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Biodiversität auf Golfanlagen – wie alles begann

Im Gespräch mit Golf- und Landschaftsarchitekt Karl F. Grohs

Klimaschutz und Biodiversität sind nicht zuletzt dank Greta Thunberg und der Freitags-Schülerdemonstrationen mehr denn je in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Allerdings war das Wissen um die zunehmenden Probleme in unserer Umwelt bei den Wissenschaftlern und Fachleuten bereits in den 70er Jahren zunehmend erkannt worden. Auch der Deutsche Golf Verband (DGV) trägt nicht erst mit seinem Qualitätsmanagement-Programm „Golf&Natur“ seit 2005 dazu bei, unter anderem diese Themen auf den Golfanlagen bewusst zu machen. Das Programm wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) entwickelt, der bereits in den frühen 90er Jahren beim Umweltpreis des DGV mit dabei war. Ende der 90er Jahre gab er dann ein Forschungsvorhaben zur „Integration von Naturschutz auf Golfplätzen“ bei der Uni Gießen und im Anschluss mit dem DGV das „Handbuch für Biotopmanagement auf Golfanlagen“ in Auftrag. Golf&Natur wird in der Umsetzung der Maßnahmen unterstützt durch den Greenkeeper Verband Deutschland (GVD) sowie den Golf Management Verband Deutschland (GMVD).

 

Nach nunmehr rd. 35 Jahren und einer erheblichen Anzahl von Best-Praxis-Beispielen wird es nun Zeit, dass endlich auch verstärkt Politik und Öffentlichkeit die Artenvielfalt auf deutschen Golfanlagen wahrnehmen. So berichteten wir bereits im golfmanager 6/19 über den Schulterschluss des baden-württembergischen Landesgolfverbandes (BWGV) mit dem Landes-Umweltministerium. Auf der DGV-Jahres-Pressekonferenz im Januar dieses Jahres kam es dann zur Unterzeichnung einer Artenvielfaltskooperation zwischen DGV, BWGV und baden-württem-bergischem Umweltministerium. Ziel ist es nun, in einem deutschlandweiten DGV-Projekt diesen Schwung aufzugreifen und das aus der Sicht der Umwelt unbestreitbar positive Image des sonst meist in einem kritischen Licht gesehenen Golfsports nach außen zu tragen – und das mit vergleichsweise geringem Kostenaufwand.

 

Doch ist dieses für Golfarchitekten, die sich im Studium auch mit dem Thema Artenvielfalt beschäftigen, wirklich ein neues Phänomen, schließlich liegen der große Golfanlagen-Bauboom und die damit verbundenen Planungen gut 30 bis 40 Jahre zurück? Wir sprachen mit Karl F. Grohs, der zusammen mit Rainer Preißmann (Deutsche Golf Consult) – neben anderen Golf- und Landschaftsarchitekten – bereits damals Vieles von dem, was heute als „aktuell“ angesehen wird, vorausschauend nachhaltig plante.

? Lieber Herr Grohs, gemeinhin gelten das Ende der 1980er bzw. der Anfang der 1990er Jahre als die Zeit des großen Golfanlagen-Baubooms in Deutschland. Ist das derzeit vielfach aufgegriffene Thema „Biodiversität“ wirklich so aktuell?

 

! Sie haben Recht, wirklich „neu“ ist das Thema Artenvielfalt in der Golfanlagenplanung nicht. Bereits seit 1976 arbeiten wir Golf- und Landschaftsarchitekten daran, Anlagen nach ökologischen Prinzipien zu entwickeln. Damals lag der Fokus der Golfer zunächst darauf, auf landschaftlich reizvollen Liegenschaften tolle und spielerisch fordernde Plätze zu realisieren und heute wird oft übersehen, dass wir damals schon Vieles planerisch einbezogen, was jetzt als „Highlight“ entdeckt wird, und worüber wir detailliert berichten könnten. 

Übrigens war der Rechtsanwalt und begeisterte Golfer, Dr. Bernhard von Limburger, als wissbegieriger, autodidaktischer „Golfarchitekt“, so sensibilisiert, dass er intuitiv richtige Entscheidungen bei der Planung traf. Auch hat der Vorstand des DGV bereits 1983 zu diesem Thema erste Plakatwände und Flyer durch uns erarbeiten lassen. 1987 haben wir dann mit Dr. Falk Billion die erste Tagung zu diesem Thema in Bad Neuenahr organisiert und 1993 wurde vom DGV unter Federführung von Ullrich Libor ein erster Umweltpreis ausgelobt und in den einzelnen Bundesländern als Landespreis und hernach als Bundespreis vergeben.

 

? Federführend wären demnach die Golf- und Landschaftsarchitekten zu nennen, wenn es um die Pioniere nachhaltiger Planung geht?

 

! Das wäre viel zu kurz gegriffen! Neben Rainer Preißmann, viele Jahre im Vorstand und zuletzt Präsident des European Institute of Golf Course Architects (EIGCA), und mir, gab es weitere fachlich qualifizierte Planer. Vielmehr hat das 1973 erlassene Bundesnaturschutzgesetz mit den jeweiligen Ländergesetzen dazu geführt, dass alte Parkanlagen und ökologisch wertvolle Wald- und Wiesenlandschaften für die Golfplatzplanung nicht mehr zur Verfügung standen. Ausgeräumte Ackerlandschaften, auf denen die Zuckerrübe die höchste schattenspendende Pflanze war, waren allerdings für die Golfplatzbau-Interessierten wenig reizvoll, da es zumeist völlig an landschaftlichen Strukturen in den agrarindustriell bebauten Flächen fehlte. Somit war eine Spurensuche nach landschaftstypischen Elementen und Biotopen erforderlich. Erst wenn die ursprüngliche Artenvielfalt einer Landschaft wieder in die Golfanlage integriert war, stellte sich ein Gefühl für die heimatliche Landschaft wieder ein. In dem Zusammenhang sind dann auch die Aktivitäten von Prof. Dr. Haber aus Freising und Dr. Heinz Schulz von der Hochschule Hohenheim zu nennen, die für den aktuellen, positiven Imageschub verantwortlich sind. Besonders diese beiden haben in der Lehre dass Augenmerk der Greenkeeper darauf gelenkt, Lebensräume zu schaffen bzw. zu erhalten.

 

Allein in Baden-Württemberg habe ich 35 Projekte, vorwiegend in ausgeräumten Ackerlandschaften, geplant und davon 22 realisiert. Besonders schöne Beispiele für eine hohe Biodiversität sind die Golfanlagen Öschberg­hof, die Obere Alp bei Stühlingen, die Domäne Niederreutin bei Bondorf/Herrenberg oder auch die Erweiterung und das Redesign der Anlage Mannheim-Viernheim, deren Genehmigungsverfahren immerhin 15 Jahre dauerte! Die weitaus meisten dieser Anlagen weisen den größten ökologischen Qualitätssprung vom ausgeräumten Ackerland zu hochdiversen Landschaftsinszenierungen auf.

 

Kaum jemand, der heute in vermeintlich „ursprünglicher Natur“ Golf spielt, kann sich vorstellen, was für aufwändige Verfahren Planer, Clubs und Investoren durchlaufen haben.

? Demzufolge stimmen Sie der sinngemäßen Aussage von Dr. Andre Baumann, Staatssekretär des Umweltministeriums Baden-Württemberg, auf der DGV-Jahrespressekonferenz zu: „Die deutschen Golfanlagen stellen nicht das Problem dar, sie sind Teil der Lösung!“

 

! Absolut. Besonders das DGV-Qualtitätsmanagement-Programm Golf&Natur zielt darauf ab und ist für die teilnehmenden Anlagen ein außerordentlicher Vorteil, vornehmlich durch die Werbewirksamkeit nach innen und außen. Dazu kommt der enorme Imagegewinn, der nach meinen Erfahrungen allen bisher zertifizierten Anlagen nicht nur einen erheblichen Attraktivitätsgewinn, sondern auch zusätzliche Mitglieder gebracht hat. Immerhin 18 von uns geplante Anlagen haben mittlerweile erfolgreich eine Zertifizierung durchlaufen und bisher wurden sieben „unserer“ Anlagen Umwelt-Preise verliehen.

 

? Spricht man aus Ihrer Sicht zu wenig darüber? Ist dieses Engagement nicht eine gute Maßnahme zur richtigen Zeit gewesen?

 

! In Sachen Image hat sich trotz großer Anstrengungen in den letzten Jahren meines Erachtens nur wenig getan und der positive Beitrag von Golfanlagen ist in der Öffentlichkeit relativ unerkannt geblieben. Insofern ist die Kampagne auf alle Fälle eine große Chance und verhilft „alten“ Ideen zu neuem Glanz. Ich kann das nur befürworten und unterstützen.

 

Lieber Herr Grohs, vielen Dank für die interessanten Einblicke in diese Historie, die sicherlich die wesentliche Grundlage der jetzt erkennbaren positiven Entwicklung war und ist. (Anm. d. Red.: Für weitere interessante Informationen steht Karl F. Grohs unter E-Mail: info (at) karlfgrohs.de gerne zur Verfügung.)

 

Das Gespräch führte Stefan Vogel.

 

Kontakt

Ansprechpartner für das deutschlandweite DGV-Projekt „Wir fördern Artenvielfalt – Lebensraum Golfplatz“: Marc Biber, DGV (E-Mail: biber (at) dgv.golf.de),

sowie Projekt-Koordinatorin Beate Licht (E-Mail: beate.licht (at) gmail.com)


Nachzulesen

Die Pionierleistungen in der Golfplatz-Planung und Realisierung sind in der mittlerweile vergriffenen DGV-Chronik „100 Jahre Golf in Deutschland“, Bd. 4 (der entsprechende Auszug ist HIER) nachzulesen.

 

Ebenfalls erwähnt werden sollen in Bd. 3 die Seiten 100-133, auf denen Dr. Volker Mehnert sehr gründlich und analytisch die Entwicklung der Architektur beschrieben hat. Eine lesenswerte Beschreibung einzelner, landschaftsgerecht entwickelter Biotope und Ausgleichsflächen zur Nutzung von Artenvielfalt sind im BfN- (Bundesamt für Naturschutz)/DGV-Biotopmanagement-Handbuch beschrieben, das derzeit überarbeitet und in der zweiten Jahreshälfte 2020 wieder verfügbar sein wird