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EM-Duell der Golfresorts

Resümee vorbildlicher (Golf-)Gastgeber

Mit Spanien und England standen auch der Öschberghof und das Weimarer Land im Finale der EURO 2024. Positive Bilanz mit Fußball als Werbevehikel.
 

Aus Branchen-interner Sicht war es ein famoses Finale, dieses Endspiel um die 17. Fußball-Europameisterschaft: Der Öschberghof gegen das Spa & GolfResort Weimarer Land, allen Fußballfans und der Öffentlichkeit freilich eingängiger als Spanien vs. England. Ausgerechnet jene Mannschaften standen sich am 14. Juli in Berlin gegenüber, deren Team Base Camps für die EURO 2024 über eigene Fußball-Trainingsplätze verfügen. Zwei feine Adressen auf der deutschen Golflandkarte sind es sowieso, die aus dem Reigen der Rückzugsorte übriggeblieben waren und auf das ideelle Etikett des Königsmachers hofften.
 

Der Ausgang ist bekannt. La Furia Roja, die rote Wut, gewann mit 2:1. Spanien war spielfreudiger, brillanter und den englischen Three Lions einfach überlegen. Nach der erneuten kalten Dusche bei einem Groß-Event schlichen die wie nasse Katzen von dannen – erst fußballerisch eintönig, nun einsilbig.
 

Dieser Turnierverlauf war abzusehen. Während aus dem Öschberghof mediterrane Fußball- und Lebenslust herüberschwappte, gepaart mit Leichtigkeit und Spaß am Spiel, trachtete das englische Mannschaftsmanagement im Weimarer Land danach, das Kickerkorps gegen jeden und alles abzuschotten und in ein fast autistisches Korsett zu pressen – das passte zur Defensivdenke von Cheftrainer Gareth Southgate.
 

Der golfmanager hatte Gelegenheit, das englische Aufgebot während der fünf Wochen in Thüringen zu begleiten und die – zumeist eher zahnlosen – Three Lions beim streng getakteten Tagesablauf während eines Turniers und bei der Freizeitgestaltung in einer Art Hochsicherheitstrakt zu beobachten. Wir haben zugesehen, als Kapitän Harry Kane und seine Kameraden mit den eigens angereisten Pros Ian Poulter und Sam Horsfield auf der Driving-Range eine Nearest-to-the-pin-Golfgaudi veranstalteten und anschließend einen Scramble über den Goethe-Course des Resorts spielten*. Wir waren dabei, als Jude Bellingham mit Star- und Überraschungsgast Ed Sheeran Karaoke gesungen und Phil Foden in den Teichen der Golfanlage nach Graskarpfen gefischt hat.
 

Und wir haben mitgekriegt, wie die Spieler sich schon nach zwei Wochen dieser Höhle der Löwen und dem verordneten Isolationismus zu entziehen versuchten: mit kleinen Fluchten auf den Mountainbikes ins benachbarte Städtchen Blankenhain. Oder indem sie um Tee Times auf dem für Clubmitglieder und Golfgäste offenen Feininger-Course und Königin Luise 9-Löcher Course baten, an deren Schnittstelle das Weimarer Land die Golfrezeption ausgelagert hatte. Dabei stand der Goethe-Course den Engländern exklusiv zur Verfügung, weil die Trainingsanlage mittendrin liegt und niemand mitbekommen sollte, wenn Southgate seinen Systemfußball üben ließ. Als ob davon etwas zur Nachahmung empfehlenswert gewesen wäre. Ironie wieder aus.

Performante Unterschiede
 

Die unterschiedliche Performance der beiden EM-Finalisten auf dem Spielfeld und im Quartier lässt sich anhand zweier Begebenheiten versinnbildlichen. La Furia Roja verabschiedete sich mit einem charmanten Dankesvideo vom Öschberghof, in dem sich die Spanier, allen voran Trainer Luis de la Fuente und Jungstar Nico Williams, mit der Belegschaft durchs Resort dribbeln: über Tische, Stühle und Betten, durch die Wäscherei und durch die Küche, vorbei an der Rezeption und und und**.
 

Die Teamleitung der Engländer hingegen musste förmlich zum obligatorischen Gruppenfoto überredet werden, das Personal erschien ob der planlosen Programmänderung zumeist im Golf-Outfit statt in Teamklamotten und posierte mit entsprechend muffigen Mienen vor der Kamera: Bitte recht freundlich! Immerhin hatte wenigstens Gentleman Gareth Southgate einige Tage später einen Fist Bump für jeden der zum Goodbye versammelten Mitarbeiter: „Danke für alles. Die Bedingungen waren wirklich brillant.“ Dennoch: Avanza España.
 

Das passt zum fußballerischen Endergebnis. Weimarer-Land-Inhaber Matthias Grafe hätte zwar lieber ein Finale zwischen England und der deutschen Nationalmannschaft gesehen, die vor dem Turnier ein Trainingslager zum Teambuilding in Thüringen abgehalten hat: „So hätten wir hier auf jeden Fall mitgeholfen, den Europameister zu machen.“ Man kann nicht alles haben.
 

Die EM geriet dennoch zum Erfolg. Spanien wurde zum bislang unerreicht vierten Mal Europameister, England schaffte es nach 58 Jahren beziehungsweise Wembley 1966 immerhin mal wieder auf fremdem Boden in ein Finale, wenngleich der ganz große Wurf erneut ausblieb. Und sowohl Öschberghof als Weimarer Land dürften im Sog der Aufmerksamkeit für die kickende Klientel einen gehörigen Bekanntheitsschub erhalten haben.

Generelle Öffnung für (Fußball-)Events
 

Dabei standen die beiden High-End-Ensembles laut Matthias Grafe pikanterweise nicht mal auf der 52 Adressen umfassenden Empfehlungsliste, die der europäische Fußballverband UEFA den EM-Teilnehmern übermittelt hatte. Stattdessen kamen die Tipps wohl aus den jeweiligen nationalen Ligen selbst: Im Öschberghof hat sich der FC Barcelona schon auf eine neue Saison der Primera División vorbereitet, im Weimarer Land haben sich in den vergangenen Jahren die Queens Park Rangers und die Glasgow Rangers auf die Premier League eingestimmt. Genau für solche Gäste plant Grafe übrigens als nächsten Ausbauschritt neben dem dritten Golfplatz ein zusätzliches Sporthotel mit 45 Zimmern.
 

Er hätte sein Resort gleichermaßen den Österreichern oder den Niederländern vermieten können. Doch der Hausherr wollte einen erklärten Turnierfavoriten. Austria musste im Achtelfinale die Segel streichen; Oranje hat zwar Deutschland geschlagen, schied dann allerdings im Halbfinale und in tatsächlich letzter Minute aus – gegen die Three Lions. Also, alles richtig gemacht. Angesichts der dürren Darbietungen war das Vertrauen in Southgates Stars dennoch ein Ritt auf der Rasierklinge. „Wenn die nicht dank des Nachspielzeit-Fallrückziehers von Bellingham und des Treffers von Kane weitergekommen, sondern im Achtelfinale gegen die Slowakei rausgeflogen wären, hätte ich eine Menge Geld verloren“, gesteht Grafe.
 

Wie die Verantwortlichen im Öschberghof hat er sein Resort für die Fußballer wochenlang vom üblichen Gästegeschäft abgekoppelt und auf die ungewohnte Zielgruppe umgekrempelt, zudem eine siebenstellige Summe für Organisation, Ausstattung und Struktur eines Team Basecamp, für Sonderwünsche wie die Einsaat des bereits nach internationalem Standard angelegten Fußballrasens mit Wembley-Gras und für die weitere Aufwertung seiner Gesamtanlage ausgegeben.
 

So jedoch durfte er sich über ein Full House freuen. Die englische Equipe blieb bis zum Samstag vor dem Finale, die Hotelrechnung kompensierte damit den Einnahmen-Ausfall eines zur Hochsaison ansonsten ebenfalls weitgehend ausgebuchten Hauses. „Ökonomisch ist das gleichrangig“, verdeutlicht Grafe, der drei Jahre lang insgeheim am Abenteuer EM-Quartier gebastelt hat. „Normalerweise haben wir eine Auslastung von 80, 90 Prozent, jetzt waren es 100 Prozent. Aber ich hatte auch einen wesentlich höheren Aufwand.“ Und die Investitionen sind damit ohnehin nicht gedeckelt. Andererseits betont Grafe: „Wir haben das auch für die Menschen in Blankenhain gemacht. Meine Vision ist, mit ihnen zusammen diesen Ort voranzubringen.“
 

Die Gäste zeigten sich zudem wesentlich entspannter, nachdem das Minimalziel Viertelfinale erreicht war – was manchem Fan fast die Freudentränen ins Gesicht trieb, der schließlich doch ein Autogramm von Kane und Co. ergatterte. Abwehrrecke Kyle Walker etwa schnappte sich noch am Abreisetag ein Fahrrad, um die auf den umliegenden Wegen ausharrenden Blankenhainer zu beglücken.

Mehrwert für Resort und Region
 

Letztlich war es ein erfolgreicher Sommer für Land und Leute. Die thüringische Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) hat dafür 1,5 Millionen Euro aus Sondermitteln zur Verbesserung der Infrastruktur von Gastgeberstadt Blankenhain eingebracht. Das Schloss wurde als Medienzentrum hergerichtet, der Schlossplatz und der kommunale Sportplatz wurden saniert, das Landesmarketing entwickelte eine entsprechende Begleitkampagne. „Im Sommer wird sechs Wochen lang jeden Tag irgendwo Weimarer Land erwähnt“, hat Grafe lange vor der EM als Parole für Resort wie Region ausgegeben.
 

Die Rechnung ist aufgegangen. „Über Blankenhain wird in diesen Tagen mehr gesprochen als über Goethe und Schiller und Weimar“, meinte einer der Zaungäste. „Für Thüringen und für die Leute ist das ein riesiger Imagegewinn“, pflichtet Matthias Grafe später bei. „Solche Mannschaften kommen ja nicht aus Mitleid zu uns, sondern weil es hier wirklich gut ist. Will sagen: Thüringen ist nicht so schlecht, wie wir uns oft machen.“ Blankenhains Bürgermeister Jens Kramer wiederum spricht von einer „wunderbaren Strahlkraft“ und einer „immensen medialen Aufmerksamkeit“.
 

Allein das Trainingslager der DFB-Auswahl um Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sportdirektor Rudi Völler – „Wir gehen ganz bewusst in den Osten Deutschlands und freuen uns auf unsere Fans in Thüringen“ – hat eine Menge bewirkt. Sechs Tage lang ließ man sich vom familiären Spirit im Weimarer Land inspirieren und schaffte tatsächlich den Spagat zwischen Vorbereitung und Volksnähe. „Ich fand die Spieler sehr natürlich im Auftreten, niemand wirkte abgehoben. Sie haben sich nicht abgeschirmt, sondern so viele Außentermine wie wohl nie zuvor wahrgenommen“, resümiert Hoteldirektor Daniel Stenzel.
 

Die „Nagelsmänner“ absolvierten öffentliche Trainings, besuchten Schulen und die Tafel in Blankenhain, verteilten Geschenke und Spenden, schrieben sich für Autogramme die Finger wund. Und Thomas Müller testete schon mal den Golfplatz für seinen Münchener Mitspieler Harry Kane. Zwischendurch kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Besuch, sprach über die Bedeutung der EM für Deutschland und schüttelte jedem die Hand.
 

„Danke für alles, Thüringen!“, hieß es schließlich per Abschiedspost in den Social-Media-Kanälen des DFB. „Wir hatten eine unfassbar gute Zeit bei euch und haben uns super wohlgefühlt. Euer Support war spürbar – wo immer wir waren.“ Müller hinterließ Kumpel Kane überdies eine persönliche Botschaft: „Wir haben gerade unsere Zeit hier in Thüringen beendet: Tolle Bedingungen, sehr freundliche Leute, und manchmal regnet es sogar. Klingt perfekt, oder?“
 

Fast 12.000 Medienbeiträge mit einem Anzeigen-Äquivalenzwert von 116,9 Mio. Euro netto wurden anschließend in einschlägigen Analysen und Befragungen notiert. Nach Ansicht von LEG-Chef Andreas Krey haben sich der Bekanntheitsgrad von Blankenhain – Studien belegen tatsächlich eine Verzehnfachung – und das generelle Ansehen des Freistaats als Urlaubs- und Erholungsziel signifikant erhöht: „Thüringens Vorzüge in puncto Kultur, Geschichte und Natur werden seitdem noch stärker wahrgenommen.“
 

Bis zum Ende des Jahres will die LEG gleichermaßen Eindruck und Niederschlag des englischen Aufenthalts auswerten. Auf den britischen Boulevard haben Blankenhain und das Spa & GolfResort Weimarer Land es jedenfalls schon geschafft. Der Radiosender 5 Live Sports berichtete von einem „Wunder- und Abenteuerland“, das keine Wünsche offen lasse. „Die Deutschen wissen eben, wo es sich in ihrem Land gut wohnen lässt“, bezog sich The Guardian auf den Bettenwechsel von DFB und englischem Fußballverband FA: „Dieses luxuriöse, abgeschieden gelegene Resort auf dem gepflegten Gelände im Zentrum Deutschlands ist die Endstufe.“ Und The Times in London widmete dem Wembley-Turf im Weimarer Land gar einen separaten Artikel, nachdem die Three Lions das vorher eifrig trainierte Viertelfinal-Elfmeterschießen gegen die Schweiz gewonnen hatten.
 

„Die UEFA hat unseren Belag getestet und attestiert, es sei der beste aller Team Basecamps“, sagt Matthias Grafe und fügt an: „Ich habe die englische Teamleitung allerdings im Scherz mehrfach darauf hingewiesen, dass beim Finale in Berlin nicht auf Wembley-Turf, sondern auf deutschem Rasen gespielt wird.“ Vielleicht hatte die finale Niederlage ja doch ein bisschen mit der Umstellung zu tun. Aber das ist eine andere Geschichte: Wir erzählen sie in der nächsten Ausgabe des Greenkeepers Journal.
 

Autor: Michael F. Basche | golfmanager 4/2024
 

* https://www.youtube.com/watch?v=Jy0DTu4BF6Q

** https://www.instagram.com/p/C9U4BM3ssZo/