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Kampf dem CO2

Golfanlagen – Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel

Die aktuellen Klima-Analysen und Wetterberichte sind eine Gemengelage des Grauens. Wertvolle Verbündete im Ringen mit dem Killer Kohlendioxid sind Golfanlagen. Zwei besondere Beispiele. 

 

„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, durch des Frühlings holden, belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück“ jubelte Johann Wolfgang von Goethe in seinem „Osterspaziergang“. Angesichts der Dystopien dieser Tage und einer aktuellen Kakophonie von Hiobs- und Horrorbotschaften könnte der Dichterfürst nicht weiter daneben liegen.

 

Pünktlich zum Beginn des kalendarischen Frühlingsanfangs am 20. März präsentierte der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) den Synthesebericht des jetzt zu Ende gehenden sechsten Berichtszyklus – den aktuellen Lagebericht zur Erderwärmung. Tags darauf veröffentlichten der Deutsche Wetterdienst (DWD) im Rahmen einer Klima-Pressekonferenz den Klimastatusbericht sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Person des zuständigen Ministers Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) die Waldzustandserhebung.

 

Pandorabüchse des Klimakollapses

In Kürze: Die Pandorabüchse des Klimakollapses steht offen. Ob sie sich überhaupt je wieder schließen lässt, erscheint angesichts der systemischen Apathie in aller Welt fraglicher denn je. Ausnahmen wie die Schweiz, Ecuador und Bolivien, die sich nachhaltige Entwicklung in die Verfassung geschrieben haben, bestätigen allenfalls die Regel.

 

Nur am Rande erwähnt sei, dass am 01. Januar 2016 die von 192 Staaten unterzeichnete „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ in Kraft getreten ist, die bei den Vereinten Nationen (United Nations, UN) in New York von Regierungen und Zivilgesellschaften unter wissenschaftlicher Begleitung entwickelt worden war. Als „Weltverfassung der Nachhaltigkeit“, gar als „Weltzukunftsvertrag“ verpflichtet sie zu einer umfassenden und globalen Transformation, „die alle Lebensbereiche berühren muss, wenn sie erfolgreich sein will.“ (Konrad-Adenauer-Stiftung)

 

„Leben auf der Erde wird gefährlicher“

Stattdessen liest sich der IPCC-Bericht wie ein Stephen-King-Schocker, den die Deutsche Presse Agentur (dpa) so zusammenfasste: „Der Klimawandel beschleunigt sich, Folgen wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren häufen sich und werden extremer. […] Wenn die Regierungen der Welt die klimaschädlichen Emissionen nicht noch in diesem Jahrzehnt drastisch senken, wird das Leben auf der Erde für kommende Generationen unberechenbarer und gefährlicher.“

 

Für den DWD ist die Flutkatastrophe von 2021 an der Ahr mittlerweile exemplarisch. In den nächsten Jahren müsse in ganz Deutschland mit mehr Starkregen aufgrund des Klimawandels gerechnet werden, betonte Tobias Fuchs, Leiter des Bereichs Klima und Umwelt, anlässlich der Klima-Pressekonferenz.

 

Folgt ein weiterer ­Brutalo-Sommer?

Und im Wald herrscht Ausnahmezustand. Ob Nadel- oder Laubbaum: Nur einer von fünf Bäumen ist gesund, jeder dritte Baum ist schwer krank. Regionale Hitzewellen, maximale Sonnenstunden, ausgetrocknete Böden mit wenig pflanzenverfügbarem Wasser und zunehmend absinkende Grundwasserspiegel zählt der Naturschutzbund Deutschland (NABU) auf: „Den Wäldern in Deutschland geht es so schlecht wie nie zuvor“, resümierte Präsident Jörg-Andreas Krüger. Von den 4.300 Hektar Wald gar nicht zu reden, der im vergangenen Jahr Bränden zum Opfer fiel, die mittlerweile selbst Wohngebiete bedrohen. „Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht“, sagte Minister Özdemir.

 

2022 war es in Deutschland zum zwölften Mal in Folge zu warm – mehr als ein Grad wärmer als im Jahr 2018, dem Rekordhalter bis dato, und 2,3 Grad wärmer als im Vieljahresmittel. Im ZDF sprach Andreas Becker, Leiter der Abteilung Klimaüberwachung des Deutschen Wetterdienstes, von Allzeitrekorden: „Wir hatten 2022 bereits ein Jahr, wie es die Klimamodelle erst ab 2050 als normal empfinden werden.“ Tendenz steigend.

 

Erde erwärmt sich noch schneller

Die Temperaturen im Januar 2023 lagen teilweise um 8,2 Grad über dem Durchschnitt. Dem zweitwärmsten Winter seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 und einem wetterchaotischen Frühjahr könnte ein weiterer Brutalo-Sommer folgen. Schon der März gebärdete sich mit Sommergewittern einerseits und heftigen Frösten andererseits wie das Klischee vom April. Alle Prognosen deuten auf hohe Temperaturen hin. Der DWD geht davon aus, dass es von Juni bis August 2023 besonders im Südosten von Deutschland heißer und trockener wird als in den Jahren 1991 bis 2020.

 

Sogar im 100-jährigen Kalender wird für den kommenden Sommer enorme Hitze vorhergesagt. Folgt man dem berühmten Dauer-Wetterbericht aus dem 17. Jahrhundert, so befinden wir uns aktuell in einem Marsjahr – und „das Marsjahr hat die heißesten Sommer überhaupt“, wird in dem Kalender behauptet. Was daraus folgt, ist klar: Hitzerekorde, Dürreperioden, austrocknende Wasserreservoire, maximal gestresste Flora und Fauna.

 

Die ökologische Wirkmacht der Golfplätze

Es ist eine Gemengelage des Grauens. Die Erde erwärmt sich schneller als ohnehin befürchtet. Deutschland ist aufgrund der Kontinentallage noch mal flotter dabei. Laut der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ist die Temperatur mit Beginn der Industrialisierung weltweit um 1,15 Grad angestiegen, hierzulande liegt das Plus bereits bei 1,7 Grad. „Es ist inzwischen unwahrscheinlich, dass wir das globale 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einhalten können. Selbst das 2-Grad-Ziel ist inzwischen stark gefährdet“, sagte DWD-Experte Becker. „Man kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, jedes weitere Zehntelgrad zu verhindern.“

 

Ergo, aufgeben gilt nicht. Hier kommt Golf ins Spiel. Und das Bewusstsein der Branche für deren Bedeutung im Spannungsbogen zwischen Freizeitwirtschaft und Nachhaltigkeits-Notwendigkeit. Golfplätze sind im Idealfall Refugien für Flora und Fauna, Rückzugsräume für Artenvielfalt, eine Aufwertung des kultivierten Naturraums. Grasnarbe und Vegetation reduzieren die Erosion des Bodens auf nicht mal ein Prozent, sie binden rund um den Globus Millionen Tonnen von Staub, produzieren statistisch gesehen pro 18-Löcher-Platz Sauerstoff für bis zu 7.000 Menschen. Dank ihrer ökologischen Wirkmacht sind die Anlagen wertvolle Verbündete im Ringen mit dem Klimakiller Kohlendioxid. Mit anderen Worten: Kampf dem CO2.

Volksfest Waste ­Management Phoenix Open

Was Dänemark auf Landesebene kann, nämlich klimafreundlichster Staat der Erde zu sein – gemäß Climate Change Performance Index (CCPI) der Klimaschutz-Organisationen Germanwatch und Climate Action Network sowie des Thinktanks New Climate Institute –, geht ebenso im Kleinen. Es gibt zwei Best Practices, die auf der Golf-Landkarte Modell stehen für eine drastische Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen. Neben Kohlendioxid sind das Methan, Lachgas sowie fluorierte Gase, beispielsweise Fluorkohlenwasserstoffe.

 

Eine Blaupause ist ausgerechnet die Volksfest-Veranstaltung Waste Management Phoenix Open (WMPO). Der Klassiker im Turnierkalender der PGA Tour für den professionellen Golfsport lockt alljährlich im Februar mehr als eine halbe Million Zuschauer in die Sonora-Wüste von Arizona. Schauplatz des Spektakels ist der Tournament Players Club (TPC) Scottsdale; die Anlage ist im Besitz der Tour und zählt zum TPC-Portfolio aus öffentlichen und privaten Plätzen.

Philosophie des Zero Waste

Mit dem 2010 gewonnenen Titelsponsor Waste Management, einem in Houston/Texas angesiedelten Konzern der Abfallwirtschaft, haben sich die PGA Tour und die Wohltätigkeitsorganisation The Thunderbirds aus Phoenix als Gastgeber den Claim „The Greenest Show on Grass“ auf die Fahne geschrieben und sich nach ISO20121 (International Organization for Standardization) zertifizieren lassen. Auf Basis dieser Norm lässt sich die gesamte Wertschöpfungskette eines Events in ökonomischer wie sozialer und umwelttechnischer Hinsicht nachhaltig ausrichten.

In Scottsdale ist das zuvorderst eine Zero-Waste-Philosophie. Sämtliche Abfälle werden recycelt, kompostiert, in Energie gewandelt oder wiederverwertet. Es werden ausschließlich Ökostrom und Biodiesel verwendet, das Brauchwasser wird aufbereitet und in den am Turniergelände vorbeifließenden Rio Verde eingeleitet. Das Baumaterial für Tribünen, Zelte etc. wird nachhaltig eingesetzt oder nach Veranstaltungsende an gemeinnützige Einrichtungen gespendet. Ebenso die übriggebliebenen Lebensmittel, zwölf Tonnen waren es 2022.

 

Mobilität als ­Herkulesaufgabe

Die WMPO wurde als erstes Golfturnier bei der Initiative Sports for Climate Action der Vereinten Nationen gelistet. Bis 2040 soll der ökologische Fußabdruck komplett auf Null gestellt werden. Solange leistet Titelsponsor Waste Management Ausgleichszahlungen an das größte und zudem gemeinnützige Windkraftprojekt der USA im Bundesstaat Utah.

 

Als Herkulesaufgabe erweist sich allerdings die Mobilität der Menschen. 2022 wurden für die WMPO 83.883,6 Megatonnen CO2 (MtCO2) ermittelt: 74.955 MtCO2 entfielen allein auf An- und Abreisen, 135,6 MtCO2 auf die Bewegungsprofile der Spieler. Dagegen ist die Kohlendioxid-Belastung durch die verwendeten Lebensmittel mit 135,6 MtCO2 ein Klacks.

 

Erster CO2-neutraler Golfclub der Erde

In der CO2-Bilanz des Sentosa Golf Club vor den Toren von Singapur ist die Mobilität von Mitgliedern und Gästen nicht erfasst. Dabei fliegen Letztere vielfach von überall ein. Gute CO2-Analysen berücksichtigen das. Beispielsweise der in Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Bayerischen Golfverband (BGV) entwickelte und vom Deutschen Golf Verband (DGV) unterstützte CO2-Golfrechner von myclimate. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Jedenfalls rühmt sich das splendide 36-Löcher-Ensemble auf der Freizeitinsel Sentosa trotzdem, der erste CO2-neutrale Golfclub der Welt zu sein. Bereits 2020 war man bei den World Golf Awards zur World’s Best Eco-Friendly Golf Facility gekürt worden und hatte sich gegen namhafte Mitbewerber wie den Ryder-Cup-Schauplatz Gleneagles oder Pinehursts ikonischen Platz No. 2 durchgesetzt.

 

Treibhausgas-­Nullnummer mit ­Geschmäckle

Doch selbst unbenommen der fehlenden Mobilitätskomponente hat die Treibhausgas-Nullnummer ein Geschmäckle. Bei allen Bemühungen um Nachhaltigkeit mussten General Manager Andrew Johns­ton und sein Team letztlich einen CO2-Überschuss loswerden. Das schafften sie durch eine moderne Form des mittelalterlichen Ablasshandels. Seit April 2021 wurde mit Unterstützung der Mitglieder für jede gespielte Runde ein Dollar beiseite gelegt und das Angesparte für den Erwerb von Emissionszertifikaten verwendet, die zum Ausstoß einer bestimmten Menge an Schadstoff über einen definierten Zeitraum berechtigen. Salopp formuliert: Man kauft sich ein grünes Gewissen. Das ist ein im Wortsinn handelsübliches, in der Europäischen Union oder in China eingesetztes Instrument der Umweltpolitik und damit legitim.

 

Die Zertifikate für den Sentosa Golf Club beziehen sich auf den Cordillera Azul-Nationalpark in Peru und das Katingan Mentaya-Projekt in Indonesien. Es geht um Wiederaufforstung und den Erhalt von 665 lokalen Arbeitsplätzen beziehungsweise um den Schutz von über 370.000 Hektar bewaldeter Torfsumpfflächen. 5.500 Tonnen CO2-Emissionen hat der Club sich damit gutschreiben lassen. Das soll die tatsächlichen Verdienste um die Emissionsreduktion und den Umweltschutz keineswegs schmälern.

 

Bioholzkohle und ­gefährdete Mangroven

2020 hat sich Sentosa wiederum als erster Golfclub des Planeten bei der Sports for Climate Action eingeschrieben und war der erste Golfclub in Asien, der im Greenkeeping Bioholzkohle als Düngemittel einsetzt. Die beiden Plätze werden von einem hochmodernen Beregnungssystem bewässert. Ein effizienter Maschinenpark ermöglicht der 75-köpfigen Belegschaft kleinteiliges Arbeiten, das vermeidet Ressourcenverschwendung. Die Carts laufen mit Lithium-Batterien. Lebensmittel- und Pflanzenabfälle werden kompostiert und in Dünger verwandelt. Zum Ökosystem gehören Otter, Pfauen, Langschwanzmakaken, sta­chellose Bienenvölker; die reichhaltige Vegetation begünstigt indigene Vögel und Zugvögel; in der Serapong Lagune zwischen den Bahnen vier und sechs gedeihen gefährdete Mangrovenarten, wie die auf der Roten Liste stehende Rhizophora Stylosa.

 

Der Club gehört überdies zum Sentosa Carbon Neutral Network, das sich um die Nachhaltigkeit auf dem knapp fünf Quadratkilometer großen Eiland kümmert. Einst war es britischer Militärstützpunkt und 2018 Schauplatz des Treffens zwischen dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un.

 

Bühne für Top-Turniere

Während der Sanierung von Sentosas ursprünglichem Tanjong Course im Jahr 2016 wurden außerdem 300 Baum- und Straucharten definiert und bewahrt. The New Tanjong ist ein tropischer Traum mit Blickachsen auf die Bucht von Singapur. Nummer eins freilich ist der 1984 eröffnete Serapong Course vor der Skyline der vom Fabelwesen Merlion behüteten Löwenstadt. Das Geläuf mit dem Hafen vis-à-vis und der markanten Silhouette des Resorts Marina Bay Sands in der Ferne, war Bühne für Top-Turniere wie die Singapore Open und die HSBC Women’s World Championship.

 

Der Sentosa Golf Club ist also arriviert wie engagiert. Selbst wenn nicht alles wirklich grün ist, was dort glanzvoll in ökologische Szene gesetzt wird, macht ihn das zu einem ziemlich guten Testimonial für Nachhaltigkeit und Klimaneutralität im Golf.

 

Autor:  Michael F. Basche | Greenkeepers Journal 1/2023


Rory McIlroys schlechtes Umweltgewissen

Die DP World Tour, vormals European Tour, hat sich im Oktober 2022 als weltweit erster Golf-Circuit ebenfalls der Initiative Sports für Climate Action der Vereinten Nationen und dem Race to Zero angeschlossen. Bis 2030 sollen alle CO2-Emissionen um 50 Prozent reduziert werden, bis 2040 will man klimaneutral sein.

 

Gerade für international agierende Sportligen mit wechselnden Gastspielstationen ist das eine massive Herausforderung, die den Energieaufwand bei Veranstaltungen ebenso betrifft wie das Speisen- und Getränkeangebot, alle Zulieferer, die Organisation und die Zuschauer sowie nicht zuletzt die Protagonisten. „Als globale Marke haben wir eine klare Verantwortung“, sagte CEO Keith Pelley. „Unsere eingegangene Verpflichtung zeigt, dass wir das sehr ernst nehmen.“

 

Zudem hat sich mit dem vierfachen Majorsieger Rory McIlroy schon mal ein Aktiver zur Klimaschädlichkeit seines Reisebetriebs und zu einer finanziellen Kompensation der diesbezüglichen CO2-Emissionen bekannt. Marcel Siem arbeitet gleichermaßen an der Klimaneutralität als Golf-Professional und hat sich mit einem Unternehmen zusammengetan, um seinen ökologischen Fußabdruck zu messen und möglichst deutlich zu reduzieren.