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Irrationale Mythen und Glaubenssätze in der Führung

Profi mit Persönlichkeit

Glaubenssätze und Grundüberzeugungen im Führungshandeln basieren auf früheren Erfahrungen und sind vielfach interne, unbewusste Gedankenmuster über das Denken und auch Tun in der Führungsrolle. Sie haben eine Schutz- und Filterfunktion und sind für den Einzelnen eine Art von Wirklichkeit. Die meisten Glaubenssätze sind gut und funktional. Sie geben eine Orientierung im Führungshandeln und verdichten sich in der Wahrnehmung der eigenen Person und von Außenstehenden zu Führungs-Mythen. Diese treten mit einem Wahrheitsanspruch auf, bilden die Wirklichkeit jedoch nicht umfassend ab, sondern einseitig oder selektiv. Sie verdunkeln oder verleugnen damit einen Teil der Realität (vgl. u.a. NEUBERGER, 2002, S. 120ff.; DIERKE/HOUBEN, 2013, S. 32ff.; KRES, 2017). 
 

Dominierende Glaubenssätze, bezogen auf das Gesamtunternehmen, zielen oftmals darauf ab, das komplexe System Unternehmen (besser) steuern zu können. Dies geschieht allerdings durch Führungskräfte aller Ebenen, die mit ihrem Wissen aus der Vergangenheit die Gegenwart gestalten wollen, um das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu steuern. Die hieraus entstehenden ,schwarzen Löcher in Führungsprozessen‘ basieren dabei immer auf wiederkehrend vorzufindenden Glaubenssätzen und Vorstellungen, die jedoch langfristig erfolgreiches Agieren zur Unternehmenssteuerung verhindern. In einer tiefergehenden Analyse lokalisiert Kres (2017, S. 9ff.) folgende Glaubenssätze als ,Energie- und Effizienzfresser‘ in der Unternehmenswirklichkeit: 

  • Macht macht mächtig!
  • Zahlen schaffen Sicherheit!
  • Planung programmiert Zukunft!
  • Kostenfokus statt Gesamtfokus!
  • Reorganisationen reduzieren Komplexität!
  • Mehr ist besser, the Sky is the Limit!
  • Erfolg ist harte Arbeit!
  • Die falschen Dinge richtig tun!
  • Führungskräfte müssen entscheiden!
     

Werden diese oder ähnliche Glaubenssätze unreflektiert in das Handlungsrepertoire übernommen, führen sie zu einer Überlastung des Systems Unternehmen. Durch falsche Annahmen, nicht erkannte bzw. bearbeitete Glaubenssätze und endsprechende Fehlallokation ihrer Ressourcen, verlieren Unternehmen bis zu 30% ihrer Produktivität (vgl. KRES, 2017, S. 8). Nur durch erhöhte Aufwendungen (physische, psychische, zeitliche, finanzielle etc.) kann das Unternehmen in einer solchen Konstellation die Marktposition halten und den Untergang vermeiden. Diese Daueranstrengungen sind jedoch kein Garant für den langfristigen Unternehmenserfolg. Je hochtouriger und unkoordinierter der ,Unternehmensmotor‘ läuft, desto wahrscheinlicher wird ein ,Kolbenfresser‘. Hochaktive Organisationen können dabei in einen ,organisationalen Burn-out‘ geraten. Der Glaube daran, solche Situation aus eigener Kraft zu meistern, schwindet. Viele solcher Unternehmen wenden einen Großteil ihres Einsatzes statt für produktive Arbeit- und Change-Prozesse für interne Machtkämpfe auf. Die Energie wird folglich intern verschleudert und steht somit externen Kommunikationsprozessen und Wachstumsgenerierungen nicht mehr zur Verfügung (vgl. KRES, 2017, S. 27ff.).
 

Verdichten wir im Weiteren den Aspekt von Glaubenssätzen und Mythen auf die unmittelbare Mitarbeiterführung, so werden die nachfolgenden Sichtweisen relevant.
 

Manche Führungskräfte stehen sich im Rahmen ihrer Führungstätigkeiten selbst ,im Wege‘. Sie behindern damit nicht nur ihre eigene Karriereentwicklung, sondern ,führen‘ auch ihre Mitarbeiter in eine ,Einbahnstraße‘. Hierbei spielen vernunftwidrige, individuelle Glaubenssätze und kollektive Mythen über erfolgreiche Führungskräfte eine zentrale Rolle.
 

In der Führungswirklichkeit gibt es daher Mythen und Glaubenssätze, die die Führungskraft hemmen und die persönliche Entwicklung begrenzen. Einige Beispiele können dies verdeutlichen (vgl. GRUNDL, 2015):
 

  1. Idealbild einer Führungskraft
    Das eigene Handeln wird limitiert durch das Bild einer perfekten Führungskraft. Hilfreich kann es sein, weniger daran zu denken, was eine Führungskraft sein soll, sondern was sie tun muss.
  2. Führungsfertigkeiten sind angeboren
    Genetische Faktoren beeinflussen nur rudimentär das Führungshandeln. Führung ist erlernbar, durch Erkennen der eigenen Anlagen, durch Feedbackprozesse und durch Veränderungen im Zeitablauf (vgl. hierzu u.a. auch MALIK, 2019).
  3. Positive Eigenschaftsideale als Führungskraft
    Führungskräften werden vielfach nur positive Eigenschaften zugeschrieben. Dabei sind sie Menschen mit Stärken und Schwächen wie jeder andere auch. Eine solche ,Selbsterhöhung‘ kann dazu führen, die eigenen Tiefs zu negieren und einen unrealistischen Erwartungsdruck zu Lasten der eigenen Person und seines Umfeldes aufzubauen.
  4. Führung verlangt Psycho-Tricks
    Ein solches Handeln ist manchmal kurzfristig erfolgreich aber langfristig immer vertrauenszerstörend und konterkariert wichtige Eigenschaften in der Führungsrolle, z.B. Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit.
  5. Führungserfolg verlangt Mitarbeiter, die glücklich sind
    Manche Führungskräfte sehen sich als Seelsorger für ihre Mitarbeiter. Sie trennen nicht Berufs- und Privatleben bei sich und anderen und lassen Mitarbeiter nicht ihr eigenes Glück finden. Sie agieren als kostenlose ,Psychotherapeuten‘ ohne hinreichende Qualifikation.
  6. Führungskräfte sind Motivatoren ihrer Mitarbeiter
    Je mehr eine Führungskraft sich als Fremdmotivator sieht, desto weniger findet Eigenmotivation der Mitarbeiter statt. Führung wird eher zu einem Transaktionsprozess und verhindert transformationale Führung im Sinne von Engagement und Begeisterung.
  7. Harmoniesucht in der Führungsrolle
    Statt einer Balance von Nähe und Distanz als Führungsstil-Mittel einzusetzen, verhalten sich manche Führungskräfte zu sehr harmonisch und torpedieren damit die eigentlichen Aufgaben und Ziele als Führungskraft.
  8. Machterhalt in der Führungsrolle
    Durch Schaffung von Macht in der Führungsrolle machen Führungskräfte Mitarbeiter schwach und abhängig. Solche Führungskräfte haben in der Regel wenig Selbstvertrauen und sehen Mitarbeiter als Bedrohung ihrer eigenen Position.
  9. Führungskräfte sind für die Zufriedenheit der Mitarbeiter verantwortlich
    Führungskräfte gestalten durch ihr Handeln das Betriebsklima wesentlich mit, aber Zufriedenheit um jeden Preis lässt kaum Raum für individuelles Wachstum, sowohl bei Mitarbeitern als auch bei der Führungskraft.
  10. Führungsverhalten ist hierarchiegebunden
    In der Führungswirklichkeit laufen Führungsprozesse nicht nur ,nach unten‘, sondern auch ,zur Seite‘ und ,nach oben‘. Es besteht somit ein Dreiklang in der Führung und zwar im Wechselspiel von Selbstführung, sich von anderen führen lassen und Mitarbeiterführung.
     

Die vorgestellten Mythen und Glaubenssätze verhindern vielfach erfolgsversprechende Verfahrens- und Verhaltensweisen in der Führungsrolle. Je mehr eine Führungskraft sich mit seinen Glaubenssätzen und der Wirklichkeit im Führungsprozess entfernt, desto unproduktiver wird ihr Führungshandeln. Erfolgspotenziale ergeben sich über einen Dialog über Sinn und Unsinn unreflektierter Mythen und Glaubenssätze in Unternehmen. Ein solcher ,Reifeprozess‘ lohnt sich dabei nicht nur für die Führungskraft und die Führungskultur in Unternehmen, sondern auch durch Performance-Steigerungen auf Unternehmensebene (vgl. KRES, 2017,
S. VI). 


Literatur:
 

DIERKE, K.W./HOUBEN, A., 2013: Gemeinsame Spitze – Wie Führung in Top-Teams gelingt.
GRUNDL, B., 2015: Mythen der Führung, in: www.Fuehren-und-Wirken.de/Blockreihe/10-Mythen-der-Fuehrung.
KRES, M., 2017: Mutmacher: Unternehmen stärken durch mutige Führung, 3. Auflage.
NEUBERGER, O., 2002: Führen und führen lassen, 6. Auflage.

 

Autor: Prof. Dr.Richard K. Streich | golfmanager 4/25

 

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