Sorten- und Patentschutz bei Pflanzen
Nora-Sophie Quett, Patrick Cöln und Susanne Wöster
Einleitung
Die Patentierbarkeit von Pflanzen ist spätestens seit dem sogenannten „Brokkoli-Patent“ (europäische Patentnummer: EP 1069819) oder auch dem „Schrumpel-Tomaten“-Patent (europäische Patentnummer: EP 1211926) seit einigen Jahren ein Thema, welches in den Fokus der allgemeinen Öffentlichkeit gerückt ist. Doch was genau beinhaltet Patentschutz im Vergleich zum Sortenschutz, der für Pflanzenzüchtungen EU-weit vergeben werden kann und welche Bedeutung haben diese beiden Urheberschutzrechte, auch im Hinblick auf Rasengräser?
Teil 1: Sortenschutz Umfang und Bedeutung
Die Züchtung von neuen Pflanzensorten ist ein jahrelanger, kostenintensiver Prozess. Bis eine Sorte auf den Markt kommen kann, vergehen oft 10-15 Jahre für die Weiterentwicklung und Prüfung von Pflanzenmaterial. Für diese Neuzüchtungen und Entdeckungen kann ein Pflanzenzüchter Sortenschutz beantragen. Dieser kann national für einzelne Länder beantragt werden, beispielsweise in Deutschland beim Bundessortenamt (BSA) oder als europäischer Sortenschutz mit EU-weiter Gültigkeit beim Gemeinschaftlichen Sortenamt (CPVO) mit Sitz in Angers (Frankreich). Tabelle 1 gibt einen Überblick über die erteilten Schutzrechte auf nationaler und EU-Ebene über alle Pflanzenarten. Dabei wird deutlich, dass EU-Schutzerteilungen die weitaus größere Bedeutung haben als na-tionale Schutzrechte. Tabelle 2 ist die Anzahl an Sorten zu entnehmen, die im Bereich der Gräserarten geschützt sind.
Die Prüfung, ob eine Schutzerteilung für eine Sorte möglich ist, wird nach international gültigen Grundsätzen durchgeführt. Diese wurden im Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen für alle unterzeichnenden Mitgliedstaaten/Organisationen verankert und begründeten 1961 die Gründung des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV), einer zwischenstaatlichen Organisation mit Sitz in Genf (Schweiz). Aufgabe der UPOV ist die Bereitstellung und Förderung eines wirksamen Sortenschutzsystems mit dem Ziel, die Entwicklung neuer Pflanzensorten zum Nutzen der Gesellschaft zu begünstigen (www.upov.int). Vorzüge des Systems sind u.a. ein intensiver Austausch von Erfahrungen bei der Prüfungsdurchführung, die Harmonisierung von Prüfungsbedingungen und damit die Möglichkeit, Prüfungsergebnisse von anderen UPOV-Mitgliedern zu übernehmen.
Die Prüfung einer Pflanzensorte auf Schutzfähigkeit beinhaltet eine Anbauprüfung im Feld- oder Gewächshaus anhand einer definierten Anzahl Pflanzen mithilfe spezifisch für die Pflanzenart entwickelter Richtlinien. Diese Prüfung soll zeigen, ob eine Sorte neu und von anderen bekannten Sorten unterscheidbar sowie in ihren Merkmalen (z.B. Farbmerkmale, Blattlängen, Blühzeitpunkt) homogen und beständig ist. Ebenso benötigt sie eine Sortenbezeichnung. Sortenschutz kann sowohl auf Pflanzen, welche mithilfe gentechnischer Methoden erzeugt wurden, als auch für Pflanzen, deren Züchtung keine Gentechnik einschließt, erteilt werden.
Für den Schutzantrag in Deutschland dient als gesetzliche Grundlage das Sortenschutzgesetz (SortG), für den europäischen Schutz findet die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz Anwendung. Der Sortenschutz für fast alle Pflanzenarten, hierunter auch Rasengräserarten, wird 25 Jahre, für einige wenige Arten 30 Jahre lang gewährt und kann nicht verlängert werden. Geschützt werden die Rechte an der Sorte als geistiges Eigentum des Züchters. Vorteile des Sortenschutzes bestehen für den Sorteninhaber darin, dass allein ihm das Recht zusteht, Vermehrungsmaterial (Pflanzen oder Pflanzenteile einschließlich Samen) der geschützten Sorte zu erzeugen, für Vermehrungszwecke zu nutzen oder in den Handel zu bringen (vgl. §10 SortG). Dennoch gibt es Handlungen, die von der Schutzwirkung ausgenommen sind. So steht das Pflanzenmaterial einer privaten, nicht-gewerblichen Nutzung, zu Versuchszwecken und für die Züchtung neuer Sorten, d.h. ohne Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren, zur Verfügung („Züchterprivileg“). Daneben ist es Landwirten erlaubt, eine geschützte Sorte im eigenen Betrieb anzubauen, zu vermehren und das daraus gewonnene Saatgut wieder auszubringen, d.h. „Nachbau“ zu betreiben („Landwirteprivileg“) (nähere Ausführungen vgl. §10a SortG).
Sortenschutz soll Pflanzenzüchtung fördern, zum einen durch die Möglichkeit, den Züchtungsunternehmen die Rechte an ihren Sorten zu sichern, damit aufwendige Züchtungsarbeit finanziell entlohnt werden kann, und zum anderen durch die Gewährleistung des abgabenfreien Zugangs zu genetischem Material für Dritte zur Entwicklung neuer leistungsstarker Sorten. Dies ist ein wichtiges Kriterium, um die Weiterentwicklung von Pflanzensorten uneingeschränkt zu ermöglichen, Vielfalt zu erhalten und Monopolstellungen zu verhindern.
Teil 2: PatentschutzGrundlagen und Informationen zu Patenten auf Pflanzen
Neben dem Sortenschutz als Schutzform des geistigen (Pflanzen-)Eigentums gibt es im gewerblichen Rechtsschutz auch den Patentschutz als Ausschließlichkeitsrecht. Dabei handelt es sich um ein hoheitlich erteiltes, gewerbliches Schutzrecht für technische Erfindungen, welche die im Patentgesetz vorgeschriebenen Bedingungen für die Patentierbarkeit erfüllen. Demnach werden Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik (einschließlich der Biotechnologie) erteilt, wenn sie neu sind, also zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung nicht dem Stand der Technik entsprechen, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.
Beantragt werden kann ein Patent national beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) für die Bundesrepublik Deutschland oder beim Europäischen Patentamt (EPA) für beliebig ausgewählte Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ). Hierzu muss die Erfindung vollständig und in einer für einen Fachmann nachvollziehbaren Form offengelegt werden.
Ein Patent verleiht dem Inhaber das ausschließliche, zeitlich auf maximal 20 Jahre sowie territorial begrenzte Nutzungsrecht an seiner Erfindung. Der Patentinhaber kann eine Nachahmung und Nutzung der patentierten Erzeugnisse und/oder technischen Verfahren untersagen oder durch Lizenzvergabe steuern. Dies sichert ihm eine Monopolstellung im marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu. Erst nach Ablauf der Schutzdauer des Patents kann auch die Allgemeinheit die Erfindung frei nutzen.
Eine Patentanmeldung wird spätestens nach 18 Monaten von den Ämtern für geistiges Eigentum (EPA bzw. DPMA) veröffentlicht und kann dann von der (interessierten) Öffentlichkeit eingesehen werden. Die Prüfungsdauer bis zur Erteilung, die eine aufwendige Recherche z.B. zum Stand der bisherigen bekannten Technik beinhaltet, kann mehrere Jahre betragen (im Durchschnitt ca. vier Jahre). Die Erfindung erhält ihren Schutzstatus bei Erteilung rückwirkend ab dem Anmeldetag. Dabei sind die Rechtsvorschriften des Deutschen Patentgesetzes (PatG) für das DPMA sowie die Rechtsvorschriften des EPÜ für das EPA maßgeblich und bindend. Ein europäisches Patent wird nach der Erteilung in den Ländern, in denen es laut Patentinhaber gelten soll, wie ein nationales Schutzrecht weiterbehandelt.
Gegen die Patenterteilung kann innerhalb von neun Monaten Einspruch erhoben werden. Dies kann jeder tun, der einen Anlass dazu sieht, weil z.B. die patentierte Erfindung seiner Ansicht nach nicht die Kriterien des EPÜ erfüllt oder die Offenlegung nicht in dem Umfang erfolgt ist, dass ein Fachmann sie nacharbeiten kann.
Eine besondere Form der Patente stellen sogenannte Biopatente dar. Hierbei handelt es sich um Schutzrechte für die Erfindung von Erzeugnissen, die aus biologischem Material bestehen sowie auf technische Verfahren, die ein solches Material verwenden, bearbeiten oder herstellen (z.B. neue Züchtungstechniken). Der Begriff des biologischen Materials ist im Patentgesetz definiert und umfasst alles, was genetische Informationen enthält und sich selbst reproduzieren oder in einem biologischen System reproduziert werden kann. Beispiele hierfür sind auf gentechnische Weise veränderte Organismen (GVO), isolierte Zelllinien, Gensequenzen oder Pflanzen und Tiere mit bestimmten Eigenschaften.
Einzig Pflanzensorten und Tierrassen sowie die „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ der Kreuzung und der Selektion zur Züchtung von Pflanzen und Tieren, sind von der Patentierung ausgenommen; ebenso Entdeckungen, solange sie nicht durch einen technischen Schritt isoliert wurden. Patentierfähig sind technische oder mikrobiologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen oder Isolierung von Pflanzenmaterial.
Dem gegenüber steht die allgemeine Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren, solange die Ausführung der Erfindung technisch ist und sich nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt, z.B. wenn ein bestimmtes Gen als Grundlage für die Ausprägung einer definierten Eigenschaft technisch in verschiedene Pflanzensorten oder -arten eingebaut werden kann.
Es ist also möglich, Pflanzen als technische Erfindungen patentrechtlich schützen zu lassen, wobei sich der technische Charakter der Pflanze oftmals in einem neu entwickelten Merkmal offenbart. Dies können z.B. Schädlingsresistenzen oder Umweltstresstoleranzen, veränderte Wachstums- und Ertragsleistungen sowie verbesserte Qualitätsmerkmale sein. Bezogen auf Rasengräser wären dies Eigenschaften wie z.B. eine bessere Schnittverträglichkeit, veränderte Blühzeitpunkte, erhöhter Chlorophyllgehalt für satteres Grün, Herbizid- oder Krankheitsresistenzen u.a.m. Zum überwiegenden Teil gelten Erfindungen allerdings universell für mehrere Pflanzenarten oder für Pflanzen im Allgemeinen. Der Großteil davon beinhaltet Gentechnik.
Ausnahmen wie das Züchter- und das Landwirteprivileg im Sortenschutzgesetz existieren auf europäischer Ebene im Patentbereich nicht. Im Deutschen Patentgesetz wurde das Züchterprivileg nachträglich verankert (vgl. §11 Nr. 2a). Dies beinhaltet jedoch, dass für die Vermarktung bestimmtes, neu entwickeltes Pflanzenmaterial die patentierte Eigenschaft der Ausgangspflanze nicht enthalten darf.
Beinhalten erteilte Patente aus dem Pflanzenbereich Gentechnik, so muss das gewonnene gentechnisch veränderte Saat- oder Pflanzgut, bevor es gehandelt werden darf, nach dem Saatgutverkehrsgesetz (SaatG) zugelassen werden. Dies gilt ebenso für geschützte Sorten und zielt auf die Prüfung von Qualitäts- und Ertragseigenschaften ab. Vor diesem Schritt muss für gentechnisch bearbeitetes Material jedoch eine Genehmigung nach Gentechnikrecht erfolgen. In Deutschland dürfen diese Pflanzen bzw. das Saatgut bekanntlich derzeit nicht angebaut werden. In anderen (EU-)Staaten ist das anders. Dies hat Einfluss auf die Entscheidung des Patentinhabers, auf welche Staaten sich sein Patent erstrecken soll.
Eine vergleichende Betrachtung der Gesamtzahlen von Patentanmeldungen und erteilten Patenten bei DPMA und EPA (s. Tabelle 3) mit den Fallzahlen der im Rahmen des staatlichen Biopatent-Monitorings (s. separater Kasten) erfassten Patente zeigt die geringe Größenordnung landwirtschaftlich relevanter „Pflanzenpatente“ auf. Sie lag in den Jahren 2013-2015 bei ca. 150 erteilten Patenten sowie ca. 250-400 Patentanmeldungen pro Jahr.