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Jährige Rispe und Gemeine Rispe – Unerwünschte Gräserarten im Rasen

Basiswissen Greenkeeping

Zum Abschluss der Reihe „Bestimmung von Rasengräsern“ in der Rubrik „Basiswissen Greenkeeping“ sollen die beiden wichtigsten unerwünschten Gräserarten in Mitteleuropa vorgestellt werden. Beide Arten sind häufig in Rasenflächen anzutreffen. Sie sind entweder Bestandteil der Böden oder werden durch Saatgut eingeschleppt. Die zunehmenden Reglementierungen bei der Bekämpfung beider Arten in der Saatgutproduktion werden in Zukunft zu einer unvermeidbaren Zunahme dieses Eintragswegs führen. Fehlende bzw. unzureichende Kontrollmöglichkeiten verstärken die Ausbreitung beider unerwünschter Arten.

 

Jährige Rispe (Poa annua L.)

Die Jährige Rispe (Poa annua L.) ist ein weit verbreitetes, niedrig wachsendes Gras der kühleren Klimazonen. Die Art ist tiefschnitt- und trittverträglich, bildet jedoch in aller Regel nur ein flaches Wurzelwerk aus. In der Literatur werden als Eltern die Arten Poa infirma H.B.K. und Poa supina Schrad. genannt. Die hellgrüne Blattfarbe sowie die fast ganzjährige Bildung von Samenständen in Verbindung mit einer meist relativ groben Blattstruktur machen die Jährige Rispe in vielen Rasenflächen vor allem zu einem optischen Störenfried. Hiervon ausgenommen sind Rasenflächen mit hohen Anteilen an Lägerrispe (Poa supina), die ein der Poa annua sehr ähnliches Erscheinungsbild aufweist.

 

Die Jährige Rispe ist mäßig schattenverträglich, jedoch hitze- und aufgrund des flachen Wurzelwerks sehr trockenheitsempfindlich. Die Winterfärbung ist vor allem bei strengem Frost gelblich.

 

Die Formenvielfalt der Jährigen Rispe ist groß: Neben tetraploiden existieren auch diploide Typen, die sich in Wuchstyp, Samenbildung, Ausdauer und Toleranz gegen Trockenheit und Hitze unterscheiden.

So findet man durchaus auf einer Rasenfläche streng einjährige Typen (Poa annua var. annua) neben ausdauernden Typen (Poa annua var. reptans). Letztere sind vor allem auf Golfgreens bei ausreichender Nährstoff- und Wasserversorgung zu beobachten. Sie besitzen eine hohe Triebdichte, feine Blätter und können Stolonen bilden. Die Neigung zur Samenbildung ist gering. Anders dagegen der einjährige, horstbildende Poa annua-Typ, der mit wenigen Trieben eher lockere Grasnarben mit fast ganzjähriger Samenproduktion aufweist und der meist dem Lebenszyklus von Abbildung 1 folgt.

Einsatzbereiche und Saatgut

Von Poa annua var. reptans existieren einige wenige Zuchtsorten, die vor allem zur Verbesserung Poa annua-dominanter Golfgreens eingesetzt wurden, eventuell auch noch werden. Der Erfolg dieser Maßnahme ist nach Erfahrung des Verfassers überschaubar, zumal die Raseneigenschaften in Vegetationsprüfungen bei weitem nicht an die Leistungen der Straußgräser heranreichten (Abbildung 2).

 

 

Die dickbauchige, gelbe bis bräunliche Spelzfrucht der Jährigen Rispe ist 2,2 bis maximal 4 mm lang, 0,6 bis 1 mm breit und 0,5 bis 0,8 mm dick. Das zylindrische, schwach gebogene Stielchen ist 1 bis 1,4 mm lang. Die Deckspelze ist scharf auf dem Rücken gekielt und an der Spitze häufig zerschlitzt. 1.000 Körner wiegen etwa 0,4 g (= 2.500 Körner pro g).

Gemeine Rispe (Poa trivialis L.)

Die ausdauernde Gemeine Rispe fällt in Rasenflächen vor allem durch die stark glänzenden Blattunterseiten den dichten, teppichartigen Wuchs auf. Die Grasnarbe fühlt sich beim Betreten aufgrund der extrem flach ausgebildeten Faserwurzeln und der hohen Narbendichte schwammig an und ist nur wenig scherfest. Das Gras lässt sich leicht aus dem Boden herausziehen, dabei typisch ist der den Wurzeln entströmende modrige/erdige Geruch.

Bei regelmäßigem Schnitt, vor allem bei Tiefschnitt, bleiben die Blätter sehr schmal und liegen flach am Boden an. In Verbindung mit den oberirdischen Ausläufern (Stolonen) verdrängt die Gemeine Rispe andere Gräserarten bzw. besiedelt rasch Lücken.

 

Aufgrund des flachen Wurzelwerks ist sie sehr trockenheitsempfindlich und kann sich nur an feuchten Stellen dauerhaft etablieren. Bei Trockenheit verfärbt sie sich rasch rötlich bis braun und stirbt ab. Häufig ist sie an schattigen Standorten vertreten. Zusammen mit Poa supina beginnt Poa trivialis bereits sehr früh mit dem Wachstum nach der Vegetationsruhe.

Einsatzbereiche und Saatgut

Von Poa trivialis ist aktuell 1 Sorte in der Sortenliste des Bundessortenamtes beschrieben (BSA, 2021). Die extreme Trockenheitsempfindlichkeit sowie die fleckenhafte Ausbreitung beschränken den Einsatz der Gemeinen Rispe auf Staunässe-gefährdete bzw. feuchte Lagen im Landschaftsrasen (RSM 7.3).

 

Die länglich-lanzettliche, honig- bis rötlichgelbe Spelzfrucht der Gemeinen Rispe ist 2 bis 2,8 mm lang sowie 0,4 bis 0,6 mm breit und dick. Das Stielchen ist 0,6 bis 0,9 mm lang und sehr dünn. Die Deckspelze ist scharf gekielt. Der Kiel selbst besitzt dichtstehende, sehr kurze Zähnchen. Das Tausendkorngewicht liegt bei etwa 0,2 g (= 5.000 Körner pro g).

Weiterführende Literatur zu Gräsern

BSPB, 2022: Turfgrass Seed 2022. British Society of Plant Breeders Limited.

BROUWER, W. u. A. STÄHLIN, 1975: Handbuch der Samenkunde. 2. Aufl. DLG-Verlag, Frankfurt.

BSA, 2021: Beschreibende Sortenliste Rasengräser 2021. Bundessortenamt, Hannover.

CONERT, H.J., 2000: Pareys Gräserbuch. Die Gräser Deutschlands bestimmen und kennen. Parey, Berlin.

ELSÄSSER, M., E. KLAPP u. W. OPITZ VON BOBERFELD, 2020: Gräserbestimmungsschlüssel für die häufigsten Grünland- und Rasengräser. 7. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

ELSÄSSER, M., E. KLAPP u. W. OPITZ VON BOBERFELD, 2020: Kräuterbestimmungsschlüssel für die häufigsten Grünland- und Rasenkräuter. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

FLL, 2022: RSM Rasen 2022, Regel-Saatgut-Mischungen Rasen. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL), Bonn.

HUBBARD, C.E., 1973: Gräser. Ulmer, Stuttgart. Übersetzt von P. Boeker, Bonn.

KLAPP, E. u. W. OPITZ VON BOBERFELD, 2020: Gräserbestimmungsschlüssel für die häufigsten Grünland- und Rasengräser. 7. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

KLAPP, E. u. W. OPITZ VON BOBERFELD, 2013: Taschenbuch der Gräser-Erkennung und -Bestimmung, Standort und Vergesellschaftung. 14. Aufl. Ulmer, Stuttgart.

NONN, H., 2006: Agrostis-Arten und Poa annua im Tiefschnittversuch.

www.rasengesellschaft.de/rasenthema-detailansicht/rasenthema-januar-2006.html (aufgerufen am 26.08.2022).

VARGAS, J.M. a. A.J. TURGEON, 2004: Poa annua: Physiology, Culture, and Control of Annual Bluegrass. John Wiley & Sons, New Jersey.

 

 

Autor: Harald Nonn | Greenkeepers Journal 3/2022

 

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