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Verschnaufpause verboten

Wichtige Wintersaison bietet neue Chancen

Aufgrund der Coronavirus-Pandemie steht den Golfanlagen in Deutschland ein spezieller Winter bevor. Die veränderten Rahmenbedingungen erfordern die Anpassung und Entwicklung neuartiger Konzepte. Ein gemeinsamer Ausblick mit dem Certified Club Manager (CCM) Hubert Oswald, CCM 1 (2020) skizziert einen möglichen alternativen Fahrplan von Clubmanagern für die sonst eher ruhigeren Wintermonate und zeigt Risiken und Chancen für die Verantwortlichen des Golfmarkts auf.

„Der Winterschlaf wird Golfclubs dieses Jahr verwehrt“. So lautete der Titel der Kolumne „First Tee“ von der renommierten Golfjournalistin Petra Himmel am 30. September 2020. Von notwendigen Maßnahmen von Verantwortlichen deutscher Golfclubs zur Erhaltung der Mitgliederzufriedenheit ist in diesem Beitrag ebenso die Rede wie von Kreativität in Sachen Entertainment in den Wintermonaten.

 

Diese Meinung besitzt die versierte Golferin aus dem Münchner Raum nicht exklusiv. Die Prognose, dass es aufgrund der Situation um die Coronavirus-Pandemie ein ganz spezieller Winter für die Golfbranche werden könnte, teilen auch Experten aus dem Clubmanagement. Darunter befindet sich der Certified Club Manager Hubert Oswald, CCM 1 (2020). In diesem Zusammenhang beurteilt der seit über 20 Jahren als Verantwortlicher auf deutschen und internationalen Golfanlagen arbeitende 53-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen die Golfsport-Saison 2021 in Deutschland ambivalent und verweist auf einen „zweiten Frühling für den Golfsport oder ein Waterloo“.

Die jüngsten Entwicklungen mit vermehrtem Heimaturlaub und überproportional viel gespielten Golfrunden deutscher Golfer in speziellen Sommermonaten in ihren jeweiligen Heimatclubs (wir berichteten im Beitrag „Konzepte für ,Golfen auf Balkonien'"golfmanager Ausgabe 3+4/2020) sowie der generelle Trend während COVID-19 zu mehr Gesundheitssport veranlassen den sehr erfahrenen Branchenkenner zu einer eindeutigen Beobachtung im Golfmarkt. „Der Outdoor-Drang und der gute Ruf des Golfsports als 100 Prozent corona­freier und gesunder Sport im Freien, mit weiten Bewegungsfeldern, weckt bei vielen Interessenten die Lust am Golfsport. Hinderungsgründe wie zum Beispiel die Vorurteile ‚zu teuer‘, ‚zu elitär‘, ‚keine sportliche Betätigung‘ sind im Augenblick wie weggeblasen“, sagt Oswald. „Diese einmalige Situa­tion, die im letzten Jahr noch völlig undenkbar war, sollte von den Clubs, Resorts und Golfanlagen jetzt aktiv genutzt werden.“

 

Marketingausrichtung in ­Richtung gesundheitsbewusster Sport in der freien Natur

Der Forderung nach mehr Kreativität in den Wintermonaten kann in diesem Zusammenhang Oswald etwas Positives abgewinnen. „Clubs, Golf­anlagen und Resorts sind gut beraten, die Saison auszudehnen und den Golfern, die nun nicht mehr reisen, ein Ganzjahresprogramm zu bieten und umfangreiche Freizeit- und Aufenthaltsmöglichkeiten zu schaffen, soweit von der geographischen Lage des Platzes möglich“, empfiehlt der CCM.

 

Der langjährige Business Director der 27-Loch-Golfanlage Schloss Egmating im Südosten von München nennt hierbei Beispiele einer ganzjährigen Mitnutzung des SPA-Bereichs oder der Hotelanlage für Mitglieder, Winterprogramme mit Spielbetrieb und kleinen Turnieren bei entsprechenden witterungstechnischen Voraussetzungen, wöchentliche Kurse wie zum Beispiel Yoga oder Gymnastik, Tipps von den Pros oder Vorträge und Aufführungen in den Clubräumen.

 

Auch infrastrukturelle Veränderungsmaßnahmen wie eine großzügig und gesundheitlich unbedenklich Umgestaltung von sanitären Einrichtungen wie WC, Duschen und Umkleiden gehören laut Oswald dazu. Ebenso eine Veränderung oder Vergrößerung von Freiflächen am Clubhaus in Form von Liegestuhlterrassen, die Erweiterung von Sitzflächen, Ausgestaltung mit Lounge-Möbeln im Freien oder einer großzügigen Biergartenbestuhlung. Eine geeignete Halfwaystation, Abschlagsbereiche an der Driving-Range und eine „kontaktfreie“ Umgestaltung oder Erweiterung enger Wege fallen unter diese Kategorie..

 

Best-Practice-Beispiele für die Wintermonate

Auch in Bereichen abseits der In­frastruktur gibt es praktische Möglichkeiten, den Fokus bereits auf die Vorbereitung der folgenden Hauptsaison zu richten und Kampagnenpläne zu verschiedenen Schwerpunkten für den kommenden Winter zu erstellen. Im Sektor Mitgliederwerbung schlägt Oswald eine Kampagne unter dem Arbeitstitel „Golf als coronafreier Freiluftsport in Ihrer Umgebung“ vor. Ebenso kommen laut dem CCM klassische Maßnahmen wie „Mitglieder werben Mitglieder“ von Dezember bis zum Saisonstart infrage.

 

In Sachen Öffentlichkeitsarbeit können Plakatierungen (Februar/März bis Ostern), Radiospots (Februar bis April), Postwurfsendungen in der näheren Umgebung (März/April) und Aussendungen über Mail-Adressverteiler genutzt werden. Hierzu gehören auch die Planung der Social Media-Aktivitäten, die Erstellung eines Medienplans (Pressearbeit, Videoclips) sowie die Überarbeitung der Homepage. Als weitere wichtige Aufgaben für die Wintermonate können die Betreuung der Bestandskunden/-mitglieder, die Modifikation von Mitgliedschaftsmodellen, eine Überarbeitung der Kursangebote sowie die Planung von Greenfee-Aktionen genannt werden.

 

Eine Übernahme von Konzepten ausländischer Golfanlagen gestaltet sich laut dem international erfahrenen Clubmanager indes schwierig. „Urlaubsländer wie Spanien oder Portugal nutzen den Herbst und Winter bei angenehmen Temperaturen für den Golf- und seit einigen Jahren auch für den Radtourismus in den Segmenten Mountainbike, E-Bike oder Rennrad. Im Frühjahr und Sommer existiert dort der normale Sommer- und Badetourismus. Mit dem Bau der Golfplätze wurde erst der Ganzjahrestourismus erfunden. Die Golfplätze dienen als ‚Bettfüller‘ im Ganzjahresbetrieb. Dies ist bei uns in der D-A-CH-Region klimatisch leider nicht möglich. Es ist deshalb hierzulande ein komplett anderes Ersatzprogramm von den Golfanlagen zu initiieren.“

 

Risiken und Chancen

Dass alle Überlegungen von neuen Konzepten im Zuge der Coronavirus-Pandemie zunächst einmal theoretischer Natur sind, liegt ebenso auf der Hand wie globale und unberechenbare Faktoren, die eine erfolgreiche Umsetzung möglicherweise negativ beeinflussen könnten. „Die Risiken liegen auf der Hand“, befindet etwa Oswald. Dazu zählen die Präsidentschaftswahlen in den USA als Hauptlieferant und Hersteller für Maschinen, Platzausstattung und Golf­equipment.

 

Einige insolvenzgefährdete Firmen können hierbei laut dem bayerischen Clubmanager ebenso in die Marktsituation hineinspielen wie Strafzölle für Lieferungen zwischen den USA, China und Europa, die den Golfsport in Europe zukünftig wesentlich teurer machen könnten.

 

Eine verstärkte Gefahr von Insolvenzen und dadurch entstehender Massenarbeitslosigkeit vor allem in Deutschland und Spanien und dem damit einhergehenden wegbrechenden Golf-Klientel für Golfanlagen sieht Oswald ebenso kritisch wie exorbitante Steigerung von Preisen für Grund und Boden im Pachtbereich insbesondere in den Ballungsräumen in den vergangenen Jahren. Der Einführung des World Handicap Systems (WHCS) steht Oswald prinzipiell positiv gegenüber, wenngleich er auch dort Auswirkungen auf die Golfbranche erwartet: „Für mich ist diese Umstellung eine tolle Geschichte. Zum einen gibt es jetzt endlich statt der bisher sechs Handicap-Systeme nur noch ein weltweit gültiges System, an dem sich jeder Golfer orientieren kann. Zum anderen ist die Vergleichbarkeit der Vorgaben länderübergreifend möglich. Jeder kann sich gerecht mit Jedem sportlich messen“, sagt Oswald. Allerdings sieht der CCM auch Nachteile. „Die Umrechnung und Nachvollziehbarkeit der zukünftigen Vorgabe für den einzelnen Golfer ist durch die komplizierten Umrechnungsformeln kaum möglich. Dies wird zukünftig der zentrale Rechner in der DGV-Geschäftsstelle für uns erledigen müssen.“

 

 

Warnsignale für das Ausland und Ausblick

Golfanlagen der D-A-CH-Region mussten laut der jüngsten Umfrage des Golf Management Verbands Deutschland (GMVD) auf deutschen Golfanlagen zwar weitaus weniger Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken (37%) als dies andere Branchen tun mussten. Allerdings hat es andere Branchen mit voller Wucht getroffen, die mit der Golfbranche verzahnt sind. In puncto Kurzarbeit hat es mit knapp 80 Prozent insbesondere das Hotel- und Gastgewerbe erwischt, wie eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA im August zeigte. Vermehrt auf die Karten Tourismus sowie Hotel- und Gastgewerbe zu setzen, können sich diejenigen deutschen Golfclubs mit angeschlossener Hotellerie und Gastronomie wohl in naher Zukunft nicht erlauben.

Im Verhältnis zu klassischen deutschen Urlaubszielen wie Spanien, wo 2020 nach Angaben des spanischen Ins­tituts Instituto Nacional de Estadadística (INE) im Vergleich zum Vorjahr nur rund 38 Prozent der Tourismuseinnahmen generiert wurden und 750.000 Arbeitsplätze in der Tourismusbranche bedroht sind, kamen Deutschland und Österreich vergleichsweise glimpflich davon. „Der Tourismus in den führenden Destinationen für Golfurlaub wie zum Beispiel Spanien, Portugal oder die Türkei liegen derzeit völlig am Boden. Die spürbare Angst vor Ansteckung im Auslandurlaub und damit einhergehend die viel zu geringe Nachfrage nach Hotel und Golfplatzaufenthalten und fehlenden Flugangeboten zeichnen für die nahe Zukunft und über 2021 hinaus ein düsteres Bild für Golf­urlaub im Ausland“, meint Oswald.

 

Gegenüber diesen von der Coronavirus-Pandemie besonders schwer gebeutelten Ländern beurteilt der CCM die Ausgangslage für den Golfmarkt 2021 in der D-A-CH-Region positiv. „Die Golfanlagen, Clubs und Resorts, wie auch die dazugehörigen Hotels sollten umgehend auf die neuen Chancen reagieren und ihren Kurs entsprechend ausrichten. Für den Golfmarkt im deutschsprachigen Raum ist es eine Chance, die sich so schnell nicht mehr ergibt. Hier beweist es sich, wer beweglich ist und die Gunst der Stunde zu nutzen weiß.“ Die Entscheidungsträger der Golfclubs haben es demnach selbst in der eigenen Hand: ob die Golfsaison 2021 ein „zweiter Frühling“ wird – oder eben nach einem langen Winterschaf ein „Waterloo“.

 

Autor: Robert M. Frank | golfmanager 5/2020

 

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