Olympia-Golf als Highlight
Der europäische Profi-Turniersommer
Ende Mai verlagern sich die Spielorte der Profi-Golftouren der Damen und Herren Richtung Kontinentaleuropa. Die DP World Tour fasst diese Turniere, beginnend mit der Soudal Open in Belgien Ende Mai bis zur BMW International Open in München Anfang Juli inzwischen unter dem Titel „European Swing“ zusammen – und rechnet interessanterweise auch die US Open, bei der Bryson DeChambeau in einem dramatischen Finale Rory McIlroy abfangen konnte, ebenfalls dazu.
Der Auftakt mit den Damen am Seddiner See
Den Auftakt für das Turniergeschehen in Deutschland bildete das zur Ladies European Tour zählende Amundi German Masters im Golf & Country Club Seddiner See. Dieses Mal klappte es endlich mit einem deutschen Sieg, Alexandra Försterling vom Golf- und Landclub Berlin Wannsee setzte sich nach spannendem Kampf schließlich im Stechen an ihrer „Lieblingsbahn“ 18 gegen Emma Spitz durch. Erfreulicherweise fanden mit mehr als 5.000 Zuschauern auch etwas mehr Golf-
interessierte als im Vorjahr den Weg vor die Tore der Hauptstadt, dennoch wäre dem ausgezeichneten Spiel der Damen eine größere Bühne zu wünschen. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit: Direkt im Anschluss an das LET-Event wurde am Seddiner See am 20. Mai eine Qualifikation zur US Open der Damen ausgetragen, hier konnte sich leider keine weitere deutsche Spielerin das begehrte Ticket für das Major sichern.
Die Herren starteten in Hamburg
Auch die Herren begannen in Deutschland im Norden. Erstmals ohne Titelsponsor Porsche wurde Ende Mai, Anfang Juni das nun als European Masters bezeichnete Event der DP World Tour bei Green Eagle Golf Courses ausgetragen. Unter dem inzwischen fast schon zum Markenzeichen avancierten Riesenrad setzte sich an einem spannenden Finaltag der Engländer Laurie Canter durch – für Canter, der erst zu Saisonbeginn wieder von LIV Golf zur DP World Tour zurückgekehrt war, der erste Sieg auf der europäischen Tour. Bestplatzierter deutscher Spieler war Yannick de Bruyn auf Rang 18, der nach drei Runden durchaus noch Chancen auf den Sieg hatte. Auch die Zuschauerzahl entwickelte sich nach Veranstalterangaben positiv gegenüber dem Vorjahr, mehr als 25.000 Zuschauer besuchten das Event. Über die Volvo Car Scandinavian Mixed – bei der Linn Grant zum zweiten Mal den Sieg bei einem von DP World Tour und LET co-sanktioniertem Turnier errang – und die US Open auf dem legendären Pinehurst No. 2 in North Carolina kehrte die Tour nach Kontinentaleuropa zurück.
Die KLM Open wieder zu Gast in den Niederlanden
Nachdem die KLM Open in den vergangenen Jahren bei Bernardus Golf ausgetragen wurde, war dieses Mal der The International unmittelbar neben dem Flughafen Amsterdam der Austragungsort. KLM war daher nicht nur auf der Anlage sehr präsent, sondern auch in der Luft, denn immer wieder konnte man über den Spielbahnen Flugzeuge des Titelsponsors starten oder landen sehen. Es scheint überhaupt das Turnierjahr mit Flugzeuganbindung zu sein, denn auch Royal Troon, Austragungsort der diesjährigen The Open, ist bekannt für seine Flugzeugstarts hinter der Golfanlage und der Real Guadalhorce Club de Golf, auf dem Ende November die Open de España als Finale der LET-Saison ausgetragen wird, liegt direkt in der Einflugschneise des Flughafens Malaga. Wie schon in den vergangenen Jahren präsentierte sich die KLM Open auch in diesem Jahr als gelungene Mischung zwischen Sport und sozialem Event. Das mit Ständen der zahlreichen offiziellen Partner und Sponsoren, unter anderem Daikin, Big Green Egg und Duca del Cosma, gefüllte Zuschauerdorf und insbesondere die Hospitality-Bereiche waren aufgrund der örtlichen Gegebenheiten dieses Mal deutlich näher am Turniergeschehen als auf anderen Anlage. Die Folge: Gerade rund um den Hospitality-Bereich wurde dezent Musik eingesetzt, sodass ein „Grundrauschen“ die angeregten Gespräche überdeckte – LIV Golf lässt grüßen. Der Sieger konnte auch hier erst im Stechen ermittelt werden. Guido Migliozzi aus Italien setzt sich schließlich gegen den Engländer Joe Dean und den Schweden Marcus Kinhult durch. Beste deutsche Spieler waren Matti Schmid und Marcel Schneider auf dem geteilten 15. Platz.
Italien – ein gutes Pflaster für deutsche Golfprofis 2024
Bei der Italian Open – dem höchstdotierten Turnier des European Swings (die US Open ausgenommen) – schlug schließlich die Stunde des deutschen Profigolfs. Marcel Siem setzte sich im Adriatic Golf Club Cervia (Ravenna) im Stechen gegen Tom McGibbin durch, Yannick de Bruyn wurde hervorragender geteilter Dritter.
Langers DP World Tour-Abschied überstrahlt BIO
Die anschließende BMW International Open (BIO) stand ganz im Zeichen des Abschieds von Bernhard Langer von der DP World Tour. Der Sieg ging schließlich an den Schotten Ewen Ferguson, bester Deutscher wurde Jeremy Paul auf Rang 20. Auffällig: In München sorgte bereits das ProAm am Mittwoch für großes Publikumsinteresse, obwohl einige Fußballer dieses Jahr durch die parallel stattfindende EM gebunden waren. Ex-Fussballer Gareth Bale ging jedoch gemeinsam mit Danny Willett auf die Runde – und teete auch in der Folgewoche bei LIV Golf Andalucía auf, womit er in diesen 10 Tagen wohl mehr Ballkontakte hatte als in seiner letzten Saison bei Real Madrid. Auch Longdrive-Weltmeister Martin Borgmeier spielte mit Willett, zudem gab er am ersten Turniertag mit weiteren Longdrive-Profis eine Kostprobe seiner Longhitter-Qualitäten. Mit rund 53.000 Zuschauern erwies sich das Event in München erneut als Publikums-trächtigstes deutsches Golfevent, obwohl das Wetter mit zahlreichen Regenschauern, vor allem zu Beginn des Events, nicht das Beste war. Zudem kamen über die Aktion „Eagles for Education“ 55.000 Euro für die Organisationen „Joblinge“ und „Kick ins Leben“ zusammen. Neben der Teilnahme Langers fiel auf, dass das Team um Turnierdirektor Marco Kaussler viele weitere Stars der Golfszene – unabhängig von ihrer Heimat-Tour – aufgeboten hatte. Neben Martin Kaymer, der mit Ehefrau Irene Scholz am Bag teilnahm, waren auch der deutsche Senior Major-Champion Alex Cejka, Ryan Fox und die LIV Golfer Patrick Reed und Thomas Pieters am Start. Welche Dominanz die US PGA Tour inzwischen beim Preisgeld gegenüber ihrem europäischen Pendant hat, zeigt ein Blick auf den European Swing im Vergleich zur US Open. Die sechs europäischen Turniere kamen insgesamt auf ein Preisgeld von 15,25 Millionen USD – die US Open alleine schüttete 21,5 Millionen USD aus. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die US Open ein Major darstellt, die Preisgeld-Unterschiede sind überdeutlich und führen dazu, dass die seit 2023 geltende Regelung, dass die 10 bestplatzierten Spieler der DP World Tour auf die US PGA Tour wechseln können, fast ausnahmslos angenommen wird. „Money rules“ gilt daher nicht nur im Verhältnis zu LIV Golf!
Apropos LIV Golf
Erneut wurde mit LIV Golf Andalucía im renommierten Real Club Valderrama das einzige Event der Turnierserie auf kontinentaleuropäischem Boden ausgetragen. General Manager Javier Reviriego freute sich über nochmals gestiegenes Zuschauerinteresse, die Zahl der Besucher stieg um mehr als 20 Prozent! Dazu trug auch der Wechsel von Jon Rahm bei, der in Spanien große Reputation genießt. Kein Drehbuchautor hätte das Finale des Events besser konzipieren können, als Lokalmatador Sergio García, der bereits auf der DP World Tour 2017 und 2018 das Andalucía Valderrama Masters an gleicher Stelle für sich entscheiden konnte und schließlich im Stechen am zweiten Extraloch siegte. Erfreulich zudem, dass das Event auch in diesem Jahr viele Familien mit Kindern anzog. Anders als bei den ProAms der DP World Tour und der US PGA Tour steht das ProAm bei LIV Golf nur den ProAm-Teilnehmern samt Begleitern und Medienvertretern offen. Umso auffälliger, wie sich die Stars auf der Runde um ihre zahlenden Gäste kümmerten. Gerade Lee Westwood erhielt hier viel Lob – auch Profigolfer verstehen sich, zumindest bei LIV Golf, eben als Dienstleiter. Ebenfalls interessant: Nur wenige Profis spielen mit den Gästen alle 18 Bahnen, die meisten ProAm-Gruppen wechseln nach neun Bahnen den Pro, sodass die Amateure auf ihrer Runde gleich zwei Profis kennenlernen. Welche hohe Bedeutung, auch wirtschaftlich, das Event für die Region hat, erläutert GM Riveriego im separaten Interview mit dem golfmanager.
Das unbestrittene Golfturnier-Highlight 2024
Auch wenn die Genesis Scottish Open mit dem Heimsieg von Robert MacIntyre und die The Open mit dem Erfolg von Xander Schauffele ebenfalls großartiges Golf boten: Höhepunkt der diesjährigen Golfsaison waren die olympischen Golfturniere der Damen und Herren. Dazu trug zum einen die Einbindung in den Gesamtrahmen der Olympischen Spiele bei, die zudem nur alle vier Jahre ausgetragen werden. Beeindruckend, wie die gesamte Stadt Paris samt der Region Île-de-France sich dem Event widmete – der Individualverkehr in der Innenstadt war nur noch per Sondergenehmigung möglich, dafür wurde ein Netz an Shuttlebussen rund um das Nahverkehrsnetz ergänzt und durch Heerschaaren aufmerksamer und freundlicher Volunteers begleitet.
Außergewöhnlich auch, wie man die Stadt und ihre historischen Gebäude in die Spiele integrierte: Beachvolleyball nahe des Eiffelturms, Fechten und Taekwondo im Grand Palais und natürlich die Reitwettbewerbe im Garten des Schlosses von Versailles und auch die viel diskutierten Schwimmwettbewerbe in der Seine – diese Spiele werden noch lange in Erinnerung bleiben. Auch Golf konnte durchaus auf einen Nostalgie-Faktor setzen, denn sowohl das Damen-, als auch das Herrenturnier wurden an der Stätte des Ryder Cup-Triumphs von 2018 auf dem Albatros Course von Le Golf National ausgetragen. Aus deutscher Sicht besonders erfreulich natürlich der unerwartete Gewinn der Silbermedaille von Esther Henseleit (s. hierzu auch die separate Pressemitteilung des Deutschen Golf Verbandes), die sich mit einer furiosen Schlussrunde nach vorne schob. Aber auch das von noch mehr Zuschauerinteresse begleitete Turnier der Herren, bei dem sich der aktuelle Seriensieger 2024, Scottie Scheffler, mit geteiltem Platzrekord am letzten Tag noch vor Tommy Fleetwood und Hideki Matsuyama schieben konnte, sorgte für Begeisterungsstürme – übrigens auch bei den zahlreichen Zuschauern, die selbst keine Golfer waren, sondern die Karten beispielsweise im Rahmen von Golfpaketen mit mehreren Sportarten erworben hatten. „Wir hätten uns keinen besseren Golfwettbewerb bei den Olympischen Spielen in Paris wünschen können. Ein großartiger Platz, tolle Zuschauer, eine großartige Atmosphäre und fantastische Podiumsplätze sowohl bei den Herren als auch bei den Damen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Golf bei den Olympischen Spielen in Paris endlich Gold gewonnen hat, und ich bin so stolz auf die Arbeit aller Teams, die dies möglich gemacht haben“, fasst Paul Armitage, Director of Golf bei Paris 2024, zusammen. Vor allem Viktor Perez wurde vor heimischer Kulisse frenetisch unterstützt und verpasste die Medaillenränge nur knapp. Das Turnier hat gezeigt, dass Golf (wieder) zu einem festen Bestandteil der Olympischen Spiele geworden ist. Selbst Golfstars wie Rory McIlroy, der sich früher geweigert hatte, an dem Wettbewerb teilzunehmen, schlugen ab und gaben ihr Bestes. Auch der Spirit of the Game kam immer wieder zum Ausdruck. Sieger Scheffler beispielsweise feuerte seine Mitspieler und Konkurrenten bis zur letzten Runde an und applaudierte ihnen, dieser Mann lebt den wahren Geist des Spiels. Während Tommy Fleetwood (ohne seinen Counterpart Francesco Molinari) erneut im Le Golf National erfolgreich war, schafften es andere Ryder-Cup-Helden nicht auf das Podium. In der Finalrunde konnte man sehen, wie sehr vor allem McIlroy und Rahm um die Medaillen kämpften, was ihnen aber leider nicht gelang. Im Vergleich zu anderen Turnieren ist die Veranstaltung ein bisschen eine Mischung aus einem Major und dem Ryder Cup: Die Golfer treten für ihre Länder an und tragen eine Art „Nationaltrikot“, aber letztlich ist es ein individueller Wettbewerb. Die vier Turniertage der Herren haben zudem die Golfer aller Touren (wieder) vereint. Das hat vor Augen geführt, wie stark die besten Golfer der Welt sind, auch wenn sie jetzt auf verschiedene Touren verteilt sind. Auch die vorab ausgerufenen Nachhaltigkeitsziele (siehe dazu den Beitrag über die olympischen Vorbereitungen im golfmanager 3/24) wurden erreicht, im Greenkeeping wurden ausschließlich elektrische Mähmaschinen eingesetzt. Selbst beim Set-up des Platzes war der Nachhaltigkeits-Ansatz deutlich zu erkennen, wie Alejandro Reyes von Turfgrass Agronomy and Services, der 2018 noch als Superintendent von Le Golf National den Ryder Cup begleitet hatte und nun das Team aus örtlichen Greenkeepern und Volunteers leitete, im Gespräch mit dem golfmanager erläuterte (siehe dazu das separate Kurzinterview mit Alejandro Reyes). So gab es – für US-amerikanische und asiatische Olympia-Zuschauer sicherlich ungewohnt – no-touch areas, die der Anlage jedoch in weiten Bereichen einen sehr natürlichen Look verliehen.
Fazit
Ein außergewöhnlicher Profi-Turniersommer 2024 neigt sich nun seinem Ende zu. In den USA haben bereits die Play-offs um den FedEx-Cup begonnen, in Deutschland steht Anfang September mit der Big Green Egg Challenge, powered by VcG, das letzte Highlight des Jahres auf deutschem Boden an. Dass für die Top-Profis nicht nur monetäre Anreize zählen, konnte man vor allem bei Olympia erleben. Zudem zeigte der Golfsport – nicht zuletzt Dank der Silbermedaille von Esther Henseleit – dass er immer wieder für Überraschungen gut ist. Deutlich wurde aber auch, dass nicht nur LIV Golf, sondern auch die US PGA Tour die DP World Tour in Sachen Preisgeld längst abgehängt haben. Es ist daher zu befürchten, dass die besten Spieler Europas auch künftig den Sprung über den großen Teich wagen werden. Colin Montgomerie drückte in einem Interview seine Sorge aus, dass die Tourkarten-Garantie für die 10 erfolgreichsten Golfer der DP World Tour das europäische Turniergolf langfristig schwächen werde. Stars wie Rory McIlroy oder Shane Lowry sieht man schon heute fast nur noch bei Majors oder anderen Leuchtturm-Events wie Ryder Cup und Olympia in Europa. Auch die zahlreichen europäischen Top-Spieler auf der LIV-Tour sind nur noch selten – einmal in Großbritannien, einmal in Andalusien – auf europäischem Boden zu bewundern. Man darf gespannt sein, wie der neue CEO der DP World Tour, Guy Kinnings, auf diese Herausforderung reagieren wird.
Autor: Michael Althoff | golfmanager 04/2024
Weiterführende Links
- Im Gespräch mit Javier Reviriego, CEO Real Club Valderrama – Deutsche Version
- Interview Javier Reviriego, CEO Real Club Valderrama – English Version
- Kurzinterview mit Alejandro Reyes – Nachgefragt beim Greenkeeping: Blick hinter die Kulissen der olympischen Golfturniere
- Servus, Bernhard Langer