Haftung des Arbeitnehmers
Aus der Rechtssprechung
Einleitung
In diesem Beitrag geht es um die Frage, was passiert, wenn ein Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit seine Pflichten verletzt und hierdurch Schäden verursacht.
Auf einem Golfplatz gibt es zahlreiche Gefahrenquellen: Greenkeeper hantieren mit schwerem Gerät und arbeiten mit Pflanzenschutzmitteln, die bei unsachgemäßem Gebrauch umweltschädlich und/oder giftig sind. Bei ihrer Tätigkeit können sie sich selbst, Arbeitskollegen oder aber unbeteiligte Dritte verletzten und/oder die ihnen anvertrauten Maschinen beschädigen. Ähnliches gilt natürlich auch für die anderen Mitarbeiter eines Golfbetriebes. Wie in allen Arbeitsverhältnissen sind hier zahlreiche Situationen denkbar, bei denen es zu einem Schaden gekommen ist, weil der Mitarbeiter seine Pflichten verletzt hat.
Überblick
Die Rechtsprechung wirkt auf den ersten Blick etwas verwirrend; bei näherer Betrachtung lassen sich die verschiedenen Fälle jedoch gut systematisieren nach:
- Art des Schadens (Personen-, Sach- oder Vermögensschaden)
- Art des Geschädigten (Arbeitgeber, Arbeitskollege, unbeteiligter Dritter)
Ausgangslage
Der Umstand, dass die Rechtsprechung eigene Grundsätze für die Arbeitnehmerhaftung entwickelt hat, liegt in der für den Mitarbeiter äußerst ungünstigen Ausgangslage begründet: Gibt es keine Sonderregeln, so haftet der Arbeitnehmer naturgemäß nach den allgemeinen Vorschriften. Er hat damit für vorsätzliche Pflichtverletzungen, aber auch für Schäden, die er mit leichtester Fahrlässigkeit verursacht, einzustehen.
Beispiel:
Aufgrund einer leichten Unaufmerksamkeit rutscht der Greenkeeper am 13. Loch in den Wassergraben und versenkt dort den Spindelmäher, der im Eigentum des Arbeitgebers steht – Schaden: EUR 16.000,00.
Nach §§ 280, 276 BGB müsste der Greenkeeper hier vollen Schadenersatz zahlen. Der Arbeitnehmer hat nämlich – gut nachvollziehbar – hierdurch seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Überdies stehen dem Arbeitgeber natürlich auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung, § 823 BGB, zu, weil der Greenkeeper das Eigentum des Arbeitgebers beschädigt hat.
Dieses Ergebnis wird allgemein als unangemessen empfunden:
- Der Arbeitnehmer kann die Risiken, denen er ausgesetzt ist, nicht steuern.
- Die Arbeitsmittel, die er benutzt, werden durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Je teurer die Gerätschaften sind, desto höher ist das Schadensrisiko.
- Der Arbeitgeber bestimmt im Übrigen, wie und wo der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat – auch insoweit kann der Arbeitnehmer die Gefahren, denen er sich aussetzt, nur unwesentlich beeinflussen.
Augenfällig ist auch, dass zwischen dem Schadensersatzrisiko des Arbeitnehmers und seinem Verdienst vielfach ein ganz erhebliches Missverhältnis besteht: Mit einem einzigen Fehlgriff können Millionenschäden angerichtet werden; einer der ersten Fälle, bei denen das BAG seine Rechtsprechung entwickelt hat, betraf einen Arbeiter in der Stahlindustrie, der durch einen einzigen – leicht fahrlässigen – Fehlgriff bei der Stahlproduktion einen Schaden von – umgerechnet – EUR 500.000,00 angerichtet hatte.
Es liegt auf der Hand, dass abhängige Arbeit nicht mit dem Risiko der Vernichtung der bürgerlichen Existenz behaftet sein darf.
Die Rechtsprechung hat daher nach Möglichkeiten gesucht und Lösungen entwickelt, um die Haftung des Arbeitnehmers einzugrenzen.
1. Verletzung von Arbeitskollegen – Personenschäden
Beispiel:
P. verletzt beim Rücksetzen des Fairwaymähers den dahinter stehenden Arbeitskollegen D. erheblich.
Für Personenschäden von Betriebsangehörigen gilt eine Besonderheit: Verursacht der Arbeitnehmer – wie hier – einen Arbeitsunfall, bei dem ein Kollege verletzt wird, so greift ein vollständiger Haftungsausschluss, sofern der Arbeitnehmer den Arbeitsunfall nicht vorsätzlich verursacht hat und es sich auch nicht um einen „Wegeunfall“ handelt, § 105 SGB VII.
Dies heißt also: Wird ein Arbeitskollege bei einer betrieblichen Tätigkeit durch einen Mitarbeiter verletzt, hat er gegen diesen Mitarbeiter keinen Schadenersatz- und auch keinen Schmerzensgeldanspruch.
Wichtig: Die Verletzung muss infolge einer betrieblichen Tätigkeit verursacht sein; Schlägereien am Arbeitsplatz fallen also nicht unter den Haftungsausschluss. Der Grund für den Haftungsausschluss liegt darin, dass der betroffene Arbeitnehmer stattdessen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in Anspruch nehmen kann. Die Unfallversicherung ihrerseits hat dann wiederum Regressansprüche gegen den schädigenden Arbeitskollegen, wenn dessen Verhalten mindestens grob fahrlässig war, vgl. im Einzelnen § 110 SGB VII.
2. Verletzung des Arbeitgebers – Personenschäden
Wird bei einem Arbeitsunfall der Arbeitgeber selbst verletzt, so gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend; auch der Arbeitgeber selbst kann mithin den schädigenden Arbeitnehmer nicht in Anspruch nehmen.
3. Haftung für Sach- und Vermögensschäden des Arbeitgebers
Nach allgemeinem Zivilrecht haftet – wie ausgeführt – hier der Arbeitnehmer voll, wenn er Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt und hierdurch beispielsweise im Eigentum des Arbeitgebers bestehende Sachen beschädigt oder dem Arbeitgeber sonst einen Vermögensschaden zufügt.
Beispiel:
- Beschädigung von Fahrzeugen oder sonstigen Arbeitsmitteln (Sachschäden)
- Fehlbuchungen, die dazu führen, dass nicht unbeträchtliche Summen vom Konto des Arbeitgebers „verschwinden“ (Vermögensschaden).
Um dieser misslichen Ausgangslage zu begegnen, hat die Rechtsprechung in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf Schadenersatz haftet, Grundsätze zur Haftungsmilderung entwickelt – sog. Innerbetrieblicher Schadensausgleich.
Diese Grundsätze haben sich in der Vergangenheit mehrfach geändert. Ging man ursprünglich davon aus, dass eine Haftungsmilderung nur bei sog. „gefahrgeneigter Tätigkeit“ vorzunehmen sei, setzte sich in den 80iger Jahren die Auffassung durch, dass die Haftungsmilderung bei jeder Tätigkeit im Arbeitsverhältnis vorzunehmen ist.
Gegenwärtig gilt ein sog. dreistufiges Haftungsmodell:
- Bei leichtester Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht. Leichteste Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn es sich um Fehler handelt, die leicht entschuldbar sind und jedem Arbeitnehmer irgendwann einmal unterlaufen können, sei er auch noch so sorgfältig.
Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer „in aller Regel“ voll – Vorsatz/ grobe Fahrlässigkeit müssen sich dabei auch auf den eingetretenen Schaden beziehen; d.h. der Arbeitnehmer muss bei seiner Pflichtverletzung auch einkalkulieren, dass es zu einem Schaden kommen wird.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die Pflichtverletzung „besonders schwerwiegend“ ist, der Arbeitnehmer diejenige Sorgfalt vernachlässigt hat, die jedem eingeleuchtet hätte, wenn sich der Beobachter also an den Kopf fasst und fragt: „Wie kann der das nur machen?“.
Beispiele: Handytelefonat während der Autofahrt und hierdurch Unfallverursachung; Überfahren einer Rotlichtampel - Bei „normaler“ oder „mittlerer“ Fahrlässigkeit tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Schaden anteilig.
- Mittlere Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn nach den skizzierten Kriterien das Verschulden des Arbeitnehmers weder als ganz besonders leicht noch – Kopftest – als grob fahrlässig einzustufen ist.
4. Anteilige Haftung
Anteilige Haftung bedeutet allerdings keineswegs, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Schaden hälftig zu teilen haben. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung eine „Gesamtabwägung aller Umstände“ vorzunehmen. Es kommt insbesondere an auf
- den Grad des Verschuldens (liegt das Verhalten des Arbeitnehmers an der Grenze zur leichten bzw. zur groben Fahrlässigkeit?),
- die Gefahrgeneigtheit der Arbeit,
- die Höhe des Schadens,
- etwaige Versicherungen, die berufliche Stellung des Arbeitnehmers (ist der Berufsanfänger?),
- die Höhe der Vergütung sowie
- die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienverhältnisse, berufliche Erfahrung, Position des Arbeitnehmer usw.).
Aber auch bei grober Fahrlässigkeit gelten die vorgenannten Grundsätze unter Umständen entsprechend, da – wie ausgeführt – der Arbeitnehmer bei grober Fahrlässigkeit nur „in der Regel“ voll haftet. Auch bei grober Fahrlässigkeit kommt es daher häufig zu einer Kürzung des Schadenersatzanspruches des Arbeitgebers. So hat das BAG beispielsweise entschieden, dass ein Busfahrer, der bei Rot über die Ampel fuhr und hierdurch einen Schaden von EUR 55.000,00 verursachte, nur anteilig haftet, weil ihm zum einen ein teures Arbeitsgerät (!) anvertraut war, es bei Unfällen mit Bussen typischerweise zu hohen Sachschäden kommen kann und eine volle Schadensersatzpflicht ihn – unter Berücksichtigung seines Einkommens – ruiniert hätte, vgl. BAG 12.10.1989, 8 AZR 276/88, NZA 1990, 97.
5. Versicherungen
Der Arbeitgeber muss bestehende Versicherungen (Betriebshaftpflicht, Feuerversicherungen, Kfz-Kasko-Versicherungen) vorrangig in Anspruch nehmen. Hat der Arbeitgeber keine Versicherung abgeschlossen, so muss er sich so behandeln lassen, als gäbe es zumutbare und übliche Versicherungen.
Im Klartext bedeutet dies: Im Bereich der – praktisch wichtigen – Fahrzeug- Kasko-Versicherung haftet der Arbeitnehmer wohl nur auf den üblichen Selbstbehalt, soweit keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt.
6. Haftungsbegrenzungen
Eine summenmäßige Beschränkung der Haftung lehnt das BAG ab; es verteilt vielmehr – wie oben dargestellt – den Schaden nach Billigkeit und Zumutbarkeit. Feste Haftungsquoten gibt es also aus Sicht des BAG nicht.
Demgegenüber wird in der Instanzrechtsprechung teilweise eine feste Obergrenze angenommen, z.B. Begrenzung der Haftung bei mittlerer Fahrlässigkeit auf ein halbes bis ein Monatsgehalt, bei grober Fahrlässigkeit auf bis zu drei Monatsgehälter (vgl. LAG Nürnberg, LAG Köln).
Der Einwand des Mitverschuldens hingegen bleibt dem Arbeitnehmer selbstverständlich – wie sonst auch – erhalten. Ist dem Arbeitgeber also beispielsweise vorzuwerfen, dass er seinen Betrieb nicht richtig organisiert hat und deshalb an der Entstehung des Schadens „mitgewirkt“ hat, kann dies zu einer Minderung des Anspruches führen.
7. Haftung gegenüber unbeteiligten Dritten und Haftung bei Sachund Vermögensschäden von ArbeitskollegenSo wie Haftung bei Sach- und Vermögensschäden von Arbeitskollegen. In diesen Fällen spricht man von der sog. „Außenhaftung“ des Arbeitnehmers. Weder zwischen Arbeitskollegen noch zu unbeteiligten Dritten – beispielsweise Kunden – gibt es eine rechtliche Sonderverbindung. Schädigt der Arbeitnehmer also beispielsweise einen unbeteiligten Dritten oder aber das Eigentum seines Arbeitskollegen, können die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches nicht greifen: Es besteht keinerlei Anlass, einem unbeteiligten Dritten seinen Schadenersatzanspruch teilweise oder vollständig abzusprechen, nur weil der Schädiger im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses handelte.
Beispiel:
Der Greenkeeper überfährt auf dem Weg zum Fairway einen zur Driving- Range eilenden Golfspieler. Bei dem Bremsvorgang wird zusätzlich noch die Brille seines mit ihm fahrenden Arbeitskollegen zerstört.
Es dürfte auf der Hand liegen, dass die Schadenersatzansprüche des Spielers nicht aufgrund des Umstandes, dass der Greenkeeper ihn hier im Rahmen seiner Tätigkeit verletzt hat, zu kürzen sind. Ebenso wenig muss sich der Arbeitskollege eine derartige Kürzung gefallen lassen.
Dies bedeutet also: Im Außenverhältnis haftet der Arbeitnehmer, sofern er einem unbeteiligten Dritten einen Schaden (auch Personenschaden!) oder seinem Arbeitskollegen einen Sach- oder Vermögensschaden zufügt, immer voll. Dies gilt auch, wenn er beispielsweise Arbeitsgeräte nutzt, die der Arbeitgeber nur geleast hat. Dem Leasinggeber haftet der Arbeitnehmer dann voll auf Schadenersatz.
8. Freistellungsanspruch
Dieses Ergebnis ist für den Arbeitnehmer äußerst misslich. Es nützt ihm wenig, aufgrund der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches gegenüber dem Arbeitgeber nur begrenzt zu haften, wenn er dann im Außenverhältnis voll in Anspruch genommen wird.
Dem Arbeitnehmer steht daher, wenn er zwar im Außenverhältnis zum Geschädigten voll haftet, im Verhältnis zum Arbeitgeber aber überhaupt nicht oder nicht in voller Höhe haften würde, ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber von der Schadenersatzpflicht gegenüber dem Dritten zu.
Beispiel: Der Arbeitnehmer beschädigt eine vom Arbeitgeber gemietete (geleaste) Maschine und handelt hierbei leicht fahrlässig.
Der Vermieter bzw. Leasinggeber kann, weil er Eigentümer der Maschine ist, unmittelbar vom Arbeitnehmer Schadenersatz verlangen. Im Außenverhältnis zum Leasinggeber/ Vermieter muss der Arbeitnehmer vollen Schadenersatz leisten, ohne sich darauf berufen zu können, bei einer betrieblichen Tätigkeit gehandelt zu haben.
Er kann aber vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ihn von dem Schadenersatzanspruch des Leasinggebers freistellt. Da er nur leicht fahrlässig gehandelt hat, muss der Arbeitgeber nämlich nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches den Schaden voll tragen. Er kann im Extremfall also seinen Arbeitgeber auf Freistellung verklagen. Im Ergebnis bedeutet dies vereinfacht, dass dann der Arbeitgeber an den Eigentümer der Sache zahlen muss.
Probleme
Der Freistellungsanspruch schützt den Arbeitnehmer aber nicht vollständig: Geht der Arbeitgeber nämlich in die Insolvenz, so ist ein entsprechendes Urteil das Papier nicht wert, auf dem es steht. Da der Arbeitgeber bei einer Insolvenz nicht zahlen wird, muss im Endergebnis der Arbeitnehmer für den Schaden aufkommen.
Zusammenfassung
Das System des innerbetrieblichen Schadensausgleiches lässt sich daher kurz wie folgt darstellen:
1. Verletzung von Arbeitskollegen oder des Arbeitgebers – Personenschäden ➝ Vollständiger Haftungsausschluss, sofern kein Vorsatz und kein „Wegeunfall“, § 105 SGB VII.
2. Haftung für Sach- und Vermögensschäden des Arbeitgebers ➝ Innerbetrieblicher Schadensausgleich – dreistufiges Haftungsmodell:
- Leichteste Fahrlässigkeit: keine Haftung
- Mittlere Fahrlässigkeit: anteilige Haftung
- Grobe Fahrlässigkeit/Vorsatz: „in aller Regel“ alleinige Haftung des Arbeitnehmers.
Es ist bei mittlerer, aber auch bei grober Fahrlässigkeit eine „Gesamtabwägung“ aller Umstände vorzunehmen, um festzustellen, in welchem Umfang der Arbeitnehmer letztendlich haftet.
Versicherungen hat der Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen; hat er keine abgeschlossen, wird er so behandelt, als gäbe es eine.
3. Haftung gegenüber unbeteiligten Dritten und Haftung bei Sachund Vermögensschäden von Arbeitskollegen – sog. Außenhaftung ➝ Volle Haftung. Aber: Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Vorsicht: Insolvenzrisiko.
Autor: Dr. jur. Michael Lenzen ❘ golfmanager 03/2016