Golf und Gesundheit
Ein Thema mit vielen Facetten
Trendforscher auf der ganzen Welt beschäftigen sich täglich mit der Frage, welche Themen die Menschen in den kommenden Jahren bewegen. Und gleich, welches Institut oder welche Erhebung man zu Grunde legt: Gesundheit gehört zu den Megatrends der Gegenwart und Zukunft. Doch anders als noch vor ein paar Jahrzehnten wird unter Gesundheit heute nicht mehr primär das Heilen bestehender Erkrankungen verstanden. Vielmehr steht heute die Prävention stark im Vordergrund. Und mindestens genau so wichtig: Es gibt nicht die eine allgemeingültige Definition von Gesundheit, sondern ein individuelles Gesundheitsgefühl, das jeder Mensch für sich selbst definiert. Auf der letzten Verbandstagung des Deutschen Golf Verbandes (DGV) im April machte der DGV deutlich, dass auch er diesen Trend zur Förderung des Golfspiels nutzen möchte. „Sitzen ist das neue Rauchen!“, stellte der renommierte Mediziner Dietrich Grönemeyer in seinem Vortrag beim Hearing des DGV fest.
Golfsport ist gesund, aber ...
Nun mag sich mancher wundern, dass ausgerechnet Golf und Gesundheit eine so perfekte Symbiose eingehen sollen – wird doch gerade im Leistungssport in letzter Zeit oft über gegenteilige Effekte berichtet: Tiger Woods hat sich seiner vierten Rücken-OP unterzogen, die Rückkehr auf die Tour ist ungewiss. Und selbst der Überraschungssieger der Players Championship 2017, Si Woo Kim, zog nur wenige Stunden nach seinem Triumph seine Meldung für das nächste Turnier aufgrund von Rückenproblemen zurück – bereits das fünfte Mal in dieser Saison. Doch belegen diese Beispiele letztlich nicht, wie schädlich Sport für den menschlichen Körper ist, sondern zeigen, dass es von Beginn an auf eine medizinisch richtige sportliche Tätigkeit ankommt. Denn dies ist nahezu allen Sportarten gemein: Werden sie in der Intensität übertrieben oder von der Physik her falsch ausgeübt, drohen schnell Verletzungen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Golf und anderen Sportarten ist hierbei der fehlende physische Kontakt der Wettkämpfer untereinander – das Risiko, beim Wettkampf durch einen Mitspieler verletzt zu werden, ist (von Querschlägern im Amateurbereich einmal abgesehen) quasi gleich Null. Wer sich jedoch gerade am Wochenende einmal auf deutschen Golfanlagen umsieht, wird schnell erkennen, dass das Thema Gesundheit im Golfsport noch viel Potenzial bietet. Denn allzu oft klettern die Golfer gehetzt aus ihren Autos, eilen zum Abschlag und „donnern“ dann ohne weiteres Aufwärmen den Ball mit dem Driver das Fairway entlang. Dennoch: Keine andere Sportart, die mit Bewegung an der frischen Luft einhergeht, lässt sich vergleichsweise so gut bis ins hohe Alter hinein ausüben wie Golf – ein im Zeichen des demografischen Wandels nicht zu unterschätzendes Plus gegenüber anderen Freizeitangeboten.
Gesundheit ist ein persönliches Bewusstsein
Wer sich mit Gesundheit als Trend beschäftigt, stellt schnell fest, dass dazu heute weit mehr als klassische Therapien oder Vorsorgeuntersuchungen fallen. Wichtigster Unterschied zu früher: Gesundheit wird nicht mehr als etwas angesehen, was im Zweifelsfall als Ergebnis eines Arztbesuchs festgestellt wird, sondern ist ein persönliches Bewusstsein – so das renommierte Zukunftsinstitut (www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrend-gesundheit) – „für die Balance der individuellen Lebensenergie. In der Konsequenz verwandelt sich die Medizin vom spezialisierten Reparaturbetrieb in einen gewaltigen Sektor im Dienste des Gesundheitsprosumenten.“ Das bedeutet letztlich, dass Menschen ihre ganz eigene Definition von Gesundheit suchen und finden – und dabei in der Gesellschaft durchaus unterschiedliche Lösungskonzepte als richtiger Weg angesehen werden. Das wird in kaum einem Sektor so deutlich wie bei der Ernährung, in der Fleischesser, Vegetarier, Veganer und andere Konzepte munter miteinander um die „richtige“ Ernährung wetteifern. Aus wissenschaftlicher Sicht nennt man so etwas „multioptional“ – der Volksmund spricht von vielen Wegen, die nach Rom führen. Und auch dies ist ein wesentliches Merkmal heutiger Gesundheit: Es gibt nicht nur ein, sondern oft mehrere, teils sehr unterschiedliche Konzepte, um das persönliche Wohlbefinden zu erreichen. Das zeigt sich auch in der veränderten Rolle des Arztes, der heute nicht erst im Worst Case – also beim gefühlten Eintreten einer Krankheit – kontaktiert wird, sondern viel stärker in präventive Konzepte einbezogen wird. Die Philips Gesundheitsstudie von 2015 sieht daher die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ein wesentliches Qualitätskriterium. Und weiter: Gesundheitsmärkte würden zunehmend von Soft Skills bestimmt. Menschen holten sich die Hoheit über ihre individuelle Gesundheit zurück – sie entscheiden, ob sie klassische Medizin oder alternative Medizin wählen, ob sie auf westliche oder fernöstliche Strategien setzen. Letztlich spielt damit das Vertrauen und die Empathie eine entscheidende Rolle.
Die zu Lebensstil und -situation passende Gesundheit
Die Philips-Studie zeigt noch weitere interessante Ergebnisse: so suchen die Menschen zunehmend eine zu ihrem individuellen Lebensstil passende Gesundheit – es gibt also nicht mehr das eine Gesundheitsbild schlechthin, sondern verschiedene Konzepte. Und letztlich definiert jeder Mensch für sich seine individuelle Gesundheitszufriedenheit – und akzeptiert so zum Beispiel im fortgeschrittenen Alter problemlos, nicht mehr mit der Jugend von heute wetteifern zu können. Das führt letztlich auch dazu, dass sich der Gesundheitsmarkt wandelt: Von der traditionellen, meist Kassen-finanzierten Gesundheit über die ganz oder teilweise privat finanzierte Gesundheit (der Wellness-Trend ist hierfür ein ausgezeichnetes Beispiel) hin zu einem Gesundheitsmarkt, der nach den Prinzipien der Sharing Economy aufgebaut ist und in dem Gleichgesinnte ihre Gesundheit selbst steuern – und auch bezahlen. Gerade dieser Trend ist für den Golfsport besonders interessant, denn auch wenn Golf unbestritten wichtige Gesundheitsimpulse setzt, vom Golfen auf Rezept sind wir wohl (leider) noch Lichtjahre entfernt.
E-Health und LOHAS
All diese Entwicklungen führen bereits heute zu Neuerungen, die wir alle kennen. Ein wichtiges Merkmal ist der Bereich E-Health: Wer sportlich aktiv ist, möchte seine Ergebnisse aufzeichnen – und manchmal auch über soziale Medien mit Freunden teilen. Auch im Golfsport kann man dies längst erkennen: Moderne GPS-Uhren zeigen nicht nur den Verlauf einer Spielbahn oder die Schlagweiten, sondern zählen auch Kilometer und Kalorienverbrauch. Und auch für die Unternehmen wird Gesundheit immer wichtiger – denn die zunehmend längere Lebensarbeitszeit führt nicht zuletzt zur Notwendigkeit, den menschlichen Körper und Geist möglichst lange auf höchstem Niveau zu halten. Was früher einmal der Dienstwagen als Statussymbol war, wird gerade bei Hightech-Firmen zunehmend durch Gesundheits-orientierte Konzepte in den Segmenten Ernährung, Bewegung und Vorsorge abgelöst. Gesundheit ist heute somit nicht mehr etwas, was man trotz eines Lebensstils erreichen möchte, sondern Gesundheit wird selbst zum Lebensstil. Diese als LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) bezeichnete Entwicklung umfasst neben der klassischen Gesundheit auch die Bereiche Umwelt und Soziales.
Golf deckt drei Gesundheitsbereiche ab
Gerade der Wandel des Gesundheitsverständnisses bringt für die Golfszene interessante Ansätze. Denn längst wird als Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheiten oder körperlichen Einschränkungen verstanden. Vielmehr setzt sich Gesundheit heute aus drei Komponenten zusammen:
- Körperlicher Gesundheit
- Geistiger Gesundheit
- Sozialer Gesundheit
Wie kaum eine andere Sportart ist Golf geeignet, alle drei Gesundheitsbereiche anzusprechen. Natürlich steht oft die körperliche Gesundheit im Vordergrund – denn letztlich erfordert Golf eine körperliche Aktivität, damit der Ball von der Teebox mit möglichst wenigen Schlägen ins Loch gelangt. Und auch wenn Golf immer noch gerne als Sport hinterfragt wird, eine Golfrunde erfordert einen Kalorienverbrauch von rund 1.700 Kalorien, beim Golfschwung werden immerhin 124 der 434 menschlichen Muskeln eingesetzt. Neue Entwicklungen im Golftraining zeigen, dass der individuelle Golfer wieder mehr in den Vordergrund rückt. Ein Beispiel hierfür ist das steigende Interesse an Biodynamik. Oder, wie es in einem Internetforum neulich zu lesen war: „Golflehrer sollen nicht den Schwung, sondern das Spiel lehren.“ Dass Gesundheit dabei ein wichtiges Element ist, zeigen nicht zuletzt Zusatzqualifikationen wie der PGA Health Pro.
Doch auch die geistige Gesundheit wird durch den Golfsport gefördert und gefordert. Dies bezieht sich weniger auf das korrekte Zählen der Schläge auf einer Runde – was bekanntermaßen immer wieder Golfer vor „Herausforderungen“ stellt –, sondern vor allem das Course-Management. Denn der beste Schwung bleibt wirkungslos, wenn er nicht im richtigen Moment und der richtigen Spielsituation eingesetzt wird. Und gerade im Wettkampf kommt den mentalen Aspekten des Golfsports wachsende Bedeutung zu.
Und auch der dritte Bereich, die soziale Gesundheit, kann durch Golf bestens angesprochen werden. Kaum eine andere Sportart bietet die Gelegenheit, dass sich Menschen unterschiedlicher Spielstärke (dafür dient das Handicap) miteinander im direkten Wettbewerb messen können – und noch dazu während der Runde miteinander reden können. Und auch das Clubhaus ist in der guten alten Golftradition ein Ort sozialer Begegnung – und erfahrene Golfer wissen, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur gespielten Runde auch die eigenen Schläge in den Erzählungen immer besser werden. Doch genau in diesem Bereich scheint derzeit das größte Defizit zu bestehen: Fehlende Integration im sozialen Bereich gehört zu den meistgenannten Gründen von Menschen, die aus einem Golfclub innerhalb der ersten vier Jahre ihrer Mitgliedschaft austreten.
Autor: Michael Althoff | golfmanager 03/2017