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Gender Tees 2.0 – Ganz vorn dabei

Das passende Tee, um die Nähe des Grüns in Regulation zu erreichen

Klug geführte Anlagen schaffen Abschlagsalternativen. Grüne Abschläge sind längst kein ­Kinderspiel mehr.

Die Golfinstanz hat gesprochen. „Bezogen auf Schlagweiten und bevorzugte Lochlängen vieler Spieler, ist die Distanz zwischen vorderem Standardabschlag und Grün vielfach zu groß“, befand unlängst der amerikanische Verband USGA (United States Golf Association). „Anfänger, viele weibliche Golfer, Shorthitter und Spieler mit geringem Schwungtempo gehören zu den typischen Spielern auf vorderen Abschlägen. Diese Gruppen bilden einen wichtigen Teil der Golfer-Population und haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen.“ Das deckt sich im Übrigen mit den Auswertungen der Analyse-Experten von Arccos Golf, die einen Rückgang der Schlaglängen bei Amateuren festgestellt haben (siehe gm 2/23). Deshalb fordert die USGA, im Verbund mit dem R&A bekanntlich Lordsiegelbewahrer des Regelwerks: „Distanzen von den vorderen Abschlägen, die näher an 4.000 Yards (rund 3.650 Meter) als an 5.000 Yards (4.570 Meter) liegen, sind für die Mehrheit der Spieler besser geeignet.“

Rot in der Regel über 5.000 Meter

Wenngleich das Postulat auf Plätze und Verhältnisse in den USA abzielt, lässt es sich wohl mühelos in hiesige Golfgefilde übertragen. Ein stichprobenartiger Blick in die Sammlung von Scorekarten und Birdie-Books bestätigt diese Annahme. Rote Abschläge mit Längen um oder über 5.000 Meter sind die Regel, Distanzen nahe oder unter 4.600 Metern eine absolute Ausnahme.

 

Wo wir gerade dabei sind, nochmal für die Chauvis unter den golfenden Männern: Rot ist zwar die Farbe der Liebe, auf dem Platz hingegen bloß für Ewiggestrige noch der Damenabschlag. Spätestens mit dem World Handicap System firmiert die rote Teebox als vorderer Standardabschlag und die gelbe als hinterer, nachzulesen auf der Internetseite des Deutschen Golf Verbandes (DGV) unter der Überschrift „Vielfalt der Abschläge“: „Zusätzlich können weitere Abschläge mit verkürzter Länge für Spieler mit höheren Handicap-Indizes oder mit größerer Länge für erfahrene Spieler eingerichtet werden.“

 

Länge mit dem 5er-Eisen mal 36

Hand aufs Herz, wer von den Clubgolfern mit einem Handicap in den 20ern schlägt das Eisen fünf im Durchschnitt wirklich an die 150 Meter weit? Und nicht auf der Range schätzen, sondern im Simulator genau nachmessen lassen. Gemäß der Faustformel „Länge mit dem 5er-Eisen mal 36“ zur Ermittlung des angemessenen Abschlags und der geeigneten Platzlänge kann es damit für manche vom hiesigen Blau schon ein Kraftakt werden. „Chose the Right Tee“: Was international bei jedem Starter und Marshall Standard­ansage ist, stößt hierzulande zu oft auf taube Ohren – sofern ein Gast in fremdem Golfgefilde überhaupt mit diesem Hinweis eingestimmt wird. Zur Wahrheit gehört, dass die diesbezügliche Service-Orientiertheit hier und da zu wünschen übrig lässt.

 

Erkundigt man sich bei Golfplatzarchitekten, verfolgt die Gilde ohnehin vielfach bereits eine Philosophie des „kürzeren Gelb“: 5.900 oder 5.850 statt 6.100 Meter beispielsweise. Gemäß der allgemein gültigen Quote von 16 Prozent Differenz zwischen Gelb und Rot ergibt das für den vorderen Standardabschlag eine Platzlänge von knapp unter 5.000 Metern. Immerhin. Und folgerichtig. Die Golfergemeinde wird älter, 2022 waren 67,1 Prozent oder 458.285 der vom DGV erfassten 682.942 Clubaktiven 50plus, 379.664 oder knapp 55,6 Prozent Ü56. Selbst bessere Handicapper verlieren mit den Jahren vielleicht nicht ihre Präzision, jedoch ganz sicher an Länge. Vom Credo „Far and Shure“ der Altvorderen bleibt vielfach lediglich das „Shure“.

 

Design zum eigenen Vorteil nutzen

„Wir schauen grundsätzlich, dass Gelb und Rot 16 Prozent auseinander sind – bezogen auf die Lochdistanz –, genauso wie Weiß und Blau, damit man das fürs Course-Rating passend hat“, sagt Achim Reinmuth, Partner im renommierten Planungsbüro Städler & Reinmuth Golfdesign (Münster). „Vor allem sind wir mittlerweile darauf bedacht, dass der Spaßfaktor größer ist, dass die Leute schneller über den Platz kommen.“ Und: „Ein Vorteil von mehreren Teeboxen ist natürlich, dass du vom richtigen Abschlag in die richtigen Bereiche der Bahn kommst.“ Will heißen: Das vom Architekten kreierte Design lässt sich zum eigenen Vorteil nutzen.

 

Der US-Verband beispielsweise hat dafür ein „Best Tees“-System entwickelt und geht von den Längen durchschnittlicher Spieler mit dem Eisen 7 aus: 91,4 Meter bei den Damen, 126,2 Meter bei den Herren. Im Mittel kommt die USGA für diese Golfergruppen auf Platzdistanzen von maximal 4.023 Meter für Damen und 5.577 Meter für Herren. Die entsprechende Empfehlung lautet: „Eine Teebox passt gut zu den Skills eines Golfers, wenn sie erlaubt, das Fairway auf Par 4 und Par 5 bequem und die Nähe der meisten Grüns in Regulation zu erreichen, und wenn eine Vielzahl von Schlägern für die Annäherungen nötig sind.“ Der Fachterminus lautet Shot Value.

 

Genderwahn und Altersmobbing

Die Pflegbarkeit mal außen vor: Idealerweise und bei entsprechender Fläche lassen sich die unterschiedlichen Teeboxen außerdem so arrangieren, dass sich überraschende Spielwinkel ergeben. Die Wahl des Abschlags ist damit nicht allein eine Frage der Fähigkeiten, sondern ergibt quasi ein anderes Layout des Lochs. Allerdings, der Golfer muss das Angebot annehmen und den Vorteil nutzen.

 

Nach wie vor indes wird auf den Abschlägen munter dem Genderwahn gehuldigt oder Altersmobbing betrieben. Gemäß einer Erhebung der USGA gehen 91 Prozent von über 700 befragten amerikanischen Teaching-Professionals davon aus, dass solche Stigmata eine hohe Anzahl von Durchschnittsgolfern davon abhält, den Abschlag zu wählen, der zu den eigenen Fähigkeiten passt. Dies deckt sich mit hiesigen Erfahrungen, siehe „Gedöns um die Gendertees“ im gm 2/23 oder HIER.

 

„Gut über die Runde kommen“

Trotzdem bauen kluge Anlagen-Verantwortliche im Wortsinn vor, schaffen neue vordere Abschläge und sind damit auch im übertragenen Sinn ganz weit vorn. Der Golfclub Syke ist eines von zahlreichen Beispielen. Dort wurden auf den drei 9-Löcher-Schleifen vor geraumer Zeit schon grüne Tee-Markierungen in die Mitte der Fairways gesetzt: „Um den Kids und den Anfängern die Möglichkeit zu geben, auf dem großen Platz mit einer relativ ordentlichen Spielgeschwindigkeit über die Runde zu kommen – ohne zu viele Schläge, die das Selbstbewusstsein trüben“, so Manager York Stolte. Der Club bietet dafür drei Routen aus Par-3- und Par-4-Löchern von 1.540 (Par 30), 1.662 (Par 31) und 1.648 Metern (Par 31).

 

Sykes grüne Abschläge werden laut Stolte vor allem von den genannten Zielgruppen angenommen. Dabei redet er bewusst nicht von Kinder- oder Jugendabschlägen, zumal Grün weltweit sowieso mitten im Farbspektrum der unterschiedlichen Teeboxen rangiert. „Wir wollen gleichermaßen den älteren Spielern die Möglichkeit geben, von weiter vorn abzuschlagen.“ Doch da entwickeln die gewählten Platzierungen einen eher kontraproduktiven psychologischen Effekt. „Viele sagen sich: Wenn ich eh hier lang laufen muss, kann ich ebenso gut einen Ball schlagen“, erzählt Stolte. „Man soll sich den Abschlag aussuchen, für den man sich gerade gut fühlt oder der zum eigenen Spiel passt. Freilich, ein solcher Gesinnungswandel muss sich erstmal festsetzen, und das braucht Zeit.“

 

Grüne Abschläge sind kein Kinderspiel

Einen nochmal anderen Ansatz verfolgt der Golfclub Velbert – Gut Kuhlendahl. Hier ist Grün wirklich kein Kinderspiel. Auf der Par-70-Anlage wurde über die 18 Bahnen ein separater Par-3-Kurs ausgesteckt, der mit Lochlängen von 111 bis 192 Metern sowie einem CR-Wert von 59,2 und einem Slope von 102 ein echtes Brett ist. Der kurze teilt sich Grüns und Hindernisse ebenfalls mit dem großen Platz; aber Geschäftsführer Michael Ogger und das Greenkeeping-Team haben die grünen Abschläge am Rand oder außerhalb der Fairways arrangiert. Für den direkten Weg zum Grün muss der Ball über ausgedehnte Bunkerkomplexe, durch enge Gehölzschneisen, frontal übers Wasser, mit Fade oder Draw an Bäumen entlang. Einige der originären Par-3-Löcher wurden tatsächlich nach hinten verlängert – zwei Mal ist Grün länger als Gelb.

 

„Wir haben uns wirklich schwierige Positionen ausgesucht oder welche, die den meisten Spielwitz bieten, wo die Hindernisse voll ins Spiel kommen – jedoch nie unfair“, verdeutlicht Ogger. „Für gute und Scratch-Golfer wird das Ganze relativ schwierig, während die schwächeren Spieler den Kurs als authentisches Golferlebnis feiern, weil er eine riesige Abwechslung zum normalen 18-Löcher-Platz ist.“ Die Diskrepanz liegt auf der Hand: Die Einstelligen müssen aufs Par gehen, andererseits fehlen ihnen die langen Drives. Schlag-Fertigkeit ist gefordert, nicht Schlagweite. „Es braucht den Spieler, der mit seinen Schlägern umgehen kann“, sagt Ogger über das 2.900-Meter-Routing: „Der Platz ist zuvorderst mit Taktik und Hirn zu bewältigen. Selbst Topgolfer müssen teilweise vorlegen, aufs Grün chippen und auf ein Up-and-Down hoffen.“

Eins über ist das Par des Bogey-Golfers

Das ist ein gutes Stichwort, um zum Schluss mit einem verbreiteten Denkfehler aufzuräumen. Wie schreibt die USGA: „… die Nähe der meisten Grüns in Regulation zu erreichen“, siehe oben. Betonung auf Nähe, von „tot an den Stock legen“ ist nicht die Rede. Dennoch, sogar mittlere und hohe Handicapper orientieren sich gern am Par des jeweiligen Lochs und des Platzes statt an der individuellen Vorgabe, die es zuvorderst zu erfüllen gilt. Und prompt ist die Frustration groß, wenn der Ball nach einem Drive von Blau dank der Distanzverkürzung tatsächlich in der Landezone neben den Fairway-Bunkern liegt – und sich die Fahne des Par 4 trotzdem selbst mit einem langen Eisen oder einem Holz nicht attackieren lässt. Schon ist der Vorteil wieder futsch, oder wie?

 

„Das Entscheidende ist doch, dass man mit dem eigenen Handicap die Bahn fair bewältigen kann“, erläutert Golfplatzarchitekt Achim Reinmuth. „Das ist halt der Unterschied zwischen einem Single-Handicapper und einem Bogey-Golfer: Der eine muss mit dem zweiten Schlag auf dem Grün sein, für den anderen reicht der dritte.“ Die realistische Selbsteinschätzung sollte sich fortsetzen: Erst den passenden Abschlag wählen, dann das Spiel samt Erwartungshaltung entsprechend ausrichten. Dafür gibt es nun mal Netto-Vorgaben an jedem Loch. Eins über ist das Par des Bogey-Golfers. Wetten, dass bei derlei entspannter Herangehensweise bald Birdies fallen? Nicht nur netto.

 

Autor: Michael F. Basche |golfmanager 4/2023

 

Quellen

DEUTSCHER GOLF VERBAND, DGV: Die Vielfalt der Abschläge, serviceportal.dgv-intranet.de.

Eigene Recherchen und Interviews

WATERS, G., 2023: Forward Tees for the Future, usga.org.

PIERCE, D.,  2023: Helping Golfers Choose Their „Best Tees“, usga.org.

 

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