO. Wie viele Golfclubs nehmen an dieser Lösung teil und wie wurde sie eingerichtet?

 

! Es gibt starke Konkurrenz bei den Buchungssystemen für Abschlagzeiten. Wir haben unsere Lösung komplett selbst entwickelt, zusammen mit dem niederländischen Verband der Golfplatzbesitzer. Es handelt sich wirklich um eine 50:50-Koproduktion. Derzeit nutzen etwa 70 Golfclubs dieses Tool - das ist fast ein Drittel des niederländischen Marktes. Aber wie alles im Golfsport: Es geht alles sehr langsam, aber ich bin sicher, dass sich die Clubs am Ende unserer Lösung anschließen werden. Golfclubs haben zwei Möglichkeiten, was die Entgelte angeht: Entweder sie zahlen ein jährliches Fixum plus einer sehr niedrigen Gebühr pro Buchung, oder sie zahlen nur einen festen Betrag pro erhaltener Buchung. Im Vergleich zu anderen Plattformen ist unsere Lösung für die Clubs sehr günstig, da die Kosten pro Buchung im Durchschnitt nicht über 1 Euro liegen. Unser durchschnittliches Greenfee beträgt etwa 50 Euro pro 18 Löcher, also etwa 2% des Umsatzes.

 

? Bieten Sie den Golfclubs irgendwelche Dienstleistungen an, beispielsweise um für die Clubs zu werben oder mehr Mitglieder zu gewinnen?

 

! Wir bieten einige Online-Dienste, z.B. Players 1st zusammen mit dem Verband der Golfanlagenbesitzer. Aber wir haben viele Produkte, um unsere Mitglieder – die Golfclubs – zu unterstützen. Wir haben Account Manager in unserem Verband, und wir besuchen unsere Golfclubs, um herauszufinden, welche spezifische Hilfe sie brauchen könnten. Wie ich schon sagte: Der Markt ist sehr vielfältig, so dass es sehr unterschiedlich ist, wie wir den einzelnen Golfclub unterstützen können – die Lösungen sind nicht für alle gleich. Wir helfen ihnen von einem zentralen Standpunkt aus, aber es gibt keine „Einheitslösung“ für alle.

? Wie wichtig sind die Dutch Open und das Big Green Egg Damenturnier für den Verband und den Golfsport in den Niederlanden insgesamt?

 

! Unsere Strategie besteht aus drei Säulen. Erstens, Leute, die gerade erst mit dem Golfsport begonnen haben, in den ersten drei bis fünf Jahren zu halten. Wenn dies gelingt, werden sie wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang dabei bleiben. Zweitens wollen wir für eine jüngere Gruppe von Golfern zwischen 25 und 50 Jahren attraktiv sein. Und drittens wollen wir mehr weibliche Golfer. Prozentual sind wir in Europa bereits führend – ich glaube, Deutschland hat in absoluten Zahlen ein paar Golferinnen mehr – aber prozentual sind wir die Nummer eins in Europa. Wir denken, dass das Verhältnis zwischen Männern und Frauen 50:50 sein sollte. Die Turniere sind für uns „practice what you preach“ – wenn der weibliche Golfsport wichtig ist und ernst genommen werden muss, kann man nicht zwei professionelle Veranstaltungen für männliche Spieler veranstalten und nichts für weibliche Profigolfer tun.

 

? Helfen die Turniere dabei, mehr Golfer zu generieren?

 

Wir werden durch diese Veranstaltungen nicht viele neue Golfer gewinnen, aber sie sind Teil des Gesamtpakets. Vor allem die Dutch Open positionieren wir ein wenig mehr als gesellschaftliches Ereignis, weil wir überzeugt sind, dass dies die einzige Möglichkeit ist, ein solches Turnier in unserem Land durchzuführen.

? Sie haben den Handicartpass in den Niederlanden. Ist der Verband in diese Stiftung/dieses Konzept involviert?

 

! Rechtlich gesehen ist sie getrennt, aber unser Präsident und ich sind im Vorstand. Sie wird von Leuten außerhalb des Verbandes geleitet, was sehr gut ist. Es ist ein einzigartiges Konzept, das vor etwa 35 Jahren gegründet wurde und uns dabei hilft, ältere Menschen im Spiel zu halten. Die Organisation verfügt über etwa 1.000 Buggys, die bei den teilnehmenden Golfclubs aufgestellt sind. Diese Investitionen werden also von der Stiftung getragen, nicht von den örtlichen Clubs. Diese Buggys sind kein Geschäftsmodell für die Clubs, wie es in vielen anderen Ländern wie Spanien oder den USA der Fall ist – das ist auch der Grund, warum einige Golfplatzbesitzer dieses Konzept nicht mögen. Ich verstehe, was sie meinen, aber letztendlich denke ich, dass Golfclubs ihr Geld mit Mitgliedsbeiträgen und Greenfees verdienen sollten. Wenn also diese älteren Menschen Mitglied bleiben und die sehr erschwinglichen Tarife von derzeit 4,50 Euro für einen Buggy über 18 Löcher (künftig ca. 7 Euro) tragen können, wird dies mehr Geld einbringen als ein höherer Preis pro Buggy. Die Nutzer müssen für ihre Mitgliedschaft bei Handicart spenden, derzeit sind es etwa 20.000. Die Mindestspende pro Jahr beträgt etwa 50 Euro, von denen alles bezahlt wird. Es ist also ein bisschen wie Kommunismus auf dem Golfplatz (lacht).

 

? Welche Strategie verfolgt der Verband in Bezug auf die Nachhaltigkeit?

 

! Ich kann ohne weiteres sagen, dass der Verband den gesamten Nachhaltigkeitsfokus schon vor 20 bis 25 Jahren begonnen hat. Damals hieß es „Committed to Green“. Dann kam GEO mit Jonathan Smith auf, und wir beschlossen, teilzunehmen. Ich denke, wir sind immer noch führend in Europa, aber auch weltweit, was die Anzahl der teilnehmenden Golfclubs angeht. Wir haben etwa 125 GEO-zertifizierte Golfplätze. Wir stehen ihnen mit Rat und Tat zur Seite – wir haben zwei Agronomen, die für den Verband arbeiten – aber wir unterstützen sie auch finanziell. Dieses Thema liegt uns sehr am Herzen. Das liegt auch daran, dass wir wissen, dass in diesem kleinen Land Wasser, Pflanzenschutzmittel und all diese Dinge in Zukunft ein großes Thema sein werden. Im letzten Sommer durften die Plätze im Süden der Niederlande kein Wasser mehr verbrauchen. Aus europäischer Sicht sieht es so aus, als ob es ab 2024 eine Verordnung geben wird, die es allen Golfplätzen unmöglich macht, Pflanzenschutzmittel – auch biologische – zu verwenden. Wenn das so weitergeht, stehen wir als Golfindustrie vor einer großen Herausforderung! Das sollte uns allen zu denken geben!

 

? Die Suche nach geschultem und qualifiziertem Personal ist eine der aktuellen Herausforderungen. Wie unterstützt die NGF die Anlagen in diesem Bereich?

 

! Das Hauptproblem, qualifiziertes Personal zu finden, betrifft besonders das Greenkeeping. Die Bereiche Management und Food & Beverage sind natürlich auch mit dem allgemeinen Personalmangel konfrontiert, aber das wird sich wahrscheinlich in ein paar Monaten bessern. Der Bereich Greenkeeping ist definitiv ein großes Problem. Wir sehen auch, dass immer weniger Menschen eine Ausbildung in diesem Bereich beginnen. Wir haben derzeit kein Programm, um dieses Problem zu lösen, sind uns aber bewusst, dass wir bald etwas tun müssen. Mähroboter könnten einen Teil der Herausforderung lösen, aber wir haben wirklich zu wenig qualifizierte Head-Greenkeeper.

 

? Wie unterstützt der Verband die Golfclubs hinsichtlich des ankommenden Golftourismus?

 

! Bisher war das noch kein Thema, aber es könnte in den kommenden Jahren ein Thema werden. Als Verband befinden wir uns derzeit im Bewerbungsprozess für den Solheim Cup 2026. Sollte dieser Wirklichkeit werden, wäre das ein Grund, den Golfsport in den Niederlanden stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Insbesondere für Deutschland, Belgien und die nordischen Länder würden wir gemeinsam mit den Golfplatzbesitzern versuchen, ein entsprechendes Programm auf die Beine zu stellen. Das bedeutet aber auch, dass wir Golfplätze brauchen, die all diese Golfer willkommen heißen – was vor allem bei den berühmten privaten Golfclubs eine gewisse Herausforderung darstellt.

 

Herr Stevens, vielen Dank für diese interessanten und offenen Informationen und Einblicke!

 

Das Gespräch führte unser Autor Michael Althoff | golfmanager 5/2022.

 

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