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Rollendilemmata im Management

Innerhalb der Berufswelt sind Führungskräfte vielfältigen Einflussfeldern ausgesetzt. Sie sind Mittelpunkt in einem sozialen Bezugssystem, in dem sie einerseits Weisungsbefugnis über verschiedene Mitarbeiter haben, andererseits als Kollegen auf lateraler Ebene gleichgestellt agieren und i.d.R. gleichzeitig wiederum ggü. einer höherrangigen Führungskraft berichtspflichtig sind.

Weitere Bezugspunkte ergeben sich z.B. aus den unternehmerischen und gesellschaftlichen Anforderungen an eine Führungskraft. Nicht selten hat der Manager auch unmittelbaren Kontakt zu Vertretern der Arbeitnehmerseite und als Unternehmensrepräsentant zu Kunden und Lieferanten. 

Schon dieser kurze Überblick zeigt, dass der Manager an einem Arbeitstag mehrfach unterschiedliche Rollen wahrnimmt und einem breiten Spektrum von Rollenerwartungen ausgesetzt ist. Der berufliche Alltag gestaltet sich im Wechselspiel von Reagieren und Agieren. Der Manager übt im Unternehmen mehrere Rollen gleichzeitig aus wie etwa die Rolle des Mitarbeiters, Kollegen und der Führungskraft.

Die private Rolle nicht vergessen

Diese Rollenvielfalt im Beruf wird erweitert mit Blick auf die Privatsituation des Managers. Der Einzelne ist oftmals nicht nur Lebenspartner, sondern gleichzeitig auch Freund, Elternteil oder Funktionär innerhalb seiner privaten Sphäre. Der Familie wird zur Rollenhandhabung dabei große Bedeutung zugewiesen. Studien weisen nach, dass der Rückhalt in der Familie generell zu weniger Rollenkonflikten führt (vgl. MICHEL et al., 2010, S. 91ff.).

Eigene Untersuchungen (vgl. u.a. STREICH, 2013) zeigen, dass Führungskräfte stärker mit ihren privaten Rollen (Lebenspartner, Freund, Elternteil) sympathisieren als mit ihren beruflichen (Mitarbeiter/in, Kollegen/innen, Führungskraft). Beachtenswert ist, dass vom gesamten Rollenspektrum bei allen Managern die Führungskraft-Rolle am „unsympathischsten“ bewertet wird, obwohl zeitmäßig in weit überwiegendem Maße in dieser Rolle agiert wird. Die Erhebung zeigte weiterhin, dass weibliche Führungskräfte ihre Führungsrolle signifikant noch unsympathischer einschätzen, als ihre männlichen Kollegen. Augenscheinlich haben Frauen in Managerpositionen intensiver mit Gegebenheiten zu kämpfen, die ihnen ihre Führungsrolle unsympathisch erscheinen lässt. Frauen in Führungsfunktionen sind – neben den oftmals gegebenen Mehrfach-Belastungen von Haushalt/Kindererziehung/Partnerschaft/Beruf etc. – i.d.R. einem stärkeren gesellschaftlichen, privaten und beruflichen Legitimationsdruck bei der Rollenausübung ausgesetzt als ihre männlichen Kollegen.

Erhebungen zeigen, dass rund zwei Drittel der weiblichen Führungskräfte insbesondere folgende Hindernisse für ihren Aufstieg lokalisieren (vgl. Catalyst and The Conference Board, 2002):

  • Stereotype und Vorurteile bezüglich der Rolle und der Fähigkeiten von Frauen
  • Mangel an Vorbildern wie ältere oder sichtbar erfolgreiche weibliche Managerinnen.

 

Ein geschlechtsspezifisches Korrektiv und mögliche Orientierung an erfolgreichen Managerinnen sind somit selten vorzufinden. Weitere Untersuchungen weisen bei Managerinnen als Hemmnis für ihre eigene Karriere die männerdominierte Kultur am Arbeitsplatz neben dem Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Partnerschaft auf (vgl. FALK/FINK, 2002). Diese kurzen Schlaglichter zeigen spezifische weibliche Work-Life-Balance-Problemfelder auf (vgl. STREICH, 2006, S. 129 ff.).

Rollenkonflikte

Aus dem Rollenspektrum des Berufs- und Privatlebens und den daraus resultierenden Differenzen von beruflichen und persönlichen Rollenerwartungen und individuellen Rollenerfahrungen ergeben sich interindividuelle bzw. intraindividuelle Rollenkonflikte, die zu einem beträchtlichen Stresspotenzial führen. Weitere Stressindikatoren sind zudem die massive Arbeitsverdichtung – speziell für die oberen Führungskräfte – die ständige Verfügbarkeit durch die technischen Medien, Reisetätigkeiten, häufig über Zeit und Klimazonen hinweg etc. Repräsentative Umfragen unter deutschen Führungskräften ergeben, dass gut ein Fünftel aller Befragten über direkte Stressfolgen klagen, in Form der sogenannten psychovegetativen Störungen (vgl. KRÖHER, 2005, S. 126ff.).

Für den Großteil der Entscheidungsträger ist festzustellen, dass diese in vielfältiger Weise mit konträren eigenen und fremden Rollenerwartungen im Berufs- und im Privatleben konfrontiert sind (vgl. STREICH, 2006, S. 129ff.).

Problembelastet erleben Führungskräfte z.B. auch die Forderungen und Einstellungen ihres Lebenspartners bzw. der Familie im Spiegel ihrer beruflichen und privaten Rollen. Beruflich relevante Fragen, wie beispielsweise die Mobilitätsbereitschaft, werden durch z.T. entgegengesetzte Interessen des Partners problematisch. Im Freundeskreis wird die Führungskraft oftmals mit der Frage konfrontiert, inwieweit ihr Handeln im Beruf auf soziale und ökologische Akzeptanz stößt. 
 

Aus Gruppendiskussionen mit Unternehmensvertretern war zu erfahren, dass es für die einzelne Führungskraft – speziell in Krisenzeiten – schwer ist, die Unternehmensstrategien und -ziele auch in ihrem Privatleben aktiv zu vertreten. Die Rolle als Führungskraft ist nicht nur im Berufsleben problematisch, sondern dehnt sich auch in den Freizeitbereich der Betreffenden aus.

Untersuchungen des Autors zeigen, dass Begriffe wie Effizienz, Leistung und Rationalität im Empfinden der Führungskraft sehr stark in die berufliche Sphäre eingebunden sind. Im Privatbereich haben solche Begriffe eher eine geringere Bedeutung. Auch verbinden die Befragten z.B. die Begriffe Komplexität, Macht und Autorität wesentlich stärker mit ihrer Arbeitswelt als mit ihrer Privatwelt. Letzterem wird oftmals z.B. der Begriff „Gefühl“ zugeordnet.

Nicht selten resultiert hieraus ein Dilemma. Eine Führungskraft konkretisierte dies in einem Coachinggespräch mit der Feststellung: „Meine Arbeitswelt ist so stark durch die Kriterien Effizienz, Leistung, Rationalität usw. strukturiert, dass ich kaum in der Lage bin, Gefühle zu äußern und zu empfangen. Es ist mir daher nicht verwunderlich, wenn ich auch im Familienleben Gefühle negiere, da mein Arbeitserleben doch in starkem Maße auch mein privates Erleben bestimmt.“ Mag eine solche Aussage auch nur für einen geringen Teil der Führungskräfte zutreffen, so zeigt sie doch in eindrucksvoller Weise ein subjektives Konfliktmoment auf. 

Weitere unternehmerische Anforderungen an das Management wie Entscheidungsdruck, Mobilität, Flexibilität unter Berücksichtigung der Unternehmensstrategie, -struktur und -kultur bilden für den Einzelnen nicht selten Zwänge, denen er mit steigender Hierarchiestufe kaum entrinnen kann. Sie verlangen eine eindeutige Rollendefinition mit entsprechendem Rollenhandeln. Ein verstärktes gesellschaftliches Bewusstsein für Ökologie und Arbeitnehmerrechte lässt den Manager zudem stärker als bisher nach der sozialen Akzeptanz seines Handelns fragen.

Was wünschen sich Führungskräfte nun zur Handhabung der hier dargelegten Rollenvielfalt? Allgemein wollen die Manager – nach Analysen des Verfassers – einen Abbau von Routine, sowohl in der Arbeitswelt, als auch im Privatleben, obwohl paradoxerweise gerade ein Mehr an Routine stressreduzierend wirken könnte. Sie möchten eine Angleichung von Selbst- und Fremdbild erreichen. Als Ideal wird ein ausbilanziertes Verhalten in der Berufswelt und im privaten Bereich angestrebt, in der Hoffnung, dass sich hierdurch die inter- und intraindividuellen Rollenkonflikte reduzieren. Vielfach wird jedoch verkannt, dass zum Erreichen dieses Ziels die Führungskraft schon im Hier und Jetzt ein verändertes Verhalten an den Tag zu legen hat. Oftmals ist ein „Mañana-Phänomen“ zu beobachten, gemäß dem Motto: „Nicht heute, sondern morgen erfolgt meine aktive Problem-Handhabung!“

Fragt man nach konkreten Möglichkeiten für eine zufriedenstellende Rollenhandhabung, so wird folgendes genannt:

Im Privatbereich wird eine intensivere Partner- bzw. Familienhinwendung präferiert. Hierbei steht das Ziel einer partnerschaftlichen Gemeinschaft im Vordergrund. Werden einzelne Freizeitaktivitäten betrachtet, so wünscht sich die Führungskraft neben einem Mehr an intellektuellen Aktivitäten eine intensivere sportliche Betätigung. Die letztgenannte Art der Freizeitverbringung spricht die Ausgleichsfunktion der Freizeit für das Arbeitsleben an, vornehmlich jedoch mit rein regenerativem Charakter.
 

Im Berufsbereich stehen im Vordergrund:

  • Herstellung eines Gleichlaufs von Sach- und Führungsaufgaben im Arbeitsvollzug
  • Steigerung der persönlichen Kommunikation mit den Mitarbeitern zwecks Stabilisierung des zwischenmenschlichen Dialogs
  • Verbesserung des eigenes Arbeitsverhalten, besonders im Umgang mit der Zeit und dem Setzen von Prioritäten
  • Individuellere Unterstützung von Unternehmensseite im Hinblick auf eine verbesserte Stress- und Rollenhandhabung von Berufs- und Privatleben.
     

Eine auf Dauer ausgerichtete effektive und effiziente persönliche Problemhandhabung beinhaltet eine kontinuierliche Stressprophylaxe. Beachtung finden sollten bspw. die Ernährung, entsprechende Nachtruhe, Gesundheitschecks, Wahren von persönlichen Zeitbudgets und regelmäßige sportliche Betätigung. Kontinuierliche Reflexionen und Diskussionen in der Partnerschaft bzw. im Freundeskreis über die eigene Rollenvielfalt sind zum Selbstbild-Fremdbild-Vergleich und zum Aufbau eines Social-Support-Systems unerlässlich.

Die alleinige Selbstreflexion im Spiegel der unterschiedlichen Rollenanforderungen und -erwartungen reicht nicht aus zur erfolgreichen Rollenhandhabung, zumal auch hierbei gilt: Auch im Selbstgespräch ist die Qualität des Gesprächspartners entscheidend!

 

Literatur

The Catalyst and The Conference Board: Women in Leadership: A European Business Imperative, 2002.

FALK, S./FINK, S.: Accenture-Broschüre: Frauen und Macht, Anspruch oder Widerspruch? 2002.

KRÖHER, M.O.R.: Unter Druck, in: Managermagazin, 2/2005, S. 126-134.

MICHEL, J.S./MITCHELSON, J.K./PICHLER, S./CULLEN, K.L.: Clarifying relationship among work and family social support, stressors and work-family conflict, in: Journal of Vocational Behavior, Volume 76, Issue 1, February 2010, Pages 91-104.

STREICH, R.K.: Work-Life-Balance, in: Hofmann, L./Linneweh, K./Streich, R.K. (Hrsg.): Erfolgsfaktor Persönlichkeit, 2006. 

STREICH, R.K.: Fit for Leadership – Führungserfolg durch Führungspersönlichkeit, 2016.

STREICH, R.K.: Tatort Unternehmen – Tretminen und Triebfedern im Berufsleben, 2021.


Autor: Prof. Dr. Richard Streich | golfmanager 1/2024

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