Neue Wege, neue Erkenntnisse, neue Clubmitglieder
Best Practice-Erfahrungen von Horst Schubert
Ein Blick über den Tellerrand des deutschen Golfmarktes hinaus führt zu der tröstlichen Erkenntnis, dass sich in Deutschland nicht nur der Golfmarkt, sondern auch andere Märkte teilweise grundlegend ändern. Die davon betroffenen Unternehmen werden dadurch gezwungen, ihre Strategien und Konzepte den neuen Rahmenbedingungen anzupassen – und zwar rechtzeitig.
IKEA beispielsweise, in Deutschland mit 53 Outlets und rund 5 Mrd. Euro Jahresumsatz vertreten, steckt zurzeit in der größten Veränderung seiner Firmengeschichte. „Wir sind seit 75 Jahren erfolgreich mit dem bisherigen Konzept – und plötzlich merken wir: Weitermachen wie bisher wird nicht funktionieren“, stellte der Deutschland-Geschäftsführer Dennis Baldslev in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ fest (Der Tagesspiegel, 27. Oktober 2019, S. 24). Die Mega-Trends Urbanisierung und Digitalisierung hinterlassen auch bei IKEA ihre Spuren. Amazon machte 2018 in Deutschland nach Branchen-Schätzungen mit 344 Mio. Euro bereits deutlich mehr Online-Umsatz mit Möbeln als IKEA mit 273 Mio. Euro.
„Weitermachen wie bisher wird nicht funktionieren“ – eine Erkenntnis, die angesichts der derzeitigen Lage im deutschen Golfmarkt sicherlich auch für etliche deutsche Golfclubs und Golfanlagen gilt.
Im Protokoll zur Mitgliederversammlung des Jahres 2017 eines deutschen Golfclubs, der bereits seit mehr als 75 Jahren existiert, heißt es beispielsweise zur Mitgliederentwicklung: „Durch die Abgänge bleibt es aber weiterhin schwierig, die Anzahl der Mitglieder – insbesondere die der Vollzahler – zu erhalten. Auch für die kommenden Jahre muss mit einer ähnlichen Anzahl an Abgängen gerechnet werden. Aus diesem Grund müssen weiterhin alle Maßnahmen und Mitgliedschaftsmodelle kontinuierlich überprüft werden. Zudem ist es unerlässlich, die Marketingaktivitäten … zu erhöhen.“ Angesichts eines Rückgangs der vollzahlenden Mitglieder um 11% in den vergangenen zehn Jahren in diesem Traditions-Golfclub ist das sicherlich eine sinnvolle Maßnahme.
Und im Protokoll zur Mitgliederversammlung des folgenden Jahres wird zu diesem Thema weiterhin festgestellt: „Auf der Einnahmeseite fehlen Aufnahmegebühren und Investitionsbeiträge, da die Aufnahme von neuen Mitgliedern unter den Erwartungen blieb. Zudem wählen Neumitglieder häufiger Zeitmitgliedschaften und nicht mehr die auf Langfristigkeit angelegte ordentliche Mitgliedschaft.“
Sowohl für den Golfclub wie auch für IKEA gilt: Selbst wenn ein Geschäftsmodell in der Vergangenheit über Jahrzehnte gut funktionierte, ist das längst keine Garantie für eine erfolgreiche Zukunft.
Eine daraus resultierende Erkenntnis, dass sich nämlich aufgrund der Veränderungen im deutschen Golfmarkt u.a. auch das Marketing zur Gewinnung neuer Clubmitglieder ändern und weiterentwickeln muss, hat im Golf- und Country Club Seddiner See bereits im Jahr 2013 zur Einführung eines neuen Marketing-Instruments geführt.
Ausgelöst wurden die damaligen Überlegungen durch den US-amerikanischen Textilversender Land‘s End mit seinem weitreichenden Garantie-Versprechen. In den Garantiebedingungen der deutschen Tochtergesellschaft von Land‘s End heißt es u.a.: „Garantierte Zufriedenheit. Sollten Sie nicht 100% zufrieden sein, können Sie jeden bei uns bestellten Artikel zu jeder Zeit aus jedem Grund zurückschicken. Kein Wenn. Kein Aber. Kein Problem“ (Katalog Land‘s End, September 2016).
In Anlehnung daran hieß es beim G&CC Seddiner See Ende 2013 – in Vorbereitung auf die Golfsaison 2014 – bei der neuen Jahresmitgliedschaft mit „Geld-zurück-Garantie": „Garantie: Sofern Sie die Mitgliedschaft durch schriftliche Kündigung vorzeitig zum 30. Juni 2014 beenden, erhalten Sie den gezahlten Jahresbeitrag (gegen Rückgabe des DGV-Ausweises) vollständig rückerstattet – ohne ‚Wenn‘ und ‚Aber‘.“ Wohlgemerkt: vollständig rückerstattet – nicht zeitanteilig. Sofern der Nutzer dieser Jahresmitgliedschaft von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht, hat er die Golfanlage am Seddiner See also ein halbes Jahr kostenfrei nutzen können.
Mittlerweile sind seit der Einführung dieser Jahresmitgliedschaft mit „Geld-zurück-Garantie“ sechs Jahre vergangen. Hat sich dieses im deutschen Golfmarkt bisher anscheinend einzigartige Marketing-Instrument bewährt? Wurden mit dieser besonderen Form einer Jahresmitgliedschaft neue Clubmitglieder gewonnen – und zwar nachhaltig, d.h. nicht nur für ein Jahr? Oder war diese Mitgliedschaftsform lediglich eine willkommene Möglichkeit für Schnäppchenjäger und Trittbrettfahrer, ein halbes Jahr die 36-Löcher-Golfanlage am Seddiner See zum Nulltarif zu nutzen?
Die Ausgangssituation
Die mit zwei hochwertigen 18-Löcher-Golfplätzen, einem anspruchsvollen Clubhaus sowie einer umfassenden Infrastruktur ausgestattete Golfanlage der G&CC Seddiner See AG, im südwestlichen Randbereich von Berlin und Potsdam gelegen, ist seit 2010 Mitglied der „Leading Golf Clubs of Germany“ und zeichnet sich nicht nur durch eine sehr gute Verkehrsanbindung, sondern vor auch durch ein hohes Qualitätsniveau aus. Die Größe der Anlage und das anspruchsvolle Qualitätsniveau bedingen allerdings auch entsprechend hohe Mitgliedschaftsbeiträge.
Im G&CC Seddiner See gab es seit der Fertigstellung der Golfanlage im Jahr 1997 keine preisreduzierten Einstiegs-Sondermitgliedschaften. „Schnäppchen-Angebote“ entsprechen auch nicht der Vermarktungsstrategie der G&CC Seddiner See AG. Deren Credo ist stets gewesen: „Wir vermarkten uns über die Qualität und nicht über den Preis.“ Der G&CC Seddiner See hat deshalb auch die höchsten Mitgliedsbeiträge in der Region Berlin-Brandenburg. Ordentliche, d.h. unbefristete Mitglieder (Voraussetzung hierfür ist der Erwerb einer Vorzugsaktie der G&CC Seddiner See AG; Kostenpunkt: aktuell ca. 15.000,- Euro bis 16.000,- Euro) zahlen aktuell 1.995,- Euro (Einzel-Beitrag) bzw. 1.865,- Euro (Paar-Beitrag; pro Person). Jahresmitglieder ohne Aktie zahlen, je nach Dauer der Clubzugehörigkeit, bis zu 2.600,- Euro pro Jahr.
Bei der Bewerbung eines Produktes mit einer „Geld-zurück-Garantie“ sind einige rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Nach der aktuellen Rechtsprechung ist eine „Geld-Zurück-Garantie“ als „Verkaufsförderungsmaßnahme“ einzuordnen und unterliegt damit den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Hieraus resultieren bestimmte Voraussetzungen, die bei der Bewerbung von Produkten mit einer Geld-zurück-Garantie einzuhalten sind, wie beispielsweise das Transparenzgebot (§ 4 UWG). Vereinfacht ausgedrückt: Die Bedingungen zur Inanspruchnahme dieser Rückgabe-Garantie müssen eindeutig und klar formuliert sein und in der Praxis für den Verbraucher auch anwendbar sein. Hier gilt das sogenannte „Irreführungsverbot“.
Das Produkt: die GZG-Mitgliedschaft
Nach anfangs kontroverser interner Diskussion konnte im Herbst 2013 der Clubvorstand und der Aufnahmeausschuss des G&CC Seddiner See e.V. davon überzeugt werden, für die Golfsaison 2014 einen „Versuchsballon“ mit einer „Geld-zurück-Garantie-Jahresmitgliedschaft“ (GZG-Mitgliedschaft) zu starten und entsprechend zu bewerben. Im „Golf Journal“ (Ausgabe November 2013) wurde damals über die geplante Einführung dieser ungewöhnlichen Form der Mitgliedschaft berichtet.
Die Preise für die GZG-Mitgliedschaft entsprachen von 2014 bis 2017 der jeweils gültigen Beitragsordnung des Vereins. Das einzig wirklich Neue war das zusätzliche Sonderkündigungsrecht zum 30. Juni des Jahres in Verbindung mit der vollständigen Rückerstattung des gezahlten Jahresbeitrages.
Die zentrale Idee des Marketing-Instruments „GZG-Mitgliedschaft“ ist simpel: durch die Möglichkeit der kompletten Rückerstattung des am Jahresanfang gezahlten Jahresbeitrags bei Kündigung bis zum 30. Juni des Jahres wird das finanzielle Risiko des Neu-Mitgliedes auf Null reduziert. Ein finanzielles Risiko trägt ausschließlich die G&CC Seddiner See AG und der Golfclub. Die Hemmschwelle für den Eintritt in den G&CC Seddiner See e.V. wird dadurch drastisch gesenkt. Dem potenziellen Neumitglied wird damit die Möglichkeit geboten, die Golfanlage und den Golfclub am Seddiner See ein halbes Jahr lang zu testen – und zwar ohne das geringste finanzielle Risiko. Damit eröffnet sich die Chance, aktive Golfspieler auf die Anlage zu bekommen, und zwar nicht nur für einen oder mehrere Tage, sondern für mehrere Monate. In diesem Zeitraum hat der Club die Möglichkeit, das Neu-Mitglied davon zu überzeugen, dass der G&CC Seddiner See „preis-wert“ ist – auch wenn der Mitgliedsbeitrag der höchste in der Region Berlin-Brandenburg ist.
Generelle Voraussetzung für einen Erfolg dieses Vermarktungsprinzips mit einem weitreichenden Garantie-Versprechen ist allerdings, dass Qualität nicht nur versprochen, sondern dann auch tatsächlich „geliefert“ wird. Die hohe Erwartungshaltung des Interessenten muss am besten nicht nur erfüllt, sondern idealerweise sogar übertroffen werden. Wenn dieser Prozess gelingt, dann werden aus neugierigen Interessenten zufriedene und langfristige Clubmitglieder.
Ziel: Gewinnung neuer Vollmitglieder – nicht nur für ein Jahr
Im clubgebundenen Golfsport ist die Gesamtzahl der DGV-Mitgliedschaften in 2018 erstmals rückläufig gewesen. Der Anteil der Vollmitgliedschaften ist schon länger rückläufig, wurde aber bisher kompensiert durch einen stärkeren Zuwachs der Fernmitgliedschaften mit DGV-Ausweis. Generell ist festzustellen, dass die Gewinnung von Clubmitgliedern für eine Vollmitgliedschaft für die Golfclubs immer aufwändiger und damit kostenintensiver wird.
Die Erprobung einer GZG-Mitgliedschaft in der Golfsaison 2014 war der Versuch, ein geeignetes neues Marketing-Instrument für die nachhaltige Akquisition von Neu-Mitgliedern zu finden. Hierbei stellten sich vor allem drei Fragen:
- Wie viele dieser neuen GZG-Mitgliedschaften können wir verkaufen? Hat der potenzielle Kunde überhaupt Vertrauen in unser Garantie-Versprechen?
- Wie viele dieser Neu-Mitglieder machen von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch und lassen sich den am Jahresanfang gezahlten Mitgliedsbeitrag komplett rückerstatten?
- Wie viele GZG-Mitglieder bleiben dem Club auch in den Folgejahren treu – wenn der reguläre Mitgliedsbeitrag gemäß Beitragsordnung zu zahlen ist?
Das Ergebnis der Vermarktung dieser exotischen Mitgliedschaftsform war im ersten Jahr – in 2014 – gut, aber nicht überragend. Insgesamt wurden 18 GZG-Mitgliedschaften verkauft und es gab lediglich eine Kündigung der Mitgliedschaft zum 30. Juni 2014 aufgrund eines kurzfristigen beruflich bedingten Wegzugs aus Berlin (vgl. Tabelle 1).
Ermutigt durch das insgesamt positive Ergebnis, wurde die GZG-Mitgliedschaft in den folgenden Jahren weiter fortgeführt – nun mit wachsendem Erfolg: In 2015 wurden 32 Mitgliedschaften und in 2016 sogar 58 Mitgliedschaften verkauft. Bei den insgesamt 108 in den drei Jahren verkauften Mitgliedschaften gab es lediglich vier Mitglieder, die von dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machten – eine drop-out-Quote, die deutlich unter unseren Erwartungen lag.
In 2017 erfolgte dann jedoch ein überraschender Einbruch: Lediglich 17 GZG-Mitgliedschaften wurden in diesem Jahr verkauft. Die Ursachen für diesen rapiden Absatzeinbruch konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden. Nach unserer Einschätzung hatte sich an den Rahmenbedingungen nichts Relevantes geändert. War es so etwas wie eine „Marktsättigung“?
Da wir trotzdem weiterhin von diesem Marketinginstrument überzeugt waren, ergab sich aus dieser negativen Entwicklung für uns die Konsequenz, das Produkt noch attraktiver zu gestalten, um den Absatz wieder anzukurbeln. Das Resultat dieser Überlegungen ist die „all-inclusive“-Mitgliedschaft, die seit 2018 sehr erfolgreich verkauft wird (vgl. Abbildung 1). Hierbei handelt es sich um eine GZG-Mitgliedschaft, die mit zusätzlichen Boni ausgestattet ist: ein Restaurant-Gutschein über 100,- Euro pro Halbjahr sowie 50 Token à 36 Bälle für die Driving-Range. Ein kostenloser Umkleideschrank und eine kostenfreie Caddybox im ersten Jahr einer Mitgliedschaft gehörten schon vor der Einführung der GZG-Mitgliedschaft zu den Standard-Marketing-Maßnahmen für Neu-Mitglieder. Neu waren ab 2018 also lediglich die Restaurant-Gutscheine sowie die kostenfreien Token für die Driving-Range.
Das Resultat dieses „Upgrades“ war mehr als überzeugend. Der Absatz schnellte in 2018 hoch auf 66 verkaufte Mitgliedschaften, in 2019 wurden 67 Mitgliedschaften verkauft und für 2020 liegen bereits jetzt (Stand 10. Dezember 2019) 49 Mitgliedschaftsanträge vor.
Alles in allem wurden von 2014 bis 2019 insgesamt 258 GZG-Mitgliedschaften verkauft, von denen lediglich 13 Personen (= 5%) die Geld-zurück-Garantie in Anspruch nahmen. 70 Personen kündigten zwischenzeitlich in den Folgejahren jeweils fristgerecht zum Jahresende, so dass von den 258 Neu-Mitgliedern im Jahr 2020 noch 175 Mitglieder im G&CC Seddiner See e.V. aktiv sein werden.
Analyse: Herkunft und Zukunft
Bei der Analyse der Ergebnisse dieses Marketing-Instruments von 2014 bis 2019 ergab sich eine Vielzahl von Fragen. Hier soll lediglich auf zwei Fragestellungen näher eingegangen werden:
- Woher kommen die neuen GZG-Mitglieder? Ist die GZG-Mitgliedschaft ein Instrument, um hauptsächlich Mitglieder aus Nachbarclubs abzuwerben?
- Es ist zwar schön, möglichst viele neue Vollmitglieder zu gewinnen – es ist aber noch schöner, wenn diese nicht nur das mit Sonderkonditionen verbundene Einstiegsjahr im Club verweilen, sondern dem Club auch längerfristig treu bleiben. Oder anders formuliert: Wie nachhaltig ist die Gewinnung neuer Mitglieder durch die GZG-Mitgliedschaften?
Golfsportliche Herkunft der GZG-Mitglieder
Für die Analyse der golfsportlichen Herkunft der GZG-Mitglieder wurden drei Gruppen gebildet:
- Golfer aus der Region, d.h. Mitglieder eines anderen Clubs des Golfverbandes Berlin-Brandenburg (GVBB),
- Golfer mit einem DGV-Ausweis aus einem Golfclub außerhalb der Region Berlin-Brandenburg (oder VcG-Ausweis) bzw. einem ausländischen Clubausweis, umgangssprachlich gern als „Fernmitglieder“ bezeichnet, sowie
- Golf-Anfänger, die erstmals Mitglied in einem Golfclub werden.
Die Analyse der insgesamt 258 GZG-Mitglieder aus den Jahren 2014 bis 2019 ergab ein überraschendes Ergebnis (vgl. Tabelle 2): Die größte Anzahl von Neumitgliedern mit 43% stammt aus dem Segment der Fernmitglieder, davon 36% mit DGV- oder VcG-Ausweis. Erst danach folgen die Wechsler aus Nachbarclubs mit 34% sowie 23% Golfanfänger, die größtenteils die Platzreife im G&CC Seddiner See erworben hatten. In 2018 wurde die DGV-Platzreife im G&CC Seddiner See an 41 Golfanfänger vergeben, in 2019 waren es 32 Golfeinsteiger.
Clubwechsler aus der Region Berlin-Brandenburg
Die Herkunft der 88 Neumitglieder aus Nachbarclubs streut über die ganze Region Berlin-Brandenburg und betrifft insgesamt 14 Clubs. Drei Clubs aus der regionalen Nachbarschaft mit 45 insgesamt Clubwechslern (= 51%) machen dabei den „Löwenanteil“ aus.
Clubfreie Golfspieler („Fernmitgliedschaften“)
Nach einer DGV-Statistik für das Jahr 2014 gab es damals 27.655 DGV-registrierte Golfmitgliedschaften mit Wohnsitz in Berlin-Brandenburg. Im GVBB waren hingegen lediglich 24.138 Golfer gemeldet. D.h., es gab damals 3.517 DGV-Mitglieder mit einer Fernmitgliedschaft mit DGV-Ausweis (incl. VcG). Das entspricht einem Marktanteil von 12,7% und würde – auf ganz Deutschland bezogen – einem Marktsegment von rund 81.000 Golfern entsprechen. Diese Größenordnung scheint realistisch zu sein, denn der DGV hatte für das Jahr 2013 dieses Marktsegment mit rund 84.000 Golfern quantifiziert (61.000 DGV-Mitglieder + 23.000 VcG -Mitglieder).
Von den insgesamt 111 GZG-Mitgliedern, die aus einer „Fernmitgliedschaft“ kamen, hatten 11 Golfer einen VcG-Ausweis (= 10%), 17% einen ausländischen Clubausweis (= 15%) und 83 Golfer einen DGV-Ausweis (= 75%).
Dass aus diesem Marktsegment mit mehr als 40% der größte Teil der GZG-Mitglieder stammt, ist sicherlich eine überraschende Erkenntnis. Überraschend insbesondere auch deshalb, weil es zeigt, dass es offensichtlich für Golfclubs durchaus möglich ist, aus diesem stark wachsenden Segment der clubfreien Golfer mit DGV-Ausweis in nennenswertem Umfang neue Clubmitglieder zu gewinnen.
Nachhaltigkeit der GZG-Mitgliedschaften
Clubmitglieder zu gewinnen ist das eine, Clubmitglieder zu binden, ist das andere. Eine Auswertung für die Jahre 2014 bis 2019 zeigt, dass durchschnittlich immerhin 82% der neugeworbenen GZG-Mitglieder dem Club auch im zweiten Jahr treu geblieben sind. Im dritten Jahr sind es noch 70%. In den folgenden Jahren steigt die drop-out-Quote nur noch geringfügig weiter an. Im 7. Jahr sind immerhin noch 56% der GZG-Einsteiger Mitglied im Club (vgl. Tabelle 3).
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Frage, wie viele Neumitglieder in den folgenden Jahren ihrer Mitgliedschaft sich für eine ordentliche, d.h. unbefristete Mitgliedschaft entschieden und dafür eine Aktie der G&CC Seddiner See AG erworben haben: Bisher sind 42 Mitglieder diesen Schritt gegangen. Bezogen auf die insgesamt vorhandenen 175 GZG-Mitglieder ist das rund ein Viertel (24%) (vgl. Tabelle 4).
Auf den ersten Blick scheint dieser Wert relativ niedrig zu sein. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Umstieg von einer Zeitmitgliedschaft in eine ordentliche Mitgliedschaft i.d.R. nicht schon nach dem ersten oder zweiten Jahr der Mitgliedschaft erfolgt, sondern meistens später.
So ist der Anteil bei den beiden ältesten GZG- Jahrgängen dann auch deutlich überdurchschnittlich: Aus dem Jahrgang 2014 sind mittlerweile 90% und aus dem Jahrgang 2015 61% in eine zeitlich unbefristete Mitgliedschaft mit Erwerb einer Aktie „umgestiegen“.
Zur Erläuterung: Für eine zeitlich unbefristete Mitgliedschaft im G&CC Seddiner See e.V. ist der Erwerb einer Vorzugsaktie der G&CC Seddiner See AG erforderlich. Hierfür ist nach den derzeitigen Marktpreisen ein Investment von 15.000,- Euro bis 16.000,- Euro notwendig. Im heutigen Golfmarkt in Deutschland sind Einmalaufwendungen in dieser Größenordnung nur noch von sehr wenigen Golfclubs bzw. deren Betreibergesellschaften realisierbar.
Was ist für den Golfer „Qualität“?
Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass ein Qualitätsversprechen nur dann glaubwürdig ist, wenn es auch weitestgehend eingehalten werden kann. Doch was versteht der Golfspieler unter der Qualität einer Golfanlage bzw. eines Golfclubs? Gesicherte Erkenntnis dürfte hier lediglich sein, dass das individuell sehr unterschiedlich ist und von jedem Golfer anders definiert wird.
Seit 2010 ist die G&CC Seddiner See AG Mitglied der „Leading Golf Clubs of Germany“ und unterzieht sich somit jedes Jahr umfangreichen Mystery-Checks, bei denen anonyme Qualitätstester die Golfanlage testen und bewerten. Bis 2017 wurden so jedes Jahr der Nord- und der Südplatz in der Golfsaison jeweils neunmal untersucht und bewertet. Seit 2018 sind es nur noch sieben Tests pro Platz und Jahr. Der aktuelle Fragebogen umfasst rund 150 Bewertungskriterien, die natürlich nicht nur die Golfplätze und das Übungsgelände, sondern auch die Dienstleistungen und die Infrastruktur umfassen.
Die Qualität von Nord- und Südplatz entsprach in 2018 aufgrund der extremen Trockenheit nicht den gewohnten Qualitätsansprüchen der Golfanlage am Seddiner See. Im Unterschied zu den meisten anderen Regionen in Deutschland zog sich diese extreme Dürreperiode am Seddiner See bis Anfang September 2019 hin. Der Vergleich einiger Niederschlagsdaten, ermittelt durch die meteorologische Messstation auf dem Nordplatz am Seddiner See sowie die Messstation München-Flughafen des Deutschen Wetterdienstes zeigt die enormen Diskrepanzen auf: Während der Vegetationsperiode (01.04.-30.09.) wurden in 2018 in München 472 mm Niederschlag gemessen, am Seddiner See mit 138 mm weniger als ein Drittel davon! In der Vegetationsperiode 2019 war der Unterschied zwar deutlich geringer, aber immer noch gravierend: 381 mm in München und 229 mm am Seddiner See.
Die witterungsbedingten Qualitätsprobleme in den Jahren 2018 und 2019 waren aber offensichtlich kein Grund, die Clubmitgliedschaft im G&CC Seddiner See e.V. zu kündigen bzw. gar nicht erst abzuschließen – weder für Neumitglieder noch für Bestandsmitglieder. Für die allermeisten Clubmitglieder ist es also offensichtlich nicht allein entscheidend, ob die Grüns und die Fairways in einem Top-Zustand sind. Viele andere Kriterien wie z.B. die Clubgastronomie, die Club-Atmosphäre, die Kommunikation mit dem Clubsekretariat und dem Clubmanagement oder die vielfältigen Übungsmöglichkeiten sind für die allermeisten Clubmitglieder offensichtlich mindestens genauso wichtig.
Eine entsprechende Auswertung der Leading-Testergebnisse der Jahre 2010 bis 2019 legt dies nahe. Anders ist es jedenfalls kaum zu erklären, dass die Mitglieder-Entwicklung – trotz der witterungsbedingten Qualitätsprobleme – in 2019 mit einem Netto-Zuwachs von 64 Mitgliedern äußerst positiv ausfiel.
Fazit
Unsere mehrjährigen praktischen Erfahrungen mit der GZG-Jahresmitgliedschaft haben u.a. zu folgenden Erkenntnissen geführt:
- Die Strategie der G&CC Seddiner See AG, die Golfanlage über die Qualität und nicht über den Preis zu vermarkten, funktioniert nachweislich seit vielen Jahren.
- Als besonders erfolgreiches Marketing-Instrument hat sich in diesem Zusammenhang die 2014 eingeführte Jahresmitgliedschaft mit „Geld-zurück-Garantie“ erwiesen. Die Neu-Mitglieder haben offensichtlich Vertrauen in dieses ungewöhnliche und weitreichende Garantie-Versprechen.
- Durch die Reduzierung des finanziellen Risikos für neue Clubmitglieder gelingt es mit diesem Mitgliedschaftsmodell, auch bisher club-ungebundene Golfspieler mit DGV- oder VcG-Ausweis (sog. „Fernmitglieder“) auf die Golfanlage zu bekommen und die meisten von ihnen von den Vorteilen einer Clubmitgliedschaft zu überzeugen.
- Die Gewinnung von Clubmitgliedern aus dem Segment der clubfreien Golfer mit DGV-Ausweis ist von besonderer Bedeutung, weil gerade dieses Marktsegment seit einigen Jahren besonders starke Wachstumsraten aufweist (von 61.000 Golfer in drei Jahren auf 82.000 Golfer, d.h. +34%).
- Die anfangs befürchteten „Trittbrett-Fahrer“, die diese Einstiegsmitgliedschaft nutzen könnten, um ein halbes Jahr kostenfrei die Golfanlage am Seddiner See zu nutzen, gibt es praktisch nicht. Der Anteil der Inanspruchnahme des Sonderkündigungsrechts per 30. Juni mit vollständiger Rückerstattung des gezahlten Jahresbeitrages liegt bei 5% und spielt in der Gesamtbetrachtung keine Rolle.
- Der Anteil der Neumitglieder, die sich nach Ablauf des ersten Jahres für einen Verbleib im Golfclub und eine Fortführung der Mitgliedschaft entscheiden, ist erfreulich hoch. In 2019 haben beispielsweise von 63 Neu-Mitgliedern lediglich 6 Mitglieder zum 31. Dezember 2019 gekündigt. Immerhin 57 Mitglieder (= 90%) bleiben dem Club auch im Folgejahr 2020 treu.
- Die niedrige Austrittsquote von gerade einmal 10% ist auch insofern bemerkenswert, da sich der Jahresbeitrag von 2.095,- Euro abzgl. 200,- Euro Gastronomie-Gutschein abzgl. 150,- Euro für Bälle auf der Driving-Range = insgesamt 1.745,- Euro für das erste Jahr und dann im zweiten Jahr drastisch erhöht auf 2.307,- Euro, d.h. um 562,- Euro.
- Wenn sich Märkte ändern, muss sich auch das Marketing der betreffenden Unternehmen ändern.
- Wohl keine andere Sportart ist derartig der Tradition verhaftet wie der Golfsport. Tradition und Innovation müssen aber nicht zwangsläufig Gegensätze sein. Sicher ist mittlerweile aber wohl die Erkenntnis: Wenn es keine Innovationen gibt, gibt es irgendwann auch keine Tradition mehr.
Autor: Horst Schubert | golfmanager 6/2019