Wetting Agents (Teil 1)
Versprechen und Realität
Die Auswahl des Surfactants
Die frühe Surfactant (= Netzmittel) Chemie entwickelte vor allem einfache, nicht ionische Verbindungen, um die Infiltrationsprobleme und Trockenstellen, die im Rasen auftreten, zu beheben. Der Vorteil dieser nicht ionischen Verbindungen besteht darin, dass sie keine Ionen ausbilden und somit ungeladen sind. Hohe Gehalte an Kalzium, Magnesium (hartes Wasser) oder Eisenionen im Wasser haben keinen Einfluss. Auch ein niedriger pH-Wert des verwendeten Wassers bei der Applikation schadet nicht. Daneben gibt es auch anionische und kationische Verbindungen. Anionische Wetting Agents bilden am hydrophilen Teil negative Ionen aus, kationische Wetting Agents dagegen positive Ionen. Beide Formen werden durch komplementäre Ionen und dem pH-Wert des Wassers beeinflusst. Sollte in der Gebrauchsanweisung ein Vermerk zu finden sein, der auf eine Beeinflussung durch hartes Wasser oder den pH-Wert hinweist, so handelt es sich um eine ionische Verbindung aus älterer Chemie.
Das erste und wichtigste Anliegen bei der Wahl eines Wetting Agents ist die Sicherheit des Rasens. Für die Rasenpflege sollte man ein nicht ionische Surfactant wählen, vorzugsweise aus der Klasse der Block-Copolymere. Man sollte Abstand nehmen von Produkten, die anionische Surfactants enthalten, denn diese können phytotoxisch sein und sie haben zudem ein schlechtes Rückstandsverhalten im Boden. Anionische Produkte kann man bei der Überprüfung der Labels oder Sicherheitsdatenblätter an den Worten Sulfat, Sulfonat, Carboxylat, Natrium oder Ammonium erkennen.
Andere differenzierende Faktoren zwischen der wachsenden Anzahl an verfügbaren Produkten ist heutzutage die Menge an Informationen, die der Anbieter in seinen Produktbeschreibungen zu belegen hat. Während einige Firmen offizielle Forschung zur Evaluierung der Sicherheit und Effektivität ihrer Produkte betreiben, gibt es andererseits eine ziemliche Anzahl solcher, die ihre Produkte mit keiner oder nur unzureichender Forschung auf den Markt bringen. Aufgrund des Mangels an behördlichen Vorgaben/Regulation bei diesen Produkten trifft den Käufer die Verantwortung zu differenzieren zwischen guter Chemie mit adäquater Forschung, und den Anbietern, die lediglich Behauptungen über die Wirksamkeit aufstellen, ohne dass sie diese mit entsprechenden Daten unterstützen können. Fragen Sie ihren Anbieter nach Informationsmaterial und Produktbeschreibungen zu einem bestimmten Produkt. Ein seriöser Anbieter von Wetting Agents stellt die nötigen Produktinformationen bereit, die sowohl die Ergebnisse von Laborforschung als auch von Feldversuchen beinhalten. Informationen, die auf wiederholbaren Versuchen beruhen, und die von unabhängigen Forschungsinstitutionen durchgeführt wurden, sind am aussagekräftigsten. Die Produktinformationen sollten zumindest einige Studien enthalten, vorzugsweise sowohl von der Labor- und Feldforschung, die Ihnen den Nachweis und die Sicherheit liefern, dass dieses besondere Produkt für Sie auch am besten ist. Sollten Sie diese Informationen nicht erhalten, so sollten Sie sehr misstrauisch hinsichtlich der Behauptungen über das Produkt sein. Auch Produkte, die schon bei der Applikation sehr große Wassermengen fordern, oder sofort nach der Applikation eingeregnet werden müssen, sind mit Vorsicht zu behandeln, denn diese strikten Anweisungen könnten auf eine Phytotoxizität des Produktes hindeuten.
Ab Mitte der 90er Jahre zeigte eine beträchtliche Anzahl an Forschungsergebnissen über Wetting Agents, dass einige Produkte und zwar speziell jene, die auf nicht-ionische Surafactants mit einer Formulierung aus Ethylenoxid–Propylenoxid (EO/PO) Block-Copolymere aufbauen (siehe Abbildung 6), besonders effektiv die Hydrophobie der Rasentragschicht und die Trockenstellen in den Griff bekommen. In einer umfangreichen zweijährigen Evaluierung, freundlicherweise unterstützt durch die „Golf Superintendents Association of America“ (GCSAA) und der „United States Golf Association“ (USGA), konnte gezeigt werden, dass die Produkte, die diese speziellen Block-Copolymere enthalten, am effektivsten waren. Heute sind die Produkte, die solche Verbindungen enthalten, die Norm in der Wetting Agents-Industrie.
Die Effizienz eines Wetting Agent lässt sich z.B. sehr gut über den „Water-Droplet-Penetration-Test“ ermitteln (Abbildung 1).
Dabei werden hydrophobe Rasentragschichten mit verschiedenen Wetting Agents in praxisüblicher Aufwandmenge behandelt. Auf die Bodenprofile aus diesen behandelten Rasentragschichten (RTS) werden Wassertropfen aufgetragen und die Zeit bis zum vollständigen Eindringen ermittelt. Derselbe Test kann auch verwendet werden, um zu prüfen, ob lediglich Wassermangel oder eine Hydrophobie bzw. sogenannte „Localized Dry Spots“ (LDS) für Trockenstellen verantwortlich sind. Beim Vorliegen einer Hydrophobie wird der aufgetragene Tropfen nur sehr langsam, wenn überhaupt in die RTS eindringen. Bei Wassermangel wird er sehr zeitnah von der RTS aufgesaugt werden.
Abbildung 2 zeigt exemplarisch ein Ergebnis aus der Studie der GCSAA-USGA Wetting Agent Evaluation aus dem Jahre 2004 für den Untersuchungsstandort Georgia. Die Unterschiede beim „Water-Droplet-Penetration-Test“ fielen zwischen den einzelnen getesteten Wetting Agents sehr unterschiedlich aus. Bei einigen Wetting Agents waren die Tropfen schon nach weniger als 25 Sekunden von der RTS aufgenommen worden, bei drei Produkten dauerte es teils mehr als 150 Sekunden; im Vergleich die Kontrolle mit ca. 220 Sekunden.
Wie beeinträchtigt Filz die Eigenschaften der Wetting Agents?
Angehäufter Filz kann sehr Wasser abstoßend sein, vor allem im trockenen Zustand. Bodenwasser-Hydrophobie ist gewöhnlich am meisten in den oberen Regionen der Rasentragschicht anzutreffen und deckt sich mit dem Bereich, der die höchste Konzentration an organischem Material und den höchsten Level an mikrobieller Aktivität enthält. Sowohl Filz und anderes organisches Material in dieser Region durchlaufen einen sich ständig wiederholenden Zyklus zwischen feucht und trocken, und es ist anzunehmen, dass die organischen Verbindungen unter diesen Umweltbedingungen ihre Struktur verändern – sie verlieren ihre Hydrathülle (Abbildung 3).
Durch diese kaum wahrnehmbaren strukturellen Veränderungen wird das organische Material mehr und mehr hydrophob. Sobald das organisches Material bis zu einem kritischen Feuchtigkeitsgehalt abtrocknet, ist dieser Vorgang nicht mehr reversibel und es ist auch durch Befeuchten nicht mehr benetzbar – wirft man einen total trockenen Torfballen in einen See, so schwimmt er noch nach einem Jahr auf der Oberfläche.
Wetting Agents können die Hydrophobie in diesem Bereich erfolgreich verringern. Man sollte jedoch bedenken, dass Wetting Agents kein Ersatz für ein Belüftungs- und gutes Filzmanagement sind. Verzichtet man auf ein gutes und nachhaltiges Filzmanagement, so können sich die Probleme mit der Hydrophobie verschärfen, und falls Wetting Agents als einzige Pflegemaßnahme empfohlen wird, kann dies mit der Zeit zu einem trockenen, aber wieder befeuchtbaren Filz führen, mit allen seinen Problemen (z.B. Refugium für Pilzkrankheiten).
Schließen sich Aerifizieren und Wetting Agents gegenseitig aus?
Aerifizieren ist ein entscheidender Baustein des Pflegeprogramms von organischem Material der Rasentragschicht, und es spielt eine entscheidende Rolle, um Filz zu kontrollieren. Allerdings ist vorheriges Aerifizieren keine Voraussetzung für eine Wetting Agent Anwendung. Wenn das Topdressing und Aerifizieren zeitlich zusammenfallen, so erholt sich die Rasennarbe nach Aussage von Green-keepern viel schneller, wenn nach dem Topdressing eine Wetting Agent Anwendung erfolgte. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass beim Topdressing z.B. feuergetrockneter Sand verwendet wird, der durch diesen Prozess hydrophob wurde und somit eine oben aufliegende, hydrophobe Schicht ausbildet. Wie oben schon ausgeführt, genügen wenige Partikel im Boden, um ihn hydrophob werden zu lassen. Durch eine nachfolgende Behandlung mit einem Wetting Agent kann diese Gefahr umgangen werden.
Leaching-Verhalten von Fungiziden auf Rasentragschichten in Verbindung mit Wetting Agents
nzwischen liegen einige neuere wissenschaftliche Publikationen vor, die belegen, dass der Austrag von Nährstoffen und PSM in die Drainschicht (Leaching) durch bestimmte Zumischungen in die Rasentragschicht sowie durch Applikation von Wetting Agents deutlich minimiert werden kann. Dieser Aspekt ist insbesondere für die Sandaufbauten der Rasentragschichten von Grüns und Abschlägen interessant.
Untersuchungen an der Universität von Florida und Wageningen konnten den Beleg dafür erbringen, dass bei der Anwendung von Wetting Agents die dem Grün zugeführten Nährstoffe besser ausgenutzt werden und sich die Qualität der Rasennarbe deutlich verbesserte. Dabei zeigte sich, dass Surfactants (Wetting Agents) die hydrophobe Oberfläche der Bodenpartikel aufrauen und benetzbar machen.
Norwegische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass durch die Zufuhr von Torf und/oder Wetting Agents nicht nur der Austrag an Stickstoff, sondern auch an Fungiziden (Propiconazol, Azoxystrobin) um bis 90% verringert werden kann (Tabelle 1). Von Stickstoff wurden insgesamt umgerechnet 262 kg N pro ha ausgebracht. Von den Fungiziden wurden 0,6 kg Azoxystrobin und 0,373 kg Propiconazol a.i./ha ausgebracht (in Deutschland dürfen nur 0,25 kg Azoxystrobin a.i./ha ausgebracht werden).
Zu denselben Befunden kamen auch Wissenschaftler in Schweden. Sie verglichen ein reines Sandgemisch mit nur 0,4% organischem Material (RS) mit einem „GreenMix“ (Sandgemisch mit Torf und Oberboden). Die Nährstoffgehalte waren im GreenMix deutlich besser als im reinen Sand (Tabelle 2). Vor allem erhöhte sich die Kationenaustauschkapazität, die ein wichtiger Faktor für das Sorptionsverhalten der verschiedenen Substanzen ist.
Allein der GreenMix konnte das Leaching-Verhalten der angewandten Fungizide im Vergleich zum reinen Sand deutlich verbessern, von 0,092% der applizierten Wirkstoffmenge beim Sand auf 0,00004% beim GreenMix.
Am Department of Soil Sciences in Schweden konnte gezeigt werden, wie wichtig organische Anteile in der Rasentragschicht in Bezug auf das Leaching-Verhalten von Fungiziden sind. Am Beispiel von Iprodion, das im Boden aufgrund einer guten Biodegradation in der Anfangsphase eine Halbwertszeit von 17 h besitzt, konnten aufgezeigt werden, welche Bedeutung der organische Anteil in der Rasentragschicht hat. Der Abbau von Iprodion verlangsamte sich wohl, weil es von den organischen Bodenteilen sorbiert wurde. Dadurch erhöhte sich nach fünf Tagen die Halbwertszeit auf bis zu 38 Tage. Aus diesen Messungen konnten die schwedischen Wissenschaftler ein Modell und eine Risikoabschätzung ableiten, denn in Schweden ist die prophylaktische Anwendung eines Fungizides zur Schneeschimmelbekämpfung unerlässlich. Die Sorption des Iprodions an die organische Substanz im Boden darf nicht negativ betrachtet werden, denn sie verursacht eine Immobilität des Wirkstoffes, und die dadurch bedingte Erhöhung der Halbwertszeit gewährleistet eine ausreichende Wirkdauer des Produkts auf den Erreger.
Dies alles funktioniert aber nur, wenn ein gewisser Feuchtigkeitsgehalt im Boden garantiert ist, und wenn die organischen Anteile im Boden durch Austrocknung keine strukturellen Veränderungen erfahren. Bei Hydrophobie der organischen Anteile im Boden findet auch keine Anlagerung von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln an diese Bodenteile statt. Außerdem führen hydrophobe Böden, wie wir wissen, zu einem Fingerflow, über den überproportional große Anteil an Regen- wie Beregnungswasser über Spalten und grobporige Bereiche dem Grundwasserleiter bzw. der Drainschicht zugeführt werden (Abbildung 4), während dazwischen liegende Bereiche nur unzureichend oder gar nicht benetzt werden. Durch Wetting Agent erreichen wir, dass der Boden in der Lage ist, das Wasser gleichmäßig über den gesamten Horizont aufzunehmen, der Wurzelzone zuzuführen und nicht ungeordnet abfließen zu lassen, und dass die Nährstoffe und Pflanzenschutzmittel wieder in der oberen Zone sorbiert werden. Der Verlust an Wasser, aber auch von Dünger und PSM, wird dadurch deutlich minimiert.
Zusammenfassung – was bringt die Zukunft?
In den letzten Jahren erschienen neue Entwicklungen auf dem Surfactant Markt für Rasen. Eine neue Surfactant Chemie wurde entwickelt und patentiert (Revolution, ein Block-Copolymere), die zu einem anderen Verhalten beim Wasserfluss durch das Profil der Wurzelzone führte. Dies ist bei der Vielzahl an Surfactants durchaus erstaunlich, denn das letzte Patent, das auf ein Wetting Agent ausgestellt wurde, war in den 1950ern.
Diese neue Chemie hilft den Greenkeepern, die Hydrophobie und andere Wasser relevante Probleme nicht nur zu beheben, sondern ihnen auch vorzubeugen, bevor sie entstehen. Wetting Agent sind einzigartige Pflegeprodukte, die
- dazu genützt werden können, eine hohe Rasenqualität aufrecht zu erhalten,
- helfen Trockenstellen (LDS) zu vermeiden,
- nachweislich zu Wasserersparnis führen und die Bewässerungseffizienz erhöhen,
- überschüssiges Wasser in die Drainschicht überführen und Staunässe vermeiden,
- die zu einem reduzierten Nährstoff- und Fungizid-Leaching führen (z.B. bessere Stickstoffausnutzung sowie geringere Auswaschung, ebenso bei Fungiziden mit Verlängerung der Wirkungsdauer), und damit das Potenzial an Schadstoffaustrag ins Drainwasser reduzieren.
Falls all diese Ansprüche zutreffen, revolutionieren diese neuen aktuellen Technologien den Wetting Agent Markt, denn sie geben den Greenkeepern Hilfsmittel an die Hand, mit denen sie tatsächlich die Bewässerungsintervalle strecken und optimale Verhältnisse im Boden schaffen können. Dabei können sie sich auf die entsprechenden Forschungsergebnisse stützen, um diese Ansprüche abzusichern, denn aktuelle Forschung an wissenschaftlichen, unabhängigen Einrichtungen bestätigt diese Effekte, ebenso wie die positive Beeinflussung der Bespielbarkeit der Rasennarbe, die Verfügbarkeit der Nährstoffe und der Pflanzengesundheit. Wetting Agent sind keine „Quacksalber Produkte“ mehr. Sie sind aus dem modernen Greenkeeping mit seinen hohen Anforderungen nicht mehr wegzudenken.
Stanley J. Kostka, Director of Technology & Innovation, Aquatrols USA
und Gerhard Lung, Institut Dr. Lung, Stuttgart
Stand: Greenkeepers Journal 2/2012