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Marktdurchdringung und Produktentwicklung

Zahlen und Fakten für das Golfanlagen­management, Teil 1

Die gerade in Corona-Zeiten fast schon euphorische Stimmung im Golf-Business normalisiert sich vielerorts wieder. Längst kann sich die Branche nicht mehr darauf verlassen, dass die Rahmenbedingungen für stetiges, überproportionales Wachstum sorgen. Erste Clubs blicken gar mit Sorge auf die Mitgliederbilanz per Ende 2023. Das wird auch durch die Daten des DGVs begründet (siehe Beitrag „Der Golfmarkt 2022“ im golfmanager 3/23): Zwar zeichnet die DGV-Nachfrageanalyse Golf 2022 ein grundsätzlich positives Bild für Golf-Deutschland, da die gesamte Golfnachfrage in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen ist und es nie zuvor in Deutschland mehr organisierte und nicht-organisierte Golfer gab. Aber weitere Daten des DGV belegen auch, dass die für die deutschen Golfanlagen wichtigste Zielgruppe der DGV-registrierten Mitgliedschaften im Vergleich zu anderen Zielgruppen weit weniger wächst und 2022 im Vergleich zum Vorjahr mehr Austritte bei gleichzeitig weniger Eintritten verzeichnete. „Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, werden wir bald kein Wachstum mehr bei den DGV-registrierten Mitgliedschaften haben“ sagte Lawatsch folgerichtig auf dem Hearing des DGV-Verbandstages 2023. Nun kann man sich darüber freuen, dass 2022 dennoch weiterhin ein leichter Zuwachs bei den Mitgliedschaften erzielt wurde – aber kaufmännische Vorsicht und auch Sorgfalt sollten die Golfanlagen dazu motivieren, die aktuelle Situation genau zu analysieren und für sich selbst die Frage nach möglichen Maßnahmen zur Gewinnung neuer Golfer und deren Bindung zu stellen. Dennoch: das Image das Golfsports hat sich in den letzten Jahren verbessert und der positive Trend bei den Golferzahlen insgesamt bietet beste Voraussetzungen. Nun kommt es jedoch darauf an, dass die deutschen Golfanlagen von diesen weiterhin guten Rahmenbedingungen profitieren – sei es bei Mitgliedern oder bei Gastspielern. In den Räumen des Mittelrheinischen Golfclubs Bad Ems – einer Golfanlage mit fast 100-jähriger Tradition – trafen sich daher golfmanager-Chefredakteur Stefan Vogel mit Markus Lawatsch, Leiter Marketing & Golfentwicklung beim Deutschen Golf Verband (DGV), und dem Senior Editor des golfmanager Michael Althoff, um über mögliche Handlungsoptionen zu sprechen. „Grundsätzlich sehe ich für den deutschen Golfmarkt zwei Möglichkeiten: Entweder das bestehende Produkte auf dem bestehenden Markt zu vertreiben, also die Marktdurchdringung. Oder aber die Produktentwicklung, also ein neues Produkt für den bestehenden Markt zu entwickeln“, beginnt Althoff. „Absolut“, bestätigt Lawatsch, „die Notwendigkeit für eine Marktentwicklung oder sogar Diversifikation sehe ich nicht. Doch egal für welche Maßnahmen sich Golfanlagen entscheiden, jede Entscheidung sollte auf Basis von Marktforschungsdaten beruhen“.

Marktforschung als ­unverzichtbare Basis
 

Während in nahezu allen Branchen Marktforschung die Entscheidungsgrundlage für Marktdurchdringung und Produktentwicklung inklusive der zugehörigen Preisfindung ist, wird im Golfbereich nach Ansicht der Gesprächsteilnehmer zu oft ohne eine objektive und repräsentative Datengrundlage entschieden. „Hier besteht ein großer Unterschied zu vielen Golf-Megaprojekten im Ausland“, sagt Althoff. Dort werde zunächst mit viel Aufwand das Marktpotenzial zu bestimmten Zielgruppen analysiert und darauf aufbauend, vor allem bei den beispielsweise in den USA und Südeuropa derzeit boomenden Communities, das Produktmix aus Golfplatz, Beherbergung, Immobilien und sonstigen Freizeitangeboten definiert. Bis der erste Spatenstich erfolgt, haben die Projektentwickler eine klare Vision von der künftigen Vermarktung des neuen Produkts. Anders in Deutschland: Hier erfolge oft keine detaillierte Marktforschung, die Vorgehensweise erinnere eher an die alte englische Fußball-Strategie des „Kick and rush“: Man definiere zu oft ein Produkt nach eigenem Gutdünken und hoffe dann, dafür ausreichend Kunden zu finden. „Leider meinen immer noch zu viele Golfanlagen, dass sie es seien, die das Angebot bestimmen“, ergänzt Lawatsch, „dabei hat sich die Golfbranche bereits seit sehr vielen Jahren vom Anbietermarkt zum Nachfragemarkt entwickelt, sodass die Nachfrage das Angebot bestimmen sollte“. Entsprechend müsse zum einen auch für eine SWOT-Analyse (Anmerkung: Die SWOT-Analyse ist ein Instrument der Strategieplanung, die vier Buchstaben stehen dabei für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken)) genau das Einzugsgebiet erforscht und somit Daten wie beispielsweise Einwohneranzahl, Golferanzahl, Kaufkraft und Tourismusintensität ermittelt werden. Denn der Standort spiele mit die wichtigste Rolle. So werden beispielsweise Golfanlagen in reinen Ferienregionen außerhalb der Saisonzeiten kaum wirtschaftlich zu betreiben sein. „Doch statt – wie es selbst renommierte Anlagen wie Kingsbarns in Schottland vormachen – in der Nebensaison zu schließen, versuchen viele dieser Anlagen in Deutschland, mit viel zu wenigen Mitgliedern und über Rabatten angelockten, regionalen Gastspielern über die Runden zu kommen, oft nur mit sehr begrenztem Erfolg“, so Althoffs Erfahrung.

Zudem müssen auch Golfer und Nicht-Golfer hinsichtlich deren Einstellungen und Bedürfnissen genau analysiert werden, um effiziente Entscheidungen treffen zu können. „Doch leider machen das trotz Players 1st, einem DGV-Service für DGV-Mitglieder, immer noch zu wenige Golfanlagen“, sagt Lawatsch, „da sie auch ohne repräsentative sowie anonyme Umfrage meinen, die Zufriedenheit und Wünsche ihrer unterschiedlichen Kunden, insbesondere der Mitglieder, zu kennen“. Noch nicht einmal die neuen Mitglieder würden befragt werden, warum sie eingetreten seien und wie sehr ihre Bedürfnisse erfüllt würden. Doch das ist wichtig, denn „den“ Golfer mit allgemein gültigen Anforderungen gibt es nicht – und eine Mitgliedschaft ist ein Produktbündel, das sehr viele unterschiedliche Bedürfnisse befriedigt. „Und wer kann denn besser als der eigene Kunde sagen, wie das Produkt der Golfanlage wahrgenommen wird – und was das Produkt somit letztendlich ist?“ sagt Lawatsch. „Wichtig ist es auch, die Ergebnisse der Marktforschung und Preisfestsetzung einer ersten Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen – denn auch wenn die Zielgruppe, das Produkt und der Preis klar definierbar sind, steht noch lange nicht fest, dass die Anlage damit dauerhaft überleben kann“, ergänzt Althoff.
 

Produkt Golf und sein Preis 
 

Im Heinz Rühmann-Film „Die Feuerzangenbowle“ wird eine legendäre Frage gestellt: „Wat is en Dampfmaschin?“, fragt Professor Bömmel seine Schüler und gibt für den Lösungsansatz vor: „Da stelle mer uns janz dumm.“ In der Tat hilft es in vielen Wirtschaftsbereichen, zunächst einmal das Produkt und seine Kunden klar zu umreißen – sonst läuft man schnell Gefahr, mit seinen Aktionen am Ziel vorbeizuschießen. Übertragen auf die deutsche Golfszene lautet daher die Frage: Was ist das Produkt einer Golf­anlage oder eines Golfclubs? Vielfach sehen Golfanlagen den Platz als ihr Produkt – doch das sei nur die Basis und ein Teil, wie Lawatsch und Althoff unisono bekunden. „Vielerorts wird immer wieder Golf als Sport in den Vordergrund gestellt“, erklärt Althoff, und fragt: „Doch wie groß ist tatsächlich der Anteil der Golfer, die regelmäßig an vorgabenwirksamen Turnieren teilnehmen oder sich gar in der Mannschaft ihres Clubs engagieren? Die meisten Golfer setzen eher auf Spaß, Erholung, soziale Kontakte oder Gesundheit. Und nicht nur beim Golfspiel, sondern auch bei anderen Angeboten der Golfanlage wie beispielsweise der Gastronomie oder Veranstaltungen“. Und Lawatsch ergänzt „Die Mitgliedschaft bzw. das Spielrecht ist nur der Preis für dieses Produktbündel – also beispielsweise bei einer Vollmitgliedschaft eine Flatrate oder bei einer VcG-Mitgliedschaft eine zweiteilige Tarifform mit geringen Fixkosten und hohen variablen Kosten für das Greenfee“. Die Mitgliedschaft oder das Spielrecht stelle somit nichts anderes als eine mengen- oder zeitpunktbezogene Preisdifferenzierung des Produktes dar, ist jedoch in Golfdeutschland nicht nur im Falle einer Vereinsmitgliedschaft mehr als das, da man beispielsweise mit einer Mitgliedschaft einen Ausweis erhält, der es wiederum ermöglicht, auf anderen Golfanlagen preislich differenziert Golf zu spielen. 
 

Marktdurchdringung versus ­Produktentwicklung 
 

Was also tun, wenn man neue Mitglieder gewinnen will? Das bestehende Produkt weiterhin im bestehenden Markt vertreiben oder die Entwicklung neuer Produkte? Hierzu hat Lawatsch eine klare Meinung: „Für die meisten Golfanlagen ist es die Marktdurchdringung“, sagt er, „was durch Marktforschungsdaten belegt wird. Denn zum einen zeigt die DGV-Nachfrageanalyse Golf auch weiterhin ein sehr hohes Interesse bei Nicht-Golfern auf, was übrigens durch die Pandemie belegt wurde. Denn sehr viele Golfanlagen haben viele neue Kunden gewonnen. Und das ohne Werbemaßnahmen. Und zum anderen sehen wir, dass viele Golfanlagen viele effiziente Maßnahmen zur Mitgliedergewinnung nicht optimal nutzen, falls überhaupt“. Zudem zeige der geringe Anteil an Golfspielern in der Bevölkerung im Vergleich zu anderen Nationen ebenfalls ein weiterhin großes Potenzial. „Allerdings“, so Lawatsch, „müssen viele Golfanlagen bestehende Marketing-Maßnahmen optimieren, fehlende ergänzen und die Zusammenarbeit mit dem Pro verbessern“. Sollte jedoch die Möglichkeit bestehen, das Produkt um einen öffentlichen Platz zu erweitern, wäre das sehr hilfreich bei der Gewinnung neuer Golfspieler. Also keine Produktentwicklung? „Erst im Zusammenspiel aus generellem Potenzial und Marktdurchdringung erkennen Anlagen, ob und in welchem Umfang sie noch Wachstumsmöglichkeiten bei ihren Zielgruppen haben“, erläutert Althoff und ergänzt: „Gerade die zahlreichen internationalen Top-Anlagen, die rein auf Pay&Play-Basis arbeiten, zeigen, dass es mancherorts gar kein ausreichendes Potenzial für Mitgliedschaften gibt“. So kann es durchaus sein, dass an einem Standort bei Vollmitgliedschaften das Potenzial weitgehend ausgeschöpft ist, während es noch Luft für Gastspieler und flexible Mitgliedschaftsmodelle gibt. „Zudem spielt natürlich auch eine wichtige Rolle, welche Personen- oder Altersgruppen man ansprechen möchte“, so Althoff weiter und ergänzt: „Viele Anlagen suchen gut verdienende Erwachsene ab Ende 30 Jahren Alter – aber anstatt sich hier auf Neugolfer zu verlassen, kann man diese Zielgruppe auch selbst heranziehen, indem man in Kinder- und Jugendtraining investiert!“ Immer wieder hört man gerade von Eltern junger Kinder die Klage, dass auf manchen Golfanlagen Kinder und Jugendliche von einigen Mitgliedern als störend angesehen werden – oder nur begrenzten Zugang zum Platz haben. „Das erinnert mich an meine Zeit als Ganztagesschüler im Tennisclub, bei dem ich nur wochentags zwischen 13 und 17 Uhr spielen sollte – was natürlich nicht ging“, so Althoff. Lawatsch bestätigt, dass gerade für jüngere Menschen eine Produktentwicklung hinsichtlich flexibler Mitgliedschaftsmodelle unausweichlich ist, um innerhalb dieser Zielgruppe stärker zu wachsen. „Allerdings“, merkt Lawatsch an, „haben wir bei der Einführung einer zweiteiligen Tarifform wie beispielsweise einer Greenfeemitgliedschaft ein größeres Problem“. Zwar würden sich Zielgruppen mit wenig freier Zeit selten für eine Flatrate, sondern eher für ein flexibles Mitgliedschaftsmodell entscheiden, mit dem sie mit geringen Fixkosten zusätzlich für jede Runde zahlen. „Wir haben jedoch in Deutschland viele Golfspieler mit einer Flatrate, die wenig spielen, sodass für Golfanlagen die Gefahr besteht, viel Geld zu verlieren, wenn diese Golfspieler in einen zweiteiligen Tarif wechseln können. Bei Greenfees“, so Lawatsch weiter, „sehe ich jedoch keine Probleme bei preislichen Differenzierungsmaßnahmen, sondern hohes Gewinnpotenzial, da hier die variablen Kosten sehr gering sind und Golfanlagen in der Regel nur eine zeitliche Preisdifferenzierung durchführen“ – dies aber beispielsweise mit dem Sundowner oder vergleichbaren Maßnahmen nur rudimentär „und nicht zusätzlich mengenbezogen, um das für Golfmarkt prädestinierte Yield-Management zu ergreifen“

Auch bei anderen Produkten sehen Althoff und Lawatsch Entwicklungspotenzial. So werden Plätze immer noch vielfach auf 18-Löcher-Basis ausgerichtet, obwohl viele Anlagen längst feststellen, dass immer mehr Golfer lieber 9 Löcher spielen. Und ohne Platzreife oder besser WHI kommt man weiterhin kaum auf die wirklich guten Plätze, unabhängig von der tatsächlichen Spielstärke. Besonders auffällig: Offensichtlich gehen die meisten Anlagen weiterhin davon aus, dass ohnehin genügend Interessenten den Weg in den Club fänden und nach Mitgliedschaften fragten, denn echte Marketing- und Vertriebspositionen sind in der deutschen Golfszene fast noch seltener als Hole in Ones. „Die Branche hat vielfach ein Strukturproblem: Viele Anlagen sourcen am liebsten alles aus, auch das Greenkeeping, und können so Veränderungen nicht mehr ohne Zustimmung ihrer Outsourcing-Partner umsetzen“, sieht Althoff eine Ursache der Situation. „Auch die Mitgliedergewinnung haben viele Golfanlagen outgesourct“, ergänzt Lawatsch, „zumindest diejenigen, die alle interessierten Nicht-Golfer zum Schnuppern an den nicht angestellten Pro verweisen und erst wieder mit dem potenziellen Mitglied kommunizieren, wenn es sich nach oder während des anschließenden PE-Kurses nach einer Mitgliedschaft erkundigt.“
 

Wettbewerber nicht vergessen 
 

Wichtig ist zudem nach Ansicht der Experten, dass man auch die Strategien der Mitbewerber vor Ort analysiere – denn oft konzentrierten sich alle Anlagen auf die gleiche Zielgruppe, während für andere, ebenso lukrative Zielgruppen regional kein Angebot verfügbar sei. „Das zeigt sich beispielsweise immer vor dem 30.09., wenn Anlagen Mitglieder anderer Clubs mit dem Versprechen locken, dass diese im laufenden Jahr Greenfee-frei im neuen Club spielen können – ein klassischer Fall von Verteilungswettbewerb, der Golfsport an sich wächst auf diese Weise kein bisschen“, so Althoff. Wichtig sei daher, einerseits eigene Mehrwerte im Wettbewerb mit anderen Anlagen des regionalen Markts zu identifizieren – oder das eigene Angebot zu modifizieren und so für weitere oder andere Zielgruppen attraktiv zu werden. „Und“, schließt Lawatsch, „nicht nur andere Golfanlagen mit gleichem Einzugsgebiet sind Wettbewerber – sondern alle Anbieter, die um die Freizeit der gleichen Zielgruppe kämpfen, sodass auch deren Maßnahmen regelmäßig erforscht werden müssen“

Auf Grundlage eines Gesprächs von Stefan Vogel, Markus Lawatsch und Michael Althoffgolfmanager 05/2023