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Interview mit Prof. Martin Thieme-Hack, HS Osnabrück

Deutsche Rasenwissenschaft holt im internationalen Vergleich auf

An der Hochschule Osnabrück beginnt im Wintersemester 2017-18 eine neue Studienvertiefung „Nachhaltiges Rasenmanagement“ im Rahmen des Master-Studiengangs „Agrar- und  Lebensmittelwirtschaft“.

 

Interessant für uns zu erfahren war, dass über die klassische (Head-)Greenkeeper-Fortbildung an den DEULA-Bildungsstätten ein fachgebundener Hochschulzugang ermöglicht wird. So kann mit dem erfolgreich abgeschlossenen Fachagrarwirt eine ganze Reihe von Bachelor-Studiengängen begonnen werden – an einigen Hochschulen direkt, je nach Bundesland und Hochschule müssen Interessenten die Zulassungsvoraussetzungen aber auch im Detail noch mit der Hochschule abklären.

 

Der erfolgreiche „Bachelor-Absolvent“ hat danach unter anderem die Möglichkeit, am ersten deutschen „Rasen-Lehrstuhl“ in Osnabrück seine Passion für die Rasenwissenschaft mit der Vertiefungsrichtung „Nachhaltiges Rasenmanagement“ weiter zu verfolgen. Weitere detaillierte Informationen direkt auf der Webseite der Hochschule Osnabrück finden Sie auch hier.

Wir befragten hierzu Prof. Martin Thieme-Hack von der Hochschule Osnabrück, der maßgeblich an der Einrichtung der Stiftungsprofessur und der Ausgestaltung des Studienschwerpunktes mitwirkte.

 

? Herr Prof. Thieme-Hack, es hat eine Weile gedauert, den neuen Studienschwerpunkt „Nachhaltiges Rasenmanagement“ einzuführen; für wie wichtig erachten Sie diesen im Hinblick auf eine weitere Professionalisierung des Greenkeepings, auch im Vergleich zur europäischen oder sogar weltweiten Rasenwissenschaft?

 

! Deutschland ist nicht nur im Bereich der Rasenforschung, sondern auch in der akademischen Ausbildung diesbzgl. weit hinterher. In den USA gehört es zum guten Ton einer jeden Agrar-Uni, dass es gleich ganze Studiengänge „Turfgrass Management“ oder „Turfgrass Science“ gibt. Manche Universitäten bieten sogar gleichzeitig verschiedene Programme rund um den Rasen an.

Aber auch in Europa gibt es eine etablierte Szene von Rasenforschern. Wir durften ja einige von ihnen zu der „4th European Turfgrass Conference“ in Osnabrück begrüßen. Die Ausbildung der Greenkeeper in Deutschland hat ganz sicher ein hohes Niveau. Was nun fehlt, ist der nächste Schritt hin zu einer wissenschaftlich basierten Weiterbildung. Zum einen, um das Greenkeeping noch professioneller zu machen, zum anderen, um Nachwuchs für die Beratung, die Forschung und nicht zuletzt für die Ausbildung heranzuziehen. Daher haben wir uns gemeinsam mit der Deutschen Rasengesellschaft darauf verständigt, das Rasenthema in einem Masterstudiengang anzusiedeln, der ja nicht zuletzt auch die Möglichkeit zur Promotion eröffnet.

 

? Ist der Studiengang gleichermaßen für Golf- wie Sportanlagen ausgerichtet? Der Zugang nach einem Bachelor-Studium somit für beiderlei Ausbildungsrichtungen an den DEULEN geeignet?

 

! Sicher spielt der Sportrasen eine große Rolle im Studium und ist damit auch für jeden Greenkeeper eine ideale Ergänzung der bisherigen Ausbildung. Aber das Studium soll ja Horizonte öffnen. Mit dem Begriff Nachhaltigkeit wollen wir gerade das weite Feld des Rasens, vom Golfrasen über den Gebrauchsrasen, bis hin zu naturnahen Flächen bearbeiten. Das Studium ist so aufgebaut, dass im ersten Studienjahr die Grundlagen gelegt werden und im zweiten Studienjahr die Studierenden sich nach eigenen Neigungen vertiefen können. Da hat dann jeder die Wahl, ob untersucht werden soll, wie im eigenen Club die Geschwindigkeit der Grüns auf 12 Stimpmeter gebracht werden kann oder wie die Biodiversität auf Grünflächen gesteigert wird. Da werden wir thematisch ganz offen sein.

 

? Wie verhält es sich mit der Präsenzpflicht? Unseren Informationen nach liegt sie bei 18 Monaten. Das macht das Studium für Leute, die mit dem Berufsleben begonnen haben – gilt ja für die meisten Fachagrarwirte – gerade noch akzeptabel. Das hieße ggf. 18 Monate in Osnabrück und dann die Durchführung der Master-Thesis z.B. am Golfplatz neben der Arbeit?

 

! Genaugenommen ist es sogar noch viel weniger Präsenz. Das erste und zweite Semester sind als Vollzeitstudium ausgelegt. Die Vorlesungszeit für ein Semester dauert 12 bis 14 Wochen je nach Semesterlage. Dazu kommt die Prüfungszeit von drei Wochen je Semester, wo auch mehr oder weniger Präsenz notwendig ist. Es gibt zwar auch Hausarbeiten, die dann in den Semesterferien zu bearbeiten sind, aber das kann jeder machen, wo er will. Im dritten Semester gibt es dann keine Lehrveranstaltungen an der Hochschule mehr. Hier ist eine Seminararbeit zu erstellen. Das kann auch unter Betreuung eines Professors an der eigenen Arbeitsstelle stattfinden. Und im vierten Semester wird die Masterarbeit angefertigt. Zusammengerechnet sind es also nicht mal acht Monate.

 

Das klingt alles easy, aber man darf nicht vergessen, dass die Präsenzzeit zwar gering ist, es sich aber doch um ein viersemestriges Vollzeitstudium handelt und wir rechnen, dass ein Studierender 40 Stunden die Woche für sein Studium aufwenden muss. In einem Masterstudium wird eben sehr viel selbständiges Arbeiten und Lernen erwartet. Das findet dann nicht in Osnabrück statt, kostet aber trotzdem Zeit.

 

? Halten Sie die Finanzierung des Lehrstuhls über einen Stiftungsbeirat für dauerhaft praktikabel oder gibt es Überlegungen, ihn langfristig komplett in die Hochschule zu integrieren?

 

! Der Beschluss der Hochschulgremien und auch der Vertrag, den wir mit dem Stifter gemacht haben, sind hier ganz klar: Wir starten im Wintersemester 2017/18, im Wintersemester 2020/21 muss an der Hochschule dann eine Entscheidung getroffen werden: Hierbei müssen dann ganz offen drei Versionen diskutiert werden: 1. Die Finanzierung der Stelle geht in den Haushalt der Hochschule über, 2. Der Stifter zahlt weitere 5 Jahre, 3. Das Projekt Rasenprofessur wird im Sommersemester 2022 beendet. Nach drei Jahren müssen wir sehen, ob wir genug Studierende haben und die Hochschule überzeugt ist, dass wir mit dem Nischenprodukt „Rasen“ auch in Zukunft punkten können. Diese Überzeugungsarbeit können wir vor allem mit vielen erfolgreichen Studierenden und tollen Forschungsprojekten in enger Zusammenarbeit mit der Rasen-Community leisten. Es ist also ein Projekt, an der die ganze Szene mitarbeiten muss.

 

? Können Sie etwas zum bisherigen Interesse/der Resonanz der jetzigen Studierenden bzw. der Rasenszene aus Ihrer Sicht sagen?

 

! Seit einiger Zeit bieten wir bei uns an der Hochschule im Bachelorbereich das Wahlmodul „Rasen-Management“ an. In diesem Sommersemester haben sich 48 Studierende eingeschrieben. Das hat unsere Erwartungen weit übertroffen. Wie viele davon in den Master gehen, können wir nicht sagen. Viele sehen das Rasenthema aber eher als Ergänzung zum Basiswissen. Wir glauben, dass wir am besten über die Golfclubs und Industrieunternehmen Studierende akquirieren können. Für jemanden, der schon in der Rasenszene Fuß gefasst hat, ist das Studium durch die geringe Präsenzzeit und die hohe Praxisnähe einfach ideal.

 

? Mit dem bislang in den USA wissenschaftlich tätigen Dr. Bernhard R. Leinauer wurde eben erst ein weiterer deutscher Rasenwissenschaftler an der Universität Wageningen (NL) zum Professor ernannt. Gibt es Überlegungen oder sogar schon erste Gespräche – gerade auch aufgrund der geografischen Nähe –, in Kooperationen oder gemeinsamen Projekten der europäischen Rasenszene zusätzliche Impulse zu geben?

 

! Wir hoffen sehr, dass wir hier kooperieren können. Leider ist die Stelle in Wageningen nur eine gering ausgestattete Teilzeitstelle. Am Ende bleibt die Frage, wieviel Zeit die beiden Professoren haben, um zusammen zu kommen. Im Bereich Landschaftsbau pflegen wir mit der Hochschule Osnabrück schon gute Beziehungen zu einigen Universitäten in den USA (State New York, New Jersey und Alabama). Die meisten bieten ja auch Studiengänge im Bereich Rasen an. Wageningen wäre natürlich eine ideale Chance, gemeinsame Forschungsprojekte auf den Weg zu bringen.

 

Herr Prof. Thieme-Hack, wir danken Ihnen für die interessanten Einblicke und werden die weitere Entwicklung gerne verfolgen und soweit uns möglich unterstützen.

 

Autor: Stefan Vogel | Greenkeepers Journal 01/2017

 

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