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Quo vadis, Golftourismus Türkei?

 

Die Tage werden kürzer, viele Zugvögel haben sich längst auf den Weg in wärmere Regionen gemacht – und auch viele Golfer nutzen regelmäßig Herbst und Winter, um ihrem Hobby in südlicheren Gefilden nachzugehen. Das gilt nicht nur für den Individualgolfer, sondern selbstverständlich auch für Pro-Reisen, Mannschaftsreisen und sonstige, oft von Golfclubs initiierte Reisen rund um das Golfspiel. Und natürlich stellt sich bei jeder Reise die Frage nach dem Reiseziel.

 

In den vergangenen Jahren hat sich die Türkei weltweit und insbesondere unter deutschen Urlaubern – auch unter Golfern – einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Bis 2015 hatte es die Türkei unter allen Urlaubs­zielen weltweit, gemessen an den Besuchern pro Jahr, mit über 39 Millionen Gästen immerhin bis auf Platz sechs im weltweiten Vergleich geschafft – und damit andere Destinationen wie Deutschland oder Großbritannien hinter sich gelassen. Auch bei deutschen Urlaubern wuchs die Nachfrage nach Türkeireisen stetig. Der Deutsche ReiseVerband e.V. (DRV) berichtete anlässlich der diesjährigen ITB, der weltweit führenden Touristikmesse, dass 2015 7,2% aller Urlaubsreisen bundesdeutscher Urlauber über 14 Jahre in die Türkei gingen. Nur Deutschland, Spanien und Italien sind bei den Deutschen als Destination noch beliebter. Damit hat sich der Anteil der Türkei an den Urlaubsreisen seit 2005 (3,7% aller Reisen) nahezu verdoppelt. Und noch vor gut einem Jahr sah es so aus, als ob dieser Trend auch in 2016 seine Fortsetzung finden sollte.

 

Sinkende Buchungs­zahlen für Türkei-Urlaube

Doch wie so oft im Leben: Erst kam es anders, und zweitens ... Als eine deutsche Reisegruppe von einem Anschlag in der Türkei betroffen war, spürte man deutliche Anzeichen eines nachlassenden Türkei-Interesses. Doch nicht nur die latente Gefahr von Terroranschlägen – die zugegebenermaßen heutzutage leider fast überall zu den Bedrohungen von Einwohnern und Urlaubern zählt – sorgte für nachlassendes Interesse, auch die Regierung Erdogan und ihre Politik wurde von vielen potenziellen Urlaubern auf einmal als Grund für die Wahl anderer Urlaubsziele ins Feld geführt. Ihren Höhepunkt fand diese Entwicklung spätestens mit dem gescheiterten Putsch und seiner anschließenden Aufarbeitung, deren Umfang und Vorgehensweise den moralischen Ansprüchen vieler potenzieller Kunden nicht gerecht wurden. Das ist umso bemerkenswerter, als Urlauber normalerweise gerne zu den „schnell vergessenden“ Menschen gezählt werden: Naturkatastrophen oder auch politische Umstürze werden schnell verdrängt, wenn die Destination nur ausreichend verlockend ist. Von daher ließen sich zahlreiche Destinationen beispielsweise in Asien nennen, die sich trotz Militärregimes großer Beliebtheit bei deutschen Urlaubern erfreuen – auch unter Golfern. Selbst viele große Reiseveranstalter dachten anfangs, dass die geringeren Buchungszahlen für die Türkei nur eine „Delle“ seien und das Geschäft bald wieder anziehen würde. Doch weit gefehlt: Der Kunde zeigte sich erstaunlich konsequent, selbst im Last-Minute-Geschäft konnte die Türkei im Vergleich zu früher nur schwach punkten. Und noch schlimmer: Viele Verkaufsprofis in den Reisebüros haben sich von der Türkei abgewandt, in einschlägigen Internetforen kommunizieren sie mehr oder weniger deutlich, dass man die Türkei gar nicht mehr verkaufe oder nur auf aktive Nachfrage durch den Kunden. Dass der Kunde im Gegenzug jedoch dieses Jahr nicht gänzlich auf Urlaub verzichtet, kann man an den Rekordzahlen ablesen, die 2016 in anderen Destinationen – nicht zuletzt der Deutschen liebstem Auslandsziel, Mallorca – erkennen. Ihren vorläufigen Negativ-Höhepunkt erreicht die aktuelle Entwicklung im Juni, als knapp 41 Prozent weniger Urlauber in die Türkei reisten als im Vorjahr. Dennoch, das Auswärtige Amt, quasi höchste Instanz in Sachen Reisesicherheit, hat bis heute (Stand: September 2016) mit Ausnahme der Grenzgebiete zu Syrien und Irak keine Reisewarnung für die Türkei ausgesprochen. Nun steht die Türkei mit dieser Entwicklung nicht alleine im Markt, auch nordafrikanische Länder wie Tunesien und Ägypten leiden unter rückläufiger touristischer Nachfrage. Doch sind die Entwicklungen in der Türkei in absoluten Zahlen natürlich deutlich stärker zu spüren – und können so manchem Reiseveranstalter und Reisebüro die Bilanz ordentlich verhageln, wenn man nicht rechtzeitig Kunden auf andere Destinationen „umrouten“ konnte.

 

Erklärungsversuche für das nachlassende Interesse

Nun, zu Beginn der Herbst-Winter-Saison, erreicht diese Entwicklung verstärkt den Golfmarkt in Bezug auf Golfreisen. Während im Sommer eher Individualreisende in die Türkei zum Golfen fliegen, haben in den vergangenen Jahren viele Clubs und Pros vor allem die Region rund um Belek gerne zu Trainings- und Gruppenreisen genutzt. Zeit also, eine Bestandsaufnahme zur Saison 2016/2017 zu machen. Der golfmanager hat daher bei zahlreichen Reiseanbietern, vom Golf-Spezialveranstalter bis hin zu Reisebüros, die sich auf Golfer spezialisiert haben, nach ihrer Einschätzung gefragt. Die erste Überraschung: Einige Anbieter haben sich bereits vor einigen Jahren von der Türkei als Golfdestination verabschiedet. Olimar Reisen gilt zwar bei vielen Kunden vor allem als Portugal-Spezialist, doch bietet das Unternehmen seit langem auch andere südeuropäische Destinationen für Golf- und Badeferien an. Die Türkei biete man jedoch schon seit einigen Jahren nicht mehr an, wie Natalie Zahn von Olimar Golfreisen auf Anfrage bestätigt. Auch Dieter Lindner, Geschäftsführer bei Classis Golf Tours, hat die Destination aus seinem Programm gestrichen. Seine Begründung: „Probleme mit Startzeiten“. Doch auch Golfspezialisten, die weiterhin Türkei-Golfreisen anbieten, berichten über teils deutliche Rückgänge. Markus Stadler von golf.extra beispielsweise gesteht freimütig, dass sowohl bei Individual-Golfreisen als auch bei Gruppenreisen für Mannschaften oder Pro-Reisen die Buchungen um bis zu 50% zurückgegangen seien. Auch Mario Schomann, Geschäftsführer von Golf Globe und damit unter anderem Golfpartner der Marken TUI und Airtours, berichtet, dass die Nachfrage für die Türkei für beide Reisearten seit etwa zwei Jahren rückläufig sei, dieses Jahr habe sich der Trend weiter verstärkt. Letztlich sieht er die Golfentwicklung hier auf gleicher Höhe wie andere Reisearten, bedeutet: Die Türkei leidet unter einem generellen Nachfrageeinbruch, nicht nur bei Golfreisen – wie dies auch aktuelle Statistiken bestätigen. Eine Entwicklung, die auch Katrin Nehlsen, Produktmanagerin bei DERTOUR (DER Touristik), einem der größten deutschen Reiseanbieter, bestätigt: „Die Nachfrage für die Türkei als Golfdestination ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken.“, so ihr Fazit. Simone Münch vom Frankfurter Reisebüro Westend, das zahlreiche Golfkunden betreut und unter der Marke Golfwestend ein eigenes Golfprogramm anbietet, hat ebenfalls Buchungsrückgänge von rund 40% gegenüber dem Vorjahr ermittelt. Dennoch: Zu bestimmten Zeiten und vor allem über den Preis gäbe es weiterhin Kunden, die der Türkei die Treue halten, so Münch.

 

Alternative Reiseziele

Einstimmig äußern die befragten Unternehmen jedoch, dass die Kunden aufgrund dieser Entwicklung nicht auf einen Golf­urlaub verzichten würden, sondern auf andere Zielgebiete auswichen. „Die weit überwiegende Mehrweit (95%) hat sich für eine andere Destination entschieden“, so Stadler. Und auch sein Kollege Schomann bestätigt: „Die Golfer verzichten dadurch nicht auf das Reisen.“ Er stellt eine Wanderbewegung von Ost nach West fest, also wieder zurück zu den klassischen Destinationen, die bereits bei Badeaufenthalten sehr beliebt sind. Auch Lindner hat festgestellt, dass sein Unternehmen vom Rückgang der Türkeireisen profitiere. Besonders stark wüchsen dieses Jahr die Kanaren, Südspanien, Mallorca und Portugal. Auch bei golf.extra profitieren vor allem südeuropäische Länder von rückläufigen Türkeibuchungen, auch Italien. Zusätzlich gebe es aber auch eine steigende Nachfrage nach den Vereinigten Arabischen Emiraten, Südafrika und anderen Fernreisezielen, berichtet Stadler. Den Fernreisetrend hat auch Golf Globe bei seinen Kunden festgestellt, hier gewinne neben Südafrika auch Mauritius überproportional dazu, erläutert Schomann. Dabei profitierten die Kunden teilweise auch von einem günstigeren Euro-Wechselkurs. Etwas differenzierter sieht Münch die Entwicklung: Golf-Individualreisen seien auf andere Destinationen umgeroutet worden, vor allem Spanien, Portugal und teilweise Fernreisen. Anders sehe es bei den Gruppenreisen, insbesondere Mannschaftsreisen, aus: Hier sei manche Gruppe in 2016 ausgeblieben, da das Preis-Leistungs-Verhältnis der Türkei in anderen Destinationen nicht erreicht werden könne, so die Golf-Expertin aus Frankfurt. Bei DERTOUR wuchs Spanien ebenfalls überproportional, aber auch andere Destinationen konnten zulegen. Dies bestätigt, dass auch hier Golfer nicht auf den Urlaub verzichteten, sondern auf alternative Destinationen auswichen. „Ebenso profitieren im Sommer Österreich, Großbritannien und Irland“, so Produktmanagerin Nehlsen. Hier dürfte sicherlich auch der deutlich günstigere Wechselkurs des britischen Pfunds in Folge des Brexits eine Rolle spielen.

 

Perspektive für das Reiseland Türkei

Einig sind sich die Golfreise-Experten, dass sich die Situation für die Türkei wieder bessern werde. Dies gelte sowohl für Individual- als auch für Gruppenreisen, so die einhellige Meinung. Erstaunlich einig sind sich alle Anbieter dabei, dass als Voraussetzung hierfür nicht so sehr das Thema Sicherheit entscheidend sein wird, sondern vor allem eine Verbesserung der politischen Situation und insbesondere seiner Wahrnehmung in Deutschland und seinen Medien. „Eine Entspannung auf höchster politischer Ebene […] wird dazu führen, dass die Touristen wieder Interesse an Golfreisen nach Belek haben“, führt Stadler aus. Und Ergül Altinova, Inhaber von golf.extra, berichtete erst jüngst im September in einem Kunden-Newsletter von seinen eigenen Erfahrungen in Belek. Sein Fazit: Die Hotels sind derzeit nur zu rund 50% ausgelastet, die Servicebereitschaft und die Gastfreundlichkeit seien jedoch in allen Bereichen unverändert hoch. Auch die Sicherheitslage ist nach Altinovas Einschätzung stabil, so dass auch er davon ausgeht, dass sich die Destination wieder erholen werde.

 

Auch Münch ist für 2017 vorsichtig optimistisch. Vor allem für März bis Mai gäbe es preislich sehr attraktive Golfpakete für die Türkei, die sicherlich von einigen Kunden genutzt würden. Bei DERTOUR sieht man die Entwicklung verhaltener. Noch sei es zu früh, um konkrete Prognosen für 2017 abgeben zu können, verlautet es aus Frankfurt. Damit die Türkei wieder zu früherer Stärke gelange, seien jedoch Änderungen erforderlich. „Die Türkei muss politisch ruhig und Angebote müssen flexibel und attraktiv sein“, fasst Nehlsen die Voraussetzungen für eine Erholung des Türkei-Golftourismus zusammen.

 

Schomann von Golf Globe bringt jedoch noch ein anderes Thema ins Spiel, das bei Classic Golf Tours bekanntermaßen zum Rückzug aus der Destination geführt hat: Die Startzeiten. „Unsere türkischen Partner lernen hoffentlich, dass es auf Dauer nichts bringt, wenn man Flights weit unter zehn Minuten nacheinander starten lässt.“ Belek 2.0 im Golftourismus scheint von daher kein bloßes Wiederanknüpfen an frühere Zeiten zu werden, sondern sollte auf Wunsch einiger Golfanbieter mit einer Qualitätsoffensive im Golfbereich verbunden werden. Eine Entwicklung, von der Golfer – gleich, ob als Einzelreisende oder in der Gruppe – nur profitieren können.

 

Nicht zuletzt könnte die Golfdestination Türkei auch gerade von der Verlagerung der Buchungen 2016 auf andere Destinationen profitieren: Vor allem im Hochsommer berichteten zahlreiche Medien von Überbuchungen, insbesondere in Spanien; Mallorca erreichte neue Touristenrekorde und bezahlte dies mit der größten Wasserknappheit der letzten Jahre. An der Playa de Palma, dem größten Strand der Insel, mussten im Rahmen eines Notfallplans teilweise sogar die Strandduschen abgestellt werden. Vielleicht sind es ja Meldungen wie diese, die den Golfkunden dann auch wieder dazu bringen, seinen Golfurlaub schlicht als Freizeitgestaltung und nicht als politische Botschaft zu verstehen. Aber wie sagt ein bekannter deutscher Fußballstar in solch einer Situation gerne: Schau’n mer mal!

 

Autor: Michael Althoff

 

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