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Nachhaltigkeit der Kohorte „Corona-Golfer“

Golfer um jeden Preis

Gute Nachrichten von den Golfanlagenmanagern und -betreibern waren von Nord bis Süd und West bis Ost 2021 zu vermelden. Neue Golfer waren ohne, dass es größerer Anstrengungen bedurfte, auf die Golfanlagen gekommen und haben Mitgliedschafts- bzw. Spielrechtsverträge gegengezeichnet. Rosige Zeiten. Mancher sprach von der guten alten Zeit in den Anfängen der 90ziger Jahre, wo die potenziellen Golfer Schlange vor den Sekretariaten der Golfanlagen standen, um Mitgliedschaften zu zeichnen.

Dann noch die guten Zahlen dieses und letztes Jahr von der jährlichen Statistik des Deutschen Golf Verbandes (DGV) bzgl. der registrierten Golfer. Golf ist wieder da! Trotz dem keine neuen Golfanlagen gebaut werden. Vielmehr macht die ein und andere die Tore für immer zu, was die umliegenden Anlagen mit vielen Vollzahlern beschenkt. War doch der Neubau von Golfanlagen zum Ende der 80ziger bis Mitte der 90ziger Jahre mit über 30 Golfanlagen in Deutschland der entscheidende Wachstumsmotor für die Generierung von Neugolfern. Dann ab 2005 ging es europaweit bergab mit den Neugolfern. Die Lehmann-Krise 2008 bis zum Wirtschaftseinbruch 2010 mit Kurzarbeit etc. hat zu einem Absinken der Neuzugänge und einer Seitwärtsbewegung des Charts der registrierten Golfer bis 2020 geführt.

Dann kam Corona. Nach Schockstarre das Aufatmen – Golf findet im Freien statt – diesen Umstand bemerken nun Teile der 99,2% der deutschen Bevölkerung die (noch) nicht golfen. Mit entflammtem Interesse beginnt die Kohorte der „Corona-Golfer“ ihren Weg auf die Golfanlagen der Republik.

 

Selbst bei stärkerer Nachfrage Golf über Preis verkaufen?

Verpasst wurde hier und da, den Einstieg zu den üblichen Konditionen zu gewährleisten. Stattdessen werden krude Mitgliedschafts-Spielmodelle entworfen, wie die „Berufseinsteiger“, Mitgliedschaft für bis zu 38 Jahre Vollverdiener, die dann nur einen 50% Teil der üblichen Gebühren zu zahlen haben. Warum immer wieder „Golf“ über den Preis verkauft wird, wird dem Autor dieser Zeilen wohl für immer ein Rätsel bleiben, denn Golf wird nicht über den Preis attraktiv. Aber, das gilt es zu respektieren, diese Erkenntnis ist nicht jedem gegeben, der in wirtschaftlicher Verantwortung für eine Golfanlage steht.

 

Gestatten Sie mir, Ihnen einen Einblick in meinen „Alltag“ als vollzahlendes Mitglied einer Golfanlage zu geben: Den Preis, den ich zahle, sieht in Bezug auf „Corona-Golfer“ zuweilen so aus: Bei Herrentagen, bei denen ich wiederholt die Gelegenheit hatte, Herrengolfer aus dieser Kohorte in meiner Spielgruppe zu haben, hat zu beispiellosen Ereignissen geführt (im Bezugssystem 1-6):

 

  • Kleidungsetikette = eine wohlwollende 4
  • Regelkunde = 5
  • Etikette = 6 (eigentlich auch eine 4, aber nachdem ein Mitspieler am dritten Loch des Turniers einen Rangeball aus seinem Bag ins Spiel brachte, schien sich die Büchse der Pandora nicht mehr verschließen zu lassen. Sich keinem Vergehen bewusst, hatte der „Corona“-Mitbewerber dieses Herrentags, meine und die des zweiten Mitbewerbers entsetzten Bemerkungen zur Kenntnis genommen und teilte mit, von dieser „Regel“, Rangebälle nicht auf der Runde benutzen zu dürfen, keine Kenntnis zu haben. Nun, nachdem ich dem Mitbewerber im Turnier mit Stammvorgabe unter 36 bereits zu Beginn des Turniers die Handhabung einer Scorekarte erklären musste, da er mein Zähler war, und sich über das Prozedere mit Kartentausch und Eintrag des Scores eines anderen Mitbewerbers nicht bewusst war, kamen bei mir bereits Zweifel an der Qualität und dem Verlauf seines Platzerlaubniskurses auf. Diese wurden in Bezug auf seine angewandte Etikette bei seinem konsequenten Ignorieren von Puttlinien seiner Mitbewerber bestätigt. Freilich habe ich mich bei dem Golflehrer, bei dem er seine Platzerlaubnis abgelegt hatte, einige Tage nach dem Turnier erkundigt. Dieser bestätigte glaubhaft, diese Informationen im Kurs weitergegeben zu haben.)

 

Die Frage, die sich mir stellt: Wie verlaufen denn wohl Turniere, wenn ein Neugolfer sich über Turnierbeteiligungen auf eine Vorgabe unter 36 spielt, wenn ein Mindestmaß an Regel- und Etikette-Kunde nicht existiert?

 

Sicher ist das geschilderte nicht repräsentativ für die gesamte Kohorte der „Corona-Golfer“. Nein, aber leider auch bei anderen Gelegenheiten und Mitbewerbern im Turnier die Erfahrung gemacht, dass eine starke Fokussierung dieser Golfer auf das Erzielen von Nettopunkten im Turnier besteht.

 

Keine Regeln, kein Spiel, kein Golf(er)

Nun ist die Frage, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Passiert dies in Abwesenheit einer Schwungästhetik und Regelkunde ist das, besonders in Bezug auf die Regeln, schlichtweg kein Golf mehr, was da gespielt wird, sondern das Bewegen eines kleinen Balls mit einem Schläger. Ohne Regeln, kein Spiel.

 

Mein Eindruck ist, dass es eine nennenswerte Anzahl an 2020/2021er Neugolfern nicht über die kritischen ersten fünf Jahre im Spiel schaffen werden.

 

Zwei Gründe sprechen insbesondere dafür:

 

  1. Weil sie unter falschen Voraussetzung in das Spiel geholt wurden (Preisdumping);
  2. weil sie bei Erreichen ihrer Talentgrenze erkennen, dass eine Verbesserung des Spiels nur mit einer Verbesserung der Schwungtechnik zu erreichen ist. Und dann wird nicht mehr Golf gespielt, sondern Golf gearbeitet. Denn die Grundlagen stimmen nicht.

 

Dann ist diese Kohorte, auch aus Betrachtung der Eigenschaften, die der Generation Y zugeschrieben wird, raus.

 

Mein persönlicher Tipp: Konzentrieren Sie sich bei der Gewinnung von potenziellen Vollzahlern auf die Generation der Baby-Boomer – Corona hin oder her!

 

Autor: Adriaan A. Straten | golfmanager 3/2022

 

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