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Wildkaninchen-Projekt auf Golfanlagen

Zwischenstand tier3 solutions-Studie

Bereits Anfang des Jahres hat der DGV-Arbeitskreis Integrierter Pflanzenschutz (IPS) und die Forschungseinrichtung „tier3 solutions“, mit Sitz in Leverkusen, die Golfanlagen in NRW um ihre Mitarbeit gebeten, siehe die Aufrufe im Greenkeepers Journal sowie im golfmanager 1/21. Für die geplante Freilandstudie zum Verhalten von Kaninchen, zur Risikoabschätzung für europäische Pflanzenschutz-Zulassungsbehörden, wurden Golfanlagen gesucht, die zudem über ein ausreichendes Aufkommen an Kaninchen verfügen. Hintergrund: Seit einigen Jahren nimmt der Besatz mit Wildkaninchen aufgrund der „China-Seuche – RHD“ stark ab. Die Pandemie erschwerte die Suche und umso dankbarer muss man den sechs Golfanlagen sein, die ihr Einverständnis erklärten und die Studie unterstützen!

Autorin und DGV-Arbeitskreis IPS-Vorsitzende Beate Licht im Gespräch mit Dr. Olaf Fülling, dem Studienleiter:

 

Herr Dr. Fülling, Sie sind „Mammalogist“, was verbirgt sich genau hinter diesem Titel?

 

! „Mammalogist“ ist kein Titel, es steht einfach für „Säugetierkundler“. Ich habe Biologie mit Schwerpunkt Zoologie studiert und in Säugetier-Ökologie promoviert. Seither habe ich mich immer mit Säugetieren beschäftigt.

 

„tier3 solutions“, die private Forschungseinrichtung , für die Sie arbeiten, ist auf Freilandstudien in ganz Europa spezialisiert. Bisher waren Sie eher auf landwirtschaftlichen Flächen wie Äckern oder Obstanlagen im Einsatz. Untersuchungen auf deutschen Golfanlagen waren bisher nicht üblich, oder?

! Richtig! tier3 arbeitet in ganz Europa, aber eine Studie auf Golfplätzen war für meine Kollegen und mich völlig neu.

 

Was ist genau das Ziel der von Ihnen durchgeführten Studie?

 

! Für die Zulassung oder die Verlängerung einer Zulassung von Pflanzenschutzmitteln müssen auch mögliche Auswirkungen des Produktes auf Nicht-Ziel-Organismen untersucht werden. Mit anderen Worten, der Einsatz eines Fungizids beispielsweise auf dem Grün darf keine schädlichen Auswirkungen auf Wildtiere, wie z.B. Kaninchen oder Hasen haben. Um eine Risikobewertung vornehmen zu können fordern die europäischen Zulassungsbehörden Grundlagendaten aus Freilandstudien ein. Im Rahmen dieser Studie geht es z.B. darum, wie häufig Kaninchen und Hasen Grüns und Abschläge zur Nahrungsaufnahme aufsuchen.

 

Wie ging es denn weiter, nachdem wir Ihnen Golf-anlagen genannt hatten, die bereit waren, an einer derartigen Freilandstudie teilzunehmen?

 

! Zuerst haben wir die Golf-anlagen besucht, um uns ein Bild von den dort vorhandenen Kaninchenbeständen zu machen. Parallel mussten wir für die Studie die Fanggenehmigung für das vorgesehene GPS-Tracking, bei dem Kaninchen mit einem Senderhalsband versehen werden, einholen. Hierfür benötigten wir den positiven Entscheid der Tierschutzbehörden. Dieser Vorgang verzögerte sich, zum einen aufgrund von Corona, zum anderen, weil auch so eine Freilandstudie als Tierversuch gilt, der entsprechend geprüft werden muss. Das geschieht zunächst durch die zuständige Tierschutzbehörde, die dann aber den Antrag auch einer Laienkommission vorlegt. Diese Leute machen das nicht hauptberuflich und treffen sich daher auch nicht täglich, was in der Pandemie zu weiteren Verzögerungen geführt hat.

Mit welchen Methoden führen Sie nun diese Freilandstudien durch?

 

! Bereits Ende April begannen die nächtlichen Beobachtungen und Zählungen mit Hilfe eines Wärmebildgerätes, zweimal pro Monat. Dann kam im Juli, August und September das besagte GPS-Tracking von insgesamt elf Kaninchen an jeweils zwei Nächten pro Monat hinzu – das Resultat waren insgesamt 56 erfolgreiche GPS-Tage. Dazu haben wir zunächst die Kaninchen mit Stellnetzen gefangen und ihnen dann das Halsband angelegt. Die Daten konnten dann später ohne Kontakt über Funk heruntergeladen werden. Anhand von digitalen Karten können wir nun das Bewegungsmuster und die Raumnutzung der besenderten Kaninchen exakt auswerten.

In diesen Nächten wurden außerdem, an ausgesuchten Grüns und Abschlägen, sogenannte Wildkameras installiert – Digitalkameras mit Infrarotblitz, die mittels eines Bewegungsmelder ausgelöst werden, wenn ein Tier vorbeiläuft. Diese Kameras dienten dazu, die Positionspunkte von den GPS-Halsbändern noch mit einer zweiten Methode zu verifizieren.

 

 

Da fallen ja eine ganze Reihe an Daten an, was passiert damit?

 

 

! Derzeit liegen die Beobachtungsergebnisse von insgesamt 43 Nächten im Zeitraum April bis September dieses Jahres vor. Auf allen sechs Golfplätzen zusammen haben wir gut 8.000 Beobachtungen von Kaninchen und 820 von Hasen gemacht. Bei weiteren 880 Beobachtungen waren die Tiere zu weit entfernt oder hinter Vegetation teilweise verborgen, sodass wir im Wärmebild nicht sicher sehen konnten, ob es Hasen oder Kaninchen waren. Darüber hinaus haben wir auch eine Anzahl weiterer Tierarten beobachtet. Da waren Igel, Füchse, Dachse, Rehe und natürlich diverse Kleinsäuger wie Rötelmäuse oder Waldmäuse. Auch Fledermäuse und Eulen konnten wir in den Nächten beobachten.

 

Die Daten der Hasen und Kaninchen werden nun genau ausgewertet. Die digitalen Karten haben wir schon angesprochen. Dazu kommen jetzt die Verhaltensbeobachtungen durch die Wärmebildgeräte. Unsere Feldbiologen habe die Tiere nicht nur gezählt, sondern jede Beobachtung einer Verhaltenskategorie wie z.B. Fressen, Ruhen etc. zugeordnet und auch die Struktur, also Abschlag, Grün, Spielbahnen oder Rough notiert.

 

Sie konnten ja in diesem Jahr erst verspätet beginnen, wie geht es jetzt weiter?

! Uns fehlen nun noch die GPS-Daten für das Frühjahr, also April bis Juni 2022. Dazu müssen wir Ende März noch einmal 11 Kaninchen fangen und besendern und die Daten zweimal monatlich mittels Antenne herunterladen. Am Ende fangen wir dann noch einmal, um den Tieren die Sender wieder abzunehmen. Anschließend werden alle Ergebnisse in einem schriftlichen Report zusammengefasst.

 

Lieber Herr Dr. Fülling, schönen Dank für Ihre Ausführungen zum Zwischenstand der Studie – wir freuen uns, wenn wir gegebenenfalls in Auszügen Endergebnisse veröffentlichen dürften.

 

Das Gespräch führte unsere Autorin Beate Licht | golfmanager 6/2021


Erfahrung bei der Mitwirkung an der Kaninchen-Studie

Morris Kother, Head-Greenkeeper Golfplatz Nieper Kuhlen

 

? Herr Kother, Ihrer Anlage war eine derer, die sich auf unseren Aufruf gemeldet hatte. Was waren Ihre bisherigen Erfahrungen?

 

! Ich kann nur Gutes berichten. Unsere Betreiberin hatte überhaupt keine Probleme mit der Studie und freut sich, wenn wir öffentlichkeitswirksam unsere schöne Anlage im Rahmen eines solchen Projektes präsentieren können. Das Spiel und die Pflege wurden in keinster Weise gestört. Die Golfer zeigten sich sehr aufgeschlossen und erkundigten sich interessiert nach den Vorgängen auf dem Platz, also auch hier keinerlei Beschwerden. Es gab schon die Anfrage, ob die Studie im nächsten Jahr fortgesetzt/wiederholt werden könne und seitens Betreiber gab es diesbzgl. bereits grünes Licht.