Reisesplitter USA
Blick über den Golfplatz hinaus …
Wer in Sachen Golf durch die USA reist, trifft nicht nur auf eine unglaublich vielfältige Auswahl an Golfanlagen, sondern hat auch die Möglichkeit, abseits davon manch spannende Entdeckung zu machen – mal aus der Golfbranche, mal mit anderen Schwerpunkten. Unser Autor Michael Althoff hat einige dieser Erlebnisse – fernab des parallel laufenden Präsidentschafts-Wahlkampfes – in den nachfolgenden Reisesplittern für North Carolina, South Carolina und Virginia zusammengetragen.
World Golf Hall of Fame, Pinehurst
Pinehurst ist nicht nur das führende US-Amerikanische Golfresort, sondern auch Sitz des Golfverbands USGA. Dessen Zentrale liegt nur wenige Schritte vom Clubhaus am berühmten Pinehurst No. 2-Platz entfernt. Direkt neben der Verbandszentrale können Golfer seit 2024 im House of Golf einen Blick hinter die Kulissen des Sports mit dem kleinen weißen Ball werfen. Im Erdgeschoss beheimatet das House of Golf eine sehr informative und lohnenswerte Ausstellung rund um den Golfsport. Dieser Blick hinter die Kulissen erläutert unter anderem die Physik hinter den Dimples auf dem Golfball, aber blickt auch auf aktuelle Herausforderungen durch veränderte Umweltbedingungen bei der Wahl der Grassorten. Zudem gibt es im Erdgeschoss eine Ausstellung über die Entwicklung von Pinehurst und seine Bedeutung für den Golfsport – selbstverständlich inklusive einer Vitrine zu Ehren von Martin Kaymers US-Open-Sieg 2014. Im Obergeschoss kann man seit 2024 die World Golf Hall of Fame besuchen. Diese 1974 in Pinehurst ins Leben gerufene Ruhmeshalle des Golfsports hatte von 1998 bis 2024 in St. Augustine in Florida ihre Heimat (s. golfmanager 3/17). Nun ist sie wieder an ihren Ursprungsort zurückgekehrt. Im Unterschied zu St. Augustine gibt es jedoch keine begleitenden Ausstellungen und Aktivitäten, umgezogen wurden alleine die Spinde mit von den Golfgrößen selbst ausgewählten Erinnerungsstücken an ihre Karriere. Inzwischen hat auch Tiger Woods hier seinen Spind, doch die Hall of Fame deckt die gesamte Geschichte des modernen Golfsports ab – inklusive Old Tom Morris und auch zunehmender Präsenz von Athletinnen, die den Sport geprägt haben.
Griff-Fitting bei GolfPride
Schlägerfittings und auch Golfball-Fittings sind längst in der Branche etabliert. Der weltweit größte Produzent von Griffen für Golfschläger hat seine Zentrale direkt am Zugang zum Golfplatz von Pinehurst No. 8. Hier können Golfer einen Blick hinter die Kulissen werfen. Eine kleine Ausstellung im Inneren, die frei zugänglich ist, informiert über die Entwicklungsgeschichte des Unternehmens und seiner Golfgriffe im Besonderen. Durch die Glaswände kann man auch einen Blick in die Zentrale des Unternehmens werfen, denn hier werden neue Griffe nicht nur konzeptionell entwickelt, sondern man fertigt auch Prototypen vor Ort.
In einem Indoor-Simulator haben Golfer künftig die Möglichkeit, die verschiedenen Griffe vor Ort auszuprobieren. Daher trägt das Gebäude den Titel „Global Innovation Center“, hier werden neue Griffkonzepte von der Idee bis zum Prototypen entwickelt und getestet. Ein wesentlicher Teil des Konzepts ist das Mitte 2024 eröffnete Retail Lab. Spezia-
listen des Unternehmens bieten nicht nur einen Überblick über sämtliche Griffe aus dem Hause GolfPride (inklusive des brandneuen, großen Puttergriffs in verschiedenen Ausführungen), sondern ermitteln gemeinsam mit den Golfern in einem persönlichen Fitting den passenden Golfgriff aus dem Sortiment. Wer möchte, kann seine Griffe auch direkt vor Ort wechseln lassen, das geht auch ohne Voranmeldung meist in wenigen Minuten.
Cassy Tully Fine Arts
Golf kann nicht nur gespielt zur Kunst werden, sondern bietet auch eine hervorragende Plattform für Golf-bezogene Kunstwerke. Neben der Fotografie kommt der Malerei besondere Bedeutung zu. Die US-Amerikanerin Cassy Tully hat sich in den letzten Jahren einen hervorragenden Ruf in diesem Genre erarbeitet und mit ihrer Arbeit verschiedene Großevents wie den Ryder Cup 2021, die PGA Championship 2015 sowie verschiedene Meisterschaften der VGA (Veteran Golfers Association) festgehalten. Natürlich zählen auch Bilder verschiedener Golfplätze zu ihrem Portfolio. Eine Besonderheit: Bei ihren Golfplatz-Bildern bindet die Künstlerin stets Bunkersand der jeweiligen Plätze ein, den sie sich – wenn sie ihn nicht selbst einsammeln kann – von den Golfanlagen zusenden lässt. Auch Auftragsarbeiten, beispielsweise als Erinnerung an ein Hole in One, und Gemälde zu Firmen- und Charityevents zählen zu ihrem Portfolio. Neben dem Originalgemälde werden die Bilder oft als Druck reproduziert, die Künstlerin ist dann häufig bei den Events vor Ort und signiert diese Drucke persönlich – eine einmalige Erinnerung für die Golfer. Ein von ihr gemaltes und zusätzlich von Jack Nicklaus signiertes Bild wurde im Oktober 2024 zu Gunsten von PGA HOPE für 48.000 USD versteigert. Über ihren Onlineshop bietet Tully ihre Drucke als signierte Variante an. Seit kurzem können Golfer und Nicht-Golfer (neben Golf zählen unter anderem Pferde und Landschaften zu ihren Lieblingsmotiven) die Künstlerin in ihrem neuen Studio in Aberdeen nahe Pinehurst besuchen und ihre Werke bestaunen. Hier können Sie ein ausführliches Interview mit der faszinierenden Künstlerin lesen.
Lamas als Golfcaddies
Als das Talamore Golf Resort 1991 in Southern Pines nahe Pinehurst seine Tore öffnete, war man überzeugt davon, dass der von Rees Jones designte, außergewöhnliche Platz der „Star“ sei und große mediale Beachtung finden würde. Doch wie so oft im Leben: Es kam anders. Denn der Club setzte Lamas als Caddies ein. Die Lastentiere aus den Anden trugen die Taschen der Golfer, die zweibeinigen Caddies waren somit Lamaführer und Golf-Tippgeber zugleich. Und so waren es vor allem die vierbeinigen Rundenbegleiter, die für mediale Aufmerksamkeit sorgten. Nicht weniger als rund 5.000 Medienberichte griffen das Thema der Lama-Caddies auf, bis Anfang der 2000er begleiteten sie die Golfer auf der Runde. Inzwischen werden Lamas nicht mehr als Caddies eingesetzt, eine Lamafamilie hat jedoch weiterhin zwischen dem 13. Grün und 14. Abschlag ihre Heimat und genießt bei Clubmitgliedern wie Gastspielern großes Ansehen. Auch in den USA kommt es immer noch auf das Außergewöhnliche und das Erlebnis an – kein Wunder, dass die Lamas bis heute das Clublogo zieren und auch im Merchandising der Anlage eine wichtige Rolle spielen.
Jamestown, die erste dauerhafte Siedlung der Engländer
Pocahontas dürfte nach Winnetou wohl die bekannteste Vertreterin indigener Völker in den USA sein. Anders als die Romanfigur aus der Feder von Karl May gab es die Tochter eines Algonkin-Häuptlings tatsächlich – auch, wenn ihre Lebensgeschichte in den zahlreichen Romanen und Filmen doch sehr verklärt wiedergegeben wird. Die Ursprünge der Geschichte kann man in Virginia in Jamestown erkunden. Dort landeten 1607 englische Siedler und gründeten die erste dauerhafte Siedlung in der Neuen Welt. Neben einer Ausstellung zur Geschichte der indigenen Völker der Region kann man Nachbauten der Siedlerschiffe besichtigen. Zudem wurden eine alte Indianersiedlung und das Fort der Engländer nachgebaut, zu beiden gibt es sehr interessante Führungen und auch Live-Vorführungen zu verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens. Eine Erfolgsstory wurde die Siedlung erst im 17. Jahrhundert mit dem Anbau von Tabak, 1699 wurde die Siedlung mit Verlegung des Regierungssitzes in nahe gelegene Williamsburg wieder aufgegeben. Dennoch: Die Besiedlung des Kontinents durch Europäer nahm ihren Lauf und die tatsächliche Lebens- und Leidensgeschichte Pocahontas‘ steht heute stellvertretend für viele indigene Schicksale in der Neuen Welt.
Gebrüder Wright Memorial
Als Wilbur und Orville Wright am Morgen des 17. Dezembers 1903 ihren Schuppen in Kill Devil Hills (um die Herkunft des Namens ranken sich mehrere Legenden) auf den Outer Banks in North Carolina betraten, standen sie vor dem nächsten großen Schritt in der Mobilitätsgeschichte der Menschheit. Zwar ist bis heute strittig, ob nicht der Franke Gustav Weißkopf bereits 1901 den ersten motorisierten Flug unternahm, doch die Geschichtsbücher führen bis heute die Gebrüder Wright als Pioniere des Motorflugs. Insgesamt vier erfolgreiche Flüge gelangen den beiden Brüdern an diesem Tag: Der erste und dritte wurden von Orville gesteuert, der zweite und vierte von seinem Bruder Wilbur. Aus heutiger Sicht muten die dabei überwundenen Entfernungen extrem gering an. Gute Amateur-Golfer würden die Länge der ersten vier motorisierten Flüge der Menschheit heute wohl umschreiben mit „Drittelschwung Lobwedge, halbes Gapwedge, halbes Pitchingwedge und volles Holz 1“, denn tatsächlich betrugen die erzielten Flugweiten gerade einmal 37, 53, 61 und 260 Meter. Dennoch: Mit diesen, aus heutiger Sicht eher „Hüpfern“, wurde das Zeitalter der modernen Luftfahrt eingeleitet, die heute alle Kontinente dieser Erde miteinander verbindet. Das Memorial präsentiert nicht nur eine originalgetreue Nachbildung des Flyer I, mit dem diese historische Leistung vollbracht wurde, sondern viele weitere Informationen rund um die Geschichte dieser menschlichen Pionierleistung. Zudem zeigt auf der Südseite des historischen Kill Devil Hills eine Skulptur den Moment des Erstflugs. Hier können Besucher aus aller Welt in einem staatlichen Nationalpark in die Vergangenheit reisen und die Ursprünge unserer heutigen, globalen Mobilität erkunden.
Golf und Charity
Golf und Spenden zu Gunsten wohltätiger Zwecke sind in den USA untrennbar miteinander verbunden. Schätzungen gehen davon aus, dass alleine die US PGA-Tour bisher mehr als 3,6 Mrd. USD an Spenden generiert hat. Doch anders als in Deutschland muss ein Clubevent nicht stets komplett wohltägigen Zwecken dienen, sondern wird auch mit klassischen Freizeitrunden verbunden. Zwei Beispiele: Im True Blue Golf Club konnten Golfer an einem Hole-in-One-Wettbewerb an einem Par 3 teilnehmen, der Erlös ging an die Wohltätigkeitsorganisation Folds of Honor. Auf den drei Plätzen des Legends Resorts bei Myrtle Beach wurden drei Longdrive-Champions eingesetzt, darunter der zweifache Sieger der World Long Drive (WLD) Masters Division Championship, Jeff „The Critter“ Crittenden. Golfer konnten hier nicht nur an einer kleinen Longdrive-Show auf der Runde teilhaben, sondern gegen eine Spende den Champ auch an ihrer Stelle abschlagen lassen. Der Erlös ging an den National Law enforcement memorial fund.
Autor: Michael Althoff |golfmanager 5 / 2024
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