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Outsourcing der Gastspieler-Akquise

Strategiewechsel in der Clubphilosophie wagen

Best Practice Marketing und Vertrieb: Royal Park I Roveri, Turin/Italien

Eine der wichtigsten strategischen Entscheidungen im Marketing- und Vertriebsbereich einer Golfanlage bezieht sich auf die angestrebten Produkte und Zielgruppen. Schnell kommt die Frage auf, ob der Club als traditioneller Privatclub, als Semi-Privatclub oder als Pay & Play-Anlage gestaltet werden soll. Golfclubs auf der ganzen Welt beschäftigen sich mit dieser Frage – und die Entscheidung hängt von zahlreichen Faktoren ab. Da feste Mitgliedschaften regelmäßige Einnahmen garantieren, haben sich die meisten Betreiber für die Varianten Privatclub oder Semi-Privatclub entschieden.

Aber die Zeiten hoher Einstiegszahlungen bei Clubeintritt sind längst Geschichte, viele der privaten und halbprivaten Anlagen stehen vor großen und neuen Herausforderungen in den Bereichen Marketing und Vertrieb.

 

Golf-Reisende als vielversprechende Zielgruppe

Der Wechsel von einer „Nur für Mitglieder“-Philosophie hin zu einer „Gäste willkommen“-Strategie sieht auf den ersten Blick recht einfach aus. Aber in der Praxis steht eine Anlage vor einer Vielzahl oftmals sehr komplexer Herausforderungen, wenn man sich als Anlage einem breiteren Publikum öffnen möchte. Greenfee-Spieler aus dem unmittelbaren Umkreis generieren meist nur eine geringe Anzahl an Runden, da sie üblicherweise mehrheitlich im eigenen Club spielen. Eine der vielversprechendsten Zielgruppen sind daher Golf-Reisende. Der Markt für Greenfee-Spieler auf Reisen ist sehr groß – vor allem, wenn sich die Anlage in einer attraktiven Destination befindet, die neben Golf noch weitere Sehenswürdigkeiten und Attraktionen bietet. Aber die Ansprache und Gewinnung dieser Zielgruppe bedeutet, dass der Club sein Vertriebsgebiet deutlich ausweiten muss. Vor allem ausländische Märkte bringen neue Varianten beim Kundenverhalten, neue Sprachen und zusätzliche Kundenerwartungen mit sich. Andererseits – nicht nur in Deutschland, sondern auch in zahlreichen Clubs in ganz Europa – verfügen die meisten Golfanlagen noch nicht einmal über eine eigene Marketing- und Vertriebsabteilung. Viel wahrscheinlicher ist es in der Praxis, dass diese Aktivitäten zum Aufgabenportfolio der Clubmanager zählen – Zeitmangel, fehlende Budgets und mehr sind häufig die Folgen dieser Herangehensweise. Einige Clubs haben sich daher für eine Kooperation mit ausländischen Reiseveranstaltern entschieden, welche den Vertrieb von Startzeiten an Gastspieler übernehmen. Aber dies stellt nur in Teilbereichen eine Lösung dar: Die Anpassung des Produkts und natürlich die gesamten Verhandlungen und Vertriebsaktivitäten gegenüber den Veranstaltern erfordern trotzdem Zeit- und Budget­ressourcen beim Club. Im golfmanager 3/17 haben wir das Konzept des PGA National Resorts in Florida vorgestellt, das sein eigenes German Office für die deutschsprachigen Gäste ins Leben gerufen hat.

 

Prestigeträchtig und trotzdem Öffnung für Gäste?

Ein weiterer, sehr interessanter Ansatz wurde vom italienischen Golfclub Royal Park I Roveri nahe Turin gewählt. Royal Park ist eine der prestigeträchtigsten Anlagen ganz Italiens und gehört der Agnelli-Familie. Der Club verfügt über zwei fantastische 18-Löcher-Plätze: Der ältere wurde von Robert Trent Jones Sr. entworfen, der Jüngere – der Pramerica Course – stammt aus der Feder der renommierten US-amerikanischen Golfplatzdesigner Michael Hurdzan und Dana Fry. Präsidentin des Clubs ist aktuell Allegra Agnelli. In den vergangenen Jahren war Royal Park mehrfacher Austragungsort der Italian Open auf dem Trent Jones Course. Im Rahmen des Ryder Cup 2022-Programms wird er erneut Gastgeber einer Italian Open werden.

 

Als man sich bei Royal Park dafür entschied, den Club für Gäste zu öffnen, spielten vor allem wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle. Wie in ganz Europa wuchs auch in Italien die Anzahl der Golfer in den letzten Jahren nur sehr begrenzt. Zudem ist Royal Park ein sehr exklusiver Club, die Anzahl potenzieller Mitglieder ist daher limitiert. Auf der anderen Seite stiegen die Kosten, beispielsweise für Greenkeeping und Clubmanagement, stetig an, so dass man auf der Suche nach neuen Ertragsquellen schließlich die Öffnung für Gastspieler beschloss. Obwohl der Club sehr prestigeträchtig ist, sind Hunde auf allen Plätzen sowie im Clubhaus und Restaurant stets gerne gesehene Begleiter.

 

Outsourcing der Gäste-Akquise (Reisegeschäft)

Die Grundsatzentscheidung zugunsten von Gastspielern war somit getroffen – doch nun stand die Frage im Raum, wie diese Gäste akquiriert werden sollten. Die Lösung war für den italienischen Markt – wenn nicht gar für den gesamten europäischen Markt – äußerst innovativ: Das gesamte Reisegeschäft wurde an einen neuen Reiseveranstalter ausgesourct, den Riccardo Colombo – selbst Mitglied in Royal Park – gegründet hatte. Nachdem Colombo über Jahrzehnte äußerst erfolgreich sein eigenes Unternehmen im Bereich Helme geleitet hatte, fand er sich zu jung für ein Pensionärs-Dasein und suchte eine neue Herausforderung. Seine internationale Erfahrung war eine exzellente Basis, denn die unterschiedlichen Anforderungen beim Vertrieb eines Produktes in verschiedenen Zielmärkten waren ihm bestens geläufig. Also widmete er sich mit seinem neuen Reiseveranstalter, Top Golf Holiday, fortan dem Vertrieb von Golfreisen. Aber anders als die meisten Golfreiseveranstalter befasst sich sein Unternehmen nicht mit „Outgoing“, sondern ausschließlich mit „Incoming“. Colombo schloss Abkommen mit zahlreichen renommierten italienischen Golfanlagen und begann mit dem Vertrieb von Golfreisen nach Italien über Veranstalter in den wichtigsten Entsenderländern, beispielsweise Deutschland, Großbritannien und Skandinavien. Aber der außergewöhnlichste Deal gelang ihm mit Royal Park: Gemeinsam mit Romy Gai, der auch Mitglied des Clubvorstands ist, wurde eine Vereinbarung getroffen, dass Royal Park keine eigene Marketing- und Vertriebsabteilung erhalte. Stattdessen wurden diese Aufgaben an Top Golf Holiday ausgelagert, welche die beiden Plätze fortan in ihre Reisepakete für den Raum Turin einbinden sollten.

 

Wichtiger Strategiewechsel als Voraussetzung

Dies Entscheidung erforderte einen Strategiewechsel in der Clubphilosophie. Ursprünglich war Royal Park ein typischer Privatclub, der ausschließlich seinen Mitgliedern und deren Gästen Zugang bot. Aber die Zeiten haben sich verändert, wie Gai im Gespräch feststellt. „Reine Privatclubs mit einem hohen Servicestandards werden künftig die Minderheit unter den Golfanlagen im Markt sein“, so seine Überzeugung. „Entweder hätten wir von unseren Mitgliedern höhere Beiträge einfordern müssen – oder wir erschließen uns neue Ertragsquellen, indem wir unsere Anlage auch für Gäste öffnen“, fasst Gai die Entscheidungslage zusammen.

 

Basis für den vorgenommenen Strategiewechsel war die Erkenntnis, dass Gäste nicht nur einen Golfplatz suchen, sondern sich stets auf der Suche nach dem perfekten Golftag befinden. Daher rückte das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt der Betrachtung – und dieses umfasse neben den Golfplätzen auch andere Dienstleistungen wie den Pro-Shop, den Golfunterricht und die Gastronomie, so Gais Credo. Im Unterschied zu manch anderen Konzepten sucht der Club dabei jedoch nicht den schnellen Erfolg und schnellen Euro. „Wir konzentrieren unsere Aktivitäten ganz auf nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Geschäftsbeziehungen“, so Gai. „Auch auch wenn wir uns für Gäste geöffnet haben, sehen wir Royal Park als einen wichtigen Teil von Umberto Agnellis Vermächtnis, denn er war nicht nur ein sehr erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein passionierter Golfer!“, erläutert Gai weiter. Gai, der selbst ein international anerkannter Marketingexperte ist, legte daher den Fokus im ersten Schritt auf das Produkt. „Wir verfügen über zwei fantastische Golfplätze, deren Designer zu den renommiertesten Golfplatzarchitekten weltweit zählen. Unser Pramerica Course wurde von den gleichen Designern konzipiert wie Erin Hill, dem Austragungsort der US Open 2017“, erläutert er stolz. Die beiden Plätze haben, wie vom Club gewünscht, komplett verschiedene Charaktere und Designs, den Spielern bleiben zahlreiche Bahnen im Gedächtnis. Aber dennoch: Aus Sicht von Gai ist dies nur die Grundlage einer erfolgsorientierten Marketing- und Vertriebsstrategie. Da italienische Gastfreundschaft weltweit geschätzt wird, legte Gai viel Wert darauf, das Golferlebnis um den „Italian Touch“ zu bereichern. Für Royal Park beinhaltet dies beispielsweise die Freundlichkeit des gesamten Personals – von den Teaching Pros über das Greenkeeping bis hin zur Rezeption und dem Restaurant – im Tagesgeschäft und natürlich einzigartige italienische Speisen und Getränke.

 

Eine wichtige Rolle spielt auch die lange Tradition des Clubs als Austragungsort der Italian Open, die von 2009 bis 2012 auf dem Trent Jones-Platz ausgetragen wurde. Auch der Ryder Cup 2022 ist ein wichtiger Baustein in Gais Strategie: „Ich bin davon überzeugt, dass dieses Mega-Event uns dabei unterstützen wird, Italien noch stärker als wunderbare, nahezu ganzjährig spielbare Golfdestination zu positionieren“, erläutert der Marketing-Profi. „Und auch unsere Mitglieder sind mit der neuen Strategie sehr zufrieden, da auch sie von den Verbesserungen in unserem Service profitieren“, berichtet Gai.

 

Auf Basis dieses Projekts begann die Arbeit von Top Golf Holiday. Das Unternehmen entwickelte seine Aktivitäten für Royal Park in enger Abstimmung mit den Clubvertretern. „Unsere Haupt-Zielmärkte sind derzeit die D-A-CH-Region, Nordeuropa und Großbritannien“, so Unternehmensgründer Colombo. Die Zielgruppen sind vielfältig und umfassen das gesamte Spektrum der Golftouristik, von der individuellen Golfreise über Gruppenreisen für Golfer bis hin zu Mannschafts- und Trainingsreisen. „Vor allem die Pro-Reisen sind für uns sehr wichtig, da Pros eine große Zielgruppe ansprechen und Gäste, die Royal Park im Rahmen einer Pro-Reise entdeckt haben, danach häufig als Individualreisende wiederkommen“, fasst Colombo zusammen.

Erfolgreich auch ohne eigenes Hotel

Da der Club jedoch keine eigenen Beherbergungsmöglichkeiten bietet, war Top Golf Holiday auf externe Kapazitäten angewiesen, welche zu den Qualitätsstandards und der Kundenorientierung von Royal Park und Top Golf Holiday passen mussten. An diesem Punkt kam Dimitri Ciaschini, Direktor des Hotels Atlantic in Borgaro bei Turin, ins Spiel. Das privat geführte Hotel hatte sich ursprünglich auf Geschäftsreisende und Kongresse konzentriert. Grund hierfür war einerseits der Standort des Hotels in einem Geschäftsviertel und nahe des Flughafens, aber auch die Tatsache, dass der Betrieb des Hotels in einer Zeit aufgenommen wurde, als Turin stark von der Automobilindustrie geprägt wurde. „Als die Autoindustrie zu schwächeln begann, hielten wir nach neuen Märkten und Zielgruppen Ausschau“, erläutert Ciaschini den Strategiewechsel. Nicht zuletzt aufgrund seiner Lage genau zwischen Royal Park und der Innenstadt Turins bot sich das 4-Sterne-Hotel für eine Kooperation mit Top Golf Holiday an. In enger Zusammenarbeit mit Top Golf Holiday wurde der Hotelstandard an die Erwartungen der Gäste von Royal Park angepasst. „Wir haben bereits über 90 unserer insgesamt rund 150 Zimmer renoviert“, beschreibt Ciaschini den begonnenen Prozess. Die dafür notwendigen Investionen tätigt der Hotelmanager gerne: „Golfer sind eine sehr interessante Zielgruppe. Sie buchen nicht einfach eine Übernachtung, sondern nutzen häufig auch weitere Einrichtungen wie unser Spa und das Restaurant.“ Eine der nächsten Maßnahmen wird die Renovierung der Bar und die Schaffung eines neuen Aufenthaltsbereichs vor dem Hotel sein. Ciaschinis Ziel: Das Hotel soll als Verlängerung des Golferlebnisses im Club angesehen werden, die Atmosphäre der neuen Bar wird sich daher an der in einem Clubhaus orientieren. Weitere Maßnahmen für die Zielgruppe Golfer waren ein eigener Golfgepäckraum sowie die kostenlose Bereitstellung von Parkplätzen für Golftouristen, da diese oft mit dem Auto unterwegs sind. Die wichtigsten Quellmärkte des Hotels sind Deutschland und Großbritannien, auch die Schweiz, Österreich, Dänemark und Frankreich stehen im Fokus der Aktivitäten.

 

Die enge Kooperation zwischen dem Hotel und Top Golf Holiday zeigt sich auch bei den Vertriebsaktivitäten. „Alle Anfragen von Golfern, die uns direkt erreichen, werden an unseren Partner Top Golf Holiday weitergeleitet und dort bearbeitet“, erläutert Ciaschini. Dies gilt sowohl für Einzelreisende als auch für Golfgruppen. „Derzeit machen Gruppen ungefähr 80 Prozent unseres gemeinsamen Geschäfts aus“, ergänzt Colombo aus Veranstaltersicht. Zusätzlich übernimmt Top Golf Holiday für das Hotel auch alle Marketing- und Werbemaßnahmen in Bezug auf die Zielgruppe Golfer. Im Gegenzug – da der Veranstalter auch die Kosten für diese Aktivitäten übernimmt – unterstützt das Hotel den Veranstalter durch die Bereitstellung kostenfreier Übernachtungen für Multiplikatoren der Golfbranche. „Wir würden uns sehr freuen, wenn auch die Region Piemont unsere Anstrengungen, Royal Park und Turin als Golfdestination zu positionieren, entsprechend unterstützen würde“, sind sich beide Partner einig. Angesichts der sehr engen und umfassenden Kooperation verwundert es nicht, dass das Hotel im Golfsegment ausschließlich mit Top Golf Holiday zusammenarbeitet. „Wir investieren beide eine große Summe, um mehr Golfer in unsere Region zu bringen – daher sind wir beide davon überzeugt, dass es nicht mehr als fair ist, wenn wir gemeinsam von unseren Aktivitäten profitieren“, so Colombo.

 

Aktuell arbeitet Top Golf Holiday jedoch nicht exklusiv für Royal Park. Sowohl Einzelreisende, als auch ausländische Reiseveranstalter können auch Startzeiten für andere italienische Golfanlagen über den Incoming-Spezialisten buchen. „Aber es gibt stets eine Bedingung“, erläutert Colombo: „Die anderen Anlagen müssen eine Platz- und Servicequalität bieten, die den Standards von Royal Park entspricht. Sonst würden wir Gefahr laufen, die Erwartungen unserer Kunden zu enttäuschen. Und dies kommt für uns keinesfalls in Frage!“, so der Veranstalter-Chef. Die Chancen für ein weiteres Wachstum sieht er sehr positiv. „Die Region Piemont und besonders Turin haben sehr viel zu bieten: Reggia Venaria ist großartig in Bezug auf Geschichte und Architektur. Turin bietet ausgezeichnete Einkaufsmöglichkeiten, die Trüffelsaison in Alba ist weltbekannt – und nicht zu vergessen die fantastischen Weine aus Barolo. All dies lässt sich perfekt mit einer Golfreise kombinieren“, begründet er seine Zuversicht. Alle Partner – der Golfclub, der Veranstalter und das Hotel – sind mit der bisherigen Entwicklung ihrer Initiative sehr zufrieden. Obwohl alle Unternehmen weiterhin unabhängig voneinander sind, ist vor allem zwischen Royal Park und Top Golf Holiday die Kooperation auch im Tagesgeschäft sehr eng. „Wir planen alle Marketingaktivitäten und die zugehörigen Budgets gemeinsam mit dem Club“, beschreibt Colombo den Prozess. „Dies stellt sicher, dass alle die gleichen Ziele, Philosophien und Informationen haben“, ergänzt er. Aber auch der Club sieht deutliche Vorteile in dieser Zusammenarbeit: „Wir benötigen keine eigenen Marketing- und Vertriebsspezialisten, hier vertrauen wir ganz auf die Expertise unseres Partners Top Golf Holiday. Und noch wichtiger: Als Incoming-Reiseveranstalter haben sie einen viel besseren Zugang zu ausländischen Reiseveranstaltern und Einzelreisenden, verglichen mit den Möglichkeiten, die wir als Golfclub haben“, fasst Gai sein sehr positives Fazit zusammen.

 

Fazit

Marketing und Vertrieb lassen sich daher – vor allem in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Outgoing-Reiseveranstaltern anderer Länder – sehr gut outsourcen. Basis hierfür ist ein zielgruppengerechtes Produkt und die Schaffung der notwendigen Strukturen für die Zusammenarbeit. Alles weitere ist dann vor allem eine Frage der Umsetzung – und nicht zuletzt des persönlichen Vertrauens zwischen allen Beteiligten. Für Royal Park hat sich die Entscheidung bisher eindeutig gelohnt, der Anteil an Gastspielern hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen.

 

Autor: Michael Althoff | golfmanager 04/2017

 

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