Über Corona, Plattentektonik und den Messias
Horst Schubert spricht Klartext im Rückblick auf 2020
Wenn die deutschen Golfanlagen am Ende des Corona-Jahres 2020 eine erste vorläufige Bilanz ziehen, dann fällt diese in den meisten Fällen besser aus als noch im Frühjahr erwartet. Der Deutsche Golf Verband (DGV) konnte per Stichtag 30. September 2020 gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs bei den Mitgliedschaften um 1,4% (= +8.740 Mitgliedshaften) vermelden. Eine höhere Zuwachsrate war zuletzt im Jahr 2012 zu verzeichnen.
Angesichts dieser unter den gegebenen Umständen insgesamt relativ positiven wirtschaftlichen Entwicklung in der deutschen Golf-Branche müsste eigentlich eine eher entspannte Stimmung in den meisten Golfclubs vorherrschen, getreu dem Motto: „Da sind wir noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.“ Das scheint aber – wenn man sich bei den Kollegen so umhört – gerade eher nicht der Fall zu sein.
Der Vizepräsident des Golf Management Verband Deutschland e.V. (GMVD), Marc-Frederik Elsäßer schreibt hierzu in der aktuellen Ausgabe des golfmanager: „Die Sekretariate/Verwaltungen sind diese Saison krasser gefordert worden als je zuvor. Die extrem emotionale Spannung im Kundenkontakt, jedes Mitglied hatte Angst zu kurz zu kommen und der ehrenamtliche Vorstand kommt locker um die Ecke und meint, dass alles super ist und wir noch ein paar Turniere extra veranstalten sollten, wenn alles so gut ankommt. Getreu dem Motto: ‚Ihr macht das schon‘“ (golfmanager 6/20, S. 42). Ferner berichtet Elsässer von zahlreichen Kündigungen langjähriger Mitarbeiterinnen, „… weil sie es leid sind, den unaufhörlichen Forderungen der Mitglieder ausgesetzt zu sein, weil die Arbeitsbelastung extrem ist und weil in ihrer Wahrnehmung keine Besserung in Sicht ist“ (ebd.).
Demnach scheint auf nicht wenigen Golfanlagen etwas Grundsätzliches im Argen zu liegen, und zwar weniger im wirtschaftlichen, als vielmehr im atmosphärischen, im zwischenmenschlichen Bereich: der Umgang miteinander. Und hierbei scheint es sich auch nicht um den gern zitierten „bedauerlichen Einzelfall“ zu handeln. Neu sind diese Probleme ebenfalls nicht. Aber durch die Corona-Pandemie und die damit zusammenhängenden zusätzlichen Belastungen und Anforderungen an das (Krisen-)Management der Golfanlagen sind sie nun offensichtlich „hochgekocht“. Und es wäre blauäugig zu glauben, dass sich diese Probleme von alleine erledigen, wenn erst einmal dem Virus der Garaus gemacht wurde.
Multitasking bei über 30 °C
Für die Bewältigung der steigenden Service-Ansprüche in einem Golfclub braucht man nicht nur Geld, sondern vor allem das „richtige“ Personal, das neben der fachlichen Kompetenz die erforderliche Sozialkompetenz sowie eine ausgeprägte Leistungsbereitschaft und eine hohe Belastbarkeit mitbringt. Die zumindest zeitweise hohe physische und psychische Belastung in der Clubgastronomie oder dem Clubsekretariat bedeutet konkret beispielsweise:
- einen Arbeitsumfang von zeitweise mehr als 50 Stunden pro Woche bei einer gelegentlichen 6-Tage-Woche in der Saison,
- im Sommer nicht selten Temperaturen von mehr als 30 °C im Sekretariat (keine Klimaanlage) und in der Küche noch deutlich höhere Temperaturen,
- regelmäßige „familienfeindliche“ Wochenend- und Feiertagsarbeit,
- zeitversetzte Arbeitsschichten in der Saison,
- Flexibilität beim Arbeitseinsatz wegen spontaner Dienstplan-Änderungen (z.B. bei Erkrankung einer Kollegin),
- Urlaub nicht im Sommer, sondern hauptsächlich im Zeitraum von Oktober bis März,
- Multitasking für Fortgeschrittene, wenn Telefon, PC und Kundschaft an der Rezeption von der Clubsekretärin gleichzeitig bedient werden oder
- situatives „Troubleshooting“, wenn beispielsweise ein Turnierteilnehmer bei der Anreise im Stau stand und nun völlig genervt fünf Minuten vor dem Kanonenstart am Counter des Clubsekretariats erscheint.
Die Auflistung ließe sich problemlos noch fortsetzen.
Bei alledem sollte der kompetente und erfahrene Mitarbeiter stets höflich, freundlich und entspannt bleiben – auch wenn das Gegenüber am Counter des Clubsekretariats oder am Tresen der Clubgastronomie genau das Gegenteil davon ist.
Aus der Praxis …
Was ist es nun konkret, was zur Demotivation der Mitarbeiter, zu ihrer emotionalen Überforderung, führt? Das ist von Mitarbeiter zu Mitarbeiter – je nach Charakter und Lebenserfahrung – sicherlich unterschiedlich. Im Endeffekt ist es die Summe der belastenden Faktoren, die irgendwann „das Fass zum Überlaufen bringen“. Das Ergebnis daraus ist dann in letzter Konsequenz die Kündigung des Mitarbeiters. Das Fatale daran: Häufig sind die besten Mitarbeiter die ersten, die diese Konsequenz ziehen und in eine andere, „komfortablere“ Branche wechseln.
Auch die folgende Auflistung von belastenden Negativ-Faktoren, die hierbei eine Rolle spielen können, erhebt (leider) keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
- Ein respektloses, arrogantes oder unhöfliches Verhalten von Clubmitgliedern, aber auch von Gastspielern, gegenüber Mitarbeitern, im Extremfall bis hin zu cholerischen Anfällen
- Ein teilweise ausgeprägtes Anspruchsdenken: ICH bin wichtig
- Sich Rechte herausnehmen, die einem gar nicht zustehen und die der Betreffende selbst einem anderen auch nicht zugestehen würde.
- Das Ignorieren von Regeln (Verordnungen, Golfregeln, Etikette, clubinterne Anordnungen etc.)
- Die Verbreitung von Fake-News: Klatsch und Tratsch auf der Terrasse bis hin zur üblen Nachrede, in zunehmendem Maße auch mithilfe der elektronischen Kommunikationsinstrumente (Facebook, Whatsapp, Instagram)
- Die Weigerung, Informationen zur Kenntnis zu nehmen, z.B. Ignorieren von Informationsschreiben, Hinweisschildern und sogar von persönlicher Ansprache. Hiervon können insbesondere die Platzmarshals „ein Lied singen“.
- Teilweise eine nur eingeschränkte Lernfähigkeit und/oder Lernwilligkeit: Jeden Winter beispielsweise die gleichen Diskussionen mit den gleichen Clubmitgliedern, ob Trolleys benutzt werden dürfen oder nicht
- Warum muss stets äußerst akribisch darauf geachtet werden, dass ja kein anderer etwas bekommt, was ich nicht bekomme? Gleichheit für alle – aber für mich ganz besonders!
- Viele Golfer haben das Berufsleben bereits hinter sich gebracht. Nicht jeder scheint darüber glücklich zu sein. Der Bedeutungsverlust mit dem daraus resultierenden Frust wird dann auch gerne mal bei Gelegenheit im Golfclub abgeladen.
- Die Anmaßung von vermeintlicher Sachkompetenz: Wer zuhause ein paar Quadratmeter Rasen bewirtschaftet, versteht deshalb auch etwas vom Greenkeeping. Wer mindestens dreimal im Monat in irgendeinem Restaurant essen geht, weiß bestens Bescheid, wie eine Clubgastronomie erfolgreich zu führen ist. Und wer den Golfball 200 Meter oder mehr halbwegs geradeaus schlagen kann, der weiß selbstverständlich auch wie Clubmanagement geht.
- Der Golfspieler hat sich nach dem Platz und den dort gegebenen Verhältnissen zu richten – und nicht umgekehrt. Dieser Grundsatz scheint auch noch nicht jedem Golfspieler bekannt zu sein. Wer seine Abschläge regelmäßig ins Rough schlägt, kann nicht ein breiteres Ausmähen des Fairways in der Landezone als Problem-Lösung fordern. Stattdessen sollte er lieber einmal ein paar Bälle auf der Driving-Range schlagen oder – noch besser – vielleicht sogar ein paar Trainerstunden buchen.
- Ein anderer, zugegebenermaßen verwegener Gedanke (insbesondere für „richtige Männer“): Beim Abschlag vielleicht einmal auf den Driver verzichten und stattdessen zu einem Eisen greifen!
- Noch verwegener ist die Idee, vielleicht sogar einen der vorderen Abschläge (Vorsicht: „Damenabschlag“!) zu nutzen. Es kommt schließlich nicht auf die Länge an!
Plattentektonik im Golfclub
Ein Themenbereich für sich ist wohl in jedem Golfclub die Zusammenarbeit zwischen Ehrenamt und Hauptamt. An dieser Schnittstelle kommt es – um einmal das Bild der „Plattentektonik“ zu bemühen – gern einmal zu erhöhter Reibung. Die dadurch aufgebaute Spannung kann sich dann u.U. in einem mehr oder minder großen Beben mit entsprechenden Flurschäden entladen. Das ist weder konstruktiv noch produktiv, sondern kostet nur Zeit und Nerven.
Ein Ehrenamt verantwortungsvoll auszuüben, ist nicht Jedermanns Ding. Die Insignien der Macht wie beispielsweise ein reservierter Parkplatz oder eine noble Visitenkarte mit Club-Logo und Goldprägung sollten nicht die wichtigsten Motivationsfaktoren für ein Ehrenamt sein.
Die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) seit vielen Jahren turnusmäßig durchgeführten Befragungen der deutschen Sportvereine dokumentieren, dass bereits seit langem die Gewinnung und Bindung von geeigneten Ehrenamtlichen für die verschiedensten Aufgabenbereiche eines Vereins ein wesentliches Problem darstellt. Denn von dieser Spezies gibt es nicht allzu viele und demzufolge sind diese sehr begehrt, nicht nur bei Golfclubs.
Hilfreich ist es auch, wenn Verantwortliche – egal, in welcher Position – in der Lage sind, eine Vorbildfunktion auszuüben, wenn sich die persönliche Eitelkeit in Grenzen hält und wenn zuverlässig eine nachhaltige und sachorientierte Arbeit geleistet wird.
Wenig hilfreich ist es hingegen, mit spontanen und nicht ausgereiften Ideen die eigentliche Arbeit im Clubsekretariat lahmzulegen und das langjährige Erfahrungswissen der hauptamtlichen Mitarbeiter zu ignorieren, anstatt es sinnvoll zu nutzen.
Und last but not least: Auch in einem Golfclub gilt gelegentlich der Aphorismus: „Der Erfolg hat viele Väter und der Misserfolg ist ein Waisenkind.“ Oder anders formuliert: Ein echter Häuptling hat es nicht nötig, sich mit fremden Federn zu schmücken.
Um die Bedeutung und den Stellenwert all dieser Negativ-Statements richtig einzuordnen und damit kein Missverständnis entsteht: Wir reden hier über eine kleine Minderheit von Mitmenschen, die solche Verhaltensweisen zumindest gelegentlich an den Tag legen – nicht nur, aber auch in einem Golfclub. Aber diese kleine Minderheit ist in etlichen Fällen offensichtlich groß bzw. laut genug, um nachhaltig für Verdruss und Missstimmung bei den Mitarbeitern zu sorgen. Das Gift, das die Mitarbeiter-Motivation tötet, wirkt auch in niedriger Dosierung. Und noch etwas: Diese Art des Umgangs miteinander belastet nicht nur den einzelnen Mitarbeiter, sie belastet letztendlich auch den Golfclub oder die Golfanlage insgesamt, und zwar in finanzieller Hinsicht. Demotivierte Mitarbeiter, die innerlich bereits gekündigt haben oder aufgrund psychischer Überlastung krankgemeldete Mitarbeiter kosten Geld – und eine hohe Mitarbeiter-Fluktuation erst recht.
Eine kleine Minderheit hält sich nicht an die Regeln und die große Mehrheit leidet unter den daraus resultierenden Folgewirkungen. Das gilt für das Verhalten unserer Gesellschaft in der Corona-19-Pandemie insgesamt genauso wie für das Verhalten von Mitgliedern und Gästen in einen Golfclub.
Egomanen gibt es überall. Warum sollte gerade der Golfsport hier eine Ausnahme bilden? Einige bizarre Auswüchse hierzu konnte man beobachten, als im März 2020 von der Politik die flächendeckende Schließung der Golfanlagen in Deutschland angeordnet wurde. Die Verantwortlichen von ein paar wenigen Golfclubs waren der Auffassung, in Selbstjustiz das Recht in die eigene Hand nehmen zu können, scherten sich einen Dreck um die Schließungsanordnung für ihre Golfanlage und bescherten dem Golfsport insgesamt damit eine wunderbar negative Presse-Berichterstattung. „Golf is a gentleman’s game“?
Die Krise als Katalysator?
All diese genannten Negativ-Faktoren waren schon vor dem Ausbruch der Corona-19-Pandemie im Frühjahr 2020 vorhanden und haben sich auch damals bereits negativ auf die Arbeit in den Golfclubs ausgewirkt, allerdings nicht so ausgeprägt wie das jetzt offensichtlich der Fall ist. Wirkt die Krise als Katalysator? Durch die zusätzlichen, durch die Corona-Pandemie bedingten, spezifischen Anforderungen an das Management eines Golfclubs bzw. einer Golfanlage werden die genannten Probleme offensichtlich deutlich stärker wahrgenommen, als noch in der Zeit vor der Pandemie. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die Auslastung der Golfanlagen im vergangenen Jahr deutlich höher war als in 2019. Im Golf- und Country Club Seddiner See wurden beispielsweise im Oktober 2019 rund 3.000 Startzeiten gebucht, im Oktober 2020 waren es mehr als 5.000 – eine Steigerung um rund 65%. Und mehr Menschen auf der Golfanlage, dazu noch unter eingeschränkten Nutzungsbedingungen, bedeutet zwangsläufig ein höheres Konfliktpotential. „In der Krise beweist sich der Charakter“ – dieser Satz wurde schon vielfach zitiert, ist aber deswegen nicht weniger zutreffend.
Zum Anforderungsprofil für die Mitarbeiter in der Gastronomie oder im Clubsekretariat wurde bereits einiges gesagt. Die Beschreibung des Anforderungsprofils für Clubmanager bzw. Geschäftsführer von Golfclubs/Golfanlagen lässt sich hingegen auf zwei Worte reduzieren: Omnipräsenz und Omnipotenz – alles können und das zu jeder Zeit und an jedem Ort. Aber selbst damit – als moderner Messias – kann man als Clubmanager bzw. Geschäftsführer einer Golfanlage wahrscheinlich nicht jeder Erwartungshaltung gerecht werden. Die eierlegende Wollmilchsau ist dagegen ein „Stümper“.
Autor: Horst Schubert | golfmanager 1/2021