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Neue Entwicklungen im Arbeitsrecht – ein kurzer Überblick

Aus der Rechtsprechung

 

Das Arbeitsrecht ist ständig in Bewegung. Es gibt zwar eine Unzahl von Gesetzen, die viele Einzelfragen regeln, z.B. die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz, Teilzeitarbeit usw. Ein richtiges „Arbeitsgesetzbuch“,  in dem das Arbeitsrecht systematisch zusammengefasst ist, gibt es indes trotz entsprechender Forderungen aus Teilen der Politik und insbesondere aus Juristenkreisen nicht. So wird das Arbeitsrecht ganz wesentlich durch die Rechtsprechung geprägt; vielfach sind die gesetzlichen Vorschriften so weit gefasst, dass sie einen Sinn erst durch Urteile des BAG erfahren.

 

Beispiel:

Ein Arbeitnehmer erscheint mehrfach betrunken zur Arbeit. Nach – erfolgloser – Abmahnung will der Arbeitgeber, der einen mittelständischen Betrieb mit rund 50 Arbeitnehmern führt, den Arbeitnehmer kündigen. Darf er dies tun? Unser Arbeitgeber stellt schnell fest, dass ein Blick in die einschlägigen Gesetze nicht recht weiter führt:

 

Kommt eine fristlose Kündigung in Betracht?

 

§ 626 BGB merkt hierzu an, dass ein Arbeitsverhältnis „aus wichtigem Grund“ fristlos gekündigt werden kann, wenn „Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“ die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Der Arbeitgeber weiß nicht so recht, ob das hier zutrifft und schaut daher vorsichtshalber noch einmal in das Kündigungsschutzgesetz, das die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung – also mit Kündigungsfrist – regelt.

 

Hier stellt er schnell fest, dass eine ordentliche Kündigung rechtsunwirksam ist, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

 

Wann ist aber eine Kündigung „sozial ungerechtfertigt“?

 

Hier gibt das Gesetz Aufschluss in § 1 Abs. 2 S. 1: Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, „wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.“ Es erschließt sich unmittelbar, dass sich aus diesen Vorschriften schlicht nicht ablesen lässt, ob hier gekündigt werden kann oder nicht – hier hat erst die Rechtsprechung halbwegs Klarheit geschaffen. Es ist daher gerade im Arbeitsrecht ziemlich wichtig, sich über die Entwicklung der Rechtsprechung zu orientieren. Im Folgenden werden einige Entscheidungen dargestellt, die auch für Golfbetriebe von Bedeutung sind. Zum Schluss  wird dann noch kurz dargestellt, ob und wie der Arbeitgeber im obigen Beispielsfall kündigen kann.

 

I. Gesetzliche Reformen

1. AÜG

Im Mittelpunkt der gesetzgeberischen Bemühungen zum Jahresende 2016 stand die Neuregelung der Leiharbeit. Dabei wurden nicht nur die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) geändert, sondern auch erstmals eine Definition des Arbeitsvertrages im Bürgerlichen Gesetzbuch versucht.

 

Worum geht es? Der Einsatz von Fremdpersonal kann eine attraktive Alternative sein, um stark schwankenden Arbeitsanfall bewältigen zu können. Beispielsweise kann sich auch ein Golfclub durchaus überlegen, den vermehrten Arbeitsanfall im Sommer mit Fremdpersonal zu bewältigen.

 

Hier bietet sich zum einen der Einsatz von Leiharbeitnehmern, aber auch als Alternative der Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von Werkverträgen an.

 

Beispiel:

Der Golfbetrieb entleiht bei einem Personaldienstleister für die Pflege des Platzes Leiharbeitnehmer oder – alternativ – schließt mit einem Werkunternehmer einen Werkvertrag über die Pflege des Platzes ab. Leiharbeit ist stark reguliert und nicht unbegrenzt zulässig.

 

Das Problem besteht nun darin, dass auch bei Werkverträgen häufig die Beschäftigten des Werkunternehmers vollständig in den Golfbetrieb eingegliedert waren, also beispielsweise dessen technischen Geräte, Werkzeuge, Arbeitskleidung usw. nutzten und bei der Ausführung ihrer Tätigkeit auf den Head-Greenkeeper, der sie einwies und einarbeitete und auf weitere Arbeitnehmer des Golfbetriebes angewiesen waren. In Wirklichkeit lag also kein Werkvertrag vor, sondern – verdeckte – Arbeitnehmer­überlassung.

 

Der Einsatz von Fremdpersonal war für Betriebe auch deshalb attraktiv, weil Leiharbeitnehmer häufig billiger waren und man so den lästigen Kündigungsschutz umgehen konnte.

 

Rechtspolitisch wurde insbesondere in letzter Zeit diskutiert, ob es sinnvoll sei, Dauerarbeitsplätze langfristig mit Leiharbeitnehmern zu besetzen. Nach Auffassung der Bundesregierung gab es Erkenntnisse, dass es sich bei vielen Werkverträgen, die abgeschlossen wurden und werden, tatsächlich um unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung handelte – mit der Folge, dass die Leiharbeitnehmer ihre Arbeitnehmerrechte praktisch nicht durchsetzen konnten.

 

Das Reformgesetz zur Leiharbeit hat nun das erklärte Ziel, die Leiharbeit „auf ihre Kernfunktion zu reduzieren und den Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen zu verhindern“.

 

Der Gesetzgeber hat daher zunächst einen neuen §§ 611 a BGB eingeführt und dort den Begriff des Arbeitsvertrages erstmals definiert. Mit dieser Legaldefinition soll das Arbeitsverhältnis von Werkverträgen und sonstigen Dienstverträgen abgegrenzt werden.

 

Eine Neudefinition war nicht bezweckt; es sollte lediglich das gesetzlich niedergelegt werden, was die Rechtsprechung bislang schon in ihren Entscheidungen angenommen hatte („Kodifikation“).

 

Arbeitnehmer ist hiernach, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann hierbei Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Das Gesetz betont dann weiter, dass der Grad der persönlichen Abhängigkeit, der einen Dienstverpflichteten zum Arbeitnehmer macht auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit abhängt und ferner, dass eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist – dies entspricht der Rechtsprechung.

 

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes heißt es dann weiter, dass es auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ankommt, nicht darauf, was die Parteien in den Vertrag hineinschreiben.

 

Es bleibt abzuwarten, ob die Legaldefinition zukünftig Auswirkungen auf die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und selbständiger Tätigkeit hat – ein Problem, mit dem auch die Golfbetriebe insbesondere in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts zu kämpfen hatten.

 

Kurz zum Inhalt des AÜG:

Es gibt eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 aufeinanderfolgenden Monaten, § 1 Abs. 1 b S. 1 AÜG; gibt es tarifvertragliche Regelungen, kann diese Frist auf 24 Monaten verlängert werden. Nach 9 Monaten gibt es einen Anspruch auf „equal pay“, der Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher ist verboten.

 

2. Erhöhung des Mindestlohnes

Zum 01.01.2017 hat die Mindestlohnkommission den bisherigen Mindestlohn von Euro 8,50 auf Euro 8,84 brutto je Zeitstunde festgesetzt.

 

II. Rechtsprechung

1. Arbeitszeitkonten

Arbeitszeitkonten erfreuen sich auch in Golfbetrieben steigender Beliebtheit. Auf dem Golfplatz fällt die Arbeit schwerpunktmäßig vom Frühjahr bis Herbst an. Die Beschäftigten (z.B. Greenkeeper, Platzarbeiter) sollen in dieser Zeit möglichst viel arbeiten; im Winter entsprechend weniger.

 

Das Arbeitszeitrecht lässt es ohne weiteres zu, Arbeitszeitkorridore festzulegen. Man kann so – vertraglich – z.B. die Dauer der zulässigen wöchentlichen Arbeitszeit (mindestens 30 Stunden/höchstens 45 Stunden wöchentlich), Tageshöchstarbeitszeiten, Mindestarbeitszeiten usw. festlegen. Die Vergütung des Arbeitnehmers wird dabei unabhängig vom Ausmaß seiner zeitlichen Beanspruchung geregelt; er erhält also auf Basis der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit seine gleichbleibende Vergütung. Im Arbeitszeitkonto werden  dann die Soll-Arbeitszeit und die tatsächlich geleistete Arbeitszeit festgehalten. Zu einem bestimmten Stichtag wird das Arbeitszeitkonto dann abgeschlossen; es ergibt sich dann entweder ein Saldo zu Gunsten des Arbeitnehmers (Zeitguthaben) oder zu Lasten des Arbeitnehmers, wenn er weniger gearbeitet hat, als er vertraglich schuldete. Regelmäßig wird – ergibt sich ein Zeitguthaben – ein bezahlter Freizeitausgleich vereinbart.

 

Ein Arbeitszeitkonto bietet also viele Vorteile: Der Arbeitnehmer erhält immer die vertraglich geschuldete Vergütung; der Arbeitgeber muss im Sommer keine Überstunden bezahlen, wenn der Arbeitnehmer z.B. mehr als 50 Stunden pro Woche arbeitet, weil er die geleisteten „Überstunden“ mit Minusstunden im Winter verrechnen kann.

 

Bleibt trotzdem noch etwas zu Gunsten des Arbeitnehmers übrig, kann er dies durch Freizeitgewährung abgelten.

 

Das BAG (BAG; NZA 2016, 295) hat nunmehr einige Fragen zu Arbeitszeitkonten und Abgeltung eines Zeitguthabens geklärt: Sind in einem Arbeitszeitkonto vorbehaltlos Guthabenstunden ausgeführt, stellt der Arbeitgeber dies damit streitlos. Der Arbeitnehmer muss keine Ausschlussfristen beachten, wenn er die hieraus resultierenden Ansprüche geltend machen will.

 

Ist der Arbeitnehmer der Auffassung, von ihm geleistete Arbeitsstunden seien in diesem Arbeitszeitkonto nicht aufgeführt, so muss er im Einzelnen darlegen, welche Stunden er geleistet hat und ob diese durch den Arbeitgeber angeordnet bzw. gebilligt wurden; ebenso hat er die Erforderlichkeit dieser Arbeitsstunden darzulegen.

 

Hinzuweisen ist noch auf folgendes: Ist – wie allgemein üblich – bei Abschluss des Arbeitszeitkontos und einem entsprechenden Zeitguthaben für den Arbeitnehmer ein bezahlter Freizeitausgleich vereinbart, so kann der Arbeitgeber einseitig aufgrund seines Direktionsrechts anordnen, wann diese Freizeit zu nehmen ist; er kann also beispielsweise sagen, der Freizeitausgleich habe in den ersten beiden Januarwochen zu erfolgen. Wird der Arbeitnehmer in dieser Zeit dann krank, ändert dies nichts daran, dass der Anspruch auf Freizeitausgleich erfüllt ist – anders als beispielsweise beim Urlaub. Der Freizeitausgleich ist also auch im Falle der Krankheit weg (LAG Rheinland-Pfalz BeckRS 2016, 65094).

 

2. Direktionsrecht

Nach §§ 611 a BGB, 106 GewO kann der Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Weisungen erteilen, die Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen.

 

In der Praxis ist folgender Fall gar nicht so selten: Der Arbeitnehmer erkrankt und ist arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit dauert länger an. Der Arbeitgeber versucht den Arbeitnehmer zu einem „Personalgespräch“ zu bitten, um beispielsweise weitere Beschäftigungsmöglichkeiten zu erörtern oder sich vielleicht auch nur persönlich davon zu überzeugen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich krank ist.

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG BeckRS 2016, 108751) hat hierzu entschieden, dass das nicht geht. Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, so ist er auch nicht verpflichtet, im Betrieb überhaupt nur zu erscheinen. Ggf. muss der Arbeitgeber versuchen, mit dem Arbeitnehmer telefonisch in Kontakt zu treten. Die Entscheidung des BAG ist plausibel: Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, so besteht keine Arbeitspflicht. Dann kann er aber auch nicht verpflichtet sein, im Betrieb zu erscheinen.

 

3. Entgeltfortzahlung

Erkrankt ein Arbeitnehmer und ist er deshalb arbeitsunfähig, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Diese wird vom ersten Krankheitstag an für die Dauer von sechs Wochen geleistet.

 

Erkrankt der Arbeitnehmer erneut und handelt es sich um dieselbe Krankheit, so hat er einen erneuten Anspruch für weitere sechs Wochen, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war.

 

Was passiert, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist – mit dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung – und dann während dieser Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit bekommt? Hat er dann einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung von sechs Wochen wegen dieser neuen Krankheit? Das BAG( BAG NJW 2016, 2763) hat dies verneint: Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur dann, wenn die erste Arbeitsunfähigkeit bereits beendet war.

 

Anders ist es indes, wenn der Arbeitnehmer zwischendurch wieder gesund wird und dann erneut mit einer anderen Erkrankung arbeitsunfähig wird. Hier erwirbt der Arbeitnehmer einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch für wiederum max. sechs Wochen. Ist der Arbeitnehmer also jemand, der unter häufigen Kurzerkrankungen leidet, so kann der Arbeitgeber mit ganz erheblichen Lohnfortzahlungskosten belastet werden. Gegebenenfalls kommt in diesen Fällen dann eine Kündigung wegen Krankheit in Betracht.

 

4. Befristung von Arbeitsbedingungen

Allgemein bekannt und in der Praxis immer häufiger festzustellen sind befristete Arbeitsverträge. Es ist ohne weiteres möglich, Arbeitsverhältnisse zu befristen, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht, in den Golfbetrieben als Saisonbetriebe steht dabei eine Befristung während der Spielsaison im Vordergrund.

 

Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zu befristen bzw. einen befristeten Arbeitsvertrag bis zu drei Mal zu verlängern – bis die Gesamtdauer von zwei Jahren erreicht ist. Eingeschränkt wird die Möglichkeit, Arbeitsverträge ohne Sachgrund zu befristen nur  dadurch, dass zuvor ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber  nicht bestehen durfte. Nach der Rechtsprechung des BAG besteht allerdings dieses sogenannte Anschlussverbot nur dann nicht, wenn zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen.

 

Weniger bekannt ist die Möglichkeit, nicht nur den gesamten Arbeitsvertrag zu befristen, sondern nur einzelne Arbeitsbedingungen. Nach der Rechtsprechung des BAG(BAG NJW 2016,826) sind auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen die Vorschriften des TzBfG nicht anzuwenden. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass Arbeitsverträge „Kleingedrucktes“ sind, also allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese unterliegen der Inhaltskontrolle; geprüft wird also, ob die Vertragsklausel, die befristet wurde, „unangemessen“ ist.

 

Beispiel:

Die Arbeitszeit wird „in erheblichem Umfang“ erhöht; dem Arbeitnehmer wird befristet eine höherwertige Tätigkeit übertragen – z.B. Head-Greenkeeper statt Greenkeeper. Derartige Vertragsbestimmungen sind also nicht an die einengenden Vorschriften des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gebunden, sondern unterliegen nur einer Kontrolle darauf, ob sie unangemessen sind.

 

5. Kündigungsrecht

Die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist nicht ganz einfach. Es bedarf nicht nur eines – gewichtigen – Kündigungsgrundes; zu beachten ist auch, dass eine außerordentliche Kündigung nur binnen zwei Wochen seit Kenntnis der Kündigungsgründe ausgesprochen werden darf.

 

Was zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt? Hier gehen die Vorstellungen der Beteiligten häufig weit auseinander; bei Vermögensdelikten – insbesondere bei Diebstählen – ist die Rechtsprechung hart: Schon der Diebstahl geringwertiger Dinge kann zu einer fristlosen Kündigung führen. In einem vom LAG Schleswig-Holstein entschiedenen Fall wurde der Verzehr eines Stückes Fleisch im Wert von Euro 0,80 (!) dem Arbeitnehmer zum Verhängnis. Das Arbeitsverhältnis konnte im konkreten Fall fristlos gekündigt werden, obwohl der Arbeitnehmer seit 1993 beanstandungsfrei tätig war.

 

Solche Fälle sind allerdings mit Vorsicht zu genießen; gerade im Bereich des Diebstahls geringwertiger Sachen kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an – „jeder Fall ist anders“. Die Gerichte prüfen nämlich nicht nur, ob der Vorfall „an sich“ geeignet war, eine – fristlose – Kündigung zu rechtfertigen; selbst wenn dies bejaht wird, ist immer zu prüfen, ob angesichts der besonderen Umstände eine Kündigung als letztes Mittel wirklich notwendig ist.

 

In einem anderen Fall hatte ein Lkw-Fahrer in seiner Freizeit am Samstag Drogen konsumiert. Am darauffolgenden Montag wurde er von der Polizei kontrolliert, die feststellte, dass er Drogen genommen hatte.

 

Dem Manne konnte nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes zu Recht fristlos gekündigt werden. Der Lkw-Fahrer gefährde durch Einnahme von Drogen generell seine Fahrtüchtigkeit; auf die Frage, ob er konkret bei der Kontrolle fahrtüchtig gewesen sei oder nicht, komme es nicht an. Nach Ansicht des BAG ist es also nicht von Belang, ob Drogen vor oder während der Arbeitszeit konsumiert werden und ob eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand. Die Besonderheit in diesen Drogenfällen besteht darin, dass das Arbeitsverhältnis durch – unzulässiges und verbotenes – Verhalten in der Freizeit unmittelbar gefährdet wird.

 

Zum Schluss noch einige Überlegungen zum Eingangsfall (Kündigung wegen Trunkenheit): Entscheidend ist nach der Rechtsprechung, ob der Arbeitnehmer Alkoholiker und deshalb in betrunkenem Zustand im Betrieb erschienen ist. In diesen Fällen ist eine Kündigung regelmäßig nur aus krankheitsbedingten Gründen möglich – Alkoholismus ist eine Krankheit. Kündigungen wegen Krankheit sind schwierig; daher ist auch die Kündigung eines alkoholabhängigen Menschen schwierig. Dem betroffenen Arbeitnehmer muss zunächst die Möglichkeit eingeräumt werden, eine Entziehungskur zu machen. Scheitert diese Entziehungskur, so ist grundsätzlich der Weg frei, zu kündigen. Ist der Arbeitnehmer hingegen kein Alkoholiker, so kann – gegebenenfalls nach vorheriger Abmahnung – aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden.

 

Immer ist zu beachten, dass die Kündigung „das letzte Mittel“ ist; sie unterliegt also in besonderem Maße dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 

Autor: Dr. jur. Michael Lenzen

 

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