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Von Misteln und Efeu

Werden unsere Laubbäume wintergrün?

Eigentlich ist es doch erfreulich, dass einige Laubbäume im Winter, wenn das buntgefärbte Herbstlaub heruntergefallen ist, auch noch grün sind. Ja, der Anblick mag schön sein, aber was bedeutet das für die Bäume, was ist die Ursache für das sonderbare, neue Erscheinungsbild?

 

Sieht man sich die Bäume etwas genauer an, dann wird deutlich, dass „fremde Wesen“ den Kronenraum erobert haben.

 


Da ist der Efeu, der an den Stämmen hinaufwächst (Abbildung 1) und sich in den Kronen etabliert, und wenn er sich lange Zeit entwickeln kann, den sogar Baum völlig überwächst, so dass nur noch die obersten Zweigspitzen herausschauen.

 

Da ist zum anderen die Mistel, die kugelige Gebilde entwickelt und hoch oben in den kahlen Kronen schwebt. Bei Schnee sind die Misteln gut zu erkennen, aber auch bei Sonnenschein vor dem strahlend blauen Himmel sind sie nicht zu übersehen (Abbildung 2).

 

Efeu und Mistel haben zwei ganz unterschiedliche Strategien, um in die Baumkronen zu gelangen. Diese sollen nun etwas genauer betrachtet werden.

Efeu, Hedera helix

Der Efeu (Hedera helix) klettert in die höchsten Baumkronen! Er hat schöne immergrüne Blätter mit drei bis fünf Lappen und markanter, gelber Nervatur. Erst wenn der Efeu genügend erstarkt ist, bildet er rautenförmige Blätter und beginnt zu blühen. Die Blüten sind klein, gelbgrün, fünfzählig und stehen in wenigzähligen Blütenständen (Abbildung 3). Sie bilden reichlich Nektar und werden deswegen von Bienen, Wespen aber auch Fliegen besucht und dabei bestäubt. Die sich entwickelnden kugelförmigen Früchte sind zunächst klein und grün, werden größer, färben sich im Laufe des Reifeprozesses dunkelrot, dann blauschwarz, bis sie schließlich ganz schwarz gefärbt sind (Abbildung 4). Im Inneren befinden sich braune Samen, die erst im Frühjahr – Februar bis April – reif werden. Die Früchte sind sehr beliebt bei Vögeln, wie beispielsweise bei Amsel, Drossel, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke und Star. Die Samen keimen, nachdem sie den Vogeldarm passiert haben, eine sehr effektive Ausbreitungsstrategie.

Wie kommt der Efeu in die Baumkronen?

Keimt ein Samenkorn im Boden, dann wächst der junge Spross zunächst auf der Bodenoberfläche. Er kann mit Hilfe der Wurzeln, die sich an den Sprossachsen entwickeln und im Boden wachsen, große Flächen besiedeln. Zudem ist er sehr anspruchslos und wächst vor allem an schattigen Standorten. Als „Bodendecker“ ist er bestens geeignet und wird deshalb von Gärtnern sehr geschätzt. Sobald er aber auf einen Baumstamm trifft, setzt er sein Wachstum in Richtung Baumkrone fort. Mit den Wurzeln, die sich an der Achse entwickeln, heftet sich der Efeuspross am Baumstamm an. Dies ist die Voraussetzung, dass der Efeu in die Baumkrone klettern kann. Die Versorgung der Efeupflanze mit Wasser erfolgt, selbst wenn er hoch in der Baumkrone angekommen ist, weiterhin durch das im Boden befindliche Wurzelsystem. Die am Spross befindlichen Wurzeln dienen nur als Halteorgane (Abbildung 5).

 

Was spricht gegen den Efeu?

In neuerer Zeit ist eine starke Ausbreitung des Efeus zu beobachten; wie in Abbildung 6, wächst er an manchen Standorten an fast allen Baumstämmen empor. Offensichtlich kommt er mit den klimatischen Gegebenheiten in unseren Städten gut zurecht. Deshalb ist er auch an anderen geeigneten „Kletterhilfen“, beispielsweise Gebäudefassaden, Mauern, Zäunen, Laternenpfählen häufig zu sehen (Abbildung 7). Auf Golfplätzen begrünt der Efeu mitunter Zäune und bildet mit Hilfe dieser Stütze eine dichte, grüne Hecke (Abbildung 8).

Im höheren Alter bildet der Efeu kräftige Achsen als Träger, die beinahe stammartige Formate haben, wie in Abbildung 9, wo er an einer Hausfassade hinaufgeklettert ist. Der Efeu umgibt das Gebäude wie ein schützender Mantel, denn seine Achsen können sich mit Hilfe der Kletterwurzeln an der Fassade festhalten. Dieser Efeu sieht dann wie ein Spalierobstbaum aus. Mit seinen dachziegelartig angeordneten Blättern schützt er das Mauerwerk vor Regen und starker Sonneneinstrahlung, zudem wirkt er temperaturausgleichend und bietet Vögeln Lebensraum. Dank der Haftwurzeln braucht er im Gegensatz zum Spalierobst kein Klettergerüst. Doch etwas Vorsicht ist geboten, denn bei verputzten Gebäudefassaden kann der Putz durch das zunehmende Gewicht des Efeus und die sich immer stärker entwickelnden Haftwurzeln Schaden nehmen und irgendwann abplatzen.

In Abbildung 10 hat der Efeu mit mehreren Achsen den Trägerbaum fast völlig umgeben. Wenn in diesem Falle der Efeu nicht entfernt wird, dann kann der Baumstamm nicht weiter in die Dicke wachsen und stirbt irgendwann ab. In diesem Fall kann der Efeu dank seiner kräftigen Achsen als selbständiger Baum weiterwachsen, ganz so, wie es in den Tropen bei Pflanzen verschiedenster Verwandtschaftskreise oft zu beobachten ist. Schließlich ist der Efeu der einzige Vertreter einer vorwiegend tropisch verbreiteten Familie, er gehört zu den Araliengewächsen, und hat sich mit dieser Wuchsstrategie – gewissermaßen als Reminiszenz an seine tropische Herkunft – höchst erfolgreich in unseren Breiten etabliert.

 

Doch bevor es dazu kommt, dass der Efeu den Baum völlig einhüllt, sollte er entfernt werden. Wird nur die Verbindung zur Wurzel gekappt, dann trocknet der Efeu in der Krone zwar ab, bleibt aber noch lange mit braunen Blättern erhalten; eine Zierde ist dieses Erscheinungsbild nicht. Zudem muss davon ausgegangen werden, dass sich der Efeu aus den im Boden verbliebenen Wurzeln und den Resten des Sprosssystems ziemlich schnell regeneriert und nach einigen Jahren in „alter Pracht“ zu sehen sein wird.

 

Unterbleibt die Entfernung des Efeus, dann wird er sich weiter entwickeln, bis schließlich die gesamte Krone eingehüllt ist, was im Endstadium das Todesurteil für den Baum bedeuten kann, denn ohne assimilierende Blätter kann der Baum nicht existieren, diese Situation wird als Lichtkonkurrenz bezeichnet. Außerdem nimmt das Gewicht des Efeus zu, so dass sogar Starkäste unter der Last des Efeus abbrechen können.

 

Efeu bei Baumkontrollen

Man könnte meinen, es sei nicht so schlimm, wenn der Baum von Efeu überwachsen ist; aber dem Baumeigentümer obliegt die Verkehrssicherungspflicht! Das bedeutet, dass die Bäume regelmäßig, gemäß der Baumkontrollrichtlinie zu kontrollieren sind. Das gilt insbesondere für Sportstätten, unter anderem Golfplätzen, die regelmäßig von Golfspielern aber auch Gästen besucht werden.

 

Der Efeu kann Teile des Baumes, die für die Beurteilung des Baumzustandes wichtig sind, mit einem dichten Mantel bedecken. Ist der Efeu so mächtig entwickelt, dass er nicht zur Seite geschoben werden kann, dann ergeben sich für den Baumkontrolleur große Probleme. Sind beispielsweise Stamm, Stammfuß, Vergabelungen, Zwiesel, Fruchtkörper holzzerstörender Pilze mit Efeu bedeckt, dann kann nicht einwandfrei festgestellt werden, ob sich Schäden und zwar welche unter dem Efeu befinden. In solchen Fällen muss der Baumkontrolleur den Grundstückseigentümer konsultieren, damit der Efeu entfernt wird. Erst dann kann er den Zustand des Baumes beurteilen. Wird die Entfernung des Efeus nicht erlaubt, dann endet die Kontrolle. Der Baumkontrolleur meldet Bedenken an, dass wegen des Efeubewuchses die Baumkontrolle nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann.

 

Drei Aspekte sind bei starkem Efeubewuchs zu beachten:

  1. Lichtkonkurrenz für den Baum
  2. Bruchgefahr wegen des Efeugewichtes und
  3. Schadsymptome können durch den Efeu verdeckt sein und bei Baumkontrollen übersehen werden.

 

Tipp

Efeuzweige mit ihren dekorativen dunkelgrünen Blättern und mit markanter gelber Nervatur, rotem Stiel und schwarzen Früchten, eignen sich hervorragend für herbstliche Gestecke und auch Kränze. Wie wäre es, die Efeubestände durch einen kräftigen Rückschnitt auf dem Golfplatz zu reduzieren, und die Ranken oder Zweige an Golfspieler zu verteilen, gewissermaßen als herbstlich-winterlichen Gruß.

 

Laubholz-Mistel, Viscum album

Die Laubholz-Mistel (Viscum album) ist ein weiterer Vertreter des Pflanzenreichs, der dafür sorgt, dass unsere im Winter blattlosen Laubbäume grün aussehen können. Die Mistel ist ein faszinierendes Gewächs und sicherlich das ungewöhnlichste, das in unserer Region vorkommt. Sie ist in den höchsten Baumkronen zu finden und schwebt dort oben, als sei sie von Geisterhand dort hochgetragen worden, eigentlich ganz schön anzusehen auf den blattlosen Pappeln im Winter am Rande eines Golfplatzes (Abbildung 11), aber ...

 

Wie kommt die Mistel in die Baumkronen und wovon lebt sie?

Sie gehört in die Gruppe der Halbschmarotzer, weil sie zwar mit eigenem Chlorophyll assimiliert – ihre Blätter sind olivgrün gefärbt –, aber sie muss die Leitungsbahnen des Wirtes anzapfen und Wasser mit den darin gelösten Nährsalzen aufnehmen, andernfalls würde sie „verdursten“. Im Gegensatz zum Efeu hat sie keinerlei Verbindung zum Erdreich, aus dem sie Feuchtigkeit aufnehmen könnte.

Die Mistel bildet jedes Jahr an allen Sprossenden ein Blattpaar. Ihre Blätter bleiben etwa zwei Jahre an der Pflanze; sie stehen gegenständig, sind von lederartiger Konsistenz und haben eine bandförmige Gestalt (Abbildung 12). In den Wintermonaten sind unter den Bäumen oftmals abgefallene Mistel-Blätter zu finden.

 

Die Blüten sind klein und gelblich gefärbt. Sie stehen in wenigzähligen Blütenständen. Es finden sich jeweils nur männliche oder weibliche Blüten auf einer Pflanze, die Misteln sind demnach zweihäusig. Die Blüten haben keinen Schauapparat, der Insekten anlocken könnte, die männlichen Blüten verströmen einen angenehmen Geruch nach Äpfeln oder Orangen. Die weiblichen Blüten produzieren mehr Nektar und locken damit die Insekten zum Besuch der Blüten an. Als Bestäuber fungieren Ameisen, Bienen und vor allem Fliegen. Die Blütezeit ist relativ zeitig im Jahr, von März bis Mai. Da die Blüten sehr klein sind und die Misteln meistens hoch in den Baumkronen sitzen, werden sie kaum wahrgenommen.

Die Früchte sind schon eher zu erkennen, vor allem an Exemplaren, die weiter unten in der Baumkrone hängen. Sie sind gelblich oder weiß, rund und erinnern an eine Perle, aber auch an die Früchte der weißen Johannisbeere (Abbildung 12). Sie enthalten mehrere Samen, die von einem zähen, klebrig-schleimigen Fruchtfleisch umgeben sind. Die Früchte reifen von November bis März; ihre Samen sind nur kurze Zeit keimfähig. Durch einen viscinhaltigen Schleim können die Mistelsamen an einem Ast festkleben.

 

Da die Misteln keine Wurzeln haben, mit denen sie sich im Erdreich verankern, müssen sie ihre sogenannten Wirtsbäume „anzapfen“. Dazu bilden sie bei der Keimung zunächst eine kleine Haftscheibe, aus der sofort ein Saugfortsatz (Haustorium) in den Holzteil des Astes hineinwächst. Aus diesem Haustorium entsteht die Primärwurzel, an der sich im nächsten Jahr seitlich abgehende Wurzeln bilden. Diese wachsen in der Rinde des Wirtes und werden Rindenwurzeln genannt. Von diesen treiben neue zapfenförmige Senker in den Holzteil des Astes hinein, um dort das Wasser mit Nährsalzen zu entnehmen. Von diesen neuen Senkerwurzeln können Tochtersprosse ausgehen. Über die Jahre etabliert sich die Mistel im Ast und bildet ein üppiges Verzweigungssystem; dies kann als eine besonders raffinierte Strategie angesehen werden, die ein Leben fernab vom Erdreich auf einem speziellen Substrat – dem Holzkörper der Äste – ermöglicht. Eigentlich eine bemerkenswerte Entwicklung, die befallenen Bäume „sehen“ dies sicherlich ganz anders!

 

Als Wirtsbäume dienen vor allem Pappeln, Weiden, Linden, Eberesche, Birke, unsere einheimischen Ahorn-Arten aber auch Neophyten wie der Silberahorn und die Robinie. Unsere einheimischen Eichen werden nur selten besiedelt, die Rot-Buche dagegen gar nicht. Man muss wohl davon ausgehen, dass insbesondere Bäume mit geschwächter Vitalität von Misteln besiedelt werden. Nimmt der Mistelbesatz eines Baumes weiter zu, dann führt dies letztendlich zu neuen Vitalitätsverlusten. In Verbindung mit Trockenstress und Nährstoffmangel verstärkt sich die Stresssituation für den Baum immer mehr.

 

Wie erfolgt die Ausbreitung der Misteln?

Bei der Ausbreitung verlässt sich die Mistel vor allem auf die Vögel. Dabei werden zweierlei Ausbreitungsstrategien verfolgt: Erstens durch die sogenannte Verdauungsausbreitung, bei der die unversehrten Samen ausgeschieden werden und zwar durch Mistel- und Wachholderdrossel, aber auch durch die Mönchsgrasmücke. Zweitens auch durch die Klebverbreitung, bei der die Vögel die klebrige Masse der Früchte zusammen mit den Samen vom Schnabel an Zweigen abstreifen. Die Keimung erfolgt bei jeder der beiden Ausbreitungsarten unverzüglich. Die Keimlinge sind Lichtkeimer, zunächst bildet sich eine Haftscheibe, aus der sofort ein Saugfortsatz in den Zweig hineinwächst. Die Zweige müssen noch jung sein und eine dünne Rinde haben.

 

Wie erfolgreich die Ausbreitung durch Vögel ist, lässt sich sehr leicht beobachten. Meistens sind die ersten Misteln in der Baumspitze zu finden, nach einiger Zeit sind auch an darunter stehenden Zweigen Misteln zu sehen, bis schließlich die gesamte Baumkrone mit Misteln besetzt ist (Abbildung 16). Der Befall verdichtet sich außerdem, weil die von oben herabfallenden Früchte aufgrund ihrer Klebrigkeit an tiefer stehenden Ästen haften bleiben und keimen können.

 

Hat sich erst einmal die Mistel mit mehreren Individuen in einer Baumkrone etabliert, dann dauert es nicht lange, bis auch in den benachbarten Bäumen Misteln zu sehen sind. Abbildung 11 zeigt mehrere Bäume, in deren Baumkronen bereits Misteln wachsen, allerdings in unterschiedlicher Anzahl.

 

Nun könnte man meinen, da die Mistel mit Hilfe ihrer grünen Blätter assimilieren kann, wird sie wohl dem Baum nicht besonders schaden. Das klingt zunächst einmal überzeugend. Da jedoch die Misteln den Bäumen – vor allem wenn sie in Vielzahl vorhanden sind – sehr viel Wasser entziehen, können die befallenen Äste absterben.

 

Zeigt der Baum einen reichen Mistelbesatz, wie die Linde in Abbildung 13, dann biegen sich die Äste wegen des Gewichtes der Misteln zunächst bis sie schließlich brechen; früher oder später sterben dann aber die Bäume ganz ab.

 

Was tun bei Misteln in der Krone?

Misteln stehen in einigen Bundesländern unter Naturschutz, dort dürfen sie nicht entfernt werden, es sei denn, das Umweltamt erteilt nach Prüfung des Antrages eine Genehmigung zur Entfernung der Misteln. Allerdings sollte ein solcher Antrag im Frühstadium gestellt werden, bevor die Schädigung des Baumes zu weit fortgeschritten ist. Da sich die Mistel in manchen Gegenden stark vermehrt und immer die Gefahr besteht, dass sie auch die Nachbarbäume befällt, darf man auf eine Genehmigung hoffen. Auf jeden Fall sollte die jeweilige Rechtslage geklärt werden.

 

Liegt eine Genehmigung zur Entfernung der Misteln vor, so sollten diese umgehend und fachgerecht entfernt werden. Dabei soll zehn Zentimeter unterhalb der Ansatzstelle der Ast geschnitten werden. Bei mittelstarkem Befall muss mit großer Sicherheit eine Wiederholung der Maßnahme erfolgen, da nach etwa zwei Jahren aus den im Ast verbliebenen Senkerwurzeln ein neuer Austrieb erfolgen kann.

 

Nur wenn konsequent gehandelt wird, besteht die Hoffnung, das Mistelaufkommen einzuschränken!

Inzwischen ist wohl allgemein anerkannt, dass sich von befallenen Bäumen ausgehend der Infektionsdruck auf die benachbarten stark erhöht. Diese Bäume dienen als sogenannte „Samenspender“ und stellen somit eine Gefahr für die Nachbarbäume dar. Das führt dazu, dass in manchen Städten die Misteln von Mitarbeitern der Grünflächenämter aus stark befallenen Straßenbäumen heraus geschnitten werden.

 

Die Unterschutzstellung der Misteln in einzelnen Bundesländern vor vielen Jahren ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie um die Weihnachtszeit in größeren Mengen in Blumenläden angeboten wurden. Offenbar wurde befürchtet, dass sich aus der Annahme, Misteln seien Glücksbringer, eine ernsthafte Gefährdung der Mistelbestände ergeben könnte. Heute scheint sich die Situation deutlich geändert zu haben, denn Bäume wie in Abbildung 14 sind in manchen Gegenden keine Seltenheit.

 

Jedes Jahr zur Weihnachtszeit hängen vor allem in England über den Türen Mistelzweige und sich küssende Pärchen stehen darunter. Es heißt wohl, dass diejenigen Pärchen, die sich unterm Mistelzweig küssen, ein Leben lang zusammen bleiben.

 

Wie wäre es, wenn die im Greenkeeping Beschäftigten die Misteln in der Vorweihnachtszeit aus den Bäumen des Golfplatzes herausschnitten und diese ihrem Präsidenten/in und den Golfspielern mit dem Hinweis auf die Tradition, wie sie von England bekannt ist und wohl auch bei uns gelegentlich praktiziert wird, überreichen?

 

Gibt es eine Erklärung für die starke Ausbreitung?

Durch die große Fruchtproduktion ist die Mistel im Winterhalbjahr eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel. Damit verbunden ist eine weite Ausbreitung, die sich bei weiterer Vermehrung der Misteln von Jahr zu Jahr steigern wird.

 

Zudem bilden die Rindenwurzeln bei erstarkten Misteln Wurzelsprosse, die zu einer starken Vergrößerung der Mistel-Verzweigungssysteme führen (Abbildung 15). In solchen Fällen sind die Misteln nicht mehr kugelförmig, sondern besiedeln größere Areale auf den Ästen des Wirtsbaumes mit entsprechend zahlreichen Früchten.

Möglicherweise wird durch die Klimaerwärmung und dem damit verbundenem Trockenstress und Vitalitätsverlusten die Besiedlung unserer Laubbäume für die Misteln begünstigt. Vor allem Bäume – wie Birke (Abbildung 16) – hier sind die noch kugelförmigen Mistel fast gleichmäßig über die Krone verteilt – Pappel, Linde, Silberahorn, Robinien haben oftmals einen reichen Mistelbesatz.

 

Mitunter sind auf dem Boden olivgrüne, bandförmige Blätter zu finden und man wundert sich, wo diese wohl herkommen, denn ein Blick nach oben sagt, ich stehe unter beispielsweise einer Linde. Sind die Laubbäume noch belaubt und vital, dann sind die Misteln in der Krone nicht auf den ersten Blick zu erkennen (Abbildung 17), nur an der dunkleren Farbe lassen sie sich jedoch zwischen den Zweigen identifizieren. Bei der Birke in Abbildung 18 fällt bereits auf, dass die Vitalität des Baumes nachlässt – die Beblätterung ist sehr schütter, deshalb sind die Misteln deutlich zu sehen.

Insbesondere in den Herbstmonaten sind unter mit Misteln befallenen Bäumen in großer Zahl die Mistelblätter und sogar Sprossstücke mit weißen beerenartigen Früchten zu finden (Abbildung 19). Die Mistelblätter sind dicklich, bis zu fünf Zentimeter lang, haben fünf hellgrüne Nerven und stehen zu zweit am Spross. Zwar gilt die Mistel als immergrün, jedoch fallen, wenn neue Blätter gebildet werden, ältere ab. Die unscheinbaren, gelblichgrünen Blütenstände, noch im Knospenstadium, stehen an der Spitze des neu gebildeten Triebes. Am vorjährigen Spross stehen die weißen Beerenfrüchte, meistens in Dreizahl. Die Beeren zeigen an der Spitze eine kleine Narbe, die vom längst abgefallenen Griffel stammt und vier weitere, im Kreis stehend, die von den Kronblättern herrühren. Die weißen Beeren entwickeln sich aus zwei verwachsenen Fruchtblättern und enthalten zwei Samen. Diese sind aber nur kurze Zeit keimfähig.

An einigen Stellen, in Städten aber auch auf Golfplätzen, ist der Mistelbefall so stark, dass die Bäume nicht mehr zu retten sind. Bleiben sie stehen, dann stellen sie weiterhin eine große Gefahr als Samenspender dar. Dies führt dazu, dass in kurzer Zeit alle Bäume in der Nachbarschaft befallen werden.

 

Die beiden hier vorgestellten Pflanzen-Arten – der Efeu und die Mistel – haben ganz unterschiedliche Strategien entwickelt, um sich an Stellen zu etablieren, wo sie fernab von jeder Konkurrenz wachsen können.

 

Efeu und Mistel stellen, jede Art für sich genommen, aufgrund ihrer geschilderten Eigenschaften für den jeweiligen Baum eine Belastung dar. Es gibt aber auch Bäume, die sowohl vom Efeu als auch von der Mistel besiedelt sind. Abbildung 20 zeigt die Besiedlung durch Efeu und Mistel bei einer Robinie.

 

Wenn Bäume mit „Doppelbesatz“ erhalten werden sollen, dann muss schnell gehandelt werden, denn wenn sich beide, Efeu und Mistel, zunehmend etablieren, sind die Bäume langfristig gesehen nicht in der Lage zu überleben. Ein erster Schritt wäre die Entfernung der Mistel in der Weihnachtszeit, siehe oben. Im nächsten Schritt sollte der Efeu heraus geholt werden.

 

 

Autorin: Dr. Isolde Hagemann | Greenkeepers Journal 04/2013

 

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