Große Oper Golfplatzarchitektur: 18 Inspirationen

Die Faszination des Spiels hat ihr Fundament auf dem Platz. Eine Betrachtung über die Philosophie hinter gutem Golfplatzdesign.
Der Golfplatz: Sehnsuchtsort des Homo ludens, Tummelplatz des spielenden Menschen, in diesem Fall für solche mit einem Sammelsurium von Schlägern und kleinen Bällen voller Grübchen. „Eine räumliche Anordnung von Spielbahnen auf einem Stück Land“, nennt es der arrivierte US-Architekt Dr. Michael Hurdzan, „mit festgelegten Startpunkten und bestimmten Zielpunkten, die durch ein in den Boden geschnittenes Loch gekennzeichnet sind.“
Man nehme also zwei, drei Abschläge, mehr oder weniger viel Fairway, dazu ein Grün, garniere das Bouquet mit Bunkern und füge vielleicht etwas Wasser hinzu, multipliziere mal 18, fertig. Kennen wir alle. Autobahndesign: uninspiriert, stereotyp, monoton, emotionslos. Oft genug reicht diese Rezeptur, um einen Parcours in die Wiese zu walzen. Kein Wunder, dass Golf dann schnell langweilig wird. Es ist wie beim „Bleifußbolzen“ hinterm Lenkrad: Wirklich Spaß macht erst die Kurve.
Entscheidend is’ auf’m Platz
Die Metapher passt ganz gut, denn auch bei diesem komplexen, gelegentlich enervierenden und merkwürdigen, doch so faszinierenden Spiel ist bereits der Weg das Ziel. Und: „Entscheidend is’ auf’m Platz.“ Diese Sentenz des legendären Duisburger Fußballtrainers Alfred Preißler (1921 – 2003) gilt gleichermaßen für Golf. Das Design ist ein elementarer Aspekt, wenn es um Lang- oder Kurzweiligkeit geht. Im Idealfall wird jede Bahn zum Erlebnis, ohne den Spieler mit Eindrücken und unüberschaubaren Problemen zu überfrachten. Das perfekte Loch ist eine unterhaltsame Herausforderung für Golfer aller Klassen, bei der das Auge mitspielt und die Seele gestreichelt wird. „Eine Golfrunde sollte 18 Inspirationen bieten“, hat der legendäre Albert Warren Tillinghast vor einem Jahrhundert formuliert.
„Tilly“ wirkte im sogenannten Golden Age of Golf Course Architecture in den 1920er- und 1930er-Jahren und schuf Preziosen wie Baltusrol, Winged Foot, San Francisco oder Bethpage Black. Sein Œvre und das von Größen wie Harry Colt (Sunningdale, Pine Valley, Royal Portrush, Falkenstein), Alister MacKenzie (Cypress Point, Pasatiempo, Crystal Downs, Augusta National) oder seiner Old-Tom-Morris-Mitschüler, Charles Blair Macdonald (National Golf Links of America, The Lido, Mid Ocean, Shinnecock Hills) und Donald Ross (Pinehurst No 2, Seminole, Oak Hill, Oakland Hills) sind Klassiker der Kurskreation, die dort angewandten Prinzipien von zeitloser Plausibilität.
Wiewohl der Vergleich weit hergeholt scheint: Ein guter Golfplatz hat was von großer Oper – wenn man die Kunst zu schätzen weiß. Da ist die Ouvertüre beispielsweise: ein, zwei Auftaktbahnen, die den Spieler auf das Kommende einstimmen, ihm schmeicheln und mit dem Kurs warm werden lassen. Es ist pure Psychologie. Niemand will schon auf der ersten Bahn bereuen, heute überhaupt den Schläger in die Hand genommen zu haben, weil er direkt mit frustrierenden Schwierigkeiten konfrontiert wird.
So wie die Musik von den Parametern Rhythmik, Melodik und Harmonik bestimmt wird, zeichnet sich ein guter Golfplatz durch Layout, Flexibilität und Shot Value aus. Letzteres meint, die Verschiedenheit und Schwierigkeit von Golfschlägen: Längenvielfalt der Löcher und Struktur von Zielbereichen sollen dazu führen, dass alle Schläger im Bag gebraucht und überdies in verschiedenen Schlagvarianten eingesetzt werden müssen. Und wie ein Komponist mit Instrumenten, Noten und Tempi jongliert, so hantiert der Platzarchitekt mit Lochtypen und Lochlängen und schöpft aus dem Baukasten dreidimensionaler Gestaltungselemente.
Ein virtuoser Architekt plant eben nicht bloß mit dem Metermaß, er arrangiert innerhalb des kunstvoll komponierten Gefüges von Loch- und Lochtypen-Abfolge genug Elemente, mit denen über die gesamte Runde das komplette Spiel und vor allem das Hirn des Golfers gefordert werden. Bernhard Langer hat mal gesagt: „Bei einem guten Design musst du dich über den Platz denken.“ Dazu gehören geschickt platzierte Sandhindernisse mit manchmal trickreichen und optisch täuschenden Bauweisen, Wasser im Zusammenspiel mit strategischem oder heroischem Design, nicht zuletzt die hohe Schule der Grünanlagen mit ihrer mannigfaltigen Klaviatur von Formen und Konturen, Plateaus und Breaks, falschen Fronten oder verdecktem Gefälle.
Hurdzan nennt den Idealfall einen „emotionalen Wirbel von sich dauernd ändernden Spannungen bezüglich des Geländes, der Distanzen und der Schwierigkeit der einzelnen Golfelemente“. Der „unsterbliche“ Donald Ross notierte nüchterner: „Mach‘ jedes Loch zu einer unterschiedlichen Aufgabe!“
Die rechte Balance in der Architektur
Ja, Monotonie gehört zu den Todsünden der Golfplatzarchitektur. Das soll allerdings nicht bedeuten, auf Teufel komm raus einzusetzen, was die Trickkiste hergibt. Tom Doak, einer der brillanten Designer unserer Zeit, hat mal gescherzt, bei manchen Plätzen beschleiche ihn das Gefühl, der Architekt habe „alles außer der Küchenspüle“ verbaut. Abwechslung sei extrem wichtig, verdeutlicht sein amerikanischer Landsmann und Kollege Mike DeVries: „Lieber etwas mehr als zu wenig, was dann langweilig wirkt. Aber wenn man jedes Loch mit allen möglichen und machbaren Elementen ausstattet, könnte man den Golfer überfordern und die typischen Qualitäten eines Platzes vernachlässigen. Architektur von Golfplätzen heißt nicht, einfach sämtlich Denkbares abzuarbeiten. Es geht um die rechte Balance“.
Bei alldem gilt es, „Anlagen zu schaffen, die wirtschaftlich nachhaltig sind“, erinnert Achim Reinmuth, Diplom-Ingenieur für Landschaftsentwicklung und Partner bei Städler & Reinmuth Golfdesign (Münster), aus deren Feder unter anderem die Plätze für das Resort Weimarer Land, auf dem Öschberghof nahe Donaueschingen, im Mainzer Golfclub oder das Redesign im Schweizer Bürgenstock Resort stammen: „Das funktioniert halt am besten, wenn die Golfer ihren Spaß haben. Klar, mehr ist immer besser – solange man sich nicht zu Tode pflegen muss“. Dieser Aspekt darf bei aller Lust an der Laudatio wider die Langeweile nicht außen vor bleiben.
Wie das musikalische Vorbild hat auch der ideale Kurs Arien im Programm, die besonderen Höhepunkte in Form großartiger Löcher. Aufgelockert wird das Ganze durch immer noch exzellente, indes weniger aufregende Intermezzi zum mentalen Verschnaufen, bevor die Runde bestenfalls in einem fabelhaften Finale endet, das noch einmal alle Sinne und Fertigkeiten fordert, vielleicht sogar Lust auf Wiederholung weckt. Und sei es nur, weil man mit dem Platz jetzt eine Rechnung offen hat. „Kurse zu gestalten, die auch Vergnügen bereiten, wenn du schlecht spielst, das ist die Kunst der Golfarchitektur“, weiß Doak. Seine Firma heißt nicht von ungefähr Renaissance Design, er ist ein erklärter Jünger der alten Meister und ein Anhänger des Minimalismus, in seinem Curriculum stehen Prachtexemplare wie Barnbougle Dunes (Australien), Cape Kidnappers (Neuseeland), die St. Patrick’s Links im irischen Rosapenna oder der soeben fertiggestellte Course No. 10 in Pinehurst (USA).
Bis ins Detail eine stimmige Kulisse
Einer, der ebenfalls im Geist der Golden-Age-Schule gestaltet, ist Dipl.-Ing der Landschaftsarchitektur Christian Althaus (Althaus Golfdesign, Düsseldorf). Der Landschaftsarchitekt und Absolvent des European Institute of Golf Course Architects (EIGCA) versteht es meisterhaft, mit Proportionen, Sichtachsen und optischen Täuschungen zu jonglieren; auf der Nordseeinsel Föhr oder im hessischen Georgenthal beispielsweise. Gleichzeitig ist Althaus ein ganzheitlich denkender Designer, der den kreativen Spagat zwischen Spielbarkeit, sportlicher Herausforderung und Berücksichtigung beziehungsweise Bewahrung ökologischer Gegebenheiten beherrscht.
Wenn es um die Attraktivität eines Golfplatzes geht, betont auch er Stichworte wie Orchestrierung, Features, Signatur Holes, Spielwitz: „All das, was die Amerikaner mit ,You wanna come back for more‘ beschreiben.“ Dazu gehört für Althaus allerdings das Gesamterlebnis, das sich nun mal nicht auf die 18 Löcher eines Championship Course beschränkt. Manche Golfplätze wären froh, wenn sie überhaupt ein einziges Signature Hole hätten, doch Althaus spricht eher von einem Signature Design: „Du fühlst dich abgeholt, es ist optisch attraktiv, wirkt fair, vermittelt Spaß. Jedes Loch hat einen eigenen Charakter und ist damit erinnerbar. Dazu kommen lokale Features, indigene Vegetation, Einbeziehung von Landmarken und Landschaftsmerkmalen.“
Ein gutes Stichwort, das auch Bill Coore betont, der mit dem zweifachen Masters-Sieger Ben Crenshaw ein kongeniales und ausgesprochen angesagtes Designerduo darstellt. „Wenn man von Abwechslung und Kurzweiligkeit spricht, geht es nicht nur um das, was man auf einem einzelnen Loch oder auf einem einzelnen Platz sieht“, so Coore. „Das gilt in gleichem Maße für mehrere Kurse auf einer Anlage oder für die Identifikation mit der Region.“ Jede große Oper braucht halt auch eine stimmige Kulisse.
Im Detail hingegen gilt: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. „Die Customer Experience beginnt bereits an der Einfahrt, auf dem Parkplatz und auf dem Weg zum Clubhaus, bei den Außenanlagen, bei der Empfangskultur und dem Service“, erklärt Christian Althaus. Das setzt sich mit den Übungsanlagen und der Driving-Range fort. „Golf kann langweilig sein, wenn du auf einer abgeschrubbten Matte stehst und bloß eine weite Wiese vor dir hast – erst recht als Anfänger.“ Stimmt, lange Zeit waren die Ranges Stiefkinder auf hiesigen Golfanlagen; ebenso eine Menge Kurzplätze, die nach wie vor gemäß Hurdzans schlichter Eingangsdefinition ein trauriges Dasein fristen. „Golf ist ein derart schwieriges Spiel, dass wir alles daran setzen müssen, die erste Begegnung mit dem Sport zu einem Vergnügen und einem Zugewinn an positiven Aspekten zu machen“, unterstreicht deshalb Gil Hanse, der den Parcours fürs olympische Golf-Comeback 2016 in Rio de Janeiro oder das schottische Schmuckstück Castle Stuart konzipiert hat.
Dabei kann die Driving-Range durchaus was hermachen – mit ein paar augenfälligen Markierungen, Zielgrüns und ähnlichem, Flutlicht vielleicht sogar. Der Boom virtueller Varianten des Spiels wie Trackman oder Toptracer tut ein Übriges. Und wie Kurzplätze aussehen können, haben Reinmuth mit dem Königin Luise Course im Weimarer Land und Althaus mit dem Little Links im GC Herzogswalde bei Dresden bewiesen. Weitere, jüngst eröffnete, Kurzplätze aus der Feder von Christian Althaus finden sich beim GC Main-Taunus, beim Essener GC Haus Oefte oder beim GC Wasserburg-Anholt. Weltweit lässt sich das unter anderem in Pinehurst (The Cradle/Gil Hanse), Pebble Beach (The Hay/Tiger Woods) oder Bandon Dunes (Bandon Preserve/Coore-Crenshaw) besichtigen. Es ist hier wie dort großes Golf „en miniature“ mit hohem Fun-Faktor und deutlich geringerem Zeitaufwand, mit schnellen Erfolgserlebnissen für Anfänger und Verbesserungseffekten für Fortgeschrittene.
Kein Platz für Langeweile
Es bleibt nach diesem Blick durch die Architektenbrille festzuhalten: Mit solchen Designs, alten oder neuen, und solchen Ensembles, langen wie kurzen, ist auf Golfkursen kein Platz für Langeweile.
Autor: Michael F. Basche| golfmanager 02/2024