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Hornissen und Golfer in friedlicher Koexistenz

GC Memmingen mit Wespen-Brut- und Beobachtungskasten

Anm. d. Red.: Der nachfolgende Beitrag wurde über Christian Montén, Clubmanager GC Memmingen Gut Westerhart, und Autor Jürgen Rasemann für das Greenkeepers Journal  eingereicht. Der Beitrag erschien als Erstveröffentlichung im Golfmagazin für die Allgäuer Zeitung in Kempten Anfang April 2022.

„So, jetzt müssen die Hornissen nur noch in ihr neues Zuhause einziehen“, sagt Jan-Erik Ahlborn und steigt von der langen Aluleiter. In luftiger Höhe hat er soeben einen Brutkasten für Hornissen an einem abgestorbenen Baum auf dem Gelände des Golfclubs Memmingen Gut Westerhart angebracht. „Die Zusammenarbeit mit den Betreibern einer Golfanlage ist für meine Frau Bettina und mich ein neues Feld“, sagt Jan-Erik Ahlborn. Der Wespenschützer wäre sehr erfreut, wenn andere Golfplätze dem Beispiel folgen würden. Der gelernte Schädlingsbekämpfer aus Mindelheim bezeichnet die größte bei uns lebende Wespenart liebevoll als „friedliche Holzhaus-Baumeister“, vor denen niemand Angst haben müsse. „Ein friedliches Zusammenleben zwischen Hornissen und Menschen ist möglich“, versichert der 46-Jährige. Das sahen Mitglieder und Gäste des Golfclubs im Jahre 2021 allerdings anders. In der Hütte, an der sich ein Ballautomat befindet, hatten sich Hornissen eingenistet und für Angst unter den Golfern gesorgt. „Um den Tieren künftig eine Ausweichmöglichkeit zu geben, haben wir in Zusammenarbeit mit Herrn Ahlborn beschlossen, zwei Brutkästen hoch oben in den Bäumen aufzuhängen und einen Beobachtungskasten für Hornissen aufzustellen“, erklärt Clubmanager Christian Montén. Der Schaukasten gibt Interessierten die Möglichkeit, Hornissen beim Bau und Betrieb ihres Nestes gefahrlos zu beobachten. Die Beobachtungsstation wird in der Nähe der Bienenkästen aufgestellt und kann über den öffentlichen Wanderweg in Richtung Abschlag 7 erreicht werden. Die neuen „Wohnungen“ für die Hornissen haben Bettina und Jan-Erik Ahlborn in der heimischen Garage zusammengezimmert.

Das Ehepaar liebt alles, was summt und brummt, besonders Hornissen. „Leider haben große Wespen keine Lobby bei uns. Bis in die 70-er Jahre standen sie am Rand der Ausrottung “, sagt Ahlborn. Die Hysterie vor den Hornissen hat seiner Meinung nach viel mit Vorurteilen zu tun. Wer kennt nicht den Satz „Sieben Stiche töten ein Pferd, drei einen Menschen.“ Dieser alte Spruch geistert noch in vielen Köpfen herum, ist aber falsch, so Ahlborn. Hornissen sehen gefährlich aus, seien aber meistens harmlos. „Die großen Brummer ergreifen lieber die Flucht als sich mit dem Menschen anzulegen – es sei denn, dieser kommt dem Hornissennest zu nahe.“

 

Ein ausgebildeter Schädlingsbekämpfer der Wespen und Hornissen schützt, wie passt das zusammen? „Schwer verständlich, ich weiß“, sagt der 46-Jährige. Nach seiner Zeit bei der Bundeswehr musste er sich beruflich neu orientieren und sei auf diesen Beruf gestoßen. Eines Tages bekam er den Auftrag, ein kleines Feldwespenvolk auszuräuchern. „Die Tiere nahmen ihren Tod ohne Gegenwehr entgegen“, erzählt Ahlborn. Nach der Aktion sei bei ihm der Groschen gefallen. „Was machst du Trottel da?“, habe er sich gefragt. Weil ihm die Tiere so leid taten, wurde Ahlborn „vom Saulus zum Paulus“.

 

Er kaufte sich Fachliteratur über Wespen, las sich ein, besuchte 2007 in der 540 Kilometer entfernten Hansestadt Wipperführth Kurse über Natur- und Wespenschutz. Mit Peter Tauchert von der „Aktion Wespenschutz“ fand er einen neuen Lehrmeister. „Bub, dich richt’ ich“, waren dessen Worte zur Begrüßung. Das ist Tauchert offensichtlich gelungen, denn Ahlborn hat seinen Job als ausgebildeter Schädlingsbekämpfer 2011 an den Nagel gehängt. Heute arbeitet er in Vollzeit als Hausmeister beim Landkreis Unterallgäu.

Die Freizeit von Bettina und Jan-Erik Ahlborn gehört nach wie vor den dicken Brummern: Das Ehepaar hat sich mit Leib und Seele dem Schutz von heimischen sozialen Wespenarten, von Wildbienen, der heimischen Hummeln und den Waldameisen verschrieben. Seit nunmehr 15 Jahren arbeiten sie nebenberuflich als Naturpädagogen. Sie sind Referenten für Wespenberater, zugelassene Umsetzer und Heger.


2017 wurde das Team mit dem deutschen und bayerischen Tierschutzpreis ausgezeichnet. „Wir sind schon ein bisschen verrückt in unserem Bestreben für den Wespenschutz“, versichern beide.

Übrigens: Der Bayerische Rundfunk hat die Wandlung im Leben von Jan-Erik Ahlborn und das gemeinsame Engagement mit seiner Frau in der Sendereihe „Lebenslinien“ festgehalten. Der Film wird voraussichtlich im Juli ausgestrahlt.

 

Autor: Jürgen Rasemann | Greenkeepers Journal 2/2022

 

Weitere Informationen zu Wespen und Hornissen finden Sie im Internet unter www.landratsamt-unterallgaeu.de/buergerservice/natur-und-umwelt/artenschutz. Jan-Erik Ahlborn ist für Fragen unter E-Mail: ahlborn@hornissenberater.de erreichbar.

 

(Anm. d. Red.: Die Golfanlage Memmingen ist in vielerlei Hinsicht engagiert im Umweltschutz, so ist sie GOLF&NATUR-zertifiziert und als Teilnehmer des Blühpaktes Bayern als „Blühender Golfplatz“ ausgezeichnet.)

 

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