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Heute geh‘ ich in Klausur …

Wenn es gilt, strategische Weichen zu stellen

In Ruhe nachdenken, wichtige Entscheidungen vorbereiten und treffen oder einfach nur einmal ungestört arbeiten. Dies ist leider sehr häufig nicht möglich. Das aufreibende Tagesgeschäft mit ständigen Störungen, ob telefonisch, ob physisch, akustisch, digital oder ... Ein simpler und sehr erfolgversprechender Ansatz: Einfach mal weg und „in Klausur gehen“.

 

„Schon wieder so ein Schlagwort!“,  werden Sie sich vielleicht denken. Und in der Tat ist es wieder ein Schlagwort, welches bei mir allerdings einen hohen Stellenwert hat. Es ist für mich ein fester Bestandteil meines privaten wie beruflichen Engagements.

 

Klausur – „ein bekanntes unbekanntes Wort“

Doch beginnen wir mit dem Begriff. Das Wort „Klausur“ hat einen lateinischen Ursprung: claudere = abschließen, verschließen. Inzwischen verwenden wir diesen Begriff in zwei Bereichen, bei schriftlichen Arbeiten an Schulen oder Universitäten und eben als Begriff für eine bestimmte Art von Tagungen.

 

In Abbildung 1 versuchen wir, den Begriff Klausur mit seinen eigenen Buchstaben näher zu erklären.

 

Wenn Sie beabsichtigen, allein oder mit einen Gremium in Klausur zu gehen, dann sollte Ihre Agenda nicht unzählige Themen haben. Meine Empfehlung: Konzentrieren Sie sich auf ein oder maximal drei Themen.

 

Lieblingsthema: Strategie

Sehr viele Klausurtagungen beschäftigten sich mit dem Thema Strategie bzw. mit der strategischen Ausrichtung für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Dies gilt für Golfanlagen ebenso wie für mittelständische Unternehmen. In den meisten Fällen werden diese Tagungen dann auch als Workshop durchgeführt. Kleinere Arbeitsgruppen entwickeln Ideen, die dann gemeinschaftlich und zielführend diskutiert werden.

 

Wie wichtig eine sorgfältig erarbeitete Strategie für eine Golfanlage ist, verdeutlicht Abbildung 2 mit den zwei Dreiecken, die je eine Golfanlage darstellen. Die „grüne Golfanlage“ hat den Schwerpunkt auf strategische Überlegungen gesetzt und erst dann folgt das Tagesgeschäft. Die „rote Golfanlage“ geht nach meiner Interpretation im Tagesgeschäft unter. Zeit für langfristige Überlegungen haben sich die Verantwortlichen dieser Golfanlage eher nicht gemacht.

 

 

Sie können diese Grafik auch als Experiment darstellen. Stellen Sie dazu zwei Flaschen, z.B. Mineralwasser, auf Ihren Schreibtisch. Eine Flasche stellen Sie normal hin und die andere Flasche stellen Sie auf den Kopf. Mit etwas Geschick bleibt sie auch stehen.

 

Dann simulieren Sie „die Kräfte des Marktes“ und stoßen leicht bis kräftig gegen den Tisch. Die ausbalancierte Flasche verliert ihren Halt und kippt um. So kann es in der Realität Golfanlagen gehen, deren Verantwortliche in den Tag hineinleben oder ständig ihre Konzepte und Angebote verändern.

 

Keine Ad-hoc-Klausurtagung

Während einer Klausurtagung laufen auch interaktive Prozesse ab. Sie hören andere Meinungen, registrieren neue Ideen und erfahren andere Sichtweisen. Für mich gilt: Lernprozesse zulassen. Auch wenn Sie allein in Klausur gehen, durchlaufen Sie Lernprozesse, indem Sie aus den von Ihnen entwickelten Szenarien oder Lösungsansätzen lernen. Nehmen mehrere Personen an dieser Tagung teil, sollte Offenheit herrschen, denn jede Wortmeldung kann zu neuen Ideen führen. Dafür ist Ruhe nötig und eine geschützte Atmosphäre.

 

Praxisbeispiel:

Bei einem Projekt trafen wir uns zweimal innerhalb von vier Wochen in einem Hotel. Die Klausurtagung begann mit dem Mittagessen am Samstag und hörte mit dem Mittagessen am Sonntag auf. Zwischen den Mahlzeiten wurde dann intensiv gearbeitet; alle Teilnehmer übernachteten auch in dem Seminarhotel. So war unser Thema ständig präsent und alle Teilnehmer hatten den gleichen Wissensstand.

Ergebnisse: Mehrere größere und kleinere Investitionen sowie verschiedene Verbesserungen für das Clubleben im Allgemeinen.

Der erste Schritt:  Unmittelbar nach der Tagung wurde eine Mitgliederbefragung durchgeführt, an welcher ca. 75% der Vollmitglieder teilnahmen.

 

Das „Anti-Beispiel“:

„Wir gehen jetzt mal für eine Stunde nebenan in Klausur“, meinte der Geschäftsführer zu seinen Mitarbeitern. Der eigene Besprechungsraum oder das eigene Büro eignen sich kaum für eine Klausurtagung.

Gern nimmt man für solche Gespräche auch den Ecktisch im Clubrestaurant. Dort sind Sie den Blicken der anderen Gäste ausgesetzt und auch das Hallo-sagen oder das Zuwinken unterbricht den aktuellen Gedankengang …Fazit: Sehr wahrscheinlich keine Ergebnisse und genervte Teilnehmer.

 

 

Im eigenen Büro oder im Besprechungsraum sehen Sie die gleichen Bilder, Ihre Notizen am Whiteboard oder Ihre Bücherwand. Verlassen Sie Ihren Golfplatz und suchen Sie sich ein abgeschiedenes Hotel mit entsprechender Seminarinfrastruktur.

Suchen Sie sich einen Standort, der nicht zu dicht an Ihrer Golfanlage oder Ihrem Wohnort liegt. Auch hier gibt es eine Faustregel, Abstand von mindestens einer Stunde Fahrtzeit bei fließendem Verkehr.

 

Reisen Sie am Abend vor der Tagung an, dann beginnen Sie am nächsten Morgen ausgeschlafen und entspannt mit Ihrer Klausurtagung. Sie arbeiten ungestört in einem für Sie reservierten Seminarraum mit der gewünschten Ausstattung, z.B. mit Flipchart, Beamer und Leinwand sowie einem gut sortieren Moderationskoffer.

 

Hören Sie sich auch die Meinungen aller Beteiligten an. Alle Ideen sind erlaubt. Beraten Sie sich und wägen Sie das Für und Wider der verschiedensten Gedanken ab. Vereinbaren Sie vorher, dass alle Teilnehmer auf Killerphrasen oder Totschlagargumente verzichten. Zur Sicherheit schreiben Sie solche auf einen Flipchartbogen und hängen das Blatt gut sichtbar auf. Vielen von uns fällt es schwer, diese oft liebgewonnenen Floskeln zu vermeiden.

Ideenvielfalt

Wer in Ruhe oder in einer konstruktiven Arbeitsgruppe arbeitet, entwickelt viele Ideen. Mit Hilfe einer Reihe von Kreativitätstechniken kann der Prozess der Ideenentwicklung noch beschleunigt werden.

 

Die Technik Mind Mapping eignet sich auch als Einzelübung. Andere Techniken wie Brainstorming, Brainwriting oder die Osborn-Methode eignen sich nur dann, wenn a) die Regeln bekannt sind und beherzigt werden sowie b) mehrere Personen an der Übung teilnehmen.

 

Wer viele Ideen hat, steht vor einer weiteren Herausforderung: Welche Idee hat Priorität, und welche Idee benötigt für ihre Umsetzung Ressourcen wie Personal und/oder Geld? Die Erstellung einer Prioritätenliste wäre der nächste Schritt.

 

Die Abgeschiedenheit der Klausur dient Ihnen unter anderem auch zur Selbst-Reflexion. In Ruhe nachdenken zu können, verspüren wir häufig als ein Geschenk, welches wir uns zu selten gönnen, warum eigentlich?

 

Eigene Erfahrung:

Seit Mitte der 1990er Jahre begebe ich mich alle zwei bis drei Jahre in Klausur. Auf der Tagesordnung habe ich meistens nur ein Thema.

Je nach Aufgabenstellung lade ich mir Persönlichkeiten ein, die mich bei meinen Lösungsansätzen bzw. der Ideen – und später der Entscheidungsfindung – unterstützen können.

Ein Ergebnis: Einmal ging es darum, Ideen für mich zu entwickeln, wie ich trotz enormer Arbeitsbelastung entspannen kann. Eine Idee lautete: Reaktiviere deine Modelleisenbahn, gesagt, getan und … sie fährt noch heute!

 

Nach diesem ersten Überblick folgen nun weitere Hinweise für eine erfolgreiche Klausurtagung.

 

Das Datum

Eine alte und immer wieder gern verwendete, sogenannte Anti-Weisheit lautet: Es ist immer der falsche Zeitpunkt! Der richtige Zeitpunkt für Ihre nächste Klausurtagung liegt in dem Zeitfenster zwischen dem 1. Januar und dem 31. Dezember – Sie gestatten mir diesen Einwurf … Eine aus meiner Sicht falsche Schlussfolgerung wäre, nur wegen (angeblicher) Terminschwierigkeiten ganz auf eine Tagung zu verzichten.

 

Die Vorbereitung

Eine schlecht vorbereitete Tagung, ohne einen sorgfältig erarbeiteten Arbeitsplan, Unterlagen, ggf. Tischvorlagen usw. wird in den meisten Fällen zu einem Desaster und kann zum Imagekiller mit weitreichender Wirkung werden. Die Motivation der Teilnehmer sinkt auf den Nullpunkt und die Bereitschaft, erneut an einer Klausurtagung teilzunehmen, ist kaum noch zu erwarten.

 

Das Ziel der Veranstaltung

Jede Tagung ist eine Investition und kostet die Zeit der Beteiligten und benötigt ein Budget für die Kosten für Räumlichkeiten, Seminartechnik, Bewirtung und ggf. für den Moderator. Damit sich diese Investition auch lohnt, ist es sinnvoll, das Ziel der Tagung vorher festzulegen.

 

In der Managementliteratur hat sich für die Zielformulierung seit vielen Jahren die SMART-Formel etabliert. In diesem Beitrag stelle ich Ihnen eine Modifizierung  vor, die SMARTE-Formel, welche inzwischen unter Moderatoren und Trainern immer beliebter wird:

 

S = spezifisch (Worum geht es?)

M = messbar (Ist das Ergebnis ­messbar, Menge, Anzahl usw.)

A = attraktiv ­(Ist das Ziel anspruchsvoll?)

R = realistisch (Ist das Ziel auch erreichbar?)

T = terminiert (In welchem Zeitraum oder bis wann soll etwas erreicht werden?)

E = ethisch (Ist das Ziel moralisch vertretbar? Geht es zu ­Lasten ­Dritter?)

 

Die Örtlichkeit

Meine Favoriten für Klausurtagungen sind kleinere, idealerweise familiengeführte Seminarhotels. Wenn Sie mehrere Tage eingeplant haben, werden Sie sich in solchen Hotels wohler fühlen als in sogenannten Bettenburgen. Der erfolgreiche Klausurtag beginnt mit einem guten Frühstück in angenehmer Atmosphäre. Massenabfertigung beim Frühstück kann schon zum ersten Frusterlebnis des Tages führen.

 

Die Ausstattung

Für mich als Trainer und Moderator sind die Tagungsräume und deren Ausstattung wichtig. Für so manche Führungskraft hat die Weinkarte oder die Öffnungszeit der Hotelbar eine höhere Priorität. Bei gut organisierten und flexibel geleiteten Klausurtagungen kommt das kulinarische Vergnügen nicht zu kurz. Mittags leichte Kost und alkoholfreie Getränke, und am Abend – durchaus auch bei einer Gruppenarbeit –  ein frisch gezapftes Bier. So lässt sich das angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

 

Die Leitung

Wer leitet idealerweise ein Klausurtagung? Diese Frage birgt sehr viel, auch finanziellen, Zündstoff. Viele dienstbeflissene Mitarbeiter meinen: Der Präsident! Und ich meine, genau das Gegenteil. Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, brauchen alle Teilnehmer der Tagung einen klaren Kopf, auch der Präsident oder Geschäftsführer. Denn auch der Verantwortliche, ob Geschäftsführer, Betreiber oder Präsident will bzw. muss gut zuhören. Dies kann er nicht, wenn er die Tagung selbst leitet und sich auch noch um den Pausenkaffee kümmern muss. Wer moderiert, kann sich weniger Gedanken um Details machen oder wichtige Aussagen reflektieren.

 

Praxisbeispiel:

Vor einigen Jahren – ich war Geschäftsführer der DEULA Bayern in Freising –, vereinbarten die Leiter aller im Bundesverband DEULA e.V. organisierten Bildungszentren Termine für eine dreigeteilte Klausurtagung, in der wir verschiedenste strategische Dinge diskutieren und verabschieden wollten.

Da wir Geschäftsführer natürlich unsere eigene DEULA für „DIE DEULA“ hielten, entschieden wir uns für einen externen Moderator, der von uns vor der ersten Sitzung gebrieft, sprich: informiert wurde.

Auf Grund dieser Investition kamen wir am Ende einer jeden Tagung auch zu einem Ergebnis und verzettelten uns nicht im Klein-Klein oder verloren uns im Meinungswettstreit.

 

Ein externer Moderator leitet eine Klausurtagung professionell und am besten nach einem ausführlichen Briefing. Der Moderator unterstützt die Vorbereitung der Tagung, leitet diese unter der Maßgabe der Wertschätzung aller Beteiligten und führt die einzelnen Themen zu Ergebnissen.

 

Der Werkzeugkasten

Auch für Klausurtagungen gibt es Werkzeugkästen. Diese enthalten eine Vielzahl von Moderationsmaterialien, die ein erfahrener Tagungsleiter geschickt einzusetzen versteht.

 

Denken Sie bitte daran, dass eine PowerPoint-Präsentation als Vortrag auch mal ganz schön sein kann, wenn es gilt, alle Anwesenden auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Auch kann z.B. ein kurzes YouTube-Video zur Auflockerung der Tagung oder der Inspiration der Teilnehmer dienen.

 

Häufig werden inzwischen Informationen und Ergebnisse per Beamer für jeden sichtbar an die Wand geworfen und bei Bedarf per E-Mail allen Beteiligten zur Verfügung gestellt und sind über Tablet oder Smartphone direkt abrufbar.

 

Für die reine Moderation sind meine Favoriten nach wie vor Moderationswände, auch Pinnwände genannt, und Flipcharts. (Zwischen-)Ergebnisse können dann, auch für jeden sichtbar, an Magnetleisten im Tagungsraum angebracht werden.

 

„Neu“: Visualisieren

In den vergangenen Jahren hat sich eine regelrechte Industrie für diesen Bereich entwickelt.  Eine Vielzahl von Büchern, Lernlandkarten und speziellen Seminaren werden inzwischen rund um das Thema Visualisieren angeboten.

 

Schlagworte wie „World Café“, „Visual Facilitating“ oder „Appreciative Inquiry (AI)“ gehören mittlerweile zum Wortschatz von Moderatoren, die offen für Neues sind. Eine weitere Empfehlung und damit auch der Übergang zum letzten Aspekt dieser Aufzählung beschäftigt sich mit dem „Festhalten“ der Ergebnisse. Nach altväterlicher Sitte werden die Ergebnisse in den meisten Fällen schlagwortartig auf einem Flipchart oder vom Protokollanten, für die Beteiligten kaum sichtbar, in einem Notebook festgehalten.

 

Mein Vorschlag: Greifen Sie die neuen Trends auf und visualisieren Sie die Ergebnisse auf einem großen Blatt Papier – nach dem Motto, ein Bild sagt mehr als tausend Worte, bleiben die einzelnen Ergebnisse so besser im Gedächtnis aller Beteiligten. Bedenken Sie bitte weiter, dass ein solches Bild mehr zur Identifikation der Teilnehmer mit „ihren“ Ergebnissen beiträgt, als eine nüchterne Word- oder Excel-Tabelle.

 

 

Das Ergebnis

Wichtig ist, dass jedes Thema mit einem – durchaus auch vorläufigen – Ergebnis beendet wird. Denken Sie bitte jetzt wieder an die Zielsetzung der Tagung. Wurde das Ziel erreicht? Waren die Ergebnisse A wie attraktiv und deren Umsetzung R wie realistisch?

 

Eine wichtige Erkenntnis aus vielen Tagungen ist, dass alle dort entwickelten Ideen am Ende gewürdigt werden sollten. Nichts ist so frustrierend, wenn sich Teilnehmer engagieren und viele Ideen eingebracht haben und dieser Input ohne Kommentar nach der Tagung in der Versenkung verschwindet. Legen Sie am besten die Prioritäten Ihrer Vorhaben mit Zuständigkeiten noch auf der Tagung fest. Auch hier gilt: Konzentration auf wenige, aber wichtige Punkte.

 

Wenn Sie mit einer umfangreichen – unkommentierten – To Do Liste wieder ins Büro fahren, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Tagesgeschäft dominieren wird und vieles liegen bleibt.

 

Meine allerletzte Empfehlung für Ihre nächste Klausurtagung: Haben Sie Spaß und lachen Sie auch mal zusammen. Manche Golfanlagen befinden sich in einer schwierigen Situation. Griesgram, Schwarzsehen und Quengelei führen kaum zum Ziel. Eine positive Einstellung mit einer Prise Humor macht vieles leichter. Ich wünsche Ihnen viel Spaß und eine erfolgreiche Klausurtagung.

 

Autor: Johann Detlev Niemann ❘ golfmanager 05/2016

 

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