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Wenn die Brache blüht

State of the Art in der Nachhaltigkeits-Debatte

Beispiele für den ökologischen Nutzen von Golfanlagen, der in den ideologisch befeuerten Debatten um Land- und Wasserverbrauch selten bis nie berücksichtigt wird.

Aus Berlin kommen schlechte Nachrichten für die Golfergilde: Die beiden noch stärksten Oppositionsparteien im Roten Rathaus haben die Anlagen in Wannsee, Gatow und Pankow ins Visier genommen. Den Grünen geht es um den Wasserverbrauch auf Golfplätzen, den Linken um Flächen für den Bau von bezahlbarem Wohnraum. Oder umgekehrt. Man weiß das nie so genau in Zeiten, in denen Parolen und Phrasen politische Stilmittel sind. „Wir stellen die Frage, ob diese Flächen nicht für Stadtnatur, Erholungsraum, Kleingärten sowie für Wohnungsbau und gemeinwohlorientierte Zwecke sinnvoller genutzt werden müssen, als für das Privatvergnügen einiger Wohlhabender reserviert zu sein“, tönt es aus der Fraktion Die Linke.
 

Nicht zur Diskussion steht freilich die Absurdität, das ohnehin versiegelte Tempelhofer Feld als Freizeitareal erhalten zu wollen und stattdessen Naturboden zu versiegeln. Es taugt ideologisch ja viel besser, das Feindbild Golfer zu strapazieren – weil: „Golfplätze sind genauso überflüssig wie Privatjets.“ Die Tageszeitung B.Z. wollte dazu übrigens ein Statement des einst Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit einholen, erntete indes bloß ein „Kein Kommentar“. Aber der Mann ist eh befangen, wurde die Antwort doch auf dem Golfplatz eingeholt. Sein früherer Finanzsenator Thilo Sarrazin nennt die Debatte den „Ausfluss einer neuen Neidkampagne“, doch er ist ebenfalls Golfer.
 

Erst recht verquast wird die Debatte, wenn die Grüne Jugend in Berlin oder in Niedersachsen räsoniert, dass Golfplätze „in Zeiten von Wasserknappheit und Artensterben ein Luxus“ seien. Selbst Greenpeace sitzt dem Missverständnis vom Golfsport als Umweltsünde, Landverwesung oder Ressourcenraub auf und betreibt bei jeder sich bietenden Gelegenheit Golf-Bashing. Man sollte es mittlerweile besser wissen.
 

Zweifellos gibt es immer noch Anlagen, die mangels Entnahmerestriktionen wässern, als gäbe es kein Morgen, deren Betreiber nicht mal die moralische Pflicht zum Maßhalten empfinden. Doch generell haushaltet die Szene inzwischen signifikant mit dem Wasserverbrauch, durch den Einsatz genügsamer Gräser und heimische Vegetation sowie ausgeklügelter Beregnungs- und Dränagetechnik. Wo landauf landab grobe Wasserwerfer die rar gewordene Ressource über Rübenacker oder sonstige Felder schleudern, wird auf Abschlägen, Fairways und Grüns jeder Tropfen bewusst und gezielt eingesetzt.

Es geht auch anders
 

Sowieso können Golfplätze Bastionen der Bio-Diversität sein. Auf den Green Eagle Golf Courses bei Hamburg beispielsweise, wo Inhaber Michael Blesch an einem potenziellen Ryder-Cup-Kurs baut, entsteht gleichzeitig in enger Abstimmung mit dem Landkreis Harburg und der Unteren Naturschutzbehörde ein Paradies für den Biber, der in Europa nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie besonders geschützt ist. Auf den sechs Hektar darf sich der Baumeister mit Biss voll austoben. Zudem werden Moorpflanzen wie Zwergbirke, Sumpfveilchen oder Moosbeere eingesetzt, dann wird die Fläche sich selbst überlassen. „Früher war da bereits sumpfiges Gebiet, jetzt geben wir der Natur diesen Bereich zurück“, verdeutlicht Blesch. „Das passt sehr gut in die Zeit: Moore wiederherstellen und damit CO2-Speicher gewinnen.“
 

Im Golf- und Country Club Seddiner See südlich von Potsdam wiederum haben Monitorings der Artenvielfalt eine deutliche Erhöhung des Artenreichtums insgesamt und des Bestands an Rote-Liste- oder geschützten Arten ergeben. In den Uferwänden der Teiche siedelt der Eisvogel, in den Hecken brüten Nachtigall und Sperbergrasmücke, am Waldrand ist die Heidelerche wieder heimisch geworden. Reviere der seltenen Waldohreule wurden ausgemacht, und der heimische Steinkauz wurde ausgewildert, der weitgehend aus Brandenburg verschwunden ist. 1991, kurz nach der Wende und weit vor der Nutzung als 36-Löcher-Golfplatz, lag die Biodiversität auf dem landwirtschaftlich genutzten Gelände bei nicht mal einem Drittel des heutigen Artenreichtums und der Bestand an Rote-Liste- oder geschützten Arten bei Null.

Golfanlagen als Sicherheitszonen und Kleinode
 

Das sind zwei von vielen Beispielen. Angesichts intensiv genutzter Kulturlandschaften wird der oft angeprangerte Flächenbedarf eines Golfplatzes sogar eher zum Segen, weil die Sicherheitszonen zu Refugien für Fauna und Flora werden. Vor dem Hintergrund klammer kommunaler Kassen und gesellschaftlicher Rücksichtslosigkeit ist das Argument einer aufs Gemeinwohl ausgerichteten Verwendung als Freizeitfläche für die Naherholung ebenfalls eher fragwürdig, wenn die dann binnen weniger Monate der Verwahrlosung und dem Vandalismus anheimfällt.
 

Auch in anderer Hinsicht ist der ökologische Nutzen von Golfplätzen nicht zu unterschätzen. Stichwort Erosionsminderung, Sauerstoffproduktion und Staubbindung. In Deutschland belegen die über 700 Ensembles eine Fläche von etwa 48.000 Hektar. Grasnarbe und Flora reduzieren die Erosion des Bodens auf nicht mal ein Prozent, binden jährlich etwa 500.000 Tonnen Staub und produzieren statistisch gesehen pro 18-Löcher-Platz Sauerstoff für bis zu 7.000 Menschen. Weltweit geben rund 2,6 Millionen Hektar dem Spiel Raum und die Möglichkeit, zugunsten des Klimas zu wirken.

Renaturierung ohne staatliche Zuschüsse
 

Und dann ist da noch das große Thema Renaturierung: Golf wiederbelebt ausgeräumte Landschaften, Industrie- und Acker- oder militärische Konversionsflächen – kurz: menschengemachte Öko-Unglücksfälle – und bringt die Brache zum Blühen, wo der öffentlichen Hand vielfach das Geld fehlt. Weltweit gibt es explizite Exempel für die golfsportliche Anschlussverwendung. Berühmtestes Beispiel ist sicherlich der Augusta National Golf Club im US-Bundesstaat Georgia, der zu Beginn der 1930er-Jahre auf den knapp 148 Hektar einer im Dornröschenschlaf liegenden Baumschule entstanden ist. Die Golfgegner werden nun wieder aufheulen: noch so eine Enklave des Elitismus … geschlossene Gesellschaft und so … Refugium für Reiche.
 

Ok, stattdessen halt Chambers Bay. Der Sandkasten im amerikanischen Nordwesten ist eine Blaupause für gelungene Renaturierung. Architekt Robert Trent Jones II setzte das Layout in eine ehemalige Schotter- und Kiesgrube, die seit den 1890er-Jahren das Baumaterial für halb Seattle geliefert hatte, die 64 Kilometer entfernte Metropole des US-Bundesstaats Washington. Am Ende blieb leblose Ödnis übrig, eine riesige Schüssel mit offenem Rand nach Westen, zum Pazifik. 1992 kaufte das Pierce County die gesamte Abraumhalde am Puget-Sund südwestlich von Tacoma für 33 Millionen Dollar und baute das insgesamt 3,8 Quadratkilometer große Gelände ab 2001 zu einem kommunalen Naherholungsgebiet namens University Place aus.
 

Chambers Bay selbst ist ein Golf-Amphitheater von einer Million Quadratmetern und einem Höhenunterschied von 61 Metern zwischen dem Zuschauer-Haupteingang auf der einstigen Abbruchkante und dem tiefsten Punkt des Platzes. Vor allem aber ist es ein einzigartiger öffentlicher Golfplatz, bespielbar für jedermann. Im Juni 2007 war die Eröffnung, knapp acht Monate später folgte der Ritterschlag zur jüngsten Bühne einer US Open aller Zeiten. 2015 gewann Jordan Spieth das von viel Tamtam und Kritik begleitete Majorturnier über diesen „authentischen Linkskurs auf Anabolika“, wie die European Tour damals urteilte.
 

Oder nehmen wir Streamsong nahe Fort Meade in Florida, ein Spielspaß auf mittlerweile drei Plätzen und einem Kurzkurs, konzipiert von den Designgrößen Bill Coore und Ben Crenshaw, Tom Doak und Gil Hanse. Das 2012 eröffnete Ensemble ist auf einer
Abraumhalde für Phosphaterz entstanden. Die einstigen Phosphatgruben sind heute Seen und Wasserspeicher für die Golfplätze, der seinerzeit abgetragene Sand türmt sich zu Dünen. Streamsong hat den Verlust des Minen-Business kompensiert, dem Polk County touristische Millioneneinnahmen beschert und 450 Arbeitsplätze geschaffen.
 

Die Liste ließe sich mühelos erweitern: Ferry Point am Rand der New Yorker Bronx, Liberty National und Bayonne am Hudson River in New Jersey, die Links at Spanish Bay in Kalifornien, Tobacco Road in North Carolina, Cabot Links im kanadischen Nova Scotia und und und.

Auch Deutschland braucht sich mit Projekten nicht zu verstecken
 

Vergleichbares findet sich ebenso in Deutschland. In Budenheim bei Mainz beispielsweise. Der Mainzer Golfclub nennt die Kombination aus Golfplatz aus der Feder von Christoph Städler (heute Städler & Reinmuth Golfdesign) und Naturschutz ein bundesweites ökologisches Vorzeigeprojekt, das seit 2018 den Goldstandard des DGV-Umwelt- und Qualitätsmanagement-Programms Golf&Natur erfüllt. Mehr als 50 Prozent des Areals sind geschützte Flächen. Und das in einem Gelände, auf dem zwischen 1856 und 1984 Sedimentkalkstein für die Zementproduktion abgebaut wurde und das von 1956 bis 2005 eine Mülldeponie war.
 

Eine Renaturierung anderer Art wurde 2008 in Hörnum auf Sylt vollendet, einem Dorf, das im 15. Jahrhundert von örtlichen Heringsfischern gegründet wurde. Seit 1914 diente die Dünenlandschaft als Militärstandort, erst für Baracken und Feldlager, während des Zweiten Weltkriegs für einen Seefliegerhorst und eine Soldatensiedlung, später für die Pidder-Lüng-Kaserne der Bundeswehr, die aus dem Seefliegerhorst hervorgegangen war. 26 Kasernengebäude gammelten am Ortsrand von Hörnum dem Verfall entgegen.
 

2005 wurden die meisten davon abgerissen, befestigte Flächen entsiegelt, zudem Kläranlagen, Öltanks und belasteter Boden entsorgt sowie 10.000 Quadratmeter Landschaft reanimiert, um Platz für das Projekt Budersand Golf zu schaffen – benannt nach der zweithöchsten Düne der Insel und mit 32 Metern die höchste Erhebung auf der südlichen Nehrung. Der vom Sylter Golfplatzarchitekten Rolf-Stephan Hansen nach schottischem Vorbild konzipierte Linkskurs bezieht die unter Naturschutz stehende Dünenlandschaft ein, stützt und schützt diese sogar durch den Einbau von zerkleinertem, unbedenklichem Material und hat „der Insel Natur zurückgegeben“, wie es in der Chronik des Golfclub Budersand Sylt heißt.

Summa summarum
 

Insektenhotels oder Streuobstwiesen sind längst nicht mehr State of the Art in der ideologischen Debatte um die Existenzberechtigung von Golfplätzen in Zeiten des Klimawandels und der zunehmenden Naturzerstörung. Politiker und Landesregierungen haben das erkannt und üben sich im Schulterschluss mit den Ökologie- und Nachhaltigkeits-Aktivitäten der Golfverbände. Jüngstes Beispiel ist die Biodiversitätskooperation in Nordrhein-Westfalen und das Statement des zuständigen Staatsministers Oliver Krischer: „Viele Golfanlagen […] sind potenzielle Oasen für die Natur. Wir arbeiten mit den Golfverbänden enger zusammen, weil sie bei der Umsetzung unserer Biodiversitätsstrategie helfen können.“
 

Es geht also voran. Dennoch gilt es nach wie vor, ein dickes Brett zu bohren und eine Menge Missverständnisse auszuräumen. Bleibt zu hoffen, dass die derzeit breit angelegten Bemühungen Früchte tragen.
 

Autor: Michael F. Basche | Greenkeepers Journal 4/2024

 

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