Happy Gilmore und die verpasste Marketing-Chance
Mit Storytelling junge Menschen für Golf begeistern

Storytelling, also das Erzählen von Geschichten, gehört zu den Königsdisziplinen modernen Marketings. Das gilt nicht nur für Sachgüter, sondern auch für Dienstleistungen und damit für Freizeitaktivitäten wie Golf. Die Herausforderung: Die Geschichte sollte so gestaltet werden, dass sie die anvisierte Zielgruppe anspricht. Ein Glücksfall ist dabei, wenn hier crossmediale Unterstützung greift, die Geschichte somit aus anderen, oft sogar unbeteiligten Bereichen initiiert oder gefördert wird. Häufig trifft dies ein, wenn Film und Fernsehen entsprechende Geschichten aufgreifen. So sorgte vor vielen Jahren der Film ,Ein gutes Jahr‘ für einen Nachfrageschub zu Weingütern in Südfrankreich, ,Gladiator‘ rückte das Alte Rom wieder in den Blickpunkt, ,Das Parfum‘ erhöhte die Bekanntheit der französischen Parfumstadt Grasse, der ,Herr der Ringe‘ rückte Neuseeland noch stärker in den touristischen Fokus und ,Indiana Jones: Der letzte Kreuzzug‘ bescherte dem antiken Petra in Jordanien neue Popularität. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen, auch viele Fernsehserien – von den Rosenheim Cops über Donna Leons Venedig-Krimis bis hin zum in der Bretagne aktiven Kommissar Dupin – stehen beispielhaft für diese, letztlich abgeleitete Nachfrage. Seit Jahren strebt die Golfbranche weltweit danach, neue und vor allem jüngere Zielgruppen zu erschließen – „growing the game“ ist ein altgedientes Motto, doch letztlich hat die aktuelle Nachfrage nach Golf vor allem von der Corona-Pandemie profitiert. Obwohl sich das Image des Golfsports in den letzten Jahren leicht positiv verändert hat: Nur wenige Nicht-Golfer werden den Sport direkt mit Spaß in Verbindungbringen.
Ein Golf-Film schreibt Streaminggeschichte
Doch am letzten Juliwochenende 2025 geschah Außergewöhnliches: ,Happy Gilmore 2‘, die Fortsetzung des Kassenerfolgs von Adam Sandler aus dem Jahr 1996, feierte Premiere. Während der erste Teil dieser Komödie seinerzeit noch traditionell in den Kinos uraufgeführt wurde, feierte das Sequal seine Premiere auf dem Streamingdienst Netflix. Zwischen 25. und 27. Juli erreichte der Film 46,7 Millionen Abrufe (Netflix ermittelt, anders als Fernsehsender, keine Zuschauerzahlen, sondern rechnet aus der gemessenen Streamingdauer die Abrufzahlen hoch) – der erfolgreichste Neustart eines Films, den Netflix nach eigenen Angaben je erzielt hat. Man kann davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Abrufe nicht durch Einzelnutzer erfolgte, sondern viele User den Film gemeinsam gesehen haben – schließlich gelten Streamingdienste als Nachfolger des traditionellen Kinos, und auch dort geht man meist nicht alleine hin. Wenn im Schnitt somit mindestens jeweils zwei Personen den Film geschaut haben, wurde damit an nur einem Wochenende eine Reichweite von fast 100 Millionen Menschen erzielt – aus Marketingsicht eine gigantische Zahl! Auch in den sozialen Medien war der Filmstart Gegenstand vieler Posts und Kommentare. Übrigens: Auch der erste Happy Gilmore-Film wurde am Premierenwochenende nochmals millionenfach abgerufen (Branchenberichte melden mehr als 10 Millionen Abrufe) und in die Hitlisten der Streamingfilme gespült – wovon auch andere Streaminganbieter profitiert haben dürften, da dieser Film auch auf anderen Plattformen verfügbar ist. Die Abruf- und Zuschauerzahlen für Happy Gilmore 2 sind deswegen so interessant, weil die R&A in ihrem ,Global Golf Participation Report 2023‘ weltweit lediglich acht Millionen registrierte Golfer plus 31,6 Millionen nicht registrierte 9- und 18-Bahnen-Golfer meldet, insgesamt beziffert der Bericht die Anzahl der „Menschen, die sich mit Golf beschäftigen“, auf 61,2 Millionen Menschen. Somit ist davon auszugehen, dass Happy Gilmore im statistischen Durchschnitt bereits am ersten Wochenende nicht nur von jedem im weitesten Sinne mit Golf befassten Menschen gesehen wurde, sondern auch von vielen Menschen, die sich selbst nicht als Golfer betrachten. Da die Nachfrage nach dem Film weiter anhält, dürfte sich diese Zahl in den letzten Wochen weiter erhöht haben.
Sandlers Erfolg dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass ihm etwas gelungen ist, was Golfanlagen weltweit anstreben: Happy Gilmore 2 vereint Golfer und Nichtgolfer sowie mehrere Generationen – und bindet auch Prominente abseits der Golfszene in seinen Film ein. Mehr als 130 Mitwirkende zählt der Film – darunter nicht nur Golfgrößen wie Jack Nicklaus, Nick Faldo, Scottie Scheffler oder John Daly, sondern auch Prominente wie die Musiker Eminem und Bad Bunny oder NFL-Profi Travis Kelce. Aus Marketingsicht ebenfalls spannend: Bereits mit seinem ersten Happy Gilmore-Film positionierte Sandler ein unverkennbares Markenzeichen: den Happy Gilmore-Schwung, angelehnt an seine im Film thematisierte, fehlgeschlagene Eishockey-Karriere. Schon nach dem ersten Teil versuchten sich selbst Tour-Profis (einschließlich Tiger Woods und Padraig Harrington) am Happy Gilmore-Schwung – und hatten offensichtlich viel Spaß dabei!
Potenzial nicht genutzt
Man darf davon ausgehen, dass auch in Deutschland Happy Gilmore 2 große Aufmerksamkeit gefunden hat – nicht nur unter Golfern, sondern auch unter Nicht-Golfern. Was jedoch auf den ersten Blick wie eine Steilvorlage für eine darauf abgestimmte Marketing-Kampagne wirkt, entpuppte sich auf den zweiten Blick eher als verpasste Chance. Wenn überhaupt, haben nur wenige Clubs rund um die Premiere thematisch auf den Film ausgerichtete Events durchgeführt, auch nach dem großen Medienecho rund um den erfolgreichen Start setzte keine ,Gilmorerifizierung‘ des Golfmarketings ein. Dabei zeigt der Film genau, wie man vor allem jüngere Menschen für Golf interessieren kann: lockere Atmosphäre, legere Kleiderordnung und vor allem ein klarer Fokus auf Erlebnis und Spaß. Nun werden sich manchem traditionsorientierten Golfer und Golffunktionär an dieser Stelle die berühmten Fußnägel hochrollen, doch ein Grundsatz des Marketings lautet „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler!“ Blickt man auf die Turnierszene weltweit, finden sich viele dieser Elemente längst im heutigen Turnierbetrieb: Die sechzehnte Spielbahn der Phoenix Waste Management Open hat vielfach Kultstatus erreicht (auch wenn manche Profigolfer diese exzessive Form nicht mögen), LIV untermalt seine Turnierrunden mit Musik und ergänzt sie oft um Konzerte und weltweit binden Turniere wie die KLM Open ein Beat the Pro in den laufenden Turnierbetrieb ein. Wer es daher ernst meint mit der Ansprache junger und neuer Zielgruppen für Golf, sollte die vom Happy Gilmore aufgezeigten Ansatzpunkte aufgreifen – das muss nicht zwingend auf dem Platz geschehen, viele Elemente können auch auf der Range und anderen Übungsanlagen realisiert werden. Dabei kann Golf besonders vom Cross-over zum Eishockey profitieren: Rund 2,8 Millionen Besucher bescherten der Deutschen Eishockey Liga DEL letzte Saison einen neuen Zuschauerrekord, fast fünf Millionen Bundesbürger geben an, sich für Eishockey zu interessieren. Viele Eishockey-Profis spielen zudem selbst Golf – und gerade in Ballungszentren gibt es nahezu bundesweit erfolgreiche Eishockey-Teams. Da liegt es nahe, dieses Potenzial in Verbindung mit dem Film zu nutzen und das Storytelling auf die eigene Anlage auszuweiten.
Mit kreativen Konzepten begeistern
Die Empfehlung: schaffen Sie Ihr eigenes Happy Gilmore-Event und nutzen Sie den aktuellen Hype, um bestehende Golfer weiter an sich zu binden und neue Zielgruppen anzusprechen. Wie so oft im Marketing sind dafür nicht unbedingt große Budgets erforderlich, sondern vor allem Kreativität. Hier ein paar Anregungen, wie man entsprechende Events gestalten kann:
- Organisieren Sie für Golfer (Mitglieder und Gastspieler) ein Range-Event unter dem Motto ,Happy Gilmore Longdrive‘: Abschläge müssen im Stil von Happy Gilmore erfolgen, man spielt aber mit klassischen Golfschlägern. Wer über Rangesysteme wie Inrange, Toptracer oder Trackman verfügt, kann die Weite mit diesen Systemen messen, ansonsten leistet der örtliche Pro mit einem Flightscope- oder Trackman-System sicherlich gerne Unterstützung.
- Führen Sie einen Happy Gilmore-Putting-Contest durch: Zwar hat Callaway eine limitierte Putter-Sonderedition in Anlehnung an den von Sandler im Film genutzten Schläger auf den Markt gebracht, diese sind jedoch rar und nicht gerade günstig. Aber man kann für kleines Geld im Sportfachhandel echte Eishockeyschläger erwerben und lässt die Teilnehmer mit diesen Geräten putten.
- Veranstalten Sie ein Happy Gilmore-Event für Nicht-Golfer: Dahinter kann sich ein leicht modifizierter Schnupperkurs verbergen – und alle Teilnehmer, die im Eishockey-Trikot antreten, nehmen kostenlos teil und erhalten nach Kursende beispielsweise einen Snack und einen Softdrink.
- Sofern in Ihrem Umkreis ein Eishockey-Verein tätig ist und unter den Spielern Golfer sind: Organisieren Sie einen Wettbewerb ,Happy Gilmore gegen Bagger Vance‘ – legen sie verschiedene Wettspiele fest (beispielsweise Longdrive à la Happy Gilmore, Putten mit Eishockey-Schlägern, Matchplay über 9 Bahnen inklusive John Daly-Tee off von einer Getränkedose) und vor allem: Laden Sie die Fans des Eishockey-Clubs als Zuschauer ein und bieten Sie diesen Schnuppermöglichkeiten. Man kann solche Events auch um eine historische Komponente erweitern und auch Hickory-Golfer einbinden – schon alleine aufgrund ihrer Schläger und Kleidung sind diese nicht zuletzt ein wunderbares Fotomotiv für die mediale Begleitung solcher Events.
- Organisieren Sie alle zwei Wochen oder ein Mal im Monat eine ,Happy Gilmore-Night‘ auf Ihrer Driving-Range mit Musik, BBQ und ganz viel Spaß. Binden Sie bei der Konzeption und Organisation ihre jugendlichen Clubmitglieder ein – denn Ziel dieser Maßnahme soll die Gewinnung junger Zielgruppen sein, hier wissen Jugendliche schlicht besser Bescheid, was ,in‘ ist.
- Ganz wichtig: Kündigen Sie diese Events über soziale Medien und vor allem örtliche Medien an und stellen Sie sicher, dass anschließend mit Videos und Fotos über ihre Events berichtet wird.
Fazit
Um es klar zu sagen: Es geht nicht um die Frage, ob man persönlich die Happy Gilmore-Filme mag oder nicht. Aber für das Golfmarketing ist der Erfolg gerade des zweiten Teils ein Glücksfall, den man für die eigene Anlage nutzen sollte – sofern man ernsthaft an der Gewinnung neuer Zielgruppen interessiert ist. Der Erfolg und die mediale Aufmerksamkeit rund um den Film liefern eine Steilvorlage für individuelle Fortsetzungen auf den Golfanlagen – denn anders als Golffilme wie ,Die Legende des Bagger Vance‘, ,Seve‘ oder ,Das größte Spiel seines Lebens‘ schafft es Happy Gilmore, nicht nur Golfer, sondern auch Nicht-Golfer zu erreichen. Zudem sendet der Film eine weitere, wichtige Botschaft aus: Golf macht Spaß! Man darf gespannt sein, ob es zumindest einigen Anlagen gelingen wird, diese selten positiven Rahmenbedingungen in Erfolge für die eigene Golfanlage umzumünzen.
Autor: Michael Althoff | golfmanager 4/25