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Tabus im Berufsleben

Tabus beziehen sich auf stillschweigende Übereinkünfte in einer Unternehmens­wirklichkeit und nicht auf ausdrücklich formulierte Verbote oder offizielle Spielregeln. Tabus in Unternehmen sind allgegenwärtig und ein integraler Bestandteil der jeweiligen Unternehmenskultur. Die Unternehmenskultur beinhaltet dabei die langfristig entwickelten kollektiven Erwartungen des Unternehmens an einen „guten“ Mitarbeiter und eine „gute“ Führungskraft. Hierdurch wird der Handlungsspielraum von erwartetem und erwünschtem bzw. nicht erwünschtem Verhalten inkl. seinen Grenzen, Spielregeln und Sanktionsmechanismen definiert. Gewollte kulturelle Veränderungen sind demzufolge langfristig anzulegen und bedürfen vielfältiger, vernetzter Maßnahmen (vgl. SACKMANN, 2017).

Die vorzufindenden Tabus im Unternehmensgeschehen können klassifiziert werden in solche mit generellen und solche mit speziellen Wirkungsfeldern (vgl. SAILER/MAUDER/FLESCH, 2016, S. 25ff.). 

Generelle Tabus, bezogen auf das ­Gesamtunternehmen in diesem Sinne sind z.B.: 
 

  • Das Nichtstun-Tabu: Wer beschäftigt ist, ist wichtig!
  • Das Entscheidungs-Tabu: Entscheidungen sind rational, nicht emotional zu treffen und zu begründen!
  • Das Gehalts-Tabu: Über Geld spricht man nicht!
  • Das Experten-Tabu: Expertenwissen schafft Macht und Ansehen!
  • Das Erfahrungs-Tabu: Die Dauer der Betriebszugehörigkeit zählt!
  • Das Feedback-Tabu: Je höher in der Hierarchie, desto weniger ehrliches Feedback!
  • Das Seilschaften-Tabu: Wer gehört zu wem, ist wichtig?
  • Das Status-Tabu: Gemeinsame Statussymbole verbinden.
     

Auch im Rahmen des individuellen Auftretens und des erwarteten Verhaltens im Berufsalltag ergeben sich generelle Leitlinien, deren Einhaltung „zum guten Ton“ gehören und ein Nichtbefolgen persönliche Konsequenzen beinhalten kann. Diese vielfach als „Business-Knigge“ bezeichneten Handlungsvorschläge umfassen sowohl Anleitungen für einen sozial akzeptierten Dress-Code, als auch Hinweise für ein tolerierbares Verhalten am Arbeitsplatz (vgl. u.a.: QUITTSCHAU/ TABERNIG, 2019).

Nach dem Motto: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance, werden folgende Aktionen vorgeschlagen:
 

  • Schreibtisch sauber halten, Unordnung assoziiert Unzuverlässigkeit
  • Telefonieren in angemessener Lautstärke
  • Private Anrufe mit Rückruf beantworten
  • Titelträger mit Titel ansprechen
  • E-Mails vor Versenden kontrollieren
  • Keine E-Mail-Weiterleitung ohne Einwilligung des Absenders
  • Keine Smileys im Geschäftsverkehr! Keine Abkürzungen als Abschiedsformel
  • Bei Verspätungen anrufen, nicht SMS oder mailen
  • Handy ausschalten bei Meetings
     

Die vorgenannten generellen „Ratschläge“ (vgl. zu den Beispielen: FOCUS, 2012) und deren Ausprägungen können als Indikatoren für die vorherrschende Unternehmenskultur ebenso herangezogen werden, wie die nachfolgenden Ausführungen.

Die speziellen Tabus in Unternehmen beziehen sich z.B. auf sozial gewünschte Verhaltensweisen gegenüber spezifischen Teilgruppen und Beziehungsfelder im Unternehmen.

Aus Mitarbeiter-Perspektive sind besonders jene Tabus zu beachten, die Ihre Beziehung zu Ihrer Führungskraft betreffen (vgl. LÜRSSEN, 2006, S. 193ff.). In der Unternehmenswirklichkeit können z.B. die folgenden „Tabugesetze“ relevant sein:
 

  • Übergehen Sie nicht Ihre Führungskraft!
  • Beschweren Sie sich nicht über Ihre Führungskraft bei dessen Chef!
  • Reden Sie nicht schlecht über Ihre Führungskraft und stellen Sie sie nicht vor anderen bloß!
  • Widersprechen Sie Ihrer Führungskraft nicht im Beisein von anderen!
  • Seien Sie vorsichtig bei Kontakten mit den Feinden Ihrer Führungskraft!
  • Respektieren Sie das Lieblingsprojekt Ihrer Führungskraft!
  • Verhalten Sie sich möglichst loyal Ihrer Führungskraft gegenüber!
     

In der Beraterpraxis des Autors wurden diese und andere Tabus in zahlreichen Workshops in Unternehmen erhoben, klassifiziert, analysiert und auf ihren Realitätsgehalt hin überprüft. Die Tabus richteten sich dabei auf unterschiedliche Unternehmensebenen, Funktionen und Akteure. Exemplarisch zum Vorgenannten wurden z.B. folgende Tabus bei einem Vorstandskontakt genannt: 
 

  • Übergehe nie den Vorstandsbereich eines Vorstandes!
  • Bereite Entscheidungen stets so vor, dass der Vorstand das letzte Wort behält!
  • Komme nie ohne visuelle Vorlage zum Vorstand!
  • Schalte Dich nie in Vorstandskämpfe ein!
  • Kritisiere nie andere Kollegen im Vorstandskontakt!
  • Aus der Führungskraft-Rolle heraus waren u.a. folgende Tabus typisch:
  • Informiere immer hierarchisch!
  • Suche bei Problemen nach Lösungen und nicht nach Schuldigen!
  • Gehe Veränderungen stets konsens­orientiert an!
  • Sei erreichbar, jederzeit!
  • Finde die Meinungsmacher für Deine Themen!
  • Nicht viel reden, mehr tun!
  • Nehme die persönlichen Belange Deiner Mitarbeiter ernst!
  • Zeige eine hohe Leistungsbereitschaft und Loyalität!
     

Ein Tabubruch bedeutet, dass soziale Normen und herrschende Vorstellungen öffentlich werden und Unausgesprochenes damit offiziell wird. Dabei ist es wahrscheinlich, dass je höher der Tabu-Brecher positioniert ist, desto geringer er sanktioniert wird. Tabus sind das „Schmiermittel“ für das Miteinander. Sie geben Sicherheit im gemeinsamen Umgang und sind für Außenstehende schlecht erfass- und interpretierbar. Neuen Mitarbeitern ist anzuraten, möglichst frühzeitig Kontakt aufzunehmen mit langjährigen Beschäftigten, um die herrschenden Tabus zu erkennen, damit sie nicht schon frühzeitig auf dem Unternehmens­parkett „ausrutschen“.

 

Autor: Prof. Dr. Richard Streich | golfmanager 5/2023

 

Literatur

FOCUS, 2012: Der Karriere-Knigge.
LÜRSSEN, J., 2006: Die heimlichen Spielregeln der Karriere.
QUITSCHAU, A./ TABERNIG, C., 2019: Business-Knigge.
SACKMANN, S., 2017: Unternehmenskultur.SALLER T./MAUDER, S./Flesch, S., 2016: Tabu – Versteckte Regeln und ungeschriebene Gesetze in Organisationen.
STREICH, R.K., 2020: Minenfelder im Beruf – Impressionen und Reflexionen, Paderborn.