Login

Von Unschuldslämmern und schwarzen Schafen

Good Course, Bad Course

Linksplätze gelten als Vorbilder für nachhaltiges Golf. Es gibt Musterbeispiele, aber manchmal täuscht der schöne Schein.
 

„Hebridians“, sagt Lorna Barr, die gute Seele im Clubhaus von Machrihanish Dunes, und deutet auf das Grüppchen Schafe, das entlang der Driving-Range am spröden Gras knabbert. Die wolligen Haustiere sind Nachfahren der alten Rassen Scottish Blackface und St. Kildas, haben ein dunkles Fell, sind robust, genügsam und von hoher Fleischqualität, liefern eine mittelfeine bis grobe Wolle. In Machrihanish dünnen sie das Rough aus. Und stehen Modell fürs Logo, was eine ziemliche Umkehrung der Verhältnisse ist. Ein schwarzes Schaf ist der Linkskurs auf der Halbinsel Kintyre an Schottlands Westküste wahrlich nicht. Eher das Gegenteil. Das von Designer David McLay Kidd ins Gelände an der Machrihanish Bay gegossene und 2009 eröffnete Geläuf gilt als einer der meist naturbelassenen, ursprünglichsten Parcours der Welt und hat damit Vorbildfunktion für die Anlage und Pflege eines Golfplatzes.
 

Wenn ,Golf ist Sport im Einklang mit der Natur‘ nur eine Phrase ist 
 

Dieser Beitrag handelt von Kontrasten: vom konträren Umgang mit der Natur und mit Nachhaltigkeit, von schwarzen Schafen, die eigentlich Unschuldslämmer sind, sogar von geografischer Gegensätzlichkeit. Kurz, von Trust (Vertrauen) vs. Trump – sorry für das Wortspiel. Denn auf der anderen Seite von Schottland, an der Ostküste bei Aberdeen, gibt es ein echtes schwarzes Schaf der Golfplatz-Konzeption: Donald Trumps International Golf Links, Anfang der 2010er-Jahre von der schottischen Regierung unter dem damaligen First Minister Alex Salmond gegen Proteste von Bürgern und Naturschutzorganisatoren sowie Bedenken von Umweltbehörden durchgewunken und ohne Rücksicht auf Verluste ins sensible Dünensystem am Rand des Menie Estate zementiert.


„Als ich mich Ende 2011 mal Trumps Willen widersetzt habe – es ging um eine Straßenführung –, wurde ich binnen zwei Wochen in Trumps öffentlichen Äußerungen vom ,großartigsten First Minister, den die Welt je gesehen hat‘ zum ,verrückten Alex, der versucht, Schottland zu zerstören‘“, versuchte sich der 2024 verstorbene Salmond später zu rechtfertigen.


Der britische Investigativ-Journalist Anthony Baxter hat über die skandalösen Vorgänge im Zusammenhang mit dem Bau des Platzes einen sehenswerten und preisgekrönten Dokumentarfilm gedreht und eine Fortsetzung unter Einbeziehung von Trumps erster Bewerbung um das Amt des US-Präsidenten produziert. Die ist bei YouTube verfügbar, der beziehungsreiche Titel lautet: „You‘ve been trumped too“, „Auch Sie wurden übertrumpft“.

Knicken DP World Tour und R&A ein?
 

Aktuell erlebt der Kotau vor The Donald ein Remake. Nachdem Touren und Verbände den Populisten, Polemiker und Pöbler jahrelang zur Persona non grata erklärt hatten, wird nun der sehnliche Wunsch des Immobilien-Tycoons nach einem Golfturnier von Weltrang auf einer seiner Anlagen erhört. Die DP World Tour trägt im August die Scottish Championship auf den International Golf Links aus, die übrigens seit der Eröffnung rote Zahlen schreiben und mittlerweile allein aus dem operativen Geschäft ein Minus von rund 20 Millionen britische Pfund vor sich herschieben.
 

Außerdem hat Großbritanniens Premier Keir Starmer dem mehrfachen Insistieren von Amerikas First Golfer nachgegeben und im Buhlen um dessen Gunst die R&A gebeten, das bislang kaltgestellte Turnberry Resort an der Westküste und dessen Ailsa Course doch wieder in der Rota für die Open Championship zu berücksichtigen. Aus St. Andrews wurde bereits eine wohlwollende Prüfung signalisiert. Womöglich kriegt Trump schon 2028, bei der 156. Auflage des weltältesten Majors, die so begehrte Bühne zur Selbstdarstellung.
 

Im Sommer steht überdies die Eröffnung des zweiten Platzes am Rand der Silver City Aberdeen an – der MacLeod Course trägt den Geburtsnamen von Trumps aus Schottland stammender Mutter. Sein Sohn Eric, Executive Vice President des Firmenkonglomerats, preist die Konstellation bereits jetzt als „the greatest 36 holes on earth“. Wenigstens hat man bei der Konstruktion des MacLeod Course, ebenfalls konzipiert vom englischen Architekten Dr. Martin Hawtree und angelegt zwischen Dünen, Heide und Marschland des Balmedie Estate, den ökologischen Belangen etwas mehr Aufmerksamkeit und Sorgfalt gewidmet.

Eigenlob, aber unerlaubte Eingriffe in die Vegetation 
 

Die Verantwortlichen werfen sich jedenfalls gehörig in die Brust. „Angesichts der herausragenden ökologischen und geomorphologischen Gegebenheiten des Geländes war es unsere Priorität, technische Lösungen zu finden, die nicht nur die Mindeststandards erfüllen, sondern die natürliche Landschaft aufwerten, mit besonderem Augenmerk auf das Wassermanagement und die biologische Vielfalt“, sagt Clare Barber, Chefin der für das Projekt zuständigen Ingenieursfirma Fairhurst. Esie O‘Mahoney vom Generalunternehmer Golflink Evolve pflichtet artig bei: „Dies ist das bei weitem umweltfreundlichste und nachhaltigste Golfplatzprojekt, an dem wir in meinen 30 Jahren in der Branche gearbeitet haben.“
 

Wes Brot ich ess, des Lied ich sing: Die Worte hört man wohl, allein es fehlt der Glaube. Anwohner David Milne, einer der Protagonisten des Protests gegen den ersten Platz, hat bereits mitgeteilt, dass wohl diverse Bäume ohne Erlaubnis gefällt und entwurzelt worden seien. Man will sich nicht vorstellen, was eventuell im Untergrund passiert und mittlerweile mit Sand überdeckt worden ist. Das mag ein wenig objektive Ansicht sein, doch das schlechte Beispiel liegt nebenan. Es fällt schwer, der spektakulären Schönheit des Championship Course nicht zu verfallen, den Hawtree als „dramatischste, anregendste und belebendste Golfrunde meiner Karriere“ preist. Aber wie so oft gilt: Außen hui, innen pfui. Der Platz ist ein potemkinsches Dorf, das Spektakulum erhebt sich über den Ruinen eines rücksichtslos ramponierten Ökosystems. Dabei stehen die Foveran Links als Site of Special Scientific Interest (SSSI, Stelle von besonderem wissenschaftlichen Interesse) eigentlich unter dem höchsten Schutzstandard, den Schottland vergeben kann.
 

Dennoch wurden ganze Dünenkomplexe eingeebnet, stabilisiert oder umgeformt und durch den Eintrag von Rasentragschicht sowie durch den Graswuchs versiegelt. Die Dynamik der Dünen ist dahin – das Todesurteil für solche geomorphologische Phänomene. Zudem wurden Wasserläufe begradigt, zugeschüttet oder künstlich angelegt, den Anwohnern damit gleichzeitig im Wortsinn das Wasser abgegraben. Und und und. „Wir hoffen, dass Schottland weiterhin die besten Golfplätze der Welt anbieten und fördern wird. Aber die Zerstörung eines Teils der wunderschönen, unberührten Küste von Aberdeenshire ist ein zu hoher Preis“, heißt es dazu vonseiten der RSPB Scotland (Royal Society for the Protection of Birds).

Golf mit gutem Gewissen
 

Die Liste der Verfehlungen ist derart lang, dass sich NatureScot, die für den Erhalt des Naturerbes zuständige Regierungsbehörde, genötigt sah, die unwiderruflich geschädigten Areale aus dem SSSI-Gebiet auszugliedern. Wie es anders geht, zeigt sich ,gegenüber‘ in Machrihanish Dunes. Nicht nur, dass der Linkskurs als bislang einziger Golfplatz auf den britischen Inseln in einer SSSI angelegt werden durfte. Die Behörde hatte das Projekt nach langem Bedenken, genauer Prüfung und unter hohen Auflagen genehmigt und sieht sich bestätigt. „Es gab bis heute nicht eine einzige Beanstandung, sondern vielmehr enorm positive Resonanz von NatureScot, den anderen Umweltverbänden und den Menschen hier auf Kintyre“, betont Greg Sherwood, Europachef von Southworth, einem in Boston ansässigen, weltweit tätigen Unternehmen für die Entwicklung und Verwaltung von Golf- und Wohnanlagen.
 

Der gebürtige Schotte McLay Kidd, dessen Vater Head-Greenkeeper in Glasgow war, verwirklichte einen Jugendtraum aus einstigen Ferientagen auf Kintyre und vollbrachte das Kunststück, bei der Gestaltung des Geländes lediglich 2,8 der insgesamt knapp 105 Hektar Fläche ,anzufassen‘ – für Teeboxen und Grüns. Bei allem anderen schöpfte McLay Kidd aus den natürlichen Vorgaben, spielte ausschließlich mit den originären Ondulationen und zeigt, was Golf einst in Reinform war – ein Geländespiel.
 

Das Ergebnis ist auf andere Weise spektakulär. Irgendwie, irgendwo ziehen sich 18 Golfbahnen – jede ebenso eigenwillig wie einzigartig – durch ein wogendes Meer aus welligem Sand, dem die Festuca ,Schaumkronen‘ aufsetzt. Hier ein sattgrüner Fleck, dort ein monochromer Streifen in der gelbgrünbraunen Melange, und dahinter der Nordatlantik. Richtung Westen nur endloser Ozean, next stop Neufundland.
 

Weil die Landschaft das Layout vorgibt, hat der Platz auf der Front Nine sogar zwei Par-3-Löcher hintereinander. Die Fünf und die Sechs sind mittlerweile echte Signature Holes und der beste Beweis, dass optische Täuschungen wie eine False Front oder geschickte kaschierte Bunker viel spannendere und gefälligere Schwierigkeitsgrade ergeben als schiere Distanz. Selbst die Bunker platzierte McLay Kidd, wo Wind und Schafe den Sand ohnehin freigelegt hatten.
 

Heute ist Superintendent James Parker für den Erhalt und die Pflege des sensiblen Dünenverbunds zuständig. Flora wie Fauna dürfen ohne menschlichen Einfluss existieren, und im Rough von Machrihanish Dunes wachsen seltene Orchideen. Ein gelegentlich ins dichte Kraut geschlagener Ball schadet nicht, Suchen ist bei der Höhe der Halme eh zwecklos. So kann‘s also auch gehen.
 

Und deswegen gaben Behörden und Bevölkerung unlängst grünes Licht für die Erweiterung um einen zweiten Platz, der zwar weitgehend auf Agrarflächen entsteht, indes zu mindestens einem Drittel ebenfalls den SSSI-Bereich am Meer einbezieht. Die lokalen Landwirte geben nicht nur die notwendigen Parzellen für den Kurs und für die Erweiterung mit neuem Clubhaus, Hotel, Cottages und Übungsanlagen her, sondern stellten unaufgefordert und unentgeltlich den passenden Bodenstreifen für die Zufahrt zur Verfügung – das beste Zeichen für ein einvernehmliches Miteinander. Machrihanish Dunes ist großes Golf mit gutem Gewissen. Schade, dass das nicht überall der Fall ist. 


Autor: Michael F. Basche | Greenkeepers Journal 2/25


<< Zurück