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Vom Tagesgeschäft zur Vision

Weg vom Leben von Baustelle zu Baustelle

Vereinsgeführte Golfclubs werden häufig von äußerst engagierten, erfolgreichen und klugen Persönlichkeiten im Vorstand geleitet – Menschen, die in ihrem beruflichen Leben viel erreicht haben und sich nun ehrenamtlich für ihren Club einsetzen. Doch so viel Erfahrung sie auch mitbringen: Sie stehen im Cluballtag oft vor denselben Herausforderungen wie die Mitarbeitenden – allem voran: Zeitmangel.
 

Gerade im Bereich Greenkeeping führt dieser Zeitmangel schnell zu Missverständnissen. Denn Greenkeeping ist kein einfaches Handwerk, sondern ein hochkomplexer Beruf. Ein moderner Head-Greenkeeper ist nicht nur jemand, der Gras mäht. Er ist gleichzeitig Experte für Bodenkunde, Pflanzenernährung, Unkraut- und Krankheitsmanagement, Mechanik, Bewässerungstechnik, Drainagesysteme und viele weitere Spezialbereiche. Gleichzeitig muss er mit einem immer kleiner werdenden Team aus oft ungelernten Hilfskräften auskommen, während der Anspruch an Qualität auf dem Platz steigt. Greenkeeper sind in der Regel Perfektionisten – und das tägliche Streben nach optimalem Spielzustand bei knappen Ressourcen erzeugt einen enormen Druck über die gesamte Saison hinweg.
 

Vorstände wiederum wünschen sich – wie jeder, der sich im Club engagiert – sichtbare Fortschritte. Sie wollen Entscheidungen treffen, Veränderungen anstoßen, Entwicklung sehen. Doch sie brauchen dafür eine fundierte Grundlage. Und genau hier entsteht häufig ein zentrales Problem: Der Head-Greenkeeper hat nicht die Zeit, alle Maßnahmen und deren Notwendigkeit ausführlich darzustellen. Die Folge ist, dass viele Clubs täglich operative Probleme lösen, aber kaum dazu kommen, strategisch zu denken und zu handeln. Anstatt eine Vision zu verfolgen, lebt man von Baustelle zu Baustelle.

Aber wie gelingt es nun, aus diesem reaktiven Trott auszubrechen und den Club zukunftsorientiert auf Kurs zu bringen?

Langfristige Vision fast unabdingbar


Aus meiner Sicht braucht jeder Golfclub – insbesondere im Bereich Greenkeeping – eine klar strukturierte, langfristige Vision. Eine Vision, die unabhängig von Vorstandswechseln Bestand hat. Und vor allem: Eine Vision, die dokumentiert, geplant und nachvollziehbar ist. Dazu gehören konkrete Masterpläne für zentrale Themenbereiche wie Drainage, Bewässerung, Maschinenpark, Platzentwicklung und Saisonplanung.

Nehmen wir zum Beispiel die Bewässerung. Der erste Schritt ist hier eine genaue Inventur der Anlage. Wie viele Sprinkler gibt es? Wo sind sie installiert? Wie ist ihr Zustand? Danach sollte jährlich ein Audit der Anlage erfolgen, bei dem die Verteilgenauigkeit gemessen wird. Denn: Bewässerungsanlagen funktionieren auf Basis hinterlegter Werte – stimmen diese nicht, wird nicht die Menge Wasser ausgebracht, die man erwartet. Eine fehlerhafte Steuerung kann also massiv die Spielqualität beeinflussen, ohne dass es auf den ersten Blick sichtbar ist. Diese technischen Details gehören dokumentiert und regelmäßig überprüft. Nur so lässt sich langfristig eine effiziente und wassersparende Bewässerung sicherstellen.
 

Ein weiterer zentraler Bereich ist die Drainage. Auch hier ist es essenziell, alle Ausgänge zu erfassen, regelmäßig zu spülen und potenzielle Problemzonen zu analysieren. Stehendes Wasser auf dem Platz ist nicht nur ein Spielqualitätsproblem, sondern kann langfristig auch Wurzelschäden und Krankheiten fördern. Wo noch keine Drainage liegt, sollte eine Kostenkalkulation erfolgen, um zukünftige Maßnahmen seriös planen zu können.
 

Besonders sensibel ist das Thema Platzentwicklung. Viele Vorstände entwickeln hier eigene Vorstellungen – manchmal aus Begeisterung, manchmal aus dem Wunsch, Spuren zu hinterlassen. Doch ich rate jedem Golfclub eindringlich dazu, sich für die Platzgestaltung professionelle Unterstützung zu holen. Ein erfahrener Agronom in Zusammenarbeit mit einem Golfplatzarchitekten kann die notwendigen Entwicklungen unabhängig und objektiv begleiten. So entstehen keine persönlichen Wunschprojekte, sondern fundierte, langfristige Konzepte – professionell und gegenüber Mitgliedern nachvollziehbar.
 

Auch der Maschinenpark sollte strukturiert erfasst werden. Welche Maschinen sind vorhanden? Welche sind veraltet? Welche Investitionen sind in den nächsten Jahren zu erwarten? Eine transparente Übersicht schafft hier Klarheit – und ermöglicht eine frühzeitige Budgetplanung, statt auf plötzliche Ausfälle zu reagieren.
 

Zuletzt – aber keinesfalls weniger wichtig – steht die Saisonplanung. Diese sollte alle Turniere, lokalen Wetterbedingungen und die spezifischen Bedürfnisse des Platzes berücksichtigen. Düngepläne, Pflegefenster, Regenerationsphasen – all das gehört in einen übergeordneten Plan. Leider werden Düngepläne in der Praxis häufig von Düngemittelherstellern bereitgestellt. Das mag bequem sein, ist aber nicht im Sinne einer objektiven, pflanzenbasierten Pflege. Der Head-Greenkeeper sollte diesen Plan selbst erstellen – mit unabhängiger fachlicher Unterstützung, wenn nötig. Viele erfahrene Greenkeeper nutzen heute das Prinzip des ,Spoon Feedings‘, also das Ausbringen kleiner Düngermengen in hoher Frequenz. Diese Form der Pflege ist effektiv, aber auch anspruchsvoll – und muss exakt geplant werden.
 

Vertrauen und Kommunikation als Grundvoraussetzung
 

Was es für all das braucht, ist Zeit – und vor allem gegenseitiges Vertrauen zwischen Vorstand und Greenkeeping-Team. Und dieses Vertrauen entsteht durch Kommunikation. Leider wird genau hier oft zu wenig investiert. Greenkeeper haben nicht die Zeit, komplexe Sachverhalte aufzubereiten. Vorstände sind nur punktuell vor Ort und oft auf schnelle, klare Entscheidungen angewiesen. Deshalb mein Appell: Schaffen Sie gemeinsam eine Sprache, die beide Seiten verstehen – die Sprache der Spielqualität.
 

Ein konkreter Vorschlag: Beginnen Sie als Greenkeeper im ersten Jahr damit, wöchentlich Spielqualität zu messen – ganz unabhängig vom Zustand. Auch holprige, frisch aerifizierte Grüns sollten einfließen. Mit Hilfe klarer Parameter wie Stimp-Wert, Oberflächenhärte (z.B. in Gravities) und Treue (z.B. via Bobble-Test) entsteht ein objektives Jahresbild. Im zweiten Jahr können dann schlechte Spieltage erklärt werden – etwa durch hohe organische Substanz im Oberboden. Und im dritten Jahr können weitere Daten wie Clipping-Volumen ergänzt werden. Wichtig ist: Nicht mit der Tür ins Haus fallen. Vertrauen wächst langsam, durch Transparenz, Kontinuität und gegenseitiges Lernen.
 

Fazit
 

Der Vorstand gibt die Richtung vor, der Greenkeeper sorgt für die Umsetzung. Aber damit beide Seiten am selben Strang ziehen, braucht es klare Strukturen, realistische Ziele und eine gemeinsame Vision. Spielqualität kann dabei die verbindende Grundlage sein – messbar, nachvollziehbar, kommunizierbar.
 

Und ein letzter Gedanke: Holen Sie sich Unterstützung. Unabhängige Experten können helfen, Daten zu analysieren, Maßnahmen zu bewerten und schwierige Diskussionen zu moderieren – ohne persönliche Interessen. Professionalisierung ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Weitsicht. 


Autor: Dr. Daniel Hahn | Greenkeepers Journal 1/25


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