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Die Wahrheit liegt auf dem Platz

Im Gespräch mit Golfplatz-Designerin Angela Moser

Als Angela Moser als 10-Jährige in den Sommerferien an einem Golf-Schnupperkurs teilnahm, ahnte sie noch nicht, wie sehr dies ihr Leben beeinflussen würde. Es folgte eine erfolgreiche Teenager-Karriere im Amateur-Golf, die sie durch die Teilnahme an Ranglisten-Wettspielen durch ganz Deutschland golfen ließ. „Das Faszinierende an Golfplätzen ist, dass jeder Platz anders und eine neue Herausforderung ist – nicht wie im Tennis oder Fußball. Auf jeder Runde Golf wird man mental neu gefordert und jeder Platz hat seinen eigenen Charakter und Kniff“, so ihre Erkenntnis. „Am meisten faszinierte mich jedoch, dass man – wenn man die richtige Kontur anspielt – die Platzarchitektur zu seinem Vorteil nutzen kann“, erzählt sie rückblickend im Gespräch mit dem golfmanager.

Es folgte ein Studium in Landschaftsarchitektur samt Auslandsaufenthalt in England im Rahmen eines Erasmus-Stipendiums. Während ihre Professoren in Deutschland den Enthusiasmus der jungen Landschaftsarchitektin bremsten, da der Golfboom ja längst vorbei sei, war die Bayerin in England kaum zu stoppen. Sie reiste zu den alten, ehrwürdigen Plätzen, die bis heute ihr Revier halten und zu den weltweit besten Plätzen zählen. Als Moser 2009 ihr Praxissemester in einem österreichischen Landschafts- und Golfplatzarchitekturbüro absolvierte, merkte sie, dass die reine Büroarbeit nicht ihre Welt ist.

Google sei Dank, stieß sie auf ein Foto des von Tom Doak designten Golfplatzes Cape Kidnappers in Neuseeland. Die Neugierde, wie jemand einen Golfplatz über ein Gelände mit 150 m Klippen bauen könne, war geweckt. Doaks Webseite sprach Moser an, denn der Minimalist ist bekannt für seinen natürlichen Ansatz, nur so wenig wie nötig in dem Gelände und in der Landschaft zu verändern. Während Doaks Stärke das Routing ist, sitzt er auch selbst auf der Baumaschine, um seine Plätze zu bauen. Ein herausstechendes Merkmal für Moser: Jeder Golfplatz Doaks hat seinen eigenen Charakter und Individualität, anstelle eines „Schema-F“-Ansatzes. Einige E-Mails später konnte Moser ein Praktikum mit Doak und Renaissance Golf Design absolvieren.

Der Renaissance Club in Schottland ist der Austragungsort der Scottish Open und Moser half, den Platz um einige Küstenbahnen zu erweitern. „Wenn man bedenkt, dass Amerikaner (und eine Deutsche) an DER Golfküste Schottlands einen neuen Golfplatz bauen … angrenzend zu Muirfield und North Berwick“, erläutert sie ehrwürdig. Ihr Auge für Details und natürliche Konturen sticht besonders hervor, und so engagierte Doak sie direkt für ein weiteres Projekt in Frankreich. Moser lernte den Umgang mit den Baumaschinen und scheute davor nicht zurück. Sie ist bisher die erste Golfplatzdesignerin weltweit, die nicht nur am Schreibtisch sitzt und Pläne entwirft, sondern primär vor Ort bei der Realisierung im Einsatz ist. Mehr als 12 Jahre dauert ihre Zusammenarbeit inzwischen und hat Moser in viele Regionen dieser Welt gebracht.

 

Konzeption und Umsetzung gehören zusammen

Für die junge Golfplatzdesignerin ist klar, dass die Arbeit am Reißbrett keine befriedigenden Ergebnisse bringt. „Golfplatzarchitektur ist ein Prozess, der mit einem Konzept beginnt und dann vor Ort während des Baus immer weiter optimiert wird“, so ihre Sichtweise. „Design­&Build“, also die Verbindung von theoretischem Konzept und praktischer Umsetzung und Anpassung, lautet die Philosophie Doaks, Mosers Mentor. Es ist eine sehr kleine Nische der Golfplatzarchitektur, in der Architekten selbst am Bau maßgebend mitwirken. „Die Baumaschine ist unser Pinsel“, so Moser – und sitzt in der Bauphase jeden Tag selbst auf den großen Maschinen. „Im Design&Build betrachten wir während des Baus immer wieder unsere Optionen. Man ist nicht auf die Planung starr und fix festgelegt. Erst vor Ort nehmen wir die Umgebung mit all unseren Sinnen wahr: den Wind, die Topographie, die Landschaft, verschiedene Blickwinkel und schöne Ausblicke, die man so auf einem 2D Plan einfach nicht wahrnehmen kann. Dass wir bei Tom im Team immer wieder die Freiheit haben, neue Ideen zu pitchen und die ursprüngliche Planung flexibel anzupassen, ist einzigartig“, so Moser.

 

Wichtig ist ihr stets Natürlichkeit beim Design – Erde soll nur so viel wie unbedingt nötig bewegt werden, die Umgestaltung ganzer Landstriche per Bulldozer entspricht nicht ihrer Philosophie. Auch hier ist Doak ganz klar ihr Vorbild. „Ich habe, glaube ich, ein gutes Auge für Natürlichkeit. Selbst Tom kann manchmal nicht zwischen der unberührten Landschaft und meiner Arbeit unterscheiden“, schmunzelt die Golfplatzdesignerin. Fragt man Moser nach ihren bisher interessantesten Projekten, fällt ihr die Auswahl offenkundig schwer: „Welches ist mein Lieblingskind?“ Es sei mehr die Willkommenskultur verschiedener Länder, die Golf als Sport leben, die sie anspreche und fasziniere. Ihr erstes Projekt in Schottland gehöre zweifelsohne zu ihren Favoriten. Abends nach der Arbeit schlich sich Moser auf den - damals noch „Gentlemen’s only“ – angrenzenden Platz Muirfield. „Mir ist vor allem aufgefallen, dass auf den Parkplätzen vieler der besten Clubs die lokalen Maurer, Metzger etc. parken. Es spielen einfach alle Golf. Es ist erschwinglich. Man spielt Vierer oder Matchplay und ist nach 2 Stunden fertig. Man wird nicht in eine Schublade gesteckt und vor allem macht es unglaublich Spaß, auf den unglaublichen Plätzen zu spielen!“ St. Patrick’s Links im Rosapenna Resort gehört ebenfalls zu ihren Favoriten – das habe nicht nur mit dem außergewöhnlichen Projekt, sondern auch viel mit den herzlichen Menschen vor Ort zu tun. Nach der Golfrunde wird diese im Pub analysiert. Überall sieht man Golf im Fernsehen. Diese Begeisterung für und die Qualität der Architektur spricht Moser an. Neuseeland habe sie fasziniert, weit über ihr Golfprojekt Te Arai hinaus, da sich auch der Kreis zu Cape Kidnappers schloss, als sie im Auftrag von Doak die Restaurierung mit Erneuerung der Rasentragschicht in den Grüns und der Neueinsaat der Fairways leitete. Ihr aktuelles Projekt in Pinehurst steht natürlich auch auf der Liste:

Aktuell leitet sie Doaks Team beim Bau von Pinehurst No. 10. Pinehurst sei ein außergewöhnlicher Ort mit viel Golfbegeisterung und Golfhistorie, und noch dazu dürfe sie ein Team leiten, dass ihr alle Wünsche von den Augen abzulesen versuche, freut sich Moser. Vor allem in den USA ist Moser eine viel geschätzte und gefragte Kollegin. 2015 arbeitete sie mit Doaks erstem Praktikant, Gil Hanse, am Los Angeles Country Club (Austragungsort der US Open 2023), dem privaten Ohoopee Match Club in Georgia und vielen weiteren Top 100-Plätzen weltweit. Der neue Golfplatz Pinehurst No. 10 sei so einzigartig und anders in der Carolina Sandhills Region.

Auch hier routet Doak den Platz wie aus Zauberhand mühelos über das hügelige Gelände mit langen Ausblicken über die Baumwipfel hinweg, ohne den Golfer zur Erschöpfung zu treiben. „Tom hat die Gabe, den Golfer unbemerkt auf den höchsten Punkt des Geländes zu führen“, so die Design­erin über ihren Mentor.

 

Die Einflüsse moderner Technik auf das Design und den Bau sieht Moser differenziert. „GPS hat sich in gewissen Bereichen etabliert – das habe ich als Mitglied des Bauteams bei Open.9 selbst erlebt. Es hilft ungemein, alle Sprinkler und Wasserboxen, Drainagen und Mählinien zu digitalisieren. Aber für die entscheidenden, kleinen Konturen bei der Modellierung ist selbst GPS nicht akkurat genug“, so Mosers Erfahrung.  Ob eine Künstliche Intelligenz (KI) irgendwann tatsächlich das beste Routing und die besten Grüns finden könne, bezweifelt sie. Letztlich könne eine KI nur durch eine begrenzte Datenbank lernen. Jeder Standort sei jedoch individuell – und ob eine KI auf das Gelände Rücksicht nehmen würde und sich trotzdem neu erfinde, um etwas Einzigartiges zu erschaffen, bleibe abzuwarten. Deutlich stärker sei der Einfluss von KI bei der Golfplatzpflege mittels Mährobotern und Messinstrumenten, welche die Bewässerung regeln.

Anpassung der Anlagen an das moderne Golf

Seit Jahren verfolgt sie die aktuell aufflammende Diskussion um die Schlagweite der Profis und die Einführung eines speziellen Balls auf den Profitouren. „Es ist nicht das erste Mal, dass wir in diese Situation kommen“, so Moser. „Letztlich läuft es auf die Frage hinaus, ob moderne Ausrüstung die Art und Weise verändert hat, wie die besten Plätze der Welt gespielt werden. Die Antwort ist ganz klar: Ja!“ Dass der Ball weiter fliege, stehe außer Frage. „Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen: besseres Greenkeeping, bessere Athleten, bessere Bälle, die Größe des Driver-Kopfes, längere und leichtere Schäfte, ein besseres statistisches Verständnis der Golfbahnen, Schlägerwahl und -länge“, erläutert Moser ihre Sicht. Die für Hickoryholz konzipierten Golfplätze wurden notwendigerweise verlängert, um die größeren Flugdistanzen des Balls mit Stahlschäften zu bewältigen. Architekten versetzten Bunker auf bestehenden Plätzen, und neue Plätze passten sich an Drives an, die leicht die bis dahin unvorstellbare 240-Meter-Marke übertrafen (Hickory-Ära von Bobby Jones). Die Abschläge rückten zurück, und das Maß für einen Meisterschaftsplatz erreichte 7.000 Yards. Dies blieb der Standard bis zur Tiger-Ära, die mit dem modernen zweiteiligen Ball, Graphit-Schäften und neuen Driver-Köpfen einherging. Hindernisse, die früher ins Spiel kamen, sind in der Ära der Spitzenspieler, die den Ball routinemäßig 270 Meter weit schlagen, überflüssig geworden. DeChambeau hat einen Durchschnittswert von über 320 Yards und mehr als 60 Spieler auf der US-Tour haben einen Durchschnitt von 300 Yards oder mehr. Die Architekten haben daraufhin die Abschläge nach hinten verlegt und Bunker neu positioniert, wo dies angebracht war. „Das ganze Hin- und Herschieben macht vielleicht auf einem 2D-Plan Sinn, aber im Gelände sehr viel weniger. Würde es Sinn machen, die Bunker in eine nicht einsehbare Niederung zu verlegen, weil dies die aktuell neue Distanz ist? Wie weit muss ein Golfer vom vorherigen Grün zum neuen Abschlag zurücklaufen, wie groß ist die Distanz zwischen Grün und dem Forward Tee?“, so Moser. „Jede Golfbahn wird auf einer Basis geplant und so in das Gelände gebaut, dass sie sich auf eine bestimmte Art und Weise spielen lässt. Wird diese Basis maßgeblich übertroffen, verliert der Platz seinen Kniff. Es ist fraglich, ob wir die alten Plätze wie den Old Course oder Muirfield weiterhin auf den Touren sehen werden oder nicht“, so ihr Grundgedanke, und fährt fort: „Die klassischen Plätze sind für die aktuellen Längen der Profi-Männer nicht ausgelegt. Wir reden hier von 1-2% der Golfer. Was passiert in zehn Jahren, wenn der jetzt neue Standard nicht mehr ausreicht? Wie oft wird Augusta Natio­nal den 13. Abschlag weiter hinter verlegen müssen, um die Bahn ausreichend lang zu präsentieren – ohne jegliches Shotmaking oder den Anspruch, einen Draw oder Fade zu spielen?“ Auch unter Nachhaltigkeits-Aspekten seien längere Plätze – noch dazu für die Minderheit der Golfspieler – keine tragfähige Lösung. Zum einen steige dadurch der Landschaftsverbrauch, zum anderen der Aufwand und die Kosten bei Bau und Instandhaltung. Die ausschließliche Verlegung der Abschläge nach hinten sei oft ebenfalls keine Lösung, denn auch die Hindernisse müssten vielfach angepasst werden. Der Weg über eine Anpassung des Balls sei ein ökonomisch und ökologisch sinnvoller Weg. „Ich kann mich noch vage an den Titleist Balata erinnern – mein Traum wäre es, wenn wir wieder mehr Ballkünstler à la Seve Ballesteros erleben würden, die mit viel Shaping und Spin den Ball über und um die Hindernisse spielen“, so Mosers Wunsch. „Das bedeutet nicht, dass früher alles besser war und wir unsere moderne Golfausrüstung aufgeben müssen. Es handelt sich nur um die besten Spieler, die einen Ball spielen, der sie den Golfplatz wieder in seiner ursprünglichen Intention erleben lässt – die Kniffe, die Herausforderungen und Tests, die sich ein Golfplatzarchitekt ausgedacht hat.“

 

Der Tradition verhaftet

Man hört es etwas heraus: Die Golftradition ist Moser wichtig. Sie ist nicht nur Mitglied in der German Hickory Golf Society, sondern auch mehrmalige Meisterin. „Historisch wertvolle Plätze sind eine Rarität in Deutschland“, erklärt Moser. „Uns fehlen gerade in Deutschland Plätze aus dem Golden Age der Golfplatzarchitektur, also der Zeit von Harry Colt, Tom Simpson, Alistair MacKenzie. Die beiden Weltkriege haben ganz deutlich ihre Spuren hinterlassen, sodass Golf in Deutschland einer wichtigen Epoche des Golfplatzdesigns beraubt wurde. Deutschland jagt meist nur den neuesten Trends hinterher.“ Selbst bei Restaurierungen sei es oft schwer, die Betreiber für den historischen Ursprung der Anlage und des Sports zu begeistern beziehungsweise erst die wichtige Recherchearbeit durchzuführen, bevor am Platz herum gebaggert wird. „Welche Historie ein Golfplatz hat, welcher Architekt den ursprünglichen Plan entworfen hat und was am Ende wirklich gebaut wurde – all das sollte eine Restaurierung herausarbeiten“, so ihr Ansatz.

 

Wie so oft gilt auch für Moser, dass es Propheten im eigenen Land eher schwer haben. „In Deutschland spielt die Golfplatzarchitektur eine deutlich geringere Rolle – Clubs und Golfer legen oft mehr Wert auf ergänzende Angebote wie das Clubhaus, den Ausblick von der Terrasse oder gar die Umkleiden“, so ihre Sicht. Viele Golfer legten zudem keinen großen Wert auf das Design, sie wollten einfach spielen und die Sonne genießen – was legitim sei. „Letztlich muss sich jede Anlage überlegen, ob sie bei ,Golfclub‘ eher ,Golf‘ oder eher ,Club‘ betonen möchte“, so Moser.

 

Rolle der Frau in der Architektur

Während in den letzten Jahren das Thema „Frauen in der Golfplatzarchitektur“ verstärkt angesprochen wird und man Moser auf ihre Vorreiterrolle anspricht, spielt dies alles für sie keine große Rolle. „Für mich sind Marion Hollins, Molly Gourlay und Alice Dye Vorreiter. Das sind wahre Heldinnen, die sich in ihrer Zeit haben nicht klein kriegen lassen“, so Moser. „Wie bei anderen Berufen: Ärzte, Flugkapitäne, Head-Greenkeeper – in wenigen Jahren wird es ganz selbstverständlich sein, dass Frauen Golfplätze entwerfen und vor Ort beim Bau dabei sind“, so ihre Sicht. Was Männer davon halten, dass Frauen damit eine der letzten Bastionen rein männlich geprägter Jobs erobern, ist ihr offensichtlich ziemlich egal. „Bastion? Das sind Gedanken, Wörter und Sichtweisen aus einem anderen Jahrtausend. Wir arbeiten heute auch nicht mehr mit Pferd und Schaufel – der Bagger ist meine Super-Power“, so Moser augenzwinkernd. Wer die engagierte Desig­nerin kennt, wird nicht daran zweifeln, dass sie mit dieser Superkraft noch viele Top-Projekte weltweit realisieren wird – vielleicht auch einmal in ihrem Heimatland Deutschland.

 

Autor:  Michael Althoff | golfmanager 3/2023

 

 

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