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Auswirkungen des Golfequipments auf das Golfspiel

Hickory trifft auf Moderne

Ein empirischer Vergleich zwischen historischen und aktuellen Golfschlägern

2016 ist es endlich wieder soweit: Golf kehrt zurück auf die olympische Bühne! Doch während weiterhin intensiv über Nominierungsverfahren und Austragungsmodus diskutiert wird, betrachtet der golfmanager dieses Ereignis unter anderem Blickwinkel. Mindestens einmal pro Jahr, teilweise sogar öfter, bringen führende Golfausrüstungshersteller neue Schläger auf den Markt. Immer neue Materialien und Konstruktionen scheinen sich stark am olympischen Motto „schneller, höher, weiter“ zu orientieren. Mancher Golfer unkt bereits, dass man mit den heutigen Drivern – addiert man die in der Werbung der letzten zehn Jahre propagierten Längengewinne durch modernes Equipment –, schon fast das Grün eines Par 5s vom Tee aus angreifen können müsse. Zugegeben, selbst einem Bubba Watson fehlen dazu doch noch einige Längenmeter. Dennoch, so findet zumindest der golfmanager, war es an der Zeit, die Auswirkungen der Schlägerentwicklung auf das Golfspiel einmal genauer zu unter­suchen.

 

Genaue Messung als Basis

Also beschloss die Redaktion, historische Golfschläger, auch als Hickory-Schläger bekannt, mit heutigem Equipment zu vergleichen. Die Bühne für diesen Wettkampf war schnell gefunden: das TaylorMade Center of Excellence im fränkischen Herzogenaurach, eines der modernsten Fittingcenter Europas, stellte Team und Equipment zur Verfügung. Und Ende November startete dann der große Vergleichstest: Hickory trifft auf Moderne. Für die Hickory-Schläger galt als Voraussetzung, dass die Schläger Originalmodelle vor 1935 sein mussten. So kamen nicht nur Hickory-Schäfte, sondern auch die guten alten Schlägerköpfe aus Holz zum Einsatz. Beim modernen Equipment konnten die Spieler entweder ihre eigenen Sets nutzen, fast alle Spieler griffen jedoch auf die neuesten Modelle von TaylorMade für Damen und Herren zurück: bei den Herren die M1- und Aeroburner-Hölzer sowie die PSi-Eisen, bei den Damen wurde die neue Kalea-Serie eingesetzt. Dass überhaupt so viele historische Golfschläger zur Verfügung standen, ist dem großartigen Engagement zahlreicher Hickory-Golfer Deutschlands zu verdanken, die extra für diesen Test samt Equipment nach Herzogenaurach gekommen waren. Unter Federführung des Captains der German Hickory Golf Society (GHGS), Christoph Meister, traten zahlreiche Golfer an, die regelmäßig sowohl mit Hickory- als auch mit modernen Schlägern auf die Runde gehen.

Die Spanne reichte von Jungprofi Timo Konieczka bis hin zum achtjährigen Louis Dudzus vom Golf- und Land-Club Berlin-Wannsee. Auch der Golfclub Herzogenaurach entsandte einige Golfer, nicht zuletzt Alex Elsner, einen der Top-Amateure Deutschlands.

 

Sorgfältige Vorbereitung

Für alle Spieler galt es, nach einer Einspielzeit sowohl mit Hickoryschlägern, als auch modernem Equipment eine Messreihe von Bällen zu schlagen. Es wurden ausschließlich moderne Golfbälle eingesetzt – zu Hickoryzeiten wären natürlich andere Bälle genutzt worden, jedoch stand bei dem hier durchgeführten Vergleich nicht der Ball, sondern ausschließlich der Schläger im Blickfeld. Alle Schläge wurden im Center of Excellence per Flightscope vermessen und aufgezeichnet. Center-Manager Manolis Nikitaidis und sein Kollege Julian Wuttke hatten die Testreihe bestens vorbereitet und warteten gespannt auf die Ergebnisse.

 

Gleich zu Beginn wurde deutlich: Ein Vergleich zwischen den historischen Schlägern und heutigem Equipment ist gar nicht so leicht durchführbar wie zunächst zu erwarten. Denn während heute Bezeichnungen wie Driver, Holz 3, Eisen 7 oder Pitching Wedge gängig sind, werden Hickory-Schläger ganz anders bezeichnet. Hier ist bei den Hölzern von Brassie, Spoon und Cleek die Rede, bei den Eisen werden beispielsweise Mashie, Mashie Niblick und Niblick unterschieden. Nikitaidis und Meister ließen es sich daher nicht nehmen, zunächst einige alte Schläger persönlich zu vermessen, damit auch die tatsächlich halbwegs passenden modernen Eisen für den Vergleich ausgewählt werden konnten. 

Dann ging es los: Jeder Teilnehmer schlug mehrere Bälle mit Hickory-Schlägern (Hölzer und Eisen) sowie mit heutigem Equipment. Die Daten wurden pro Spieler im Flightscope-System gespeichert. Echte Fehlschläge wurden aus den Messreihen gelöscht, dennoch zeigte sich, dass vor allem bei Amateuren die Messreihe die üblichen Streuungen aufwies, wie sie jeder Hobbygolfer von der Runde her kennt.

 

Messen, zählen, rechnen ...

Die Auswertung der Messreihen erfolgte durch den golfmanager. Hierbei wurden zunächst die Daten pro Spieler ausgewertet, da zu erwarten war, dass Spieler unterschiedlicher Spielstärke unterschiedliche Ergebnisse erzielen werden. Für jeden Spieler wurde dann für die Kategorien Hickory Holz, modernes Holz, Hickory Eisen und modernes Eisen jeweils ein Durchschnitt aus allen gewerteten Schlägen berechnet. Zudem wurde zum Vergleich pro Spieler jeweils der Ball mit der größten Gesamtweite ausgewählt – denn auch wenn Genauigkeit sicherlich genauso wichtig ist wie Weite, für viele Golfer und auch für das Marketing der meisten Golfequipment-Anbieter steht die Schlaglänge im Vordergrund. Das Flightscope-System bietet eine schier unüberschaubare Anzahl an technischen Messdaten. Für den hier durchgeführten Vergleich wurde entschieden, die folgenden Werte zu betrachten:

  • Schlagweite: carry und gesamt
  • Seitliche Abweichung
  • Schlägerkopf­geschwindigkeit
  • Ballgeschwindigkeit (beim Abflug)
  • Smash Faktor. 

 

Zur Erinnerung: Der Smash-Faktor gibt an, in welchem Umfang die Energie des Schlägerkopfes auf den Golfball übertragen wird. Man kann davon ausgehen, dass Golfprofis mit dem Driver einen Smash-Faktor von knapp unter 1,5 erzielen, der Durchschnittsamateur erreicht Werte um 1,4. Bei den Eisen ist der Smash-Faktor um durchschnittlich 0,1 niedriger.

 

Runde 1: Die Hölzer

Profi Timo Konieczka zeigte mit einem historischen Brassie (entspricht einem heutigen Holz 3), dass schon damals Longhitter eine Chance hatten: Mit durchschnittlich 220 Meter carry und insgesamt 232 Meter Länge erzielte er Weiten, die viele Amateurgolfer selbst mit perfekt auf sie abgestimmten modernen Schlägern nicht schaffen. In der Spitze schaffte er sogar eine Gesamtschlagweite von 241 Metern. Und die durchschnittliche Schlägerkopfgeschwindigkeit von weit über 100 Meilen pro Stunde zeigt, dass auch handwerklich gut gefertigte historische Schläge einen modernen Schwung aushalten. Mit einem Holz der aktuellen M1-Serie (ungefittet) steigerte er die Weite sogar auf fast 250 Meter und erzielte einen sagenhaften Smash-Faktor von 1,5. Auch die Top-Amateure kamen mit ihren Hickory-Modellen nahe an die 200 Meter, mit modernen Schlägern kamen diese Spieler im Schnitt nochmals bis zu zehn Prozent weiter. Bei den übrigen Amateuren lagen die Schlagweiten mit modernen Hölzern über denen der historischen Schläger, die Unterschiede variierten jedoch von wenigen Metern bis hin zu Steigerungen von über 30 Prozent bei der Gesamtlänge. Ebenfalls auffällig: Während bei den Top-Spielern die Schlägerkopf- und Ballgeschwindigkeit bei Hickory und modernen Schlägern sehr ähnlich war, erzielten die übrigen Amateure mit den modernen Hölzern höhere Schlägerkopf-, vor allem aber höhere Ballgeschwindigkeiten – ein deutliches Indiz dafür, dass dank moderner Technologie offensichtlich die Kraftübertragung mit heutigem Material besser funktioniert. Dies zeigt auch ein Vergleich der Smash-Faktoren, der (bezogen auf den jeweils weitesten Schlag) bei den Hickory-Hölzern teilweise nur bei etwas mehr als 1,2 lag, bei den modernen Hölzern wurden durchweg Werte oberhalb 1,4 erzielt. Und noch etwas fiel auf: Der Carry-Längengewinn war durchweg größer als der Gesamt-Längengewinn. Anders ausgedrückt: Historische Hölzer generieren weniger Spin, so dass der Ball nach der Landung meist noch weiter ausrollt – ein Effekt, den viele Golfer übrigens vor allem auf Links-Plätzen sehr zu schätzen wissen. Einen Überblick über die wichtigsten Messergebnisse gibt Tabelle 1 (Download PDF).

Runde 2: Die Eisen

Als nächstes Stand der Vergleich der Eisen auf dem Programm. Erste Überraschung: Im Gegensatz zum Spiel mit den Hölzern konnten hier die Hobbygolfer beim Smash-Faktor durchaus mit Profis und ambitionierten Spielern mithalten. Dies gilt sowohl für das Spiel mit Hickory als auch mit modernen Eisen. Doch aufgrund der höheren Schlägerkopfgeschwindigkeit kommen Profis und Top-Amateure dennoch auf größere Weiten mit den Eisen. Zweite Überraschung: Die seitliche Abweichung war beim Spiel mit den Hickory-Schlägern im Schnitt geringer als beim modernen Equipment. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass vielfach auch die Schlägerkopfgeschwindigkeit beim historischen Schläger um bis zu zehn Prozent geringer war – mit anderen Worten: Vor allem erfahrene Hickory-Golfer schwingen lieber etwas langsamer und versuchen, den Ball dafür möglichst präzise zu treffen. Nicht umsonst sagen sogar viele Teaching Pros, dass zahlreiche Golfer vom Hickory-Spiel auch beim Spiel mit modernen Schlägern profitieren, da sie präziser schwingen und die Kraft besser dosieren. Offensichtlich verführt aber ein moderner Golfschläger dann schnell wieder dazu, mehr „Gas beim Schwung zu geben“ und lieber Länge statt Präzision in den Vordergrund zu stellen. Auch bei den Eisen konnten die modernen Schläger den Wettbewerb um die größte Weite für sich entscheiden. Während bei den Top-Spielern der Längengewinn mit rund acht Prozent aber vergleichsweise gering ausfiel, erzielten die Normal-Golfer Steigerungen von über 10 Prozent. Und wie schon bei den Hölzern wurde durchweg mit den modernen Schlägern ein deutlich besserer Smash-Faktor erzielt, der auch hier stärker auf die höheren Ballabfluggeschwindigkeiten zurückzuführen ist. Die Detailergebnisse der Messungen zeigt Tabelle 2 (Download PDF).

Runde 3: Der Vergleich

Moderne schlägt Historie – so könnte man die Ergebnisse des Vergleichs recht einfach zusammenfassen. Dennoch waren viele der Teilnehmer vom Ergebnis des Vergleichstests überrascht, denn: Vor allem bei den Top-Spielern unter den Teilnehmern fiel der Vergleich zwischen den beiden Schläger-Generationen längst nicht so deutlich aus wie erwartet. Sicherlich, durch ein umfangreiches Fitting könnten Profis und sehr gute Spieler noch mehr aus modernen Schlägern herausholen, auch durch individuelles Fitting der Schäfte wäre der ein oder andere Weitenmeter noch drin. Doch auch mit historischen Golfschlägern erzielten die besten Spieler bereits Weiten und Präzision, die für viele Amateure auch mit modernem Gerät schier unerreichbar scheinen. Dabei fällt auf, dass der Weitenunterschied bei den Eisen in Relation deutlicher war als bei den Hölzern. Vor allem bei den Hölzern wurde aber auch sichtbar, dass Schlägerkopfgeschwindigkeit und eine saubere Kraftübertragung auf den Ball wichtiger für die Schlaglänge sind als das Equipment – und sowohl Kraft als auch Präzision sind eine Frage des Trainings und nicht der Ausrüstung! Vor allem bei den Eisen zeigte sich, dass vor allem der Durchschnittsgolfer von der permanenten Entwicklung der Golfindustrie in Bezug auf die Schlagweite profitiert. Doch auch hier gilt: Rechnet man die durchschnittlichen Längengewinne mit modernen Golfschlägern auf die letzten 80 Jahre um (schließlich wurden alle eingesetzten Hickory-Golfschläger vor 1935 gefertigt), ergibt sich je nach Golfer und Spielstärke ein Längengewinn von weniger als 30 cm pro Jahr – im englischen wäre dies ein Fuß, es ging also letztlich doch in kleinen Schritten voran. Insbesondere im Leistungsgolf sind jedoch weitere Faktoren, nicht zuletzt die Entwicklung der Bälle und vor allem die Athletik, wesentliche Faktoren für die heutige Spielentwicklung.

 

Ein Fazit

Keine Frage, moderne Golfschläger erzielen im Durchschnitt längere Schlagweiten und transportieren die Kraft des Golfers besser zum Ball. Das sorgt für längere Schläge, sowohl beim Carry als auch insgesamt. Doch auch mit modernen Schlägern ist es wichtig, den Ball sauber zu treffen – modernes Equipment ­alleine reicht nicht aus, um aus unsauberen Schlägen plötzlich kerzengerade Ballflüge zu zaubern. Vor allem bei niedrigeren Schlägerkopfgeschwindigkeiten können die heutigen Golfschläger ihre Vorteile zur Geltung bringen – und wenn dies mit präzisem Eintreffen des Schlägers auf den Ball gepaart wird, können Amateure mit modernen Schlägern den Weg zum Grün deutlich abkürzen. Wer jedoch die Marketing-Aussagen einiger Schlägerhersteller wie „mindestens 20 Meter Längengewinn mit dem neuen Super-Driver“ zu wörtlich nimmt, wird schnell enttäuscht werden. Denn schließlich ist hier der Vergleichsschläger stets der letzte Driver und nicht ein Hickory-Modell aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Von daher: Aus golferischen Gründen ist es sicherlich nicht erforderlich, jedes neue Schlägermodell – sei es bei Hölzern oder bei Eisen – gleich für die nächste Runde ins Bag zu packen. Und vielleicht sollten viele Golfanlagen solche Vergleichstests einmal auf den eigenen Anlagen durchführen, um ihren Golfern die Bedeutung einer anderen, aber natürlich etwas mühsameren Art zur Verbesserung der Schlaglänge zu verdeutlichen: Training! Denn letztlich können auch die Vorteile moderner Schläger ohne entsprechende Technik nicht abgerufen werden und die drei größten Geheimnisse für besseres Golf heißen weiterhin „üben, üben, üben“.

Golfanlagen sollten auf Basis dieser Ergebnisse aber auch darüber nachdenken, für wen sie ihre Plätze bauen. Die Entwicklung im Leistungsgolf hat dazu geführt, dass in der Kombination aus Kraft, Fitness, Technik und Equipment Längen gespielt werden können, von denen man in den Hochzeiten des Hickory-Golfs nur träumen konnte. Nicht umsonst sind die durchschnittlichen Turnierplätze heute um 1.000 Meter und mehr länger als beim letzten olympischen Golfturnier. Und doch gilt auch heute: Der Abstand zwischen Top-Spielern und Durchschnittsgolfer ist nicht geringer geworden, auch mit moderner Ausrüstung schlagen die wenigsten Hobbygolfer ihre Drives über 250 Meter oder ihr Eisen 7 über 150 Meter. Wer also Golfplätze mit über 6.600 Metern Länge anbietet, trifft damit nicht unbedingt den Nerv des Durchschnittsgolfers. Laut MyGolf (Stand: Anfang Dezember 2015) sind nur gut 15 Prozent aller Golfer in Deutschland Bogey-Golfer oder besser. Und schließlich verursacht jeder Meter Fairway beträchtliche Investitionen und Unterhaltskosten. Zumindest aber sollten deutsche Golfanlagen verstärkt über die Nutzung mehrerer Teeboxen nachdenken, also nicht nur die Klassiker gelb und rot – denn dadurch können die meisten Golfer nicht nur eher ein Par oder gar Birdie spielen (was meist mehr Freude macht als ein Doppelbogey aufgrund fehlender Schlagweite zum Grün), sondern auch das Spieltempo sollte sich damit wieder in die richtige Richtung bewegen.

 

Wenn im kommenden Jahr in Rio die besten Golfer dieser Welt um olympisches Gold kämpfen, wird es ein anderer Wettkampf sein als beim letzten olympischen Golfturnier. Und wie in fast allen anderen olympischen Sportarten hat die technologische Entwicklung der Ausrüstung ihren Teil dazu beigetragen, dass heutige Sportler tatsächlich schneller, höher, weiter performen als noch vor 100 Jahren. Doch diese Entwicklung gleicht eher einer Evolution denn einer Revolution. Und mindestens genauso wichtig für sportlichen Erfolg bleiben – auch beim Golf – regelmäßiges, intensives Training und eine ausgezeichnete Technik. Doch auch der Hobbygolfer kann von der technologischen Entwicklung der Ausrüstung profitieren – sie richtig einzusetzen und das optimale Ergebnis aus dem Equipment zu ziehen, erfordert jedoch auch mit heutigem Equipment kontinuierliches Training. Und wer einfach seine Schlagpräzision verbessern möchte, sollte vielleicht öfter einmal zu Hickory-Schlägern greifen, denn hier werden Fehlschläge noch nicht so verziehen wie beim modernen Equipment, stattdessen treten Schwung und Treffmoment wieder in der Vordergrund.

 

Autor: Michael Althoff | golfmanager 06/2015

 

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