Die Rückkehr der The Open nach Nordirland
It‘s coming home
Sie war seit langem mit Spannung erwartet worden: die Rückkehr des ältesten Majors der Welt in den Royal Portrush Golf Club nach Nordirland. Seit 1952 hatten sich die Veranstalter des bedeutendsten Golfturniers auf europäischem Boden auf England und Schottland konzentriert, doch 2019 galt – nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes der Clubchefin Wilma Erskine – aus (nord-)irischer Sicht: „It‘s coming home!“ Die Vorbereitungen dauerten mehrere Jahre, der Platz wurde extra für The Open umgebaut. Die Einbettung des Dunluce Courses in die Dünenlandschaft der Causeway-Küste verlieh ihm zudem das Ambiente eines Stadium Courses, was auch für die Zuschauer beste Aussichten auf Anlage und Spieler bot. Im Rückblick zeigt sich nun, dass die R&A mit der Rückkehr nach Portrush ein glückliches Händchen bewiesen hat. Für die gesamte Turnierwoche wurden insgesamt 237.750 Tickets verkauft. Dies sind die höchsten Besucherzahlen für eine Open außerhalb von St. Andrews (höchste Zuschauerzahl dort: 239.000 im Jahr 2000). Selbst diese wäre übertroffen worden, denn die Nachfrage überstieg das von der R&A nachträglich auf 43.750 Tickets pro Wettspieltag erhöhte Kontingent deutlich.
Sportlich ein voller Erfolg
Die Austragung in Portrush hat viele Sieger und nur wenige Verlierer hervorgebracht. Dass mit Shane Lowry ausgerechnet ein Ire gewann, hätte kein Drehbuch-Autor besser planen können. Wer die Stimmung vor Ort oder am Fernseher erlebt hat, wurde auch Zeuge eines durch den Golfsport vereinten Irlands – hier spielte es keine Rolle mehr, ob Republik Irland oder Nordirland, alle Bewohner und Fans der grünen Insel standen gemeinsam hinter dem großartigen Gewinner mit Heimatclub Esker Hills nahe Tullamore. Das war – gerade in den Zeiten der Brexit-Diskussion und der weiterhin noch nicht entschiedenen Frage einer möglichen Wiedereinführung einer Grenze zwischen Nordirland und der Republik – ein wichtiges Signal!
Natürlich hat sich der schon seit Jahren unter Linksgolf-Fans berühmte Dunluce Course noch stärker ins Bewusstsein der Golfer gebracht. Und der Inaugural Teeshot durch Portrush-Homeboy Darren Clarke, Sieger der The Open 2011 im Royal St. Georges Golf Club, zeigte, dass Golffans auf der Insel auch das frühe Aufstehen nicht scheuen: Bereits morgens um 05:30 Uhr bildeten sich Warteschlangen am Eingang, pünktlich zu seinem Abschlag um 06:35 Uhr war die Tribüne an Tee 1 voll besetzt, zudem säumten zahlreiche Zuschauer das Fairway. Dass Clarke am Freitag ausgerechnet am letzten Loch mit einem Triple-Bogey den Cut verpasste, gehört zu den tragischen Momenten dieser Open. Apropos Tragik: Ausgerechnet Top-Favorit Rory McIlroy gehörte zu den Verlieren dieser Open. Mit einem Schneemann an Bahn 1 brachte er sich gleich an der ersten Bahn um alle Siegchancen und scheiterte schließlich sogar am Cut. So schaffte es der in Portrush geborene Graeme McDowell als einziger Nordire ins Wochenende. Österreichs Top-Golfer Bernd Wiesberger, in der Vorwoche noch Gewinner der AIS Scottish Open, konnte seine gute Form bestätigen und beendete das Turnier auf dem geteilten 32. Platz. Matthias Schmid, einziger deutscher Teilnehmer als amtierender Europameister der Amateure, genoss seine Teilnahme sichtlich und ließ viele Top-Profis hinter sich, dennoch war auch für ihn das Turnier am Freitag bereits beendet. Ungebrochen ist auch die Anziehungskraft von Tiger Woods. Als er am späten Freitag-Nachmittag zum ersten Abschlag ansetzte, füllten sich Tribünen und die Seiten der Fairways spürbar – dennoch reichte es auch für ihn nicht für das Wochenende.
Erfolge auch abseits des Turnier-Platzes
Ein weiterer Sieger ist The Open selbst. Einmal mehr hat das Turnier gezeigt, wie wichtig Tradition für ein Turnier ist. Als ältestes Major der Welt lockt es jährlich auch zahlreiche Besucher aus der ganzen Welt, vor allem aus den USA, in die jeweiligen Austragungsorte und sorgt für zusätzliche Einnahmen aus dem Tourismus. Auch die grüne Insel zählt zu den unumstrittenen Gewinnern des Turniers: Wer in dieser Zeit vor Ort war, hatte den Eindruck, dass nicht nur Portrush ganz im Zeichen der Open stand, sondern die gesamte Insel von Süden bis Norden. Zahlreiche Bars in Dublin boten Liveübertragungen oder setzen bei ihrer Dekoration auf Accessoires wie den Claret Jug. Wer außerhalb Portrushs als Besucher des Turniers identifiziert wurde, sollte stets seine Eindrücke schildern. In Gesprächen mit nicht-irischen Besuchern wurde die große wirtschaftlichen Auswertungen deutlich, denn kaum ein Besucher vom Kontinent oder aus Übersee verzichtete darauf, den Turnierbesuch mit eigenen Runden auf den zahlreichen ausgezeichneten Plätzen Nordirlands und Irlands zu kombinieren. Der Austragungsort Portrush stand eine Woche lang komplett im Zeichen der Open. Das irische Fernsehen verlegte einige Sendungen eigens in ein Außenstudio in Portrush, und natürlich trafen sich die Golffans aus aller Welt täglich in den zahlreichen Pubs der Stadt, um entweder bei einem Pint das Geschehen im Fernsehen weiterzuverfolgen oder mit Gleichgesinnten über das Turnier zu philosophieren.
Auch die Besucher zählen damit zweifelsfrei zu den Gewinnern, denn eine The Open bietet nicht nur Sport der Extraklasse, sondern sorgt auch für ein außergewöhnliches Besuchererlebnis. Dazu tragen einerseits die zahlreichen Aktivitäten im Spectator Village bei – angefangen von kostenlosen Golfstunden bis hin zu Whisky-Tastings. Auch das Merchandising spielt eine wichtige Rolle – teils war der Zugang gar aufgrund des großen Andrangs gesperrt! Auffällig im Unterschied zu vielen anderen Turnieren der European Tour: Man konzentriert sich auf wenige Sponsoren und Partner, diese treten dafür jedoch umso prominenter und aktiver in Erscheinung. Umfragen unter den Besuchern der Trainingstage förderten zudem zu Tage, dass bis zu 50% der Besucher selbst gar kein Golf spielen – die zahlreichen Angebote, den Sport einmal selbst auszuprobieren, wurden daher von vielen Besuchern gerne angenommen. Um die Zuschauer noch besser zu unterhalten, wurde auch das Thema Visualisierung weiter ausgebaut. Die schon seit Jahren bekannten Großbildschirme auf der Anlage wurden noch intensiver eingesetzt, zudem gab es auf der gesamten Anlage ein kostenfreies WLAN für die Besucher, dessen Übertragungsgeschwindigkeit manches deutsche Mobilfunknetz in den Schatten stellte. Auf der Range, die ebenfalls mit großer Zuschauertribüne versehen war, wurde erstmals die Technologie von TopTracer eingesetzt. Mehrere Kameras zeichneten die Schläge der Profis auf, so dass man hier Profis und Zuschauern die Schläge auf Großbildschirmen noch besser visualisieren konnte, zudem konnte das TopTracer-Team auch virtuelle Wettbewerbe – beispielsweise zum Longest Drive – kreieren und den Zuschauern die Ergebnisse präsentieren. Dass auch eine The Open mit der Zeit geht, wurde am Beispiel Nachhaltigkeit deutlich: Erstmals gab es kein Wasser mehr in Einwegflaschen zu kaufen, stattdessen wurden zu Turnierbeginn mehrere Tausend wiederverwertbare Trinkflaschen kostenlos unter den Besuchern verteilt und später zum Kauf angeboten.
Fazit
The Open ist zweifelsohne das bedeutendste Golfturnier auf europäischem Boden. Profis wie Justin Rose lobten den Platz und seinen Zustand in höchsten Tönen, auch das teils widrige Wetter vor allem am Finaltag hatte darauf keine Auswirkungen. Mit der Rückkehr nach Nordirland ist den Veranstaltern ein Coup gelungen, der das Turnier zu einem der auch wirtschaftlich erfolgreichsten Events der Open-Geschichte werden ließ. Ersten Stellungnahmen zufolge diskutiert man bei der R&A bereits nicht mehr ob, sondern nur noch wann The Open wieder nach Portrush kommen wird.
Autor: Michael Althoff | golfmanager 4/2019