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Transformation der Open de France

Ein Jahr nach dem Ryder Cup im Le Golf National

Am 30. September 2018, fast exakt um 17 Uhr, blickte die Golfwelt nach Frankreich: Phil Mickelson hatte soeben seinen Abschlag an Bahn 16 des Albatros Course im Le Golf National bei Paris ins Wasser verzogen, Francesco Molinari holte damit den entscheidenden Punkt zum Sieg Europas beim Ryder Cup. Gut ein Jahr später ist der Albatros Course wieder Austragungsort eines der prestigeträchtigsten Events des Profi-Golfsports. Anlass war die 103. Austragung der Open De France. Kein Profiturnier in Kontinentaleuropa wurde öfter ausgetragen – erstmals fanden die offenen französischen Meisterschaften bereits 1906 statt, erster nicht-europäischer Sieger des Turniers war 1920 kein geringerer als Walter Hagen. Mit Bernhard Langer, Martin Kaymer und Marcel Siem konnten sich auch drei deutsche Profigolfer in die Siegerliste eintragen. In den Jahren vor dem Ryder Cup zählte das Turnier zur Rolex Series und bot ein stolzes Preisgeld von rund sieben Millionen US-Dollar. In Kombination mit dem bevorstehenden Ryder Cup traten daher zahlreiche Top-Spieler aus Europa und den USA nahe Paris an, auch die Zuschauerzahlen stiegen auf gut 50.000 Besucher.

 

Doch 2019 war vieles anders – das geschichtsträchtige Turnier befindet sich im Wandel. Das zeigt schon der Termin Mitte Oktober: Eingebettet zwischen einem Rolex Series-Event (Italian Open) und dem WGC-HSBC Champions, war der Einfluss des Wetters deutlich spürbar – es regnete, war teils sehr windig und viele Spieler trugen Winterhandschuhe. Auch das Preisgeld fiel mit 1,6 Millionen Euro deutlich geringer als in den Vorjahren aus (zum Vergleich: Die BMW International Open in München sowie die Porsche European Open waren jeweils mit 2 Millionen Euro dotiert). Die Folge: Einzig Alex Noren, Sieger der Open de France 2018, und der europäische Captain Thomas Bjoern traten von den beiden Ryder Cup-Teams 2018 auch in diesem Jahr wieder in Paris an. Da war es wenig verwunderlich, dass auch die Zuschauerzahlen gegenüber den letzten Events rückläufig waren, insgesamt wurden dieses Jahr 26.000 Zuschauer gezählt.

 

Anders und doch ­herausragend

Dennoch – das Turnier bot auch in diesem Jahr Golf der Extraklasse. Und es zeigte, dass ein Großevent wie der Ryder Cup kaum Rückschlüsse auf künftige Besuchszahlen bei Profiturnieren zulässt. Das war bereits 2016 in Deutschland im Jahr nach dem Solheim Cup klar erkennbar und auch in Frankreich machte man nun identische Erfahrungen. Das bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass sich die Austragung des Kontinentalvergleichs für Frankreich nicht gelohnt hätte: Alleine der Ryder Cup hat der Region Frankreich insgesamt und Golftourismus im Besonderen einen positiven Schub verliehen. Auch die Anzahl der im Verband registrierten Mitglieder stieg nach Aussagen des französischen Verbandspräsidenten Jean-Lou Charon in 2019 um rund zwei Prozent – während viele Experten für Deutschland erneut eine Stagnation oder einen leichten Rückgang erwarten. Die Amundi Open de France sieht Charon daher auch bewusst in anderem Licht: Das diesjährige Turnier sei ein Event, bei dem alleine der Golfsport im Fokus stehe. Und genau so war es: Man verzichtete bewusst auf Tribünen – aber die Anlage des Albatros Courses als Stadium Course sorgte dafür, dass die Zuschauer dennoch nahe am Geschehen waren und entlang aller Bahnen ausreichend Gelegenheit hatten, die Golfer zu beobachten. Anders formuliert: Bei der aktuellen Zuschauerzahl benötigt dieser Platz keine Tribünen, zumal die meisten Besucher ohnehin mit ihren Lieblingsspielern mitliefen. Für den Ausrichter bedeutet dies letztlich auch geringere Kosten. Nach Ausscheiden von HNA als Titelsponsor konnte mit Amundi, einer französischen Vermögensverwaltung und Gemeinschaftsunternehmen der beiden Großbanken Crédit Agricole und Société Générale, ein lokaler Nachfolger präsentiert werden. Auch bei den Turnier-begleitenden Aktivitäten hielt man sich zurück: Zwar gab es an vielen Stellen Verpflegungsmöglichkeiten, doch das Besucherdorf fiel ebenfalls deutlich kleiner aus. Auf ein spezielles Merchandising für das Turnier wurde verzichtet, so übernahm der Pro-Shop des Le Golf National die Rolle des offiziellen Turniershops und bot dort Logo-Ware der Anlage an. Die Spieler schienen die Atmosphäre dennoch zu genießen – dem Wetter an den beiden Finaltagen zum Trotz. Gerade frühere Ryder Cup-Recken wie Martin Kaymer, Nicolas Colsaerts und Jamie Donaldson sowie der mehrfache Toursieger George Coetzee präsentierten sich in Topform und maßen sich mit den Newcomern J.B. Hansen und Kurt Kitayama. Am Ende hatte Colsaerts das bessere Ende für sich. Auch der Platz präsentierte sich, wie schon in den Vorjahren und beim Ryder Cup, als Sieger. Seine berühmt-berüchtigten vier Schlussbahnen wurden ihrem Ruf erneut gerecht und sorgten für Spannung bis zum Schluss.

Planungen für nächsten Jahre laufen

Bemerkenswert war jedoch insbesondere, wie der französische Verband sich auf das diesjährige Event vorbereitete und auch die Zukunft plant. Denn wie schon die organisatorische Aufstellung des Turniers zeigte, sah man dem diesjährigen Event mit großem Realismus und Pragmatismus entgegen – dadurch wirkte die Open de France auch zu keinem Zeitpunkt leer, sondern präsentierte sich als Event von Golfern für Golfer. Doch damit nicht genug: Der Verband um Präsident Charon sieht 2019 als Übergangsjahr an, längst hat man mit der Planung für künftige Open begonnen. Denn Frankreich hat sich nicht nur mit vier Profis unter den Top 30 im Race to Dubai bestens im Profisport etabliert, sondern ist auch ein wichtiges Gastgeberland für das professionelle Golf. Neben der Open de France richtet Frankreich vier Turniere der Challenge Tour und zwei der Seniors Tour aus. Bis 2022 wird das Turnier noch von der European Tour ausgerichtet – ein Umstand, der seine Ursprünge im Ryder Cup und der Aufnahme in den Kreis der Rolex-Turnierserie hatte. Das Event musste dabei in den vergangenen Jahren den Wegfall von zwei Titelsponsoren – erst Alstom und dann HNA – verkraften. Nachfolger mit gleicher Investitionsbereitschaft waren nicht zu finden, so dass man bewusst ein Downsizing des Events vorgenommen hat. In Frankreich war man mit dem späten Austragungstermin 2019 verständlicherweise nicht glücklich, umso mehr freut sich der Verband, dass das Turnier im kommenden Jahr wieder in den Juli verlegt wird.

 

Doch Chauron und seine Mannschaft arbeiten bereits an der Zukunft des Events über 2023 hinaus. Bis dahin wird das Turnier noch unter der Regie der European Tour organisiert, ab 2023 möchte der Verband dann mit einem neuen Konzept durchstarten. Dabei will man insbesondere die Erfahrungen aus dem Ryder Cup einbringen. Doch schon für das kommende Jahr könnte es erste Veränderungen geben: Zwar steht mit Anfang Juli 2020 der nächste Austragungstermin bereits fest, nicht jedoch der Austragungsort. Das war selbst der renommierten französischen Tageszeitung Le Figaro eine Meldung wert. Und wie Paul Armitage, Geschäftsführer von Le Golf National, gegenüber der Zeitung bestätigte, gibt es ernsthafte Überlegungen, im kommenden Jahr einen anderen Austragungsort zu wählen. Bedenkt man, dass die Open de France bereits zum achtzehnten Mal in Folge und siebenundzwanzigsten Mal insgesamt auf dem Albatros Course ausgetragen wurde, wäre dies in der Tat ein Paukenschlag. Doch Armitage sieht das gelassen – vielleicht brauche es gerade nach einem Mega-Event wie dem Ryder Cup einen Standort-Wechsel, um dem Turnier neuen Schwung zu verleihen, erläuterte er im Interview mit Le Figaro. Die Qualität des Platzes und sein Layout wären definitiv nicht Auslöser einer solchen Entscheidung. Entsprechend überrascht fiel daher auch die Reaktion einiger französischer Top-Profis aus. Grégory Bourdy sieht den Platz, zusammen mit Wentworth und den Jumeirah Golf Estates (Austragungsort des Race to Dubai-Finales) an der Spitze aller Austragungsorte der European Tour. Auch sein Kollege Romain Langasque hält den Albatros Course und Wentworth für diejenigen Plätze auf der Tour, die sich für Großereignisse besonders anböten. Kein Wunder, dass Armitage daher verkündete: „Die Open de France werden auf dem Le Golf National stets willkommen sein!“ Dennoch: Dass der Verband bereit ist, alle Komponenten dieses traditionsreichen Turniers auf den Prüfstand zu stellen, verdient Respekt – und man darf auf die Ergebnisse gespannt sein. Der Albatros Course hingegen braucht sich auch in Zukunft keine Sorgen um renommierte Turniere zu machen: 2022 werden die Weltmeisterschaften der Amateure hier ausgetragen und 2024 ist der Platz Schauplatz des olympischen Golfturniers.

 

Autor: Michael Althoff | golfmanager 5/2019

 

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