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Eindrücke von der 5. European Turfgrass Society Conference 2016

Albufeira, Portugal

Im zweijährigen Rhythmus findet für Rasenwissenschaftler und Anwender aus Industrie und Praxis die European Turfgrass Society Conference (ETSC) statt. Der Austragungsort der 5. ETSC 2016 war Albufeira an der Algarve in Portugal. An diesem touristisch geprägten und auch wegen seiner Golfplätze attraktiven Standort, trafen sich auf der Konferenz vom 6. bis 8. Juni 2016 115 Rasenspezialisten aus 21 Ländern von allen Kontinenten. Die Veranstaltung wurde von Prof. Carlos Guerrero, Universidade do Algarve, und seinem Team ausgerichtet.

 

Zur Eröffnung begrüßte Carlos Guerrero die Teilnehmer und dankte den Sponsoren und seiner Universität für die Unterstützung und Ausrichtungsmöglichkeiten der Konferenz. Der Vize-Direktor, Paolo Aguas, freute sich, dass die breit aufgestellte Universität nun in diesem Bereich im Sinne der Nachhaltigkeit für das Management von Sport­rasen und öffentlichen Grünflächen beitragen kann und verwies darauf, dass 40 % der Golfplätze in Portugal an der Algarve liegen, wo z.B. Wassermanagement besonders wichtig ist. Die Direktorin für Wissenschaft und Technologie, Maria de Lurdes Cristiano, betonte, dass eine derartige Konferenz einen neuen Anstoß für die Etablierung von Strukturen und Forschung für Rasen und Landschaftsentwicklung geben kann.

 

Schließlich erinnerte der noch amtierende Präsident der ETS, Panayiotis Nektarios, in einem Rückblick an die Veranstaltungen der vergangenen vier Jahre, mit den Konferenzen in Kristiansand/N und Osnabrück/D sowie den Field Days in Monaco und Kopenhagen und betonte, dass die „kleine Familie Rasen“ hier auf europäischer Ebene die Möglichkeit zu engem Kontakt und Gedankenaustausch nutzen kann. In diesem Sinne wünschte er der Konferenz einen fruchtbaren Verlauf.

 

Vorträge

Nach der offiziellen Begrüßung und Eröffnung startete die Konferenz sogleich in die Vortragsthemen. Nachfolgend werden hier einige Kernthemen angesprochen.

 

Züchtung und Genetik

Im Bereich Züchtung und Genetik wird verstärkt im Detail geforscht, um bestimmte agronomische Eigenschaften von Gräsern zu verbessern. Im Fokus stehen hier vor allem Warm-Season Gräser, die insbesondere wegen der klimatischen Veränderungen in den Übergangszonen (Transition Zones) weltweit von zunehmender Bedeutung sein werden. Daher wird in den USA und in der Türkei an der Kältetoleranz von Bermudagrass (Cynodon dactylon) intensiv gearbeitet, da es sehr anpassungsfähig, vielseitig verwendbar, trockenresistent ist und guten Widerstand gegen Krankheiten und Schädlingen aufweist.

 

Auch an Alternativen wie „Seashore Paspalum“ (Paspalum vaginatum), das  feuchteverträglich ist und mit weniger Licht auskommen kann, wird beispielsweise an nicht gentechnisch erzeugter Herbizidresistenz geforscht. An Bahiagrass (Paspalum notatum) werden züchterische Versuche unternommen, um hiermit ein relativ anspruchsloses Gras an Wasser und Nährstoffe als Alternative für Bermudagras für entsprechende Anwendungszwecke zu entwickeln.

 

Rasen und Landschaft

Keynote-Vortrag: Jose Monteiro, Universidade Algarve

In seinem Vortrag betonte Jose Monteiro die Bedeutung von Rasen vor allem im öffentlichen Raum in den vielfältigen Formen für Umwelt, Gesellschaft bis hin zur Sportnutzung. Gut gepflegte Rasenflächen stehen hier auch für Wohlstand in der Gesellschaft. Er hob dabei auch Problembereiche, wie z.B. zu hohen Wasserverbrauch (Trinkwasser) insbesondere in trockenen Regionen vor allem in Privatgärten hervor, was zu Kritik von Seiten des Umweltschutzes führt. Daher verdeutlichte er im Vortrag besonders die Einflüsse und die Bedeutung von Rasen auf die Umwelt, wie Kohlenstoffbindung, Luftqualität, Bodenqualität, Erosionsschutz, Bodenstabilisierung, Wasserinfiltration, Geräuschdämmung, Temperaturausgleich, Lichtabsorption, Ästhetik und Erholungswert. Aufgabe der Züchtung sei es, Gräser weiter auf Nutzungstoleranz und je nach Verwendung auch die Ansprüche an Unterhaltungspflege gering zu halten. Dies gelte auch für Forschung und Ausbildung für ein nachhaltiges Pflegemanagement z.B. auch im Zusammenhang mit der Nutzung von Leguminosen oder auch dem Schnittgutverbleib zur Reduzierung der Stickstoffdüngung. Andererseits kann das Schnittgut auch der  Biotreibstoffgewinnung dienen, um hierdurch Verbrauch und Emissionen von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Rasenformen in Kombination mit Bäumen und Sträuchern zur Schaffung vertikaler und horizontaler Strukturen in der Landschaft können bei extensiver Nutzung zur Artenvielfalt und einer gesunden Umwelt beitragen.

 

In den weiteren Vorträgen wurde die Verwendung von Bermudagrass und Zoysiagrass in japanischen Kindergärten berichtet, wobei Zoysiagrass im Winter und Frühjahr eine geringere Belastungstoleranz und langsameres Ergrünen zeigte. Beschattungsversuche mit Bermudagrass-Sorten in den USA ermittelten für die Sorte „Celebration“ die besten Werte. Mischungsversuche von Bermudagrass- und Wiesenrispen-Sorten für Übergangszonen in Italien und den USA zeigten, dass die Konkurrenz zwischen den beiden Grasarten für die Bestandsentwicklung und Rasenqualität besonders von der Bermudagrass-Sorte und stark von örtlichen Umweltbedingungen beeinflusst werden. Versuche in Tschechien zum Schnittgutverbleib in gemulchter Form im Vergleich zur Schnittgutentfernung ergaben insgesamt eine höhere Aufwuchsleistung sowie einen reduzierten Leguminosenanteil für die gemulchten Flächen.

 

Rasen und Sport

Keynote-Vortrag: Jason Kruse, University of Florida

In seinem Vortrag richtete Jason Kruse den Fokus auf die Nährstoffversorgung  mit den Mikronährstoffen Eisen, Mangan sowie Magnesium und fasste mehrere Studien zur Ausbringung in Granulatform und Flüssigdüngung bei alkalischen Böden zusammen. Dabei zeigte sich, dass zum Ausgleich von Defiziten dieser Mikro­nährstoffe, die Verwendung von Chelatformen in Kombination mit flüssiger Blattdüngung die zu bevorzugende Methode sei.

 

In den weiteren Vorträgen wurde über die Verwendung von Bermudagrass, Zoysiagrass und Seashore Paspalum auf Golfgrüns in den USA im Hinblick auf weniger Wasserverbrauch und Pflanzenschutzmitteleinsatz berichtet, wobei in den Sortenversuchen die Spieleigenschaften im Vordergrund standen (Ballrolldistanz). Mit allen drei Grasarten waren geeignete Ballrolldistanzen möglich. Standort- und Sortenunterschiede wirken sich vor allem bei der Etablierung und den Winterschäden aus, wobei Seashore Paspalum am stärksten betroffen war und Zoysiagräser etwas mehr geschädigt waren als Bermudagräser.

 

In einer italienischen Studie wurden Bodenbauweisen (bodennahe Bauweise und USGA-Bauweise) bei Profi-Fußballplätzen im Zusammenhang mit deren Unterhaltung auf die Wirtschaftlichkeit analysiert. Die Kosten für die Herstellung von USGA-Bauweisen sind zwar höher anzusetzen, dafür seien diese Plätze in der Unterhaltung über einen Zeitraum von 15 Jahren günstiger als Plätze mit bodennaher Bauweise. In Italien besteht schließlich der Wunsch nach einer Richtlinie des italienischen Fußballverbandes für den Bau von Fußballplätzen, um die örtlichen Gegebenheiten mehr mit einzubeziehen.

 

Weiter wurde die Grünfärbung von Rasenflächen mit Farbstoffen (Coloring) thematisiert, mit dem Ergebnis, dass z.B. auf Straußgrasrasen höhere Temperaturen und weniger Photosyntheserate festgestellt wurden und eventuell auch eine Schwermetallbelastung entstehen kann.

 

Wassermanagement

Keynote-Vortrag: Richard Snyder, University of California

Ein viel diskutiertes Thema in wärmeren, trockeneren Regionen der Erde, so auch in Portugal, ist die Wassernutzung. Richard Snyder richtete seinen Vortrag auf die möglichst genaue Erfassung von Evapotranspirationswerten aus, die auf öffentlichen Vegetationsflächen in trockeneren Regionen im Sinne der Wassereinsparung von höchster Bedeutung ist, um Wasserverschwendung zu vermeiden und die Kosten möglichst gering zu halten. Dazu seien die Möglichkeiten entsprechender Messtechnik zu prüfen. Als günstige Möglichkeit stellte er dazu die SR- Methode (Surface Renewal) aus dem Weinbau vor, mit der der Wasserverbrauch der jeweiligen Vegetation gemessen wird, indem die volatile Menge an Wärme und Wasserdampf quantifiziert wird.

 

Die weiteren Vorträge beschäftigen sich mit der Modellierung von Beregnungswasserbedarf in Europa, wonach in Südeuropa der Beregnungswasseranteil steigen wird, in Mittel- und Nordeuropa der Regenwasseranteil eher zunehmen wird.

 

Eine skandinavische Studie stellte für die Beregnungsstrategie auf Sand-Golfgrüns fest, dass häufiges leichtes Bewässern gute Rasenqualität und kaum Schädigungen mit Trockenflecken ergibt, dabei aber weniger Wurzelmasse erzeugt wird. Einmal wöchentlich Bewässern im Bereich der Feldkapazität war ausreichend, führte zu etwas mehr Auftreten von Trockenflecken, brachte aber auch die größte Wurzelmassebildung.

 

In amerikanischen Studien wurde festgestellt, dass der Einsatz von Wachstumregulatoren, kombiniert mit Benetzungsmitteln, bei defizitärer Beregnungsstrategie (< Feldkapazität) verbesserte Rasenqualität und gute Wurzelentwicklung bewirken kann. Weiter wurde berichtet, dass organische Substanz in der Rasentragschicht ein Wasserreservoir erhalten kann und somit die Intervalle für zusätzliche Beregnung vergrößert werden können.

 

Technologie und Rasenunterhaltung

Keynote-Votrag: Filippo Lulli, Turf Europe, Pisa

Filippo Lulli stellte in seinem Vortrag dar, mit welchen technischen Möglichkeiten die verschiedensten Parameter zur Rasenkultivierung erfasst werden können. Am Beispiel der Fußballstadien bei der UEFA EURO 2016 mit starker Überdachung verdeutliche er die Beeinflussung von Parametern wie Licht und Luft sowie die Erfassung von Daten, um mit technologischen Maßnahmen (z.B. Belichtung, Ventilatoren etc.) die Bedingungen für die Rasenplätze zu verbessern. Die Zukunft könnte bei hochwertigen Rasenflächen darin liegen, die Möglichkeiten des „Precision Farming“ mit Satellitenunterstützung zu nutzen, um gezielt Mängel- oder Überschuss-Situationen auf Rasenflächen zu erfassen und die entsprechenden Parameter besser zu steuern.

 

Rasenkrankheiten

Keynote-Vortrag: Tom Hsiang, University of Guelph, Canada

Tom Hsiang erläuterte, dass sich die Forschung bei der Abwehr von Rasenkrankheiten zurzeit auf zwei Prinzipien konzentriert. Zur Nutzung natürlicher Abwehrmechanismen haben Pflanzen nach Befall die Möglichkeit, Signalstoffe zu produzieren, um bestimmte Abwehrmaßnahmen an bestimmten Stellen auszulösen oder die Widerstandskraft zu erhöhen (SAR = systemic acquired resistance). Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass bodenbürtige Wurzelbakterien Stoffe produzieren können, die in mono- und dikotylen Pflanzen eine höhere Widerstandskraft erzeugen können (ISR = induced systemic resistance). Hierzu werden Stoffe wie Phosphit, Mineralöl, Butanediol untersucht, wobei Teilwirkungen mit Phosphiten und Mineralöl alternativ zu Fungiziden festgestellt wurden. Daher muss hier die Forschung intensiviert werden, da aufgrund weiterer Restriktionen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln die Bedeutung von Resistenzaktivierung zunehmen wird.

 

 

Mitgliederversammlung

Im Anschluss an die Vortrags-Sessionen fand für die Mitglieder der ETS die Mitgliederversammlung statt, in der das ETS Board und ein neuer Präsident für die nächste Amtsperiode von 2016 bis 2019 gewählt wurden. Zum neuen Präsident wurde Stewart Brown vom Myerscough College/England gewählt. Das ihn unterstützende Board besteht aus:

 

  • Anne Mette Dahl Jensen, Dänemark
  • Alessandro de Luca, Italien
  • Bernd Leinauer, Deutschland/USA
  • Carlos Guerrero, Portugal
  • Claudia Bertoldi, Italien
  • Fritz Lord, Deutschland
  • Tatsiana Espevig, Norwegen
  • Wolfgang Prämaßing, Deutschland

 

Am Ende der Versammlung wurde bereits der nächste „ETS-Field Day“ in Aussicht gestellt. Stanislav Hejduk, Mendel Universität Brno, hatte den Vorschlag unterbreitet, den Field Day für September 2017 in Brno/CZ zu organisieren. Dies ist nun eine der ersten Aufgaben für das neu gewählte ETS-Board, darüber zu befinden.

 

Technical Tour

Die abschließende Technical Tour am dritten Konferenztag führte zunächst auf den Golfplatz des Konferenz Hotels (NAU Salgados Palace, Albufeira) Herdade dos Salgados Golf. Es handelt sich hier um eine 18-Loch-Anlage mit einer Flächengröße von 50 ha. Hier spielen durchschnittlich etwa 150 Golfer pro Tag das ganze Jahr hindurch. Das Greenkeeper-Team besteht aus 13 Mitarbeitern inklusive dem Head-Greenkeeper. Die Grüns weisen einen Grasbestand mit Agrostis stolonifera und Poa annua auf, während die anderen Flächen von Warm-Season Gräsern bewachsen sind, überwiegend Bermudagrass (Cynodon dactylon) und Kikuyugrass (Pennisetum clandestinum), dazu gesellt sich stellenweise Rohrschwingel (Festuca arundinacea). Die Bevorzugung liegt jedoch bei Bermudagrass, da Kikuyugrass die Flächen durch intensive Biomasseproduktion sehr weich macht und daher gelegentlich mit Herbiziden behandelt wird. Eine Besonderheit ist, dass der gesamte Platz mit Brauchwasser beregnet wird, was in Portugal nicht überall der Fall ist. Nach Angaben des Head-Greenkeepers reduziert die Brauchwassernutzung durch Nährstoffeintrag das Düngungsniveau insbesondere auf den Fairways, so dass relativ selten eine zusätzliche Granulat Düngung ausgebracht wird.

 

Die zweite Station war im Landesinneren bei Loule das Golfprojekt Qinta da Ombria. Nach rund 16 Jahren Genehmigungsverfahren soll mit Baubeginn Juni/Juli 2016 hier ein Golfplatz mit Hotel in einem landschaftlich reizvollen und teilweise geschützten Gebiet entstehen. Golfarchitekt Jorge Santana da Silva hat hier sehr viele behördliche Auflagen im Sinne der Nachhaltigkeit in seiner Planung für die hügelige Landschaft mit zwei saisonalen Flussläufen umgesetzt. Wichtig war für ihn die Integration der Landschaft mit Wiesen- und Baumflächen sowie Flussbereichen mit einem der Landschaft entsprechenden Golfplatz. Im Platzdesign musste zudem die Möglichkeit von „Sturm-Dränagen" mit berücksichtigt werden, so dass durch die Oberflächengestaltung das Wasser bei Unwetter mit Starkregeneereignissen an Sammelpunkte geführt werden kann, wo es durch groß dimensionierte Rohre weitergeführt wird. Die Grünsbauweise wird nach USGA erfolgen, der Grasbestand ebenfalls nach amerikanischen Empfehlungen mit US-Sorten von Agrostis stolonifera auf Grüns, mit Cynodon dactylon auf Spielbahnen, mit Festcuca arundinacea und Poa pratensis auf Rauflächen, um nach der Vorstellung des Architekten Kontraste zu schaffen. Auf Nachfrage erläuterte er, dass auch noch europäische Sorten empfohlen werden können.

 

Letzte Station war die Rasen-Produktionsfarm Algarelva bei Faro. Auf ca. 40 ha wird hier seit etwa 16 Jahren Bermudagrass Tifway 419 für Golfplatz Fairways, Sportplätze und sonstige private und öffentliche Rasenflächen produziert. Der Anzuchtboden ist sandig und sehr tiefgründig. Es wird einmal pro Jahr geerntet. Im Regelfall wird keine weitere Bodenbearbeitung, Bodenergänzung oder Gründüngung durchgeführt. Denn auf dem tiefgründigen Boden mit ca. 1 cm Bodenabtrag pro Jahr können hiernach Angaben des Produzenten noch viele Jahre Rasensoden geerntet werden. Nachsaaten sind nur selten notwendig, da Bermudagrass nach der Sodenernte aus den im Boden verbliebenen Rhizomen wieder austreibt. Somit sind Düngung und Wasserversorgung (ca. 10-12 l/m² pro Tag an warmen Tagen) neben der regelmäßigen Mahd die wichtigsten Produktionsfaktoren.

 

Dies war der Endpunkt einer gelungenen ETS Conference 2016 an einem reizvollen und interessanten Standort. Prof. Carlos Guerreo und seinem Team von der Universidade Algarve gilt ein herzlicher Dank!

 

Autor: Dr. Wolfgang Prämaßing

 

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