Tipps und Tricks in Verhandlungsprozessen
Profi mit Persönlichkeit 2.0
In diesem Beitrag werden geheime Strategien und Taktiken im Rahmen der Führung von Verhandlungsprozessen eingehender betrachtet, die nicht immer als sozial akzeptiert eingeordnet werden können (vgl. hierzu u.a. ABDEL-LATIF, 2015; NASHER, 2015; VOSS/RAZ, 2017). Hierbei können Sie sowohl in der Rolle als Unternehmensrepräsentant nach Außen, als auch im Rahmen innerbetrieblicher Verhandlungssituationen tätig werden. Bedenken Sie, dass die Anwendung der bisher vorgestellten Verhaltensweisen letztendlich immer in Verhandlungssituationen konkretisiert wird. Beachten Sie, inwieweit Sie persönlich die aufgeführten Vorgehensweisen als fair und gerecht bewerten und folgen Sie insbesondere Ihren Einstellungen und Werten im beiderseitigen Dialog (vgl. im Folgenden: ABDEL-LATIF, 2015; TÖDTMANN, 2015).
Einige generelle Strategien in Verhandlungsprozessen sind beispielsweise:
- Zeitweise Passivität, auf Zeit spielen, Gegenüber ungeduldig machen
- Fokus auf eigene Zielerreichung und Druck ausüben
- Nachgeben, bei vertrauenswürdigem Verhandlungspartner
- Kompromisse eingehen, sofern dies klare Vorteile mit sich bringt
- Kooperation durchführen, wenn langfristige Partnerschaft ansteht
Die Option „Nachgeben“ ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn diese für Sie unwichtige Forderungen der Gegenseite betreffen. Beachten Sie beim Kompromiss, dass derjenige, der sich von oben in die Mitte bewegt, eigentlich nur zeigt, dass seine Untergrenze noch nicht erreicht ist. Hier sollten Sie Ihre Forderungen noch erhöhen und Ihr gegenüber zu weiterem Nachgeben zwingen. Auch bei der Kooperation als Verhandlungsstrategie sollten Sie die Verhandlungsregel der Reziprozität berücksichtigen, die da lautet „Geben Sie niemals etwas her, ohne dafür etwas zu erhalten“.
Nachdem Sie die Strategie bestimmt haben, folgt die operative Umsetzung der gewählten Strategie – also die Frage, mit welcher Taktik Sie Ihr Ziel erreichen möchten. Beachten Sie dabei die folgenden „Erfolgstaktiken“:
1. Formulieren der Agenda
Wer die Agenda definiert, führt auch von Anfang an durch die Verhandlung. Lassen Sie Ihrer Gegenpartei im Vorfeld unbedingt eine schriftlich formulierte Agenda zukommen, die auf den ersten Blick oberflächlich und sehr allgemein wirken kann. Versehen Sie die zu behandelnden Punkte mit einer zeitlichen Vorgabe. Schließen Sie Ihr Anschreiben mit der Formulierung: „Sollten wir von Ihrer Seite bis zum XY keine Rückmeldung erhalten, gehen wir davon aus, dass die aufgeführten Tagesordnungspunkte akzeptiert sind.“ Aus dem Vorgenannten folgt: Akzeptieren Sie nie die Agenda der Gegenseite. Verändern Sie immer mindestens einen Tagesordnungspunkt, so unwichtig er auch erscheinen mag.
2. Dokumentieren der Verhandlung
Verwenden Sie aktives Mitschreiben als ein taktisches Instrument. So demonstrieren Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie bei der Sache sind. Kommentieren Sie Gesagtes verbal positiv ohne Zusagen. Sie ermutigen dadurch Ihr Gegenüber automatisch, weiterzusprechen und Ihnen somit weitere wichtige Informationen zu geben. Besonders wörtliche Zitate Ihres Gegenübers sollten Sie sich unbedingt aufschreiben, da Sie diese je nach Situation einbringen und für Ihren Vorteil nutzen können.
3. Zwischenfazit mit eigenen Worten
Zur Vermeidung von Missverständnissen wird empfohlen, in regelmäßigen Abständen Zusammenfassungen mit eigenen Worten zu formulieren. Diese sind wichtige taktische Eckpfeiler für Gefühlsäußerungen in brenzligen Situationen. Ist Ihr Gegenüber unerwartet emotional, so äußern Sie Ihr Gefühl, dass die Diskussion in eine eher ungewollte Richtung abdriftet und ob das wirklich im Interesse von ihm liege.
4. Nichts sagen und zuhören
Nutzen Sie die „Macht der Stille“, indem Sie bei ernstem Gesichts-aus-druck nichts mehr sagen. Ihr Verhandlungspartner wird dazu neigen, dieser bedrückenden Stille mit Worten zu begegnen, sich zu erklären, zu argumentieren und Ihnen dabei wichtige Informationen preisgeben.
5. Verhandlungspartner umgarnen
Suggerieren Sie Ihrem Gegenüber durch gezielten Einsatz von Kompli-menten und positiven Äußerungen Respekt und Anerkennung seiner Fähigkeiten. Ihr Verhandlungspartner würde sein Gesicht verlieren, wenn er unfair zu einem Menschen wäre, der sich ihm gegenüber charmant und höflich zeigt. Leiten Sie diese effiziente Taktik ein mit Sätzen wie: „Ihnen eilt der Ruf als exzellenter Verhandlungsführer voraus“ oder „Ich bin beeindruckt, über Ihre Verhandlungsvorbereitung.“ Beachten Sie, dass Sie beim Lob die Kompetenz Ihres Verhandlungspartners ansprechen. Bringen Sie bei Einladungen Ihres Verhandlungspartners, z.B. zum Essen oder sonstigen Anlässen, unbedingt ein wertentsprechendes Geschenk mit. Sie sollten niemals in dessen Schuld stehen, damit Sie in folgende Verhandlungen ohne Verpflichtungsgefühl gehen und nach wie vor strategisch denken und taktisch effektiv und effizient agieren können.
6. Konjunktive Kommunikation
Sinn ist es, dem Gegenüber zu vermitteln, dass Sie selbst noch an Lösungen arbeiten. Die Konjunktivsprache eignet sich in Wahrheit aber auch hervorragend dafür, Situationen zu sondieren und sich nicht zu früh festzulegen. Klassische Sätze in diesem Zusammenhang: „Könnten Sie sich damit anfreunden, dass ...“ oder „Wäre es evtl. eine Möglichkeit, wenn ...“ etc. Verwendet Ihr Gegenüber die Konjunktivsprache, so wissen Sie, dass Sie es mit einem Profi zu tun haben.
7. Drohungen abschwächen
Versucht Ihr Gegenüber, Sie mittels einer Drohung massiv in die Ecke zu drängen, wiederholen Sie das Gesagte mit eigenen Worten und schwächen Sie es dabei ab. So helfen Sie Ihrem Verhandlungspartner auch wieder aus seiner Fixierung heraus, ohne dass er das Gesicht verliert.
8. Humor vermeiden
Besonders in interkulturellen Verhandlungssituationen ist von humorvollen und spaßigen Bemerkungen abzuraten.
9. Forderungen in eine Sackgasse führen
Verwenden Sie Redewendungen, die die geäußerte Forderung ins Leere laufen lassen, z.B. wie „Interessanter Punkt“ oder „Im Allgemeinen kann ich mich dem anschließen“. Eliminieren Sie gestellte Forderungen augen-blicklich, ohne dass Ihr Gegenüber das Gesicht verliert oder seine Ernsthaftigkeit in Frage gestellt wird. Sie lassen dadurch nicht nur die Forderung des Gegenübers ins Leere laufen, sondern erhöhen mit einer Ihrerseits eingebrachten Forderung den Druck und das Stresslevel Ihres Verhandlungspartners.
10. Vorteile der eigenen Forderungen argumentieren
Vielfach neigen Verhandlungsanfänger dazu, ihre Forderungen immer mit Argumenten unterstreichen zu wollen, z.B. mit Begriffen wie Qualität, Einzigartigkeit, preiswert etc. Sie geben damit ihrem Verhandlungspartner jedoch Gelegenheit, Forderungen zu attackieren und abzuschwächen.
Forderungen, die mit einer Begründung unterfüttert werden, entfalten ihre Wirkung wesentlich besser, selbst wenn die Begründung als solche völlig unsinnig ist. Bringen Sie dementsprechend allgemein formulierte und logisch klingende Begründungen ein, die gar nicht unbedingt im direkten Zusammen-hang mit Ihrer Forderung stehen müssen. Weitaus wirksamer ist es jedoch, statt einer Begründung die Vorteile für ihren Verhandlungspartner anzusprechen, z.B. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Sie mit unserer Dienstleistung, gepaart mit Ihrer vorhandenen Kompetenz, eindeutig im Vorteil ggü. Ihrer Konkurrenz sind. Wäre das nicht auch in Ihrem Interesse?“
11. Umgang mit der Wiederholungsfolter
Stellt Ihr Gegenüber unerlässlich dieselbe Forderung, um Sie mürbe zu machen, ignorieren Sie diese konsequent und ohne Argumentation. Unterbrechen Sie, wenn notwendig, die Verhandlung, um den Druck beim Verhandlungspartner zu erhöhen.
12. Kontern der Kompetenzfalle
Wenn der generische Verhandlungsführer Ihnen kurz vor einer Entscheidung mitteilt, dass er jetzt keine Entscheidung aufgrund seiner Kompetenz treffen kann, brechen Sie die Verhandlung ab, nachdem Sie einen gemeinsamen Termin, an dem der Entscheidungsträger teilnimmt, vereinbart haben. Ziehen Sie vor dem Auseinandergehen Ihr Angebot zurück.
Fazit
Die Kenntnisse über die skizzierten Strategien und Taktiken im Rahmen von Verhandlungen können Ihnen helfen, Ihre Verhandlungsziele zu erreichen. Das aktive Anwenden der Tipps und Tricks erfordert Professionalität und einen Willen zum „Gewinnen“, vielfach auf Kosten des Gegenübers. Diese Haltung ist besonders dann erfolgsversprechend, wenn der Verhandlungspartner keine gemeinsame Zukunft mit Ihnen hat. Beachten Sie besonders: Definieren Sie vor dem Verhandlungsprozess Ihr Maximal- und Minimalziel und fixieren Sie diese Grenzen für sich schriftlich. Vermeiden Sie grundsätzlich die Strategien „Nachgeben“ und „Kompromisse“. Entwickeln Sie, nachdem Sie Ihre Strategie definiert haben, taktische Umsetzungsmöglichkeiten zur Strategierealisierung. Denken Sie besonders an die Agenda-Herrschaft, die Kommunikation im Konjunktiv und an die Macht der Stille (vgl. zu den Strategien und Erfolgstaktiken: TÖDTMANN, 2015). Die präsentierten Strategien und Taktiken in Verhandlungsprozessen zeigen direkte oder verdeckte Machtkonstellationen zwischen den handelnden Akteuren auf (vgl. FORGHANI, 2012).
Autor: Prof. Dr. Richard K. Streich | golfmanager 3/2022
Literatur
ABDEL-LATIF, A.: Quick and Dirty – Die geheimen Strategien und Taktiken des Verhandlungsprofis, 2015.
FORGHANI, F.: Tanz um die Macht: Geheimnisse der Verhandlungsführung, 2. Auflage, 2012.
NASHER, J.: Deal! Du gibst mir, was ich will, 2015.
TÖDTMANN, C.: blog.wiwo.de/management/2015/08/10/buchausdruck-quick-dirty.
VOSS, C./RAZ, T.: Kompromisslos verhandeln, 2017.