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Destruktive und konstruktive ­Konflikthandhabung

Profi mit Persönlichkeit 2.0

Das Erkennen destruktiver Konflikthandlungen und der kon-struktive Umgang mit Konflikten sind sowohl in der Berufs- als auch in der Privatwelt ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Erlangung einer sozialen Akzeptanz. Wenden wir uns im Folgenden demgemäß den Fragestellungen zu, welche destruktiven Verhaltensweisen Konflikte eskalieren lassen und welche konstruktiven Vorgehensweisen Konflikte handhabbar machen.

 

GLASL hat als Resultat aus vielfältigen konfliktgeladenen Verhaltensweisen die in Tabelle 1 ersichtlichen Konflikt-Eskalationsphasen erarbeitet. Diese neun Phasen verdeutlichen den Prozess einer zunehmenden Eskalation im Zeitablauf zwischen den handelnden Akteuren.

Während in den ersten drei Phasen noch eine konstruktive Konfliktlösung möglich ist, reduzieren sich gemeinsam getragene Konfliktbereinigungen ab Phase 4 bis hin zu einer totalen Verlierer-Verlierer-Konstellation in Phase 9.

 

Schon bevor die Endstufen einer Eskalationsspirale erreicht sind, führen insbesondere toxische Konflikt-Verhaltensweisen, die durchsetzt sind mit subtilen Techniken der Kommunikation und Manipulation sowie dem Einsatz von Emotionen im Konfliktgeschehen, zu Unvereinbarkeiten.

 

Aus dem „Giftschrank“ der Verhaltensweisen (vgl. DIETRICH, 2003) sind diesbezüglich z.B. zu nennen:

 

  • Forderungen und Ansichten als „Wunschdenken“ einstufen: Der Forderung wird grundsätzlich zugestimmt, sie wird aber gleichzeitig in den Bereich des Utopischen verwiesen.
  • Komplexe Begriffe exakt definieren lassen:  „Was genau meinen Sie mit ‚XYZ‘, wenn es um dieses Problem geht?“
  • Argumente umdrehen: Die Äußerungen eines Redners werden mit der Wendung „gerade deshalb ...“ benutzt, um eine gegenteilige These zu vertreten.
  • Gefühlsappellen mit Sachlichkeit begegnen:Auch wenn ich Ihre Aufregung verstehen kann, glaube ich nicht, dass uns Emotionen hier weiterhelfen – wir sollten doch sachlich an die Sache rangehen!“
  • Sachlichkeit als Gefühllosigkeit beanstanden:„Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass wir hier über das Schicksal von Menschen reden?“

 

Neben diesen, und den bei GLASL unter den besonderen Merkmalen insbesondere ab Phase 4 genannten destruktiven Verfahrens- und Verhaltensweisen, sind zu nennen:

 

  • Schuldzuweisungen:„Du siehst das falsch!“
  • Verleugnen:„Das habe ich so nicht gesagt!“
  • Rechtfertigungen:„Ich habe es doch nur gut gemeint!“
  • Verallgemeinerungen:„Du hörst mir ja nie richtig zu!“
  • Befehlen:„Jetzt seien Sie mal ruhig!“
  • Sarkasmus:„Sie scheinen ja der große Experte zu sein!“
  • Killerphrasen:„Das haben wir schon immer anders gemacht!“

 

Unterstützt werden solche Handlungsweisen i.d.R. auch nonverbal, z.B. durch Kopfschütteln, Verdrehen der Augen, geschlossene Körperhaltung, Türknallen, Schmollen, demonstrativem Beschäftigen mit anderen Kommunikationsmitteln wie Handy, Laptop etc. während der Auseinandersetzung (vgl. STANGL, 2020).

 

Destruktives verbales und nonverbales Vorgehen in Konfliktsituationen ist bspw. gekennzeichnet durch:

 

  • Verurteilungen,
  • Abwertungen des Gegenübers,
  • Aufstellung von unbewiesenen Behauptungen,
  • Machtdemonstrationen,
  • Ignoranz gegenüber anderen Sichtweisen und Meinungen,
  • absolutistischem Verhalten und
  • Beleidigungen des Konflikt-partners.

 

Ein solches Vorgehen hinterlässt beim Konfliktpartner nicht selten ein Gefühl von Scham, Selbstzweifel bis hin zum Hass (vgl. FREI, 2017).

 

Einige Studien zeigen, dass Menschen, die ständig kritisieren, unglücklicher und häufiger von Depressionen betroffen sind. Sie zeigen auch, dass destruktive Kritik, Ablehnung und Demütigung bei den so handelnden Personen dazu führen, dass diese mit ihrem Leben sehr unzufrieden und mit einem geringen Selbstwertgefühl ausgestattet sind (vgl. GEDANKENWELT, 2018).

 

Welche Motivation hinter einem solchen toxischen Verhalten steckt, bleibt vielfach verborgen. So kann es sein, dass – sogar unabhängig vom konkreten Konfliktgegenstand – alte „Rechnungen“ beglichen werden, da das „Konfliktsparbuch“ zum wahrgenommenen Kontrahenten gerade voll ist und spontan eingelöst werden „muss“. Auch ist es denkbar, dass durch solche Verhaltensweisen eine Machtfrage zwischen den beiden Parteien geklärt werden soll, ohne dass der davon negativ Betroffene dies provoziert hat.

 

Eine konstruktive Konfliktregelung, bei der es weder Sieg noch Niederlage gibt, verzichtet auf eine einseitige Machtausübung. Hilfestellung hierzu können die im Folgenden skizzierten aufeinanderfolgenden Verfahrensschritte für eine kooperative Konflikthandhabung sein (vgl. u.a. KNAPP (Hrsg.), 2019; SCHWARZ, 2013; JIRANEK, 2017). Dabei ist zu beachten, dass kein Schritt ausgelassen werden sollte und jeder Schritt einer gründlichen Bearbeitung bedarf.

 

Schritt 1: Den Konflikt identifizieren und definieren

Dies bedeutet, dass der Konfliktgegenstand abgetrennt wird gegen andere Probleme, verbunden mit Sich-Zeit-nehmen und Ansprache des Konfliktes. Dabei sind Ich-Aussagen zu senden und auf eine niederlagenlose Methode der Konfliktbearbeitung hinzuweisen.

 

Fragestellung: Wo genau liegen die Probleme?

 

 

Schritt 2: Entwicklung möglicher Lösungen

 

Hierbei ist zu beachten, dass in dieser Phase keine Lösungen zu bewerten sind, sondern möglichst viele Vorschläge zur Konfliktbewältigung genannt werden können. Hierbei sind alle Beteiligten einzubeziehen.

 

Fragestellung: Welche unterschiedlichen Lösungen sehen die Konfliktpartner?

 

 

Schritt 3: Lösungsmöglichkeiten kritisch bewerten

 

Hierbei sollten die in Stufe zwei genannten unangenehmen Lösungen gestrichen werden. Somit wird das Lösungspotenzial minimiert, allerdings auch konkretisiert.

 

Fragestellung: Was spricht für/gegen die einzelnen Lösungen?

 

 

Schritt 4: Entscheidung für die beste annehmbare Lösung

 

Zu beachten ist, dass die Lösung genau beschrieben werden soll und dabei nicht als endgültig, sondern als anwendbar zu sehen ist. Alle Beteiligten müssen die Lösung akzeptieren.

 

Fragestellung: Wie sieht die beste Lösung aus?

 

 

Schritt 5: Gemeinsame Wege zur Ausführung der Entscheidung ausarbeiten

 

Hierbei ist wichtig, klare Handlungsgrenzen zu bestimmen und genau festzulegen, wer wann was wie evtl. auch mit wem realisiert.

 

Fragestellung: Wie genau wird die Lösung realisiert?

 

 

Schritt 6: Spätere Untersuchung über die Funktionsfähigkeit der Lösung und die Einhaltung der getroffenen Absprachen

 

Das geschieht z.B. im Rahmen einer Ergebnisanalyse auch unter Einbezug evtl. Korrekturen, wenn bestimmte Situationen falsch eingeschätzt wurden. Es entsteht eine Lernkurve in der Konflikthandhabung.

 

Fragestellung: War die getroffene Entscheidung zur Regelung des Konflikts richtig?

 

 

Neben diesen sechs Schritten kooperativer Konfliktlösung gilt es, vor und während des gesamten Lösungsprozesses Prinzipien zu berücksichtigen ohne die eine einvernehmliche Bewältigung des Konfliktes nicht möglich ist (vgl. u.a. NICKELSEN, 2012; RÜTTINGER/SAUER, 2016; SPRENGER, R.K., 2020).

 

Zu nennen sind dabei:

 

  • Konfliktbejahung: Die Kontrahenten müssen akzeptieren, dass sie einen Konflikt haben. Solange dieser Umstand bestritten wird, besteht für sie auch kein Anlass zu einer Beilegung. Beide Seiten müssen eine Lösung wollen.
  • Konfliktbeteiligung: An der Verursachung bzw. Aufrechterhaltung eines Konfliktes sind immer beide Konfliktparteien beteiligt. Daher kann die Bewältigung der Sache nicht darin liegen, eine einseitige Vergebung zu verlangen, sondern sie muss in beiderseitigem aufeinander Zugehen bestehen.
  • Gewinner/Verlierer-Verneinung: Aus dem Konflikt darf keiner als Gewinner herausgehen wollen, weil dies immer assoziiert, dass der Kontrahent der Verlierer sein soll oder sein wird. Damit ist eine kooperative Konfliktlösung zugleich ausgeschlossen.
  • Gefühlsbereinigung: Viele Konflikte gehen mit starken Gefühlen wie Ärger, Wut, Angst, Rache etc. einher. Diese stehen – je intensiver sie sind – einer einvernehmlichen Lösung im Wege. Daher sollte einer Konfliktregelung eine Phase der Aufarbeitung und Beruhigung der eigenen Gefühle vorangehen.
  • Kurzfristigkeit: Die Thematisierung des Konflikts sollte nicht unnötig lange hinausgeschoben oder gar unterdrückt werden. Die Betroffenheit der Kontrahenten wirkt dann schnell im Untergrund und kommt hinten herum zum Ausdruck, sei es gegenüber Dritten in Form von Vorurteilen, Anspielungen, Des-truktionsversuchen etc.

 

Die vorgenannten Prinzipien und Aktivitäten zur Konfliktbearbeitung entfalten ihre Wirkung i.d.R. beim bzw. nach dem Auftreten eines Konfliktfalls. Folgendes Unternehmensbeispiel zeigt, dass es durchaus auch sinnvoll sein kann, Konflikte präventiv anzugehen (vgl. LEYMANN, 1993, S. 153).

 

In einem englischen Großbetrieb muss man bei der Einstellung folgende Klausel unterschreiben:

 

„Kann man einen Konflikt mit einem Kollegen oder einer Führungskraft nicht selbst lösen, dann ist man verpflichtet, zur gemeinsamen Führungskraft zu gehen, also z.B. bei einem Konflikt mit dem Chef somit zu dessen Chef. Im Dreieckverfahren wird die Angelegenheit dann diskutiert und die gemeinsame Führungskraft bemüht sich, einen guten Kompromiss zu finden. Nutzt dieser Versuch nicht, geht man zur nächst höheren Etage. Hier ändert sich jedoch die Spielregel drastisch. Der ,höhereʻ Chef darf die Kontrahenten nur alleine anhören und darf keinen Vergleich suchen, also auch keine eigenen Vorstellungen vorbringen. Er muss sich entscheiden, einem der beiden Recht zu geben und zwar zu 100 Prozent.“

 

Nach Auskünften des Betriebes hat noch niemand einen Streit bis zu dieser Ebene eskalieren lassen. Das Risiko, zu verlieren, ist offensichtlich zu groß.

 

Autor: Prof. Dr. Richard K. Streich | golfmanager 2/2022

 

Literatur

DIETRICH, C., 2003: Rhetorik – die Kunst zu überzeugen.

FREI, D., 2018: Richtig kritisieren – Konstruktiv vs. Destruktiv, in: Instaffo webblog.

GEDANKENWELT.DE/WEBBLOG: An die Menschen, die destruktive Kritik ausüben, 16.2.2018.

GLASL, F., 2007: Selbsthilfe in Konflikten.

GLASL, F., 2013: Konfliktmanagement.

JIRANEK, H., 2017: Konfliktmanagement.

KNAPP, P. (Hrsg.), 2019: Konfliktlösungs-Tools, 6. Aufl.

LEYMANN, H., 1993: Mobbing / NICKELSEN, 2012: Konflikte lösen.

RÜTTINGER, B./SAUER, J., 2016: Konflikt und Konfliktlösung, 3. Aufl.

SCHWARZ, G., 2013: Konfliktmanagement, 9. Aufl.

SPRENGER, R.K., 2020: Magie des Konflikts. Warum ihn jeder braucht und wie er uns weiterbringt.

STANGL, W., 2020: Destruktive Kommunikation, https://arbeitsblaetter-news.stangl-taller.at/destruktive-kommunikaton, 04-25.

 

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