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Eine Symbiose für den Artenschutz

Golf und die Bienen

Fast 70 Prozent der Lebensräume sind in schlechtem Zustand, da werden Golf­anlagen zu Refugien. Ein Betrachtung zum Weltbienentag.

 

Am 20. Mai ist alljährlich Weltbienentag. 2023 zum sechsten Mal, seit die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2018 den Termin zum „World Bee Day“ ernannt hat. Doch das Bienensterben nimmt immer mehr zu. Und was als berühmtes Zitat fälschlicherweise Albert Einstein zugeschrieben wird, ist nicht weniger richtig, nur weil der Satz tatsächlich vom belgischen Schriftsteller Maurice Materlinck stammt: „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen.“ So hat es Materlinck in seinem Buch „Das Leben der Bienen“ sinngemäß formuliert.

 

Hier kommen die Golfplätze als Lebens- und Wirkräume für Maja, Willi und Artgenossen ins Spiel. Zumal generell 70 Prozent der in Deutschland lebenden Insektenarten und Schmetterlinge bedroht sind. So jedenfalls steht es im „Bericht zur Lage der Natur“, den das Bundesumweltministerium alle sechs Jahre veröffentlicht, letztmals 2020. Es fehlt an geeigneten Ökosystemen, aus Sicht des Artenschutzes sind 32 Prozent in unzureichendem und 37 Prozent in schlechtem Zustand. Seinerzeit. Die Situation ist nicht besser geworden.

 

Bienen freut das Rough

Dass ökologisch gut geführte Golfanlagen hingegen wahre Refugien für Flora und Fauna sind, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein, kann aber nicht oft genug wiederholt werden. Mit einer bewusst bewahrten oder angelegten Vegetationsvielfalt – Blüh-/Mager- sowie Streuobstwiesen, Hecken, Büschen, Totholzbereichen – und natürlich den unvermeidlichen Insektenhotels als augenfälligste Fördermaßnahme, kann der Golfplatz zum Naturparadies werden, immerhin sind  in aller Regel nur 40 Prozent der Fläche wirklich im Spiel. Gerade die Bienen freut’s.

 

Wer bei Google die Kombination „Golf“ und „Biene“ eintippt, erhält rund 3,1 Millionen Treffer. Es scheint, als seien beide Begriffe beinahe symbiotisch. Den rund 990.000 in Deutschland existierenden Völkern der Honigbiene (Deutscher Imkerbund, 2022) stehen 729 Golfanlagen gegenüber. Und im Sinne des Artenschutzes muss das wohl auch so sein. Überall im Rough oder am Rand der Wiesen sind Bienenkästen aufgestellt, die gelb-schwarzen Vielflieger summen und sammeln in Millionenstärke – Golfplatzbienen und Golfplatzhonig sind zum Markenzeichen geworden.

 

Bereicherung der Lebensqualität

Ein Bienen-„Paradies“ braucht Pflanzen wie Klee, Dill, Serradella, Luzerne, Sommerwicke, Ringelblume, Sonnenblume, Erbse, Lupine und vor allem Phacelia, die umgangssprachlich nicht von ungefähr „Bienenfreund“ genannt wird. Dazu sorgende Hände des Imkers. Die von Horst Kämpfer beispielsweise. Der Elektro-Ingenieur und Berufsschullehrer im hochaktiven Unruhestand sowie Golfer lebt im thüringischen Saalborn am Rand des Spa & GolfResort Weimarer Land und widmet sich seit über 20 Jahren der artgerechten Bienenhaltung und -zucht; sein Garten mit Stöcken für plusminus 40 Bienenvölker grenzt fast ans neunte Loch des Goethe Course. „Meine Lebensqualität hat um ein Mehrhundertfaches zugenommen“, sagt Kämpfer. „Wer sich um Bienen kümmert, hat plötzlich zu tun mit genauem Hingucken: Wie sehen Landschaften aus, wie werden Lebensmittel erzeugt, all diese Dinge.“

Das wichtigste Nutztier der Menschheit

Kämpfers „Zöglinge“ streifen durch die Lindenstadt Blankenhain an der Thüringer Porzellanstraße: mal „schnuppern“, ob in den Bäumen schon was zu holen ist. Oder durch die alten Buchen- und Fichtenwälder rund um Saalborn, einem knapp 300-Seelen-Ort mit einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert und einer Eibe, die als größte Thüringens gilt. Oder über die sanft hügeligen Streuobstwiesen des Spa & GolfResorts. Am besten aber gleich hier, im direkt ans Kämpfer’sche Grundstück grenzenden Habitat, hinter dessen Gartenzaun einst Goethe wanderte.

Honigbienen sind das wichtigste Nutztier der Menschheit, heißt es beim Umweltinstitut München. Zurecht. Bienen bestäuben 80 Prozent unserer Nutzpflanzen und viele Wildpflanzen. Und bescheren den essenziellen Bestandteil des beliebten Honigbrots. Doch Zivilisationsstress, intensive Landwirtschaft und zuvorderst der Klimawandel haben ein vor Jahrmillionen angeschobenes Ökosystem zwischen Blühpflanzen und den effizientesten Bestäubern der Welt nachhaltig gestört.

 

Superorganismus wird zum Massen-Masttier

Freilich, „Nutztier“ ist ein hässliches Wort. Es verweist auf die Kehrseite der Medaille. Die heißt Profitstreben: Der Mensch hat den Superorganismus Bienenvolk manipuliert, agiert hier ebenfalls wie ein Massen- und Masttierhalter. Beschneidet der Königin die Flügel, um den Schwarmtrieb zu verhindern oder kreuzt per künstlicher Befruchtung der Königin mit Spermien besonders guter Drohnen, um immer neue Generationen von Hochleistungs-Honigbienen zu erzeugen.

 

Die Steigerung des Wahnsinns findet sich in den USA, wo es den klassischen Imker fast nicht mehr gibt, sondern Riesenanlagen mit 50.000 bis 100.000 Völkern. Bienenkisten werden auf Sattelzügen durchs Land gekarrt und für Bestäubungsleistungen geordert. Die Tiere würden das nicht überstehen, wären sie nicht mit Zuckerlösung, Pollen und Medikamenten vollgepumpt. Imkeridylle ist irgendwie anders.

 

Monokulturen, Insektizide und Klimawandel

Der World Wildlife Fund Deutschland beziffert die Anzahl der Bienenarten auf mehr als 560 (Stand: 2019), über die Hälfte ist vom Aussterben bedroht. Die Gründe sind bekannt: Monokulturen, Äcker voller Insektizide, eingeschleppte Milben und Viren. Varroa Destructor beispielsweise: eine zwei Millimeter winzige flügelfressende Milbe, die den Honigbienen und ihren wilden Artgenossen das Leben zur Hölle macht. Der Parasit gilt als bedeutsamster Bienenschädling, importiert im Zuge der Globalisierung, nachdem der Mensch die asiatische mit der europäischen Biene gekreuzt hatte. Oder die „Amerikanische Faulbrut“, gegen deren Sporen nur Verbrennen des Volks hilft.

 

Dazu kommen die klimatischen Anomalien mit nicht mehr wirklichen Wintern, die die Zyklen des Bienenjahres ebenfalls verschieben, inzwischen um rund vier Wochen: „Ein milder Januar und eine zu früh erwachende Natur bewirken, dass die Arbeiterinnen ihr neu angelegtes Nest für die Nachkommen vorzeitig auflösen, weil sie an den frischen Nektar der Blüten wollen. Es gibt aber noch keinen“, verdeutlicht Horst Kämpfer. Oder anders: Die biologische Uhr ist komplett verstellt, die Bienen schwirren im Wortsinn fruchtlos durch die Gegend. Wenn dann die Jahreszeit passt, machen die wenigen verbliebenen Bienen allenfalls staubige Beute, weil in den Hitzesommern der Nektar in den Blütenpollen vertrocknet.


Die Typologie der Biene

Die Honigbiene (Apis mellifera) gehört wie Wildbienen innerhalb der Insektenordnung der Hautflügler zur Familie der Echten Bienen (lateinisch: Apidae). Es werden 6.035 Arten in 172 Gattungen definiert, auch Hummeln beispielsweise gehören dazu. Mit anderen Hautflüglern wie Wespen summieren diese sich weltweit auf über 20.000 Arten. Im Gegensatz zu den staatenbildenden Honigproduzenten sind Wildbienen überwiegend scheue Einzelgängerinnen und leben nicht in einem Stock, sondern solitär, bauen indes Nester für die Aufzucht ihres Nachwuchses. Bei den meisten Arten werden die Individuen bis zu sechs Wochen alt und wiegen nur wenige Milligramm. Während seines Lebenszyklus baut das Weibchen zwischen vier und 30 Brutzellen –  stets eine nach der anderen –, in denen sie die Larven versorgt.

Schlimmster Widersacher ist der Mensch

Die natürlichen Feinde der Wildbiene sind Vögel, Wespen, Hornissen und Spinnen, schlimmster Widersacher aber ist der Mensch: durch den Klimawandel insgesamt, ebenso durch die Kultivierung und Zerstörung von Lebensraum. In gemähten Wiesen finden Wildbienen keine Nahrung mehr; wenn Alt- oder Totholz entfernt werden, verliert die Wildbiene Schutzräume für ihre Brutzellen beziehungsweise werden diese mit dem Holz gehäckselt oder verbrannt.

 

Der Deutsche Golf Verband (DGV) und die Deutsche Wildtier Stiftung (www.deutscheWildtierstiftung.de) haben sich für ein Pilotprojekt der hoch bedrohten Insekten zusammengetan; die teilnehmenden Golfclubs schaffen auf ihren Anlagen praktische Lösungen, um den Bestand der wichtigen Bestäuber wenigstens in ihrem Bereich zu sichern.


„Fleißige“ und „faule“ Honigbienen

Mittlerweile wird jedes vierte Glas Honig importiert. Laut Deutschem Imkerbund vor allem aus Mexiko, Argentinien und Rumänien, da hierzulande gerade 20 Prozent des Bedarfs hergestellt werden. Ein Grund neben der Arbeitsintensität: 95 Prozent der rund 150.000 deutschen Imker sind Freizeit­imker.

 

Bei Horst Kämpfer pendelt der Ertrag je nach „fleißigen“ oder „faulen“ Bienen zwischen 80 und 100 oder 30 bis 35 Kilogramm pro Volk. Macht 2.000 bis 3.000 Gläser und 30 Waben in 40 mal 20 Zentimeter großen Holzrahmen. „Unsere Bienen führen ein Leben, das wir nur beeinflussen, wenn es ihrer Gesundheit dient. Die Idee ist: Sie sollen autark sein und ihre Ruhe haben.“

 

Bienen erzeugen Honig, indem sie Blütennektar und Honigtau (die Ausscheidungen verschiedener Blatt-, Schild-, Baumläuse) im Darm einlagern und in mehreren Schritten verarbeiten: mit weiteren Stoffen vermischen, mehrfach umlagern, in Wabenzellen austragen, fächeln („trockenföhnen“) und Wasser verdunsten, da es im Bienenstock warm und luftfeucht ist. Am Ende verschließen sie den Honig mit einem Wachsdeckel aus der Wachsdrüse an ihrem Hinterleib, dem „Kaugummi“ der Steinzeit.

 

Bienenwesen ist kein ­Honigschlecken

Ein Bienenvolk kann bis zu 150.000 Angehörige haben und 20 bis 100 Kilo Honig pro Jahr produzieren. Ein Honigschlecken ist das Bienenwesen dennoch nicht. Vielmehr harte Arbeit, die verantwortungsbewusste Imker wie Horst Kämpfer im Frühjahr zwölf Stunden am Tag auf Trab hält, um die Stöcke zu pflegen oder sich bildende Völker wieder einzufangen, und bis in den August tägliche Betreuung der Bienenkisten erfordert. Alsbald beginnt das kräftezehrende Ausschleudern der Waben. Vor den Genuss haben die Honiggötter bekanntlich den Schweiß gesetzt.

Honig besteht nicht zuletzt aus Glukose und Fruktose. Zuckersirup allerdings gleichermaßen. Es gibt „flüssiges Gold“, so der indogermanische Wortstamm für Honig, das diesen Namen nicht verdient, weil nicht eine Biene beteiligt war. „Beyond Honey“ sozusagen: Mit etwas Hokuspokus aus den Chemielabors der Nahrungsmittelindustrie sieht auch Zuckerzeug aus wie Honig. Bloß der Geschmack … Wer echten und ehrlichen, hygienisch einwandfrei gewonnenen Honig vom Imker des Vertrauens gekostet hat, weiß wovon die Rede ist.

 

Zum Schluss bleibt niemandem diese Wiederholung erspart: Die Biene ist unser ökologischer Gradmesser. Wenn sie stirbt, stirbt der Mensch.

 

Autor: Michael F. Basche | Greenkeepers Journal 1/2023


Tipps vom Imker

… Horst Kämpfer zum Honig-Echtheitstest ohne Labor:

 

  1. Auf einen halben Teelöffel Honig fünf Tropfen Jod geben. Bei grauer, fleischfarbener oder rötlichblauer Färbung ist der Honig mit Milchprodukten gestreckt.
  2. Einen halben Teelöffel Honig mit einem Teelöffel Wasser verrühren und 15 ccm Brennspiritus hinzugeben. Bei milchig-trüber Veränderung ist Honig mit Sirup gestreckt.

 

Wundermittel Propolis

Es ist braungelb, harzartig, aromatisch im Geruch, nicht so sehr im Geschmack, und wirkt unter anderem antibiotisch – Propolis, der Kittharz, mit dem sich die Bienen in ihrer feuchtwarmen Behausung gegen Krankheiten schützen. Als natürliches Penicillin wirkt es auch beim Menschen: fördert die Wundheilung, hemmt Entzündungen und bringt traditionell Erkältungen zum Verschwinden.