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Zukunftsfähiges Produkt Golf?

Golfbranche zwischen Sport und kommerzieller Freizeitgestaltung

Heute ist Golf die achtgrößte olympische Sportart in Deutschland. Eben eine Sportart für viele, die nicht nur rund 650.000 (Anm. d. Red.: Nach den neuesten DGV-Zahlen sogar 670.000) organisierte Golfer deutscher Clubs ausüben. Zu diesen kommen weitere organisierte Golfer aus dem Ausland und geschätzte 1,5 Millionen nicht-organisierte Golfer sowie rund 5,1 Millionen Menschen, die Golf probiert haben. Angesichts dieser Golferzahlen kann von Exklusivität wohl kaum noch gesprochen werden. Umso mehr stellt sich die Frage: Wohin des Weges? Wie sollte ein zukunftsfähiges „Produkt Golf“ gestaltet sein? Betrachtet man den derzeitigen Golfsport, so erinnert dies ein wenig an die katholische Kirche im Jahr 1054: Er ist gespalten – ein Schisma zwischen traditionellen, leistungsorientierten Sportlern auf der einen und freizeit-orientierten Konsumenten auf der anderen Seite. Lassen Sie uns die Stränge dieses Schismas nachzeichnen und darüber nachdenken, wie die Zukunft aussehen könnte.

 

Ist der „Spirit of the Game“ zeitgemäß?

Zunächst gilt es, sich das Produkt Golf einmal zu verdeutlichen. Die Prämisse eines „Produktionskonzepts Golf“ ist, dass potenzielle Golfer jene Angebote bevorzugen, die ihnen ein Höchstmaß an gesuchten Eigenschaften, Qualität und Leistung bringen. Doch was bedeutet dies in der Realität des Golfmarkts? Augenscheinlich gibt es bei Golfmanagern unterschiedliche Produktvorstellungen: Fernmitgliedschaften sollen „Value for Money“, also viel Golfspielen für wenig Kosten, ermöglichen. Andere Golfclubs heben den starken Vereinsgeist mit einem aktiven, sportlich-familiären Miteinander hervor. Welche Eigenschaften das Produkt Golf haben sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Im Mittelpunkt des klassischen sportlichen Wettbewerbs steht der „Spirit of the Game“ (FALK 2021, S. 10). Eng verbunden hiermit ist die „Etikette“, die jeder Golfspieler zusammen mit dem Regelwerk kennenlernen sollte.

 

Aber ist das Produkt „Golf“ tatsächlich so homogen wie es den Anschein hat, wenn vom Golfspielen gesprochen wird? Dies ist eher zweifelhaft. Nur noch jede vierte Golfanlage bezeichnet sich selbst als „klassische, zugleich leistungssportlich orientierte Golfanlage“; bei Anlagen in Vereins-trägerschaft sind es 33,3% und bei Betreiberanlagen 18,1%. Rund die Hälfte aller Golfanlagen bezeichnet sich als „klassisch“, wobei dies eher ein Containerbegriff für 18-Löcher-Anlagen ohne klare Charakterisierung ist (FALK 2020, S. 84f.). Wie heterogen der Golfmarkt ist, lässt sich auch an anderen Beispielen aufzeigen. Vielfach werden minimale Änderungen der Produktentwicklungspolitik wie die Steuerung der Platzauslastung abgelehnt. Startzeitenmanagement und Rundenzählen bieten vor allem kommerzielle Anlagen an.

 

Obwohl jeden Golfplatz dasselbe technisch-funktionale Eigenschaftsbündel kennzeichnet, lassen sie sich deutlich differenzieren. Dies geschieht vor allem über die „Course Quality“ (FALK 2020, S. 77ff.). Oft werden Golf-anlagen auch emotional positioniert, vor allem geschichtsträchtige Anlagen wie „Old Course at St Andrews“ oder Anlagen, auf denen die großen Touren spielen. Solche Markierungen erlauben es, aus dem Preis- und Qualitätswettbewerb auszuscheiden, weil viele Golfer sie einmal gespielt haben wollen. Allerdings ist es ein Merkmal von Marken, dass es sie nur selten gibt. Daher müssen die meisten Golfanlagen andere Positionierungsstrategien anwenden. Dieses sind neben der genannten Course Quality Serviceleistungen wie ein Restaurant oder golfspezifische Zertifikate wie „Leading“ oder „4-Sterne superior“ in Analogie zur Hotelklassifizierung (FALK 2020, S. 150ff.; S. 219ff.). Die mutuelle Rabattierung des Greenfees zwischen befreundeten Golfanlagen wird teilweise in Golfallianzen weitergeführt, bei denen die Mitgliedschaft in einem Golfclub zum Spielen bei allen Allianzmitgliedern berechtigt. Zukünftig setzen viele Golfmanager auf den Ausbau von Sponsorenturnieren, Tiger & Rabbit-Turnieren, die Förderung von Kindern und Jugendlichen und den Umbau oder Erhalt einer sportlichen Anlage. Dieses sind weitgehend Elemente von Sponsoring und Eventmarketing, um positive Aufmerksamkeit zu erzeugen und gesellschaftliche Verantwortung zu zeigen.

 

Diese Vielfalt des derzeitigen deutschen Golfmarkts mit seinen unterschiedlichen Interpretationen des Spirit oft the Game unterstreicht, dass sich der Golfmarkt ausdifferenziert hat. Der Vorteil hiervon ist, dass zahlreiche neue Zielgruppen angesprochen und gewonnen werden konnten, wie die quantitativen Entwicklungen es eindrucksvoll aufzeigen. Aber ebenso ist zu konstatieren, dass der klassische Spirit of the Game des Golfs, im ökonomischen Sinne die „Unique Selling Proposition (USP)“, dabei möglicherweise verlorenging. Auf die Frage „Soll ich lieber Radfahren oder Golfen?“, werden Gesundheit, Natur, Bewegung und Entspannung keine Antworten sein, die eine Differenzierung ermöglichen. Zukünftig muss man den Spirit of the Game klar artikulieren und ausformulieren, soll sich Golf nicht in einen Freizeit- und Sportbereich aufspalten.

 

Schisma 1: Golf ist eine Sportart oder ein Teil der Freizeitindustrie!

 

Freizeit-, Amateur- und -Profigolf: vielfältiges Golf?

Der traditionelle Golfsport war und ist bis heute ein Wettkampf- und Leistungssport, der sich in den Amateurligen bis hin zu den weltweiten Profitouren manifestiert. Heute gibt es Golf in zahlreichen Erscheinungsformen: als kommerzielle Unterhaltungsdienstleistung mit Events und Medienbegleitung, als klassischen Amateursport mit Breiten-, Leistungs- und Hochleistungssport, als professionellen Spitzensport der Playing Pros ebenso wie als Freizeitbeschäftigung in organisierter und nicht-organisierter Form. Golf ist derzeit ein komplexes Sportprodukt, sofern einzelne Ausprägungen von Golf überhaupt noch eine Sportart und nicht lediglich eine Freizeitbeschäftigung sind.

 

Liest man inspirierende Golfbücher vergangener Tage, so hat sich früher Golf organisatorisch kaum von anderen Sportarten unterschieden. Amateure wurden von einem Coach trainiert, es gab Club- und College-Mannschaften und die besten Golfer siegten bei den Amateurmeisterschaften. Auch die Organisationsstrukturen waren relativ einfach: Es gab das ehrenamtliche Präsidium des Vereins, dem in der Regel auch die Golfanlage gehörte. Dieser ehrenamtliche Vorstand hatte alle Entscheidungsbefugnisse. Unterstützt wurde er dabei von angestellten Mitarbeitern, insbesondere den Greenkeepern und Pros. Auch diese Strukturen haben sich, ebenso wie der Spirit oft the Game in den letzten Jahrzehnten deutlich ausdifferenziert.

 

Der Golfsport wurde mit der einsetzenden Verbreitung, wie andere Sportarten auch, kommerzieller und in seinem Spitzenbereich medialer. Treiber sind insbesondere die großen Touren der PGA und die European Tour. Seinen Ursprung hat Golf als profes-sioneller Zuschauersport im Jahr 1960, als Mark McCormack, IMG, und der Profigolfer Arnold Palmer per Handschlag ihre Zusammenarbeit besiegelten. Ohne diesen Leistungssport mit seiner medialen Aufmerksamkeit ließe sich wohl kaum ein erfolgreicher Breiten- und Freizeitsport Golf etablieren. Andererseits würde vor allem das Profigolf ohne die mediale Präsenz nicht in der heutigen Form existieren können, für die insbesondere die Anzahl und Kaufkraft der passiven Sportkonsumenten entscheidend sind. Es steht zu vermuten, dass die Mehrzahl der Zuschauer, ob vor Ort oder in den Medien, selbst aktive Golfer sind.

 

Um die kommerziellen Ziele zu erreichen, muss die Sportart medial attraktiv sein und vor allem entsprechende Sportler als Testimonials hervorbringen. Jeder Hochleistungssport benötigt eine Basis im Amateursport, um Nachwuchs zu generieren und heranzuführen. In Deutschland wird dieser Ligasport weitgehend von Idealvereinen getragen. In anderen Ländern ist es der Collegesport. Vor allem die angloamerikanischen Strukturen erleichtern es, die Schnittstellen vom Amateurgolf zum Tour-Golf zu managen (FALK 2020, S. 16). Fakt ist, dass es die traditionelle Leistungspyramide vom Breiten- über den Leistungs- zum Hochleistungs- und Spitzensport im Golf höchstens ansatzweise gibt. Auf die notwendige Jugendarbeit wird später noch eingegangen (vgl. „Die Zukunft: Jugend oder Senioren?“). Die Bedeutung der verbandsorganisierten Ligawettkämpfe ist für viele Golfclubs nicht allzu groß. Dies liegt auch daran, dass nur wenige Golfer, geschätzt 16%, überhaupt die sinnvolle Spielstärke eines HCP von 18,4 und besser erreichen. Ein Grund liegt darin, dass viele Golfer erst im höheren Lebensalter mit der Sportart beginnen.

 

Breitensportliche Leistungsvergleiche finden daher überwiegend in kommerziellen Turnierserien oder clubinternen Wettspielen wie Damen- und Herrengolf, Clubmeisterschaften etc. statt. Selbst diese aber bilden nicht das Gros des Golfspielens. Denn nach dem DGV Betriebsvergleich 2018 stehen auf einer durchschnittlichen 18-Löcher-Anlage den 3.497 Turnierrunden (15,9%) deutlich mehr (18.555 Privatrunden; 84,1%) gegenüber. Auch die nicht-organisierten Golfer ohne DGV-Ausweis müssen auf den Golfanlagen – wo sonst? – spielen, so dass der Anteil des Wettkampfsports tatsächlich noch geringer ist.

 

Was aber bedeuten diese Strukturen für das deutsche Golfmanagement? Beginnen wir mit dem Spitzensport, dem Profigolf. Unstrittig ist die nordamerikanische PGA-Tour allein aufgrund der dort ausgelobten Preisgelder die absolute Premiumliga des Golfsports. Testimonials wie Tiger Woods haben wegen ihrer medialen Aufmerksamkeit längst Kultstatus und sind auch Nichtgolfern bekannt. Daher sollte es ein Ziel sein, möglichst vielen deutschen Golfern den Zugang zur PGA-Tour oder zumindest zur European-Tour zu ermöglichen. Der Zugang zu diesen Touren führt über tourinterne Systeme wie Qualifying Schools, Punktsysteme, nachrangige Touren und den Collegesport in den USA, bei dem man bereits Punkte erspielen kann. Bei entsprechendem Talent ist es hilfreich, in einer US-amerikanischen College-Mannschaft zu spielen, wenn man in die Weltspitze vordringen will. Das Profigolf hat sich weitgehend vom Amateurgolf getrennt. Amateurmeisterschaften, die bis in die 1960er Jahre renommierter als Profituniere waren, finden heute oft mit geringer Öffentlichkeit statt. Selbst bei den Olympischen Spielen, zu deren Sportarten Golf seit 2016 wieder gehört, treten Professionals als Vertreter ihrer Natio-nen auf. Das Profigolf ist heute eine weitgehend eigenständige Industrie, die mit wöchentlichen Events, medialer Vermarktung und Merchandising Milliarden umsetzt und zudem als Werbeplattform nicht nur für Golfprodukte, sondern sich auch für zahlreiche andere, meist exklusive Produkte etabliert hat.

 

Dagegen ist das Golf, das heute auf den deutschen Golfanlagen gespielt wird, weitgehend eine Freizeitbeschäftigung – wie allein die 85% Privatrunden zeigen. Dies erklärt auch die dominierenden Assoziationen wie „Natur“, „Gesundheit“ und „Bewegung“, in denen der Sportgedanke nur noch ein Motiv unter mehreren ist. Quantitativ betrachtet ist Golf weitgehend eine Freizeitbeschäftigung, ergänzt um breitensportliche Elemente wie Clubturniere, kommerzielle Turnierserien und Rabbit-Turniere zur Integration. Diese indifferenten Strukturen tragen kaum zum Selbstverständnis des Golfsports bei und helfen auch nicht bei der Differenzierung zu anderen Sportarten oder Freizeitbeschäftigungen. Daher leiten insbesondere traditionelle Golfanlagen ihr Selbstverständnis eher aus dem Amateur- und Ligasport ab.

 

Schisma 2 lautet daher: Golf ist entweder ein Leistungs- und Breitensport oder eine gesunde Freizeitbeschäftigung!

 

Die Zukunft: Jugend oder Senioren?

Die Frage nach der Zukunft erscheint ziemlich sinnlos, denn allein biologisch gehört die Zukunft der Jugend. Ganz so banal ist die Frage hinsichtlich des Geschäftsmodells für das Golfmanagement jedoch nicht. Betrachtet man das Alter der Golfer, dann bilden von den 651.417 organisierten Golfern die Senioren ab 61 Jahren mit 275.089 oder 42,2% (DGV, 30.09.2020) die größte Gruppe. Kinder und Jugendliche haben gerade einmal einen Anteil von 7,5%, dabei 1.940 (0,3%) Kinder bis 6 Jahre, 22.455 (3,4%) Schulkinder von 7 bis 14 Jahren und 16.817 (2,6%) Jugendliche von15 bis 18 Jahren. Das Bild des „Tannenbaums“ passt zum Altersaufbau des Golfsports nicht. Vielmehr zeigt sich das Bild einer umgedrehten Pyramide. Die weiteren großen Altersgruppen sind die 41 bis 50-jährigen, die 51 bis 55-jährigen und die 56 bis 60-jährigen mit jeweils rund 12,5%. Diese Entwicklung dürfte sich eher verstärken. Nach Einschätzung von Billion (2021) ist die Altersgruppe ab 61 Jahren von 2012 bis 2020 mehr als doppelt so schnell gewachsen wie die Gesamtzahl der Golfer.

 

Unbeschadet der statistischen Daten bleibt festzuhalten: Golf ist derzeit in Deutschland ein Sport, der weitgehend von Menschen in der zweiten Lebensphase und insbesondere von Senioren ausgeübt wird. Die Gründe sind offensichtlich: Golf ist vor allem zeitintensiv, verglichen mit vielen anderen Sportarten teurer, hat das Image eines Alterssports und für Kinder und Jugendliche, die noch kein eigenes Fahrzeug haben, sind die Golfanlagen ohne elterlichen Shuttle oft nicht erreichbar. Daher sind viele jugendliche Golfer auch Kindern golfspielender Eltern.

 

Dieses wirft zwei Fragen auf: (1) Was führte zu dieser Entwicklung und (2) ist diese Struktur auf Dauer akzeptabel? Beschäftigen wir uns zunächst mit der ersten Frage nach den Ursachen. Offensichtlich rentiert sich Jugendarbeit ökonomisch nicht. In Deutschland beträgt der monatliche Beitrag an einen Sportverein für Kinder 3 und für Jugendliche 4 Euro; für Erwachsene sind es 8 Euro (Sportentwicklungsbericht 2017, S. 66). Vergleichbare Strukturen gibt es auch bei den Golfclubs, von denen drei Viertel (71,7%) vergünstigte Mitgliedschaften für junge Menschen anbieten. Durchschnittlich werden die Mitgliedsbeiträge um 82% reduziert (FALK 2020,  S. 138ff.). Fraglich ist auch, ob die Kinder- und Jugendarbeit zur Zukunftssicherung und damit zum Erhalt des Leistungssports beiträgt. Schubert zeigt am Beispiel seiner Golfanlage, dass nach 25 Jahren nur mehr 1,7% aller Kinder und Jugendlichen noch Mitglied im Golfclub sind (SCHUBERT 2021, S. 2175). Die Mehrzahl der ehemaligen jungen Golfer hört später, zumindest, temporär mit dem Golfsport auf oder reduziert den Umfang deutlich. Dieses ist biographisch und sozial erklärbar, da nach dem Alter der Adoleszenz vielfältige berufliche und soziale Aktivitäten von Ausbildung und Studium über Berufseinstieg bis hin zur Familiengründung anfallen. Allerdings gibt es auch Migrationsbewegungen aufgrund von Ausbildung und Beruf, so dass Kindergolfer als Erwachsene Mitglieder in anderen Golfclubs werden.

 

Trotz dieser Einschränkungen bei der Nachwuchssicherung erscheint es für Golfclubs sinnvoll, Jugendförderung anzubieten. Viele Golfanlagen verstehen sich als Bestandteil einer regionalen, sozialen Umwelt und nicht nur als vermarktender Freizeitanbieter. Sie haben daher, ebenso wie der Deutsche Golf Verband (DGV), Angebote der Jugendförderung entwickelt. Dazu gehören „Abschlag Schule“ und zahlreiche weitere Aktivitäten der Golfclubs wie Camps, Wanderungen und gemeinsame Feiern (FALK 2020, S. 210ff.). Noch nicht so verbreitet ist das „multiple Sportengagement“, das sich seit den 1980er Jahren als ein attraktives Muster des Sporttreibens erweist (BRETTSCHNEIDER 2021, Pkt. 2). Jugendliche treiben unterschiedliche sportliche Aktivitäten, wobei die Settings traditionelle Sportarten, zum Beispiel Fußball, Radfahren und Golf, umfassen können oder auch informelle Sport- und Bewegungsformen. Es erscheint erfolgversprechend, solche Jugendliche anzusprechen, die bereits (Ball-)Sportarten betreiben oder mit Sportvereinen Vereinbarungen zu treffen. Um die Hemmschwelle zu überwinden, können Jugendliche zunächst auch Golfformen wie Crossgolf ausüben, die nicht einem umfangreichen Reglement unterliegen. Organisatorisch sollten Hindernisse wie der Transport zum Golfplatz beseitigt werden. Jugendförderung ist auch ein sozialer Beitrag, da es im Zeitraum zwischen Kindheit und Adoleszenz eine positive Korrelation zwischen sportlichem Engagement und Persönlichkeitsentwicklung gibt. Sport kann dazu beitragen, Begabungen zu fördern, Persönlichkeit und Gesundheit zu stärken, soziale Netzwerke zu knüpfen und soziale Integration zu bewirken. Zudem kann Sport als Prävention gegen Gewalt, deviantes Verhalten sowie Sucht und Drogen wirken (BRETTSCHNEIDER 2021). Offensichtlich ist auch, dass ohne Jugendförderung kein Leistungs- und Spitzengolf möglich ist. Auch der talentierteste 60-jährige kann, zumal wenn er in diesem Alter mit dem Golf beginnt, nie das Leistungsniveau eines Spitzenspielers erreichen.

 

Letztlich sprechen auch ökonomische Gründe für die Jugendförderung, selbst wenn sie unmittelbar nicht wirksam wird. Denn hiermit kann der Vergreisung entgegengewirkt werden. Ökonomisch birgt dieser Zustand existenzielle Gefahren für die Golfanlagen in sich. Billion (2021) verweist auf das Phänomen der „Überalterung“, nach dem in fünf Stufen aus Vollmitgliedern über abnehmendes Golfen letztlich die Kündigung folgt. Auch unbeschadet dieses Phänomens ist es evident, dass ältere Golfer aufgrund ihres Lebensalters einen deutlich geringeren „Lifetime-Value“ erbringen als junge Golfer. Allein aus biologischen Gründen ist ihre potenzielle Verweildauer im Golfclub deutlich kürzer, so dass häufiger Ersatz notwendig wird. Die Gewinnung von neuen Mitgliedern ist jedoch immer mit höheren Rekrutierungs- und Onboardingkosten verbunden (FALK 2021, S. 8ff.).

 

Schisma 3: Golf als Sport bedarf der Jugendförderung, aber rekrutiert werden weitgehend ältere Menschen!

 

Produktinnovation: Was wird aus dem Golfsport?

„Die Zukunft war früher auch besser!“ formulierte einst der unvergessene Karl Valentin. Gilt das auch für den Golfsport: War er früher besser? Als Golf ein exklusiver Sport ohne Startzeiten und nicht irgendein „Produkt“ war. Heute feiern nicht nur der DGV und die Landesgolfverbände ihre steigenden Mitgliederzahlen, sondern auch die Golfanlagen versuchen, mit unterschiedlichen Instrumenten neue Golfer zu gewinnen. Seit zehn Jahren steht vor allem die Willkommenskultur im Fokus und wahrscheinlich gibt es keine Golfanlage, die nicht entsprechende Events für die Neumitglieder anbietet. Allerdings reicht es nicht, nur eine Begrüßung durch den Vorstand vorzusehen. Um auch zukünftig genug Golfer gewinnen zu können, bedarf es Marktstimulierungs-Strategien, für die eine klare Ausrichtung notwendig ist. Es zeichnen sich vier Strategien des „Customer Relationship Managements (CRM)“ ab: „Neukundengewinnung“, „Event und Geselligkeit“, „ältere Golfer“ oder „ökologisches Golf“. Um nicht im Niemandsland festzusitzen, müssen Golfanlagen gemäß der „Unvereinbarkeitshypothese“ von Porter eine der vier Normstrategien auswählen (FALK 2020, S. 242). So steht „Neukundengewinnung“ für ein eher kommerzielles Marketing, mit dem immer wieder neue Golfer rekrutiert werden sollen, während „Event und Geselligkeit“ sich eher an der Kundenbindung orientiert. Setzt man vor allem auf „ältere Golfer“, so muss die Platzarchitektur entsprechend sein, es müssen Carts ausreichend gemietet werden können und die Jugendarbeit sowie der Ligaspielbetrieb müssen organisatorisch möglichst reibungslos eingepasst werden. Wichtig ist, dass auch eine adäquate Positionierung erfolgt und die richtigen Segmente nach Region, Kaufkraft etc. ausgewählt werden.

 

Diese Entscheidungen sind diffizil, weil sie nicht nur eine fundierte Kenntnis über die einzelnen Kriterien voraussetzen, sondern auch auf einer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung beruhen. Hierzu kann ein Benchmarking durchgeführt werden, also der Vergleich mit anderen Branchen oder Unternehmen. Für den Golfsport drängt sich eine Analogie zum Tennissport geradezu auf und das nicht nur, weil viele Golfer vorher Tennisspieler waren. Wie Golf war Tennis bis Ende der 1960er Jahre eine exklusive Sportart. Erst in den 1970er Jahren wurde Tennis zu einem „Sport für alle“ und bereits die Titulierung von Golf als einem „Sport für viele“ zeigt die semantische Nähe. Allerdings hatten die Tennis-clubs mit 2,3 Millionen rund dreieinhalb Mal so viele Mitglieder wie heute das organisierte Golf. Die Ursachen des Booms exklusiver Sportarten sind vergleichbar: Arbeitnehmer hatten mehr freie Zeit, ein höheres verfügbares Einkommen und es erfolgte der Wertewandel hin zu einem sportlichen und gesunden Leben. Dieser Wertewandel wurde auch dadurch unterstützt, dass der Deutsche Sportbund (DSB) den Wettkampfgedanken nicht mehr als ausschließliches sportliches Ziel postulierte. Die 1970 vom DSB ins Leben gerufene „Trimm Dich-Bewegung“ hatte zum Ziel, dass möglichst viele Menschen in ihrer Freizeit sportlich aktiv werden sollten.

 

Doch es zeigte sich, dass sportliche Aktivitäten kein Selbstläufer sind. So flaute der Tennisboom bereits in den 1980er Jahren wieder deutlich ab. Er lebte nur durch die Siege von Steffi Graf, Boris Becker und Michael Stich wieder auf (GABLER 2009, S. 38ff.). Heute hat der Tennissport mit knapp 1,4 Millionen noch doppelt so viele Mitglieder wie der Golfsport. Die Gründe für die Entwicklung im Tennis sieht Gabler in fehlenden Leitbildern, der Konkurrenz des Golfsports, fehlender Mitgliederwerbung, passiven Vereinen, keiner Mitgliederbindung und fehlenden modernen Marketingmaßnahmen sowie zu hohen Mitgliedsbeiträgen.

 

Auch hierin zeigen sich gewisse Pa-rallelen zum derzeitigen Golfsport. Nur jede dritte Golfanlage (33,7%) hat ein Leitbild. Trotzdem gehen zwei Drittel der Golfmanager (67,9%) von einem gemeinsamen Verständnis darüber aus, wie die Golfanlage positioniert ist (FALK 2020, S. 64ff.). Ob die Golfnachfrage ebenso wie die Tennisnachfrage durch Testimonials wie die beiden deutschen Major-Sieger Bernhard Langer und Martin Kaymer stimuliert werden kann, mag dahingestellt bleiben. Gabler sieht in den passiven Vereinen eine Hauptursache für den Rückgang des Tennissports. Wie die  DGV-Mitgliederbefragung 2019 zeigt, dominiert gesellschaftsrechtlich im Golfsport auch heute noch der eingetragene Verein (75,3%). Sportvereine sind durch die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft, die Ausrichtung der Organisationsziele an den Mitgliederinteressen, demokratische Entscheidungsstrukturen, Ehrenamt und Autonomie gekennzeichnet (HORCH 1983). Die Notwendigkeit eines Sportverbandes begründet sich aus der Regelung und Durchführung von (Liga-)Wettbewerben. Ob diese Organisationsform alle Golfnachfrager befriedigen kann, wird teilweise bezweifelt (SCHUBERT 2020, S. 6ff.). Denn die Vielzahl von Golfern ohne (deutsche) Clubbindung oder die Entstehung von Fußball-, Indoor- und Crossgolf zeigen, dass es eine dynamische Golfnachfrage außerhalb organisierter Strukturen gibt.

 

Einen deutlichen Unterschied zur Wettbewerbssituation vor 30 Jahren beim Tennis ist die Konkurrenz. Beim Tennis sah man im Golfsport den Hauptkonkurrenten. Heute besteht die Konkurrenz nicht zu einer bestimmten Sportart, sondern zu anderen Freizeitsettings. Dies können zum Beispiel Radfahren und Wandern in nicht-organisierter Form ebenso sein wie Training im Fitnessstudio oder der Konsum elektronischer Medien. In dieser durch vertikale und horizontale Konkurrenz gekennzeichneten Marktsituation (FALK 2020, S. 39ff.) muss jede Golfanlage definieren, welche Leistungen sie anbieten will. Sonst könnte schnell das Menetekel der „Fitnessindustrie“ an der Wand erscheinen und kommerzielle Anbieter können kundenorientiert ein wirkungsvolles Angebot erstellen, mit dem vor allem die Flexibilität erhöht und der Zugang erleichtert wird.

 

Schisma 4: Die Golforganisation orientiert sich weiterhin überwiegend am Wettkampfsport, während die Golfausübung zunehmend hedonistischen und gesundheitlichen Motiven folgt!

 

Der „wirkliche Preis“ des Golfsports

Die steigenden Golferzahlen legen es nahe, dass Golf in der Gesellschaft immer besser akzeptiert wird, weil er gesund, weitgehend klimaneutral, biologisch divers ist und in der Natur ausgeübt wird. Bei so vielen positiven Konnotationen, wie sie vor allem Golfer und Golfmanager teilen, erscheint dies nur folgerichtig. Aber ist dies wirklich noch der klassische Golfsport? Jedem Golfverantwortlichen sollte klar sein, dass diese positiven Konnotationen eben Nebenbedeutungen, Beiwerk sind, die nicht den Kern des Golfsports ausmachen. Die genannten Erlebnisse kann man auch mit Radfahren, Wandern oder Spazierengehen haben; unorganisiert und in der Freizeit.

 

Insofern stellt sich die Frage, ob diese Entwicklungen bereits „schwache Ansoffsche Signale“ sind, welche eine Tendenz zum freizeitbezogenen Golf aufzeigen? Verändert das Golfspielen sich weg vom Leistungssport hin zu einer Freizeitbeschäftigung insbesondere für ältere Menschen? Ist damit organisiertes Golf nur noch bedingt marktfähig? Haben hierzu vielleicht sogar die Imagekampag-nen beigetragen, indem Golfer ihren Sport vor allem mit Attributen wie „frische Luft, Natur und Spaß“, „Entspannung und Ruhe“ sowie „Bewegung und Gesundheitsstärkung“ verbinden (FALK 2020, S. 74)? Die Frage bleibt unbeantwortet, ob mit diesen Attribuierungen dauerhafte Golfer gewonnen werden können. Vor allem deshalb, weil Golf entgegen allen bekannten Vorurteilen und dem von bestimmten Gesellschaftsgruppen gerne gepflegten Image als „Altherren-Sport“ ein anspruchsvoller (Leistungs-)Sport ist.

 

Vor allem Freizeitgolfer erwarten mit ihrem Eintritt einen positiven Imagetransfer durch „Ich spiele Golf“ und ein schnelles Erlernen der Sportart. Enttäuschte Erwartungen können zu Frustrationen führen, was sich auch ökonomisch auswirken kann. Gsolf ist eben kein Sonntagsspaziergang in schöner Natur, sondern eine Sportart, für die viel Training notwendig ist. Adam Smith bemerkte bereits vor mehr als zweihundert Jahren „Zum wirklichen Preis einer Sache gehören Müh‘ und Plag‘, sie zu erwerben und zu besitzen.“ Analog setzt sich der wirkliche Preis des Golfsports nicht nur aus den finanziellen Beiträgen zusammen, sondern auch aus dem erheblichen Zeitaufwand und den großen Mühen für einen durchschnittlich talentierten Golfer, diesen Sport zu erlernen. Daher kommt den Pros eine Schlüsselrolle für die Golfentwicklung zu. Unbeschadet, ob ein Golfclub sich leistungs- oder freizeitsportlich ausrichtet, muss dem Erreichen einer spaßmachenden Spielstärke größte Aufmerksamkeit gewidmet werden.

 

Die Bedeutung des Golftrainings wird auch durch das sich seit Jahren abzeichnende Phänomen des deutlich stärkeren Wachstums der sogenannten „nicht-organisierten Golfer“ unterstrichen. Nach der Frühjahr 2021 vorgelegten Nachfrageanalyse des DGV ist die Zahl der Golfer in Deutschland trotz Corona gewachsen. Ein genauerer Blick zeigt allerdings, dass die Zahl der Golfclubmitglieder von 2010 bis 2020 kaum angestiegen ist (+0,42 %), während die Zahlen der Auslandsmitglieder (+217,57 %) und der nicht-organisierten Golfer (+102,78 %) rasant in die Höhe schnellten (ALTHOFF 2021, S. 2ff.). Dies überrascht, da die Golfclubs die Einstiegsbarrieren mit Fernmitgliedschaften, Probe-, Akademie- und Jahresmitgliedschaften deutlich gesenkt haben.

 

Daher stellt sich die Frage, wie der Golfsport so organisiert werden kann, dass er den Bedürfnissen der Nachfrager entspricht. Die Analyse des Produkts, also eines der „4 Ps“ in Kotlers bekanntem Marketingmix zeigt, dass die jetzige Organisationsform einen großen Teil der Golfinteressenten trotz stark gesenkter Eintrittsbarrieren nicht erreicht. Dieser Herausforderung müssen sich der DGV und seine Mitglieder stellen. Für ein adäquates Management muss geklärt werden, ob das Produkt Golf noch stimmig ist. Hierbei sind pragmatisch die einzelnen Ziele zu definieren, die erreicht werden sollen:

(1) Welche ökonomischen Ziele müssen realisiert werden (z.B. „eine schwarze Null“),

(2) welche Mitglieder-/Kundenbedürfnisse sollen befriedigt werden,

(3) wie sollen die Einstellungen gegenüber dem Golfsport und der Golfanlage sich entwickeln,

(4) wie sollen die finanziellen Transaktionen gestaltet werden (Mitgliedsbeiträge, Einmalzahlungen, Rabatte, Greenfee etc.) und

(5) wie soll die Interaktion mit den Mitgliedern/Kunden ablaufen (z.B. Digitalisierung der Verwaltung, Turniere und Startzeiten etc.).

 

Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist essenziell für den Golfsport, da hiervon Fragen der Golfplatzgestaltung ebenso abhängen wie beispielsweise die Kinder- und Jugendförderung. Im Mittelpunkt steht die Frage, wem welche Form der Anlagennutzung ermöglicht wird – denn auch nicht-organisierte Golfer benötigen einen Golfplatz.

 

Schisma 5: Der „echte Preis“ des Golfens wird zugunsten allfälliger Attribuierungen nicht artikuliert.

 

Autor: Prof. Dr. Rüdiger Falk / golfmanager 5/2021

 

Literatur

ALTHOFF, M. 2021: Nicht organisierte Golfer wachsen stärker als Gesamtmarkt. In: golfmanager 3/21, S. 2-7.

BILLION, F. 2021: Golfanlagen in Deutschland: Mit vollem Schwung in die Vergreisung. In: Dr. Billions Bulletin, 15.02.2021.

BRETTSCHNEIDER, W.-D., 2021: Jugend und Sport – Rückblick, Einblick und Ausblick. In: Digel, H. (Hrsg.) Sport nachgedacht.de.

BREUER, C.  und S. FEILER, 2019: Sportvereine in Deutschland: Organisation und Personen. Sportentwicklungsbericht für Deutschland 2017/2018 – Teil 1, Bonn.

DEUTSCHER GOLF VERBAND, 2018: DGV-Betriebsvergleich 2018. Wiesbaden.

DEUTSCHER GOLF VERBAND, 2019: DGV-Mitgliederbefragung 2019 „Strategische DGV-Ziele“. In: DGV-Info 2/2019, S. 20-21.

FALK, R., 2020: Golfmanagement in Deutschland. Eine empirische Studie. Bonn.

FALK, R., 2021: Onboarding: Golfmitglieder gewinnen und binden. In: golfmanager 3/21, S. 8-14.

GABLER, H., 2009: Tennisvereine auf dem Weg in die Zukunft. In: Tennis 63, 4, S. 38-42.

HOLCH, H.-D., 1983: Strukturbesonderheiten freiwilliger Vereinigungen. Analyse und Untersuchung einer alternativen Form menschlichen Zusammenarbeitens. Frankfurt am Main.

LaWELL, M., 2021: Break on through. Golf Course Industry, 13.01.2021. https://www.golfcourseindustry.com/article/state-of-the-industry-2021-keeping-new-golfers-growing-the-game/.

PENICK, H. and B. SHRAKE, 1997: Golf Inspirationen. Über meine Liebe zum Golf. München.

REPUCOM, 2014: Golf-Imagestudie. Kommentierte Kurzfassung. Wiesbaden.

REPUCOM, 2016: Imagestudie Deutscher Golf Verband. Köln, April.

SCHUBERT, H., 2020: Zukunftsmodell Rechtsform eingetragener Verein. In: golfmanager 1/20, S. 6-10.

SCHUBERT, H., 2021: Der Golfmarkt im Wandel: blaue Augen, unorthodoxe Lösungen und ernüchternde Tatsachen. In: Golfzeit. Golf- und Country Club Seddiner See Magazin, Ausgabe 23/21, S. 2170-2176

 

 

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