Pinehurst, die „Mutter“ aller Golfresorts
100 Prozent Golf
Die Entwicklung von Pinehurst im US-Amerikanischen North Carolina ist vor allem mit zwei Namen verbunden: James Walker Tufts und Donald Ross. Der aus Boston stammende Unternehmer Tufts erwarb 1895 mehr als 2.300 Hektar Land in der Sandhills genannten Region North Carolinas. Unmittelbar danach begann der Unternehmer mit dem Aufbau eines auf Gesundheit ausgerichteten Resorts – denn hinter dem Erwerb stand das philantropische Konzept Tufts, der für stressgeplagte Amerikaner einen Erholungsort schaffen wollte, das nur in den Sandhills zu findende „Kiefern-Ozon“ sollte Atemwegsbeschwerden aufgrund der industriellen Revolution entgegenwirken. Am 31. Dezember 1895 öffnete das erste Hotel, das Holly Inn, seine Tore, zudem warteten mehr als 20 Cottages und eine Pension auf die Gäste. Schnell wuchs das Freizeitangebot um Bogenschießen, Reiten, Polo oder Rasenbowling, 1901 wurde zudem das deutlich größere Carolina Hotel eröffnet. Golf gehörte anfangs nicht zum Angebot. Es wird jedoch berichtet, dass einige Hotelgäste die umliegenden, sandigen Weideflächen dazu nutzen, ein paar Bälle zu schlagen. Erst im Februar 1898 wurde der erste 9-Löcher-Golfplatz eröffnet, welcher 1899 auf 18 Spielbahnen erweitert wurde – die Geburtsstunde von Pinehurst No. 1. Bis heute ist das Resort seiner Philosophie treu geblieben, 18-Löcher-Plätze stets mit Nummern zu versehen. Der zweite wichtige Protagonist, Donald Ross, betrat 1900 die Bühne von Pinehurst. Heute würde man das Aufgabenprofil des jungen schottischen Golfprofis wohl am ehesten mit „Director of Golf“ beschreiben, doch schnell wurde deutlich, dass er besonderes Talent bei der Gestaltung von Golfplätzen besaß. Zunächst überarbeitete er Pinehurst No. 1. Als sein Meisterwerk gilt bis heute der 1907 eröffnete Pinehurst No. 2 – ein Platz, an dem der Schotte immer wieder feilte, angeblich nicht zuletzt deshalb, weil Bobby Jones für die Planung von Augusta National Alister MacKenzie bevorzugte. Bis 1919 kamen Pinehurst No. 3 und No. 4 hinzu, fortan war Pinehurst das erste US-Resort mit 72 Spielbahnen. Mit insgesamt mehr 400 Golfplatzdesigns und -renovierungen hat sich Ross bereits zu Lebzeiten ein Denkmal unter den Golfplatzarchitekten gesetzt. In den kommenden Jahrzehnten wurden das Übernachtungs-, Freizeit- und Golfangebot stetig ausgeweitet, inzwischen umfasst Pinehurst alleine zehn 18-Löcher-Golfplätze.
Ein Stück Schottland in den USA
Immer wieder werden Parallelen zwischen Pinehurst und dem schottischen St. Andrews gezogen. Denn die Sandhill-Region North Carolinas wurde bereits Mitte des 18. Jahrhunderts durch Menschen aus den schottischen Highlands im Rahmen der „Great Wagon Road“ besiedelt. Davon zeugen noch heute die Namen umliegender Orte wie Aberdeen oder Carthage. Bis heute ziehen Branchenvertreter wie Gäste immer wieder Parallelen zwischen Pinehurst und St. Andrews, nicht selten bezeichnet man den Ort in North Carolina auch als „St. Andrews der USA“. Der an der Renovierung von Pinehurst No. 2 beteiligte, weltweit anerkannte Golfplatzdesigner und frühere PGA-Tourspieler, Ben Crenshaw sagte einmal: „Ein Golfer ist erst dann komplett, wenn er an beiden Orten war.“ Der frühere Geschäftsführer des US-amerikanischen Golfverbands USGA, David Fay, sagte über Pinehurst: „Der ganze Ort strahlt einfach Golf aus“ – eine Aussage, die von fast allen Besuchern auch heute noch bestätigt wird. Doch anders als die klassische Kommune St. Andrews ist Pinehurst bis heute in erster Linie Resort, auch wenn inzwischen neben den zahlreichen Unterkünften und Restaurants private Wohnhäuser und Geschäfte das Angebot ergänzen. Diese Entwicklung hat jedoch dafür gesorgt, dass Pinehurst als Resort sich nicht in der oft verbreiteten Struktur eines oder mehrerer Hotels mit Golfangebot plus Einzelhandelsgeschäften präsentiert, sondern den Charakter einer Kleinstadt samt Stadtzentrum entwickelt hat. Damit entspricht das Konzept dem, was heute beispielsweise von der kanadischen Cabot-Group als „Community“ definiert und entwickelt wird. So ist Pinehurst heute Resort und Kleinstadt zugleich.
Kontinuierliche Angebotsausweitung
Obwohl es in Pinehurst weiterhin ein vielfältiges Angebot inklusive Spa gibt, steht Golf mehr denn je im Fokus. Dazu beigetragen hat die kontinuierliche Angebotsausweitung und -überarbeitung. Über die Jahrzehnte haben viele renommierte Golfplatzarchitekten ihrer Zeit ihre Spuren in Pinehurst hinterlassen, auch ein Nicklaus-Course (No. 9) kam durch Zukauf zum Portfolio. Große Aufmerksamkeit erzielte der zwischen Pinehurst und Aberdeen gelegene jüngste Platz, Pinehurst No. 10, der von Tom Doak designt und von der Deutschen Angela Moser (siehe dazu auch das Interview mit ihr im golfmanager 3/23) als Lead Architect vor Ort realisiert wurde. Teil der Pinehurst-Philosophie ist es auch, sich weiterzuentwickeln. Auch No. 2 war davon nicht ausgenommen, allerdings sorgten die Überarbeitungen dafür, dass sich der Charakter des Platzes immer mehr veränderte. Daher entschlossen sich die Besitzer, mit dem Redesign durch Bill Coore and Ben Crenshaw 2010 den Platz wieder auf das ursprüngliche Konzept von Ross zurückzuführen – bis heute gilt dieses Redesign als Musterbeispiel für eine gelungene Transformation von Golfanlagen aus dem Golden Age in die Moderne. Auch No. 4, ebenfalls ein Ross-Design, wurde über die Jahrzehnte überarbeitet und neu gestaltet, bis Gil Hanse 2018 den Platz nochmals grundlegend überarbeitete und im Designkonzept stärker an No. 2 ausrichtete – ein Design, das man bei Hanse auch auf vielen anderen, von ihm gestalteten Plätzen wie Streamsong Black oder dem New Course von Les Bordes antrifft. Hanse war es auch, der mit dem The Cradle 2017 den ersten Platz mit weniger als 18 Spielbahnen beitrug. Der neun Par 3-Bahnen umfassende Kurzplatz ist ganz auf Entertainment und Erlebnis ausgerichtet, so gibt es trotz der Kürze eine eigene Bar als Halfway-Haus, zudem können auch Spielgruppen mit mehr als vier Golfern gemeinsam auf die Runde gehen. Ein 18-Löcher-Puttparcours, dessen Name „Thistle Dhu“ erneut eine Reminiszenz an Schottland beinhaltet, rundet das riesige Golfangebot ab. Folgt man den zahlreichen Golfplatz-Bewertungen weltweit, gilt Pinehurst No. 2 als bester Platz des Resorts, der neue No. 10 setzt an, sich mit No. 4 um den zweiten Platz zu bewerben. Alle drei Plätze sind walking only – auch dies eine Parallele zu St. Andrews und seinen Plätzen – und zudem Resortgästen vorbehalten. Die übrigen Courses können auch von Gästen außerhalb des Resorts gespielt werden.
Schauplatz großer Turniermomente
Der Ruhm Pinehursts basiert nicht nur auf seiner Erfolgsgeschichte als Top-Resort für Golfurlauber, sondern auch aufgrund seines Status als Turnier-Austragungsort. Schon kurz nach Gründung des Pinehurst Golf Clubs 1903 war die North and South Championship Series regelmäßig Gast in North Carolina. Berühmte Golfer von Harry Vardon über Bobby Jones, Gene Sarazen, Sam Snead, Ben Hogan, Arnold Palmer und Jack Nicklaus haben hier aufgeteet. Auch viele berühmte Golferinnen ihrer Zeit haben den Weg nach Pinehurst gefunden und ihre Spuren hinterlassen, angefangen von Glenna Collet Vare, Babe Zaharias und Peggy Kirk bis hin zu Michele Wie haben sie dazu beigetragen, dass Pinehurst auch in der Frauen-Golfszene einen festen Platz hat. Mehrere Majors und auch ein Ryder Cup wurden in Pinehurst ausgetragen. Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Resort jedoch durch die U.S. Open: Insgesamt vier Mal wurde bisher die U.S. Open der Herren hier ausgetragen, weitere vier werden bis 2047 folgen. 1999 siegte Payne Stewart mit einem Putt über fast fünf Metern, seine weltberühmte Siegerpose wurde als Statue vor dem Clubhaus verewigt, zumal Stewart nur rund vier Monate später bei einem tragischen Flugzeugunglück ums Leben kam. 2014 feierte Martin Kaymer hier seinen zweiten Major-Titel und den ersten deutschen U.S. Open-Sieg überhaupt. Erstmals fanden 2014 die U.S. Open der Herren und der Damen in zwei aufeinander folgenden Wochen auf dem gleichen Platz statt – bis heute unerreicht. Bei den Damen konnte sich damals Michelle Wie den Titel sichern. 2024 schließlich gab es nach dramatischem Finaltag mit Bryson DeChambeau den ersten U.S. Open-Sieger, der auf der LIV GOLF-Tour antritt.
Fokus auf das Kundenerlebnis
Pinehurst steht heute für unzählige Erfolge als Resort und Turnier-Austragungsort. Dabei ist es dem Resort stets gelungen, Tradition, Geschichte und Moderne geschickt und kundenorientiert zu verknüpfen. Auch heute noch gilt: Der Kunde steht bei allen Aktivitäten im Fokus. Das erkennt man beispielsweise daran, dass der gesamte Service aller Resort-Einrichtungen miteinander verbunden ist: So kann man Startzeiten für Golfrunden, unabhängig vom gebuchten oder gewünschten Platz, sowohl in den Hotels als auch über die Clubhäuser der Plätze ändern oder buchen, alle Dienstleistungen und Käufe – inklusive des Halfwayhauses am The Cradle – können auf die Zimmerrechnungen des gebuchten Resort-Hotels geschrieben werden. Hier wird das aus der Hotellerie stammende Prinzip „Jeder ist für alles zuständig“ perfekt umgesetzt. Sehr gelungen ist auch die Trennung in Exklusivität und freien Zugang, indem die Top-Plätze Resort-Gästen vorbehalten sind (und so nur im Paket gebucht werden können – analog zu Pebble Beach), während andere Plätze auch Tagesgästen offenstehen. Auch die Verknüpfung von Tradition und Moderne ist außergewöhnlich: Die Top-Plätze sind Walking Only, während auf den übrigen Plätzen (mit Ausnahme des The Cradle) US-typisch Carts genutzt werden können. Tradition wird aber auch im und rund um das Clubhaus der vier ursprünglichen Plätze und damit dem Golf-Epizentrum von Pinehurst gelebt. Davon zeugt eine umfangreiche Trophäen- und Fotosammlung im Gang des Clubhauses, aber auch die Skulpturen wichtiger Persönlichkeiten wie Gründer Tufts, Architekt Ross und U.S. Open-Sieger Stewart vor dem Clubhaus. Auch der Putter Boy, das Wahrzeichen des Resorts, hat eine eigene, kleine Statue auf dem Putt-Parcours. Das Kundenerlebnis wird aber auch durch die Platzarchitektur und das Spielerlebnis betont: Selbst der berühmte No. 2 kommt ohne hohes, allzu dichtes Rough aus, so dass man kaum einmal (von extremen Fehlschlägen abgesehen) einen Ball verliert. Dennoch gehört der Platz nicht nur zum Schönsten, sondern auch Schwersten, was Golf von den hinteren Abschlägen zu bieten hat. Jeder Platz bietet jedoch eine solch große Vielfalt an Teeboxen, dass Golfer je nach Spielstärke und Schlagweite eine für sie passende Teebox wählen können – und natürlich sind diese nicht nach Geschlechtern gekennzeichnet. Auf den Top-Plätzen kommt zudem das Pace of Play-System Tagmarshal zum Einsatz – in Kombination mit den Caddies, die hier als Forecaddie und persönliche Caddies verfügbar sind und die Tracker des Systems mit auf die Runde nehmen. An den Starthäusern von No. 2 und No. 4 werden zudem täglich die kürzeste und längste Rundendauer sowie die durchschnittliche Spieldauer des Vortags auf einer Tafel anzeigt – Motivation durch Information. Während ihres Aufenthalts im Resort benötigen Gäste zudem kein eigenes Auto, ein Resort-eigener Shuttle verbindet die Hotels mit allen Golfanlagen und sonstigen Einrichtungen. Und natürlich spielt auch das Merchandising eine große Rolle. Interessanterweise hat nicht jeder Platz einen eigenen Logoball – insgesamt lässt das Merchandising-Angebot aber kaum Wünsche offen, es umfasst sowohl moderne Bekleidungsartikel wie Hoodies, traditionelle Polos (beides selbstverständlich für Damen und Herren) und natürlich auch Golfbekleidung für Kinder und Jugendliche. Selbst für vierbeinige Freunde gibt es auf Pinehurst gebrandete Hoodies, Matten und Halsbänder.
Positive Aussichten
Pinehurst setzt in vielerlei Hinsicht Maßstäbe: Als Resort ist es sowohl hinsichtlich Angebotsvielfalt als auch in Sachen Kundenservice nahezu unübertroffen. Wie in St. Andrews ruht man sich jedoch nicht auf den Lorbeeren der Vergangenheit aus, sondern investiert konsequent in die Zukunft: durch Modernisierung der Unterkünfte, durch Renovierungen der Golfplätze, durch neue Golfplätze und durch die Einbindung neuer, oft digitaler Lösungen in Betrieb und Kundenkommunikation. Zudem kombiniert Pinehurst erfolgreich Mitgliedschaften mit Gastspieler-Modellen, insgesamt fünf Mitgliedschaftsmodelle im Pinehurst Country Club (seit 1947 Nachfolger des 1903 gegründeten Pinehurst Golf Clubs) von „Social“ bis „Signature“ unterscheiden sich nach den damit Greenfee-frei zu spielenden Plätzen, Vorausbuchungsfristen für Startzeiten, Bag-Aufbewahrung, Nutzung weiterer Club- und Resorteinrichtungen und Preisnachlässen in der Resort-Gastronomie. Die Neueröffnung von Pinehurst No. 10 zeigt, dass das Resort auch in Zukunft beim Golfplatzdesign stets auf die Besten ihrer Zeit setzt – und mit dem Gebiet zwischen Pinehurst und Aberdeen zugleich einen Landstrich erschlossen hat, der durchaus Raum für zusätzliche Golfplätze bietet.
Pinehurst ist ein Ort, der zu 100 Prozent Golf atmet und lebt – und dank erfolgreichem Management, umfassenden Partnerschaften wie mit der USGA und konsequenter PR, nicht zuletzt in Verbindung mit den U.S. Open und anderen renommierten Turnieren, dafür Sorge trägt, dass das Resort auch in den kommenden Jahren seine Vormachtstellung nicht nur national, sondern auch international weiter behaupten kann.
Autor: Michael Althoff | golfmanager 5/2024